Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält bei der Gewährung der Grundsteuervergünstigung nach dem II. WoBauG an dem in seinem Gutachten III D 1/57 S vom 4. Juli 1958 (BStBl 1958 III S. 362, Slg. Bd. 67 S. 229) dargestellten Grundsatz der Erstarrung des im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der Wohnungen maßgebenden Steuermeßbetrags fest.
Werden auf einem Grundstück begünstigte Wohnungen geschaffen und werden noch während des für diese Wohnungen laufenden Vergünstigungszeitraums die bisher zu gewerblichen Zwecken genutzten restlichen Räume des Gebäudes in begünstigte Wohnungen umgewandelt, so erstarrt für die durch Umwandlung gewerblicher Räume geschaffenen Wohnungen nach § 91 Abs. 1 Satz 1 des II. WoBauG der Steuermeßbetrag, der im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der zuerst geschaffenen begünstigten Wohnungen maßgebend war.
Im Rechtsmittelverfahren, in dem nur der Umfang der Grundsteuervergünstigung für im Jahre 1958 neu geschaffene steuerbegünstigte Wohnungen streitig ist, kann das Finanzgericht auch nur darüber entscheiden, auf welchen Betrag der Steuermeßbetrag zum 1. Januar 1959 festzusetzen ist.
Normenkette
2-WoBauG 92
Tatbestand
Streitig ist die Frage, welcher Steuermeßbetrag bei Umwandlung von gewerblich genutzten Räumen zu Wohnraum erstarrt, wenn bereits vor dieser Umwandlung steuerbegünstigte Wohnungen geschaffen worden sind, für die der zehnjährige Vergünstigungszeitraum noch nicht abgelaufen ist.
Der Bg. erwarb im Jahre 1953 ein völlig zerstörtes Mietwohngrundstück, dessen Einheitswert zum 21. Juni 1948 auf 7.300 DM fortgeschrieben und dessen Grundsteuermeßbetrag auf 73 DM (10 v. T. von 7.300 DM) neu veranlagt worden waren. Das Grundstück wurde dem Bg. auf den 1. Januar 1954 zugerechnet. Er baute es im Jahre 1956 wieder auf und errichtete in dem Gebäude elf Wohnungen und im Erdgeschoß gewerbliche Räume mit einer Gesamtfläche von 45 qm. Der Einheitswert des Grundstücks wurde zum 1. Januar 1957 auf 81.800 DM fortgeschrieben. Für sämtliche Wohnungen wurde auf Grund einer dem Finanzamt eingereichten Bescheinigung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 des Ersten Wohnungsbaugesetzes (I. WoBauG) eine Grundsteuervergünstigung nach § 7 Abs. 1 des I. WoBauG auf die Dauer von zehn Jahren, und zwar mit Wirkung vom 1. April 1957 bis zum 31. März 1967 gewährt. Dementsprechend wurde der Grundsteuermeßbetrag auf 128,96 DM festgesetzt. Dieser Steuermeßbetrag erfaßt den Teil des Grundstücks, der schon vor der Errichtung der Wohnungen vorhanden war (73 DM), und den ebenfalls nicht begünstigten neu errichteten gewerblichen Teil (55,96 DM). Der festgesetzte Steuermeßbetrag wurde nach den Anordnungen in Abschn. 12 Abs. 2 der Verwaltungsanordnung über die Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz vom 30. Juni 1951 - VA-I. WoBauG - (Bundesanzeiger - BAnz - 1951 Nr. 126; BStBl 1951 I S. 238) errechnet.
Durch Schreiben vom 31. Dezember 1958 teilte der Bg. dem Finanzamt mit, die Nutzung des Grundstücks im Erdgeschoß zu gewerblichen Zwecken habe im Oktober 1958 geendet. Nach Umbauarbeiten sei auch dieser Teil ab 1. November 1958 als Wohnung vermietet. Ein Antrag auf "Grundsteuerbefreiung" sei bei der Stadt eingereicht worden. Es werde gebeten, "die Nutzungsänderung und die geringere Jahresbruttomiete zu berücksichtigen". Diese Wohnung wurde als steuerbegünstigte Wohnung nach den §§ 82 und 83 des II. WoBauG anerkannt. Der Anerkennungsbescheid ging beim Finanzamt im Januar 1959 ein. Das Finanzamt teilte dem Bg. mit, die Nutzungsänderung und die dadurch bedingte Ermäßigung der Jahresrohmiete führten zu keiner Wertfortschreibung des Einheitswerts, weil der neue Wert nicht um mehr als den zehnten Teil von dem auf den 1. Januar 1957 festgestellten Einheitswert abweiche (ß 22 Abs. 1 Ziff. 1 BewG). Da die gewerblichen Räume unter wesentlichem Bauaufwand in Wohnraum umgewandelt worden seien, bestehe für diesen Wohnraum zwar ein selbständiger Anspruch auf Grundsteuervergünstigung. Die Grundsteuervergünstigung bestehe aber nach § 92 Abs. 1 des II. WoBauG darin, daß die Grundsteuer nur nach dem Steuermeßbetrag erhoben werden dürfe, der vor Schaffung der begünstigten Wohnungen maßgebend gewesen sei. Dies sei der zuletzt festgesetzte Steuermeßbetrag von 128,96 DM. Dieser Steuermeßbetrag müsse deshalb erstarren und sei weiter für die Grundsteuer zugrunde zu legen. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht setzte den Grundsteuermeßbetrag zum 1. Januar 1959 auf 73 DM, zum 1. Januar 1967 auf 405,73 DM und zum 1. Januar 1968 auf 512,64 DM fest. Zur Begründung wurde im wesentlichen folgendes ausgeführt: Auf Grund des Anerkennungsbescheids sei davon auszugehen, daß für das Grundstück eine am 1. November 1958 bezugsfertig gewordene steuerbegünstigte Wohnung dadurch hinzugekommen sei, daß durch die unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umwandlung von Räumen, die nach ihrer Ausstattung bisher nur für eine Nutzung zu anderen als Wohnzwecken geeignet waren, Wohnraum geschaffen worden sei (ß 17 Abs. 1 Satz 1 des II. WoBauG). Die das Gericht bindende Anerkennung der umgebauten Räume als begünstigte Wohnung führe zu einer neuen Veranlagung (Fortschreibung) des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1959, da die Wohnung am 1. November 1958 bezugsfertig geworden sei. Für diese Veranlagung sei § 92 des II. WoBauG maßgebend. Danach sei für die Einbeziehung dieser Wohnung in die Vergünstigung nicht erforderlich, daß auf den Stichtag der Neuveranlagung auch ein Einheitswert festgestellt wurde, der die Fortschreibung des Meßbetrags notwendig mache. Der Meßbetrag könne fortgeschrieben werden, auch wenn der Einheitswert unverändert bleibe. Die Berücksichtigung der Vergünstigung hänge nicht davon ab, daß der Einheitswert des Grundstücks, auf dem sich die begünstigte Wohnung befinde, entsprechend fortzuschreiben sei. Für das Verfahren über die Gewährung der Grundsteuervergünstigung sei die Bindung des Grundsteuermeßbetragsverfahrens an das Einheitswertverfahren so lange aufgehoben, als eine Vergünstigung nach § 92 des II. WoBauG zu gewähren sei; denn nach § 92 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG seien die §§ 13 und 14 GrStG und § 225 a AO nicht anzuwenden (Hinweis auf Ziff. II b des Gutachtens des Bundesfinanzhofs III D 1/57 S vom 4. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 362, Slg. Bd. 67 S. 229). Entgegen der Auffassung des Finanzamts sei nicht der Steuermeßbetrag anzusetzen, in dem der Meßbetragsanteil enthalten sei, der auf die bisher nicht zu Wohnzwecken verwendbaren, nicht begünstigten Räume entfalle - 128,96 DM -. Der Ansatz dieses Betrags entspreche nicht dem II. WoBauG. Dieses Gesetz spreche sowohl in § 92 Abs. 1 Satz 1 als auch in § 92 Abs. 2 Satz 2 - gemeint ist wohl § 92 Abs. 3 Satz 2 - ausschließlich von dem Steuermeßbetrag, der maßgebend war, bevor begünstigte Wohnungen geschaffen worden sind. Dieser betrage 73 DM. Dieser Meßbetrag sei maßgebend bis zum Ablauf der Grundsteuervergünstigung für die elf Wohnungen im Jahre 1967. Infolge der Anpassung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr sei der Steuermeßbetrag zum 1. Januar 1967 (gültig vom 1. Januar 1967 bis zum 31. Dezember 1967) unter Berücksichtigung des Wegfalls der Grundsteuervergünstigung für die elf Wohnungen mit Ablauf des 31. März 1967 und unter Berücksichtigung der Grundsteuervergünstigung für die durch Umwandlung gewerblicher Räume geschaffene Wohnung in entsprechender Anwendung von § 94 Abs. 5 des II. WoBauG in der Fassung von Art. IV Ziff. 4 des Gesetzes zur änderung grundsteuerlicher Vorschriften vom 12. April 1961 (BGBl 1961 I S. 425) auf 405,73 DM neu zu veranlagen. Der Steuermeßbetrag auf den 1. Januar 1968 sei auf 516,64 DM festzusetzen.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Durch § 92 Abs. 1 des II. WoBauG in Verbindung mit Abschn. 15 der Verwaltungsanordnung über die Anerkennung steuerbegünstigter Wohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz sowie über die Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz des Bundes - VA - II. WoBauG - (BAnz 1961 Nr. 166, BStBl 1961 I S. 665) sei die ausnahmslose Erstarrung des im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der steuerbegünstigten Wohnungen maßgebenden Steuermeßbetrags angeordnet worden. Die Auslegung des Gesetzestextes des § 92 Abs. 1 des II. WoBauG durch das Finanzgericht stehe deshalb im Gegensatz zu der mit dieser Vorschrift gegebenen Anordnung. Der Auffassung, daß das II. WoBauG nicht die Erstarrung eines Steuermeßbetrags vorsehe, der sich unter Berücksichtigung einer bereits ausgesprochenen Grundsteuervergünstigung ergeben habe, könne nicht gefolgt werden. Wenn das Finanzgericht die Umwandlung der Gewerberäume in Wohnräume als steuerbegünstigte Neuschaffung einer Wohnung anerkenne (ß 17 Abs. 1 Satz 1 des II. WoBauG), so müsse auch die ausnahmslose Erstarrung des Steuermeßbetrags anerkannt werden, der im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit dieser steuerbegünstigten Wohnung maßgebend gewesen sei, gleichgültig ob sich die Erstarrung zum Nachteil oder Vorteil des Grundstückseigentümers auswirke. Die in der Einspruchsentscheidung vertretene Auffassung werde aufrechterhalten. Auch sei die Festsetzung der Steuermeßbeträge für die einzelnen Vergünstigungszeiträume nicht möglich. Nach Abschn. 19 der VA-II. WoBauG sei bei der Veranlagung des Steuermeßbetrags zwar auf den Vergünstigungszeitraum hinzuweisen. Es könne aber nicht im voraus entschieden werden, für welchen Zeitraum der neue Steuermeßbetrag Geltung habe, sondern lediglich ab welchem Zeitpunkt er wirksam werde. Ferner könne eine Neuveranlagung des Steuermeßbetrags auf den 1. Januar 1967 und den 1. Januar 1968 nicht schon jetzt, sondern in sinngemäßer Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs III 102/59 U vom 15. September 1961 (BStBl 1962 III S. 4, Slg. Bd. 74 S. 6) erst nach dem 1. Januar 1967 bzw. 1. Januar 1968 durchgeführt werden.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
I. - Die Wohnung, für die der Umfang der Grundsteuervergünstigung streitig ist, wurde durch die im Jahre 1958 durchgeführte Umwandlung von gewerblichen Räumen gewonnen. Die Vorinstanz ging zutreffend davon aus, daß die Grundsteuerbegünstigung für diese Wohnung nach den Vorschriften des II. WoBauG zu beurteilen ist, weil sie aus neugeschaffenem Wohnraum besteht, der nach dem 30. Juni 1956 bezugsfertig geworden ist und gemäß den §§ 82 und 83 des II. WoBauG als steuerbegünstigt anerkannt wurde. Die Grundsteuervergünstigung wird für neugeschaffenen Wohnraum gewährt (ß 92 Abs. 1 des II. WoBauG). Neugeschaffener Wohnraum ist auch der Wohnraum, der durch eine unter wesentliche Bauaufwand durchgeführte Umwandlung von Räumen, die nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung anderen als Wohnzwecken dienten, geschaffen worden ist (§§ 2 Abs. 1, 17 Abs. 1 des II. WoBauG). Daß es sich bei der streitigen Wohnung um neugeschaffenen Wohnraum handelt und die Wohnung auch steuerbegünstigt ist, wurde von der zuständigen Stelle durch den Anerkennungsbescheid vom 15. Januar 1959 festgestellt (ß 83 des II. WoBauG). Dieser Anerkennungsbescheid ist gemäß § 93 Abs. 2 des II. WoBauG im Verfahren über die Gewährung der Grundsteuervergünstigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bindend und unterliegt nicht der Nachprüfung durch die Finanzgerichte.
II. - Rechtsgrundlage für den Umfang der Grundsteuervergünstigung ist § 92 des II. WoBauG. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift darf für Grundstücke mit neugeschaffenen begünstigten Wohnungen die Grundsteuer auf die Dauer von zehn Jahren nur nach dem Steuermeßbetrag erhoben werden, der maßgebend war, bevor die begünstigten Wohnungen geschaffen worden sind. Die Vorschriften der §§ 13 und 14 GrStG und des § 225 a AO sind insoweit nicht anzuwenden. Im I. WoBauG war die entsprechende Vorschrift in § 7 so gefaßt, daß die Grundsteuer nur nach dem Steuermeßbetrag erhoben werden darf, in dem die neugeschaffenen Wohnungen nicht berücksichtigt sind. Aus dieser Fassung ergaben sich erhebliche Zweifel und Meinungsverschiedenheiten, mit denen sich auch der erkennende Senat in mehreren Entscheidungen befaßt hat (vgl. u. a. Urteile des Bundesfinanzhofs III 102/55 S und III 166/54 S, beide vom 18. November 1955, BStBl 1956 III S. 8 bzw. S. 10, Slg. Bd. 62 S. 19 bzw. S. 24; III 222/57 U vom 18. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 364, Slg. Bd. 67 S. 235). In diesen Entscheidungen wurde die Vorschrift des § 7 Abs. 1 des I. WoBauG so ausgelegt, daß sie grundsätzlich eine Erstarrung des bisherigen - vor der Bezugsfertigkeit der neugeschaffenen Wohnungen - maßgebenden Steuermeßbetrags enthalte. Allerdings solle der Grundsatz der Erstarrung nur für den Regelfall gelten. In den Fällen, in denen an dem Steuergegenstand außer durch Neubau, Wiederaufbau usw. noch weitere Veränderungen eingetreten seien, könne die Erstarrung nicht gelten. Außerdem solle der Grundsatz der Erstarrung nicht ausschließen, etwaige notwendige Korrekturen am Steuermeßbetrag anzubringen; bei diesen Korrekturen könne es sich aber nur um solche handeln, die ohne Aufrollung von Bewertungsfragen möglich seien. Die sich trotzdem immer wieder ergebenden Meinungsverschiedenheiten veranlaßten den Gesetzgeber, den Umfang der Grundsteuervergünstigung in § 92 Abs. 1 des II. WoBauG eindeutig festzulegen. Der schriftliche Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen (Gesetzentwurf - Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, 1953, zu Drucksache 2270) führt zu § 92 (dort noch als § 94 bezeichnet) aus, daß die Zweifelsfrage, wie der Steuermeßbetrag für den steuerpflichtigen Teil des Grundstücks zu ermitteln sei, jetzt einwandfrei geklärt sei. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Gutachten III D 1/57 S vom 4. Juli 1958 (a. a. O.) ausgeführt, daß § 92 Abs. 1 des II. WoBauG die Erstarrung des bisherigen - im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der Wohnungen maßgebenden - Steuermeßbetrags anordne und dieser Steuermeßbetrag im Sinn des § 92 Abs. 1 des II. WoBauG maßgebend sei, gleichgültig, ob er sich zum Vorteil oder Nachteil des Steuerpflichtigen auswirke. Der Grundsatz der Erstarrung des bisherigen Steuermeßbetrags gelte auch dann, wenn im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der Wohnungen deswegen kein maßgebender Steuermeßbetrag vorhanden war, weil das Grundstück nach § 4 GrStG oder nach einer anderen Befreiungsvorschrift von der Grundsteuer befreit war, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß die Voraussetzungen der Grundsteuerbefreiung infolge der Bebauung mit begünstigten Wohnungen weggefallen sind. Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von diesen durch das Gutachten aufgestellten Grundsätzen abzuweichen. Wenn bei dieser so eindeutig herausgestellten Erstarrung des bisherigen Steuermeßbetrags das Gutachten ausführt, der Wortlaut des § 92 Abs. 1 des II. WoBauG zwinge nicht unbedingt dazu, daß der Gesetzgeber die ausnahmslose Erstarrung angeordnet habe, so ist dieser Hinweis nach Auffassung des erkennenden Senats nicht als eine Einschränkung des Erstarrungsgrundsatzes aufzufassen, sondern im Rahmen des Gutachtens nur als ein Vorbehalt für damals noch nicht zu übersehende Fälle mit besonderem Sachverhalt, bei denen die Anwendung des Erstarrungsgrundsatzes zu einem dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Ergebnis führen würde. Nach all dem ist den Entscheidungsgründen der Vorinstanz insoweit nicht beizupflichten, als durch sie der oben dargestellte Grundsatz der Erstarrung des bisherigen Steuermeßbetrags verneint werden sollte. Auch bei Umwandlung von gewerblichem Raum zu steuerbegünstigtem Wohnraum erstarrt grundsätzlich der vor der Bezugsfertigkeit des Wohnraums maßgebende Steuermeßbetrag, und zwar auch dann, wenn sich die Grundsteuervergünstigung deshalb nicht auswirkt, weil in dem Steuermeßbetrag, der erstarrt, der Teil des Gebäudes erfaßt ist, der zu Wohnraum umgewandelt worden ist. Wenn nach § 92 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG die Vorschriften der §§ 13 und § 14 GrStG und des § 225 a AO "insoweit" keine Anwendung finden, so ist, wie auch die Vorinstanz zutreffend ausführt, durch diese Vorschrift die Koppelung zwischen Einheitswertverfahren und Grundsteuermeßbetragsverfahren nur von dem Zeitpunkt der bezugsfertigen Bebauung ab aufgehoben worden. Diese Koppelung besteht jedoch für Bewertungsstichtage, die vor dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der Wohnung liegen.
III. - Im Streitfall ist aber ein besonderer Sachverhalt insofern gegeben, als der für die Erstarrung maßgebende Steuermeßbetrag bereits unter Berücksichtigung einer Grundsteuervergünstigung für auf dem Grundstück befindliche Wohnungen festgesetzt wurde und noch während des Vergünstigungszeitraumes für diese Wohnungen der Rest des Gebäudes in steuerbegünstigte Wohnungen umgewandelt wurde. In diesem Sonderfall bieten sich für die Durchführung des unter II. dargestellten Erstarrungsgrundsatzes die beiden folgenden überlegungen an:
Der Steuermeßbetrag vom Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit des Wohnraums bleibt auch dann als Erstarrungsbetrag maßgebend, wenn dieser Steuermeßbetrag bereits unter Berücksichtigung einer Grundsteuervergünstigung festgesetzt worden ist. Für den Streitfall würde das bedeuten, daß unter Gewährung der Grundsteuervergünstigung für die im Jahre 1956 bezugsfertig gewordenen Wohnungen, aber unter Einbeziehung der damals noch gewerblichen Zwecken dienenden und später zu Wohnzwecken umgewandelten Räume festgesetzte Steuermeßbetrag von 128,96 DM ab 1. Januar 1959 unverändert maßgebend bleibe. Die Folge wäre, daß sich die Grundsteuervergünstigung für den aus den gewerblichen Räumen neu geschaffenen Wohnraum nicht auswirkt und der hierauf entfallende Steuermeßbetrag von 55,96 DM weiterhin für die Erhebung der Grundsteuer bestehen bleibt. Daß sich eine Grundsteuervergünstigung infolge des Erstarrungsgrundsatzes auch einmal nicht auswirken kann, ist keine Besonderheit. Diese Tatsache allein könnte deshalb die Anwendbarkeit dieser ersten Möglichkeit nicht verbieten.
Eine weitere Folge der Beibehaltung des bereits auf dem Erstarrungsgrundsatz beruhenden Steuermeßbetrags von 128,96 DM wäre, daß nach Ablauf des zehnjährigen Vergünstigungszeitraums für die im Jahre 1956 errichteten steuerbegünstigten Wohnungen keine neue Veranlagung des auf den 1. Januar 1957 erstarrten Steuermeßbetrags von 128,96 DM vorgenommen werden könnte; denn bei Erstarrung des im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der durch Umwandlung gewerblicher Räume geschaffenen Wohnung maßgebenden Steuermeßbetrags von 128,96 DM muß die Grundsteuer vom 1. Januar 1959 ab auf die Dauer von zehn Jahren nach diesem Steuermeßbetrag erhoben werden. Der unter Gewährung der Grundsteuervergünstigung für die im Jahre 1956 errichteten Wohnungen, aber unter Einbeziehung der damals gewerblich genutzten Räume festgesetzte Steuermeßbetrag von 128,96 DM würde nicht nur für den zehnjährigen Vergünstigungszeitraum der 1956 errichteten Wohnungen (1957 bis 1967) maßgebend bleiben, sondern darüber hinaus noch so lange, bis der zehnjährige Vergünstigungszeitraum für die im Jahre 1958 zu Wohnzwecken umgewandelten Räume abgelaufen wäre. Im Extremfalle könnte danach der erstmals erstarrte Steuermeßbetrag 20 Jahre maßgebend bleiben. Das wäre dann der Fall, wenn die Umwandlung der gewerblichen Räume in Wohnungen erst im letzten Jahr des zehnjährigen Vergünstigungszeitraums für die Wohnungen, für die bereits eine Grundsteuervergünstigung gewährt wurde, vorgenommen würde. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß der Grundsatz der Erstarrung des vor dem Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der neu geschaffenen Wohnungen für den Streitfall nicht in der vorstehend dargestellten Weise angewendet werden kann. Diese Auslegung würde im Streitfall zu einer mit dem Gesetz in Widerspruch stehenden Verlängerung des zehnjährigen Vergünstigungszeitraums für die im Jahre 1956 errichteten Wohnungen führen.
Es bleibt somit nur die Auslegung möglich, daß im Streitfall als "Steuermeßbetrag, der maßgebend war, bevor die begünstigten Wohnungen geschaffen worden sind" (ß 92 Abs. 1 Satz 1 des II. WoBauG) der Steuermeßbetrag anzusehen ist, der im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der im Jahre 1956 errichteten steuerbegünstigten Wohnungen maßgebend war. Das ist der Steuermeßbetrag von 73 DM. Werden auf einem Grundstück begünstigte Wohnungen geschaffen und werden während des für diese Wohnungen laufenden Vergünstigungszeitraums die bisher zu gewerblichen Zwecken genutzten restlichen Räume des Gebäudes in begünstigte Wohnungen umgewandelt, so erstarrt für die durch Umwandlung gewerblicher Räume geschaffenen Wohnungen nach § 92 Abs. 1 Satz 1 des II. WoBauG der Steuermeßbetrag, der im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der zuerst geschaffenen begünstigten Wohnungen maßgebend war. Diese Auffassung liegt auch in der Linie der Regelung, die in Abschn. 21 Abs. 3 der VA-II. WoBauG in der Fassung vom 25. August 1961 (a. a. O.) für den Fall getroffen wurde, daß begünstigte Wohnungen in Bauabschnitten errichtet werden. Dort ist angeordnet, daß der Umfang der Grundsteuervergünstigung nach § 92 Abs. 3 des II. WoBauG zu ermitteln ist, wenn der Vergünstigungszeitraum für die im ersten Bauabschnitt errichteten Wohnungen abgelaufen ist, der Vergünstigungszeitraum für die in einem späteren Bauabschnitt errichteten Wohnungen aber noch weiterläuft. Auch in diesen Fällen soll nach Ablauf des Vergünstigungszeitraums des ersten Bauabschnitts für die Restlaufzeit der Vergünstigung des zweiten Bauabschnitts nicht der Meßbetrag maßgebend bleiben (erstarren), der bei Bezugsfertigkeit des zweiten Bauabschnitts - also bereits unter Berücksichtigung der Grundsteuervergünstigung für die im ersten Bauabschnitt erbauten Wohnungen - maßgebend war; denn sonst würde sich eine unzulässige Verlängerung des Vergünstigungszeitraums für die im ersten Bauabschnitt geschaffenen Wohnungen ergeben. Demnach erstarrt im Streitfall nicht, wie das Finanzamt entschieden hat, der im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der durch Umwandlung gewerblicher Räume geschaffenen Wohnungen maßgebende Steuermeßbetrag von 128,96 DM, sondern, wie das Finanzgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, der im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der im Jahre 1956 geschaffenen begünstigten Wohnungen maßgebende Steuermeßbetrag von 73 DM. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war somit insoweit unbegründet.
IV. - Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist aber insoweit begründet, als vorgetragen wird, es sei unzulässig, in diesem Rechtsmittelverfahren darüber zu entscheiden, für welchen Zeitraum der auf den 1. Januar 1959 festzusetzende Steuermeßbetrag Geltung habe und wie hoch der Steuermeßbetrag auf den 1. Januar 1967 und den 1. Januar 1968 neu festzusetzen sei. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Grundsteuervergünstigung für die durch Umwandlung gewerblicher Räume in Jahre 1958 geschaffene Wohnung und damit die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1959 unter Berücksichtigung dieser Grundsteuervergünstigung. Nur hierüber war vom Finanzgericht zu entscheiden und nicht darüber, welcher Steuermeßbetrag nach Ablauf des Vergünstigungszeitraums für die im Jahre 1956 geschaffenen Wohnungen - 31. März 1967 - auf den 1. Januar 1967 und den 1. Januar 1968 neu zu veranlagen ist. Diese Frage war nicht Gegenstand des Rechtsstreits, und über sie hatte auch das Finanzamt noch gar nicht entschieden. Deshalb war das Finanzgericht nicht befugt, von sich aus Neuveranlagungen auf die Stichtage vom 1. Januar 1958 und 1. Januar 1959 vorzunehmen (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs III 371/59 vom 18. Mai 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 130). Im übrigen kann über die Neuveranlagung des Steuermeßbetrags auf die angeführten Stichtage frühestens an diesen Stichtagen selbst entschieden werden, weil erst zu diesen Zeitpunkten feststeht, ob änderungen am Grundstück - z. B. durch Schaffung nicht begünstigten Raumes - oder auch Ereignisse eingetreten sind, die die Grundsteuervergünstigung selbst betreffen.
Mit Recht rügt die Rb. ferner, daß das Finanzgericht auch darüber entschieden hat, daß der zum 1. Januar 1959 auf 73 DM festgesetzte Steuermeßbetrag für die Zeit vom 1. April 1959 bis zum 31. März 1967 gültig ist. Die Neuveranlagung eines Steuermeßbetrags ist immer auf einen bestimmten Stichtag vorzunehmen, aber nicht mit der Wirkung, daß der neuveranlagte Steuermeßbetrag für soundso viele Jahre gültig ist. Der festgesetzte Steuermeßbetrag bleibt bestehen, bis er durch eine anderweitige Veranlagung beseitigt wird. Dieser Grundsatz wird auch nicht durch die Grundsteuervergünstigung aufgehoben. Bei der Gewährung einer Grundsteuervergünstigung ist der maßgebende Steuermeßbetrag ebenfalls auf einen bestimmten Stichtag festzusetzen. Der Tatsache, daß die Grundsteuervergünstigung auf die Dauer von zehn Jahren gewährt wird, ist nicht durch Festsetzung eines bestimmten Meßbetrags auf die Zeit des Vergünstigungszeitraums Rechnung zu tragen, sondern aus den oben dargestellten Gründen dadurch, daß im Steuermeßbescheid nur allgemein die Gewährung der Grundsteuervergünstigung für zehn Jahre ausgesprochen wird. Die Vorentscheidung war deshalb dementsprechend zu ändern.
Die Kosten der Rb. waren dem Lande aufzuerlegen, weil die vom Vorsteher des Finanzamts eingelegte Rb. in materieller Hinsicht ohne Erfolg war.
Fundstellen
Haufe-Index 411693 |
BStBl III 1965, 515 |
BFHE 1966, 41 |
BFHE 83, 41 |