Leitsatz (amtlich)
Nach dem Inkrafttreten des § 150 AktG 1965 sind die Kosten der Ausgabe von Aktien auch abzugsfähig, soweit ein Aufgeld festgesetzt ist.
Normenkette
KStG § 11 Nr. 1a; AktG § 150 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, erhöhte im Streitjahr 1968 ihr Grundkapital um 1,5 Mio. DM. Die neuen Aktien wurden mit einem Aufgeld von 0,3 Mio. DM ausgegeben. Dabei entstanden folgende Kosten:
Gesellschaftsteuer 45 000 DM
Gerichtsgebühren 2 400 DM
Aktiendruck 6 045 DM
insgesamt 53 445 DM
Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) behandelte diese Kosten als nicht abzugsfähige Ausgaben.
Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1971, 249 veröffentlicht ist, hat den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid dahin geändert, daß es die Abzugsfähigkeit der Ausgabekosten anerkannt hat, weil § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1965 die Dekkung dieser Kosten aus dem Aufgeld verbiete.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA.
Das FA rügt, das FG habe § 11 Nr. 1a KStG falsch ausgelegt. Bei natürlicher Betrachtungsweise könne die Vorschrift nur die Bedeutung haben, daß die Ausgabekosten lediglich dann abzugsfähig seien, wenn kein Aufgeld erzielt werde oder wenn die Ausgabekosten ein festgesetztes Aufgeld überstiegen. Rechtliche Hindernisse für die Deckung der Ausgabekosten aus dem Aufgeld blieben außer Betracht. Außerdem sei es auch nach dem neuen Aktiengesetz tatsächlich und rechtlich möglich, die Ausgabekosten aus dem Aufgeld zu decken.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der BdF ist dem Verfahren beigetreten. Er führt im wesentlichen aus: Die Kosten der Kapitalerhöhung seien nach allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuerrechts nicht abziehbar, weil sie mit einer nicht steuerbaren Vermögensmehrung zusammenhingen. § 11 Nr. 1a KStG sei danach als Ausnahmevorschrift anzusehen. Diese Vorschrift sei nach ihrem Wortsinn so auszulegen, daß die Ausgabekosten aus dem Aufgeld gedeckt werden können, wenn im Einzelfall den Ausgabekosten ein entsprechendes Aufgeld gegenüberstehe. Ob diese Kosten im Einzelfall tatsächlich mit dem Aufgeld verrechnet würden oder ob eine solche Verrechnung handelsrechtlich zulässig sei, bleibe unberücksichtigt. Diese Ansicht werde durch die Behandlung des steuerlichen Aufgeldes bestätigt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Kosten der Ausgabe der neuen Aktien sind bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin abzugsfähig, weil sie nach den Vorschriften des Aktiengesetzes nicht aus dem Ausgabeaufgeld gedeckt werden können (§ 11 Nr. 1a KStG, § 150 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1 Nr. 1, 4 AktG).
1. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob die Kosten der Ausgabe neuer Aktien an sich Betriebsausgaben sind (Thiel, DB 1960, 532, 533; Leibrecht, StuW 1970, 77, 83) und ob ihrem Abzug - gäbe es keine besondere Vorschrift - § 13 KStG, § 3c EStG entgegenstünden (Urteil des BFH vom 27. Februar 1963 I 204/60 U, BFHE 76, 621, BStBl III 1963, 225; Weissenborn, BB 1967, 496, 497). Denn die Abzugsfähigkeit dieser Kosten ist in § 11 Nr. 1 KStG geregelt.
Nach § 11 Nr. 1a KStG sind bei Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen die Kosten der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen, "soweit die Kosten nicht aus dem Ausgabeaufgeld gedeckt werden können". Die Vorschrift geht zurück auf den inhaltlich mit ihr übereinstimmenden § 15 Abs. 1 Nr. 4 KStG 1925, der während der Beratung des Entwurfs eines Körperschaftsteuergesetzes eingefügt wurde (Reichstag III. Wahlperiode 1924/1925, Nr. 1230, Bericht des 6. Ausschusses über den Entwurf eines Körperschaftsteuergesetzes - Nr. 796 der Drucksachen - S. 11 f.). Die unterschiedliche Behandlung der Pari-Emission und der Überpari-Emission, die darin liegt, daß bei der Pari-Emission alle Ausgabekosten abzugsfähig waren, bei der Überpari-Emission dagegen die Ausgabekosten, soweit sie aus dem Aufgeld gedeckt werden können, nicht abzugsfähig waren, hatte ihren Grund in der damaligen handelsrechtlichen Lage (Thiel, DB 1960, 532; Weissenborn, BB 1967, 496, 497; Leibrecht, StuW 1970, 77, 79 f.). Nach § 261 Nr. 4 HGB durften die Kosten der Errichtung und Verwaltung nicht als Aktiva in die Bilanz eingesetzt werden. Nach § 262 Nr. 2 HGB war in die gesetzliche Rücklage einzustellen der Betrag, der bei der Errichtung der Gesellschaft oder bei der Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe der Aktien für einen höheren als den Nennbetrag über diesen und über den Betrag der durch die Ausgabe der Aktien entstehenden Kosten hinaus erzielt wurde. Die Kosten der Ausgabe der neuen Aktien durften daher nicht aktiviert werden, sie durften aber mit dem Ausgabeaufgeld verrechnet werden und minderten dann nicht den Gewinn, sondern die Einlage.
Das Aktiengesetz 1937 hat diese Rechtslage aufrechterhalten (§ 133 Nr. 4, § 130 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1937).
2. Eine Änderung brachte das Aktiengesetz 1965. Nach § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG ist in die gesetzliche Rücklage der Betrag einzustellen, der bei der Ausgabe von Aktien einschließlich von Bezugsaktien über den Nennbetrag der Aktien hinaus erzielt wird. Das Aufgeld ist somit in voller Höhe in die gesetzliche Rücklage einzustellen. Ein Betrag in Höhe des Aufgeldes ist damit nach Maßgabe der Vorschriften über die Verwendung der gesetzlichen Rücklage (§ 150 Abs. 3, 4 AktG) gebunden. Er kann entgegen der Ansicht des FA nicht zur Deckung der Ausgabekosten, das heißt zur Verrechnung mit diesen Kosten, verwendet werden. Zur Begründung wird ausgeführt, die unterschiedliche Behandlung der Ausgabekosten - als Unkosten bei der Pari-Emission und als keine Unkosten bei der Überpari-Emission - sei weder unter aktienrechtlichen Gesichtspunkten noch aus betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Erwägungen gerechtfertigt (von Godin-Wilhelmi, Aktiengesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 150 Anm. 4).
Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG auch ohne Änderung des § 11 Nr. 1a KStG dazu zwingt, die Kosten der Ausgabe der neuen Aktien als abzugsfähig zu behandeln, auch soweit die Aktien mit einem Aufgeld ausgegeben werden. Die Worte "gedeckt werden können" bedeuten nach ihrem Wortsinn sowohl ein tatsächliches wie auch ein rechtliches Können. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift läßt den Schluß zu, daß das Wort "können" auch im Sinne eines handelsrechtlichen Könnens oder Dürfens zu verstehen ist. Mit der unterschiedlichen Behandlung der Pari-Emission und der Überpari-Emission ist der Gesetzgeber, wie bereits bemerkt, der damaligen handelsrechtlichen Lage gefolgt. Weil damals die Aktiengesellschaften handelsrechtlich die Ausgabekosten aus dem Aufgeld decken durften, mußten sie das steuerrechtlich, ähnlich wie nach bilanzrechtlichen Grundsätzen aus einer handelsrechtlichen Aktivierungsfähigkeit eine steuerrechtliche Aktivierungspflicht folgt (BFH-Beschluß vom 3. Februar 1969 Gr S 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291). Daher kann sich der BdF auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des RFH vom 20. Dezember 1933 I A 340/32 (RFHE 35, 26, RStBl 1934, 439) berufen. Der RFH hat dort entschieden, daß ein Ausgabeaufgeld im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 4 KStG 1925 auch vorliege, wenn ein Gesellschafter gegen Gewährung von jungen Aktien Vermögensgegenstände einbringe, deren steuerlicher Wert den Nennbetrag der jungen Aktien übersteige. Die Möglichkeit eines solchen "steuerlichen Aufgeldes", wie es genannt wird, ergibt sich daraus, daß nach überwiegender handelsrechtlicher Auffassung Sacheinlagen unterbewertet werden dürfen (Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Bd. I § 153 Tz. 55, § 150 Tz. 22). Die Gesellschaft kann aber auch den wahren Wert der Sacheinlage ansetzen, mit der Folge, daß ein festgesetztes Aufgeld durch den Wert der Sacheinlage gedeckt wird. Dann konnten nach früherem Recht die Ausgabekosten mit dem Aufgeld verrechnet werden.
3. § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG hat nunmehr die Möglichkeit, die Ausgabekosten aus dem Aufgeld zu decken, beseitigt. Die Aktiengesellschaften müssen das Aufgeld ungekürzt um die Ausgabekosten in die gesetzliche Rücklage einstellen. Ein Jahresabschluß, der gegen dieses Gebot verstößt, ist nichtig (§ 256 Abs. 1 Nr. 1, 4 AktG). Die Rechtsfolge der Nichtigkeit berechtigt zu der Aussage, daß die Gesellschaften die Ausgabekosten aus dem Aufgeld nicht mehr decken können.
Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht auch, daß damit ein unerträglicher Widerspruch zwischen Handelsrecht und Steuerrecht vermieden wird. Bei der Auslegung des § 11 Nr. 1a KStG durch das FA und durch den BdF würde das Steuerrecht nachteilige Rechtsfolgen an einen Tatbestand knüpfen, dessen Verwirklichung handelsrechtlich bei Nichtigkeitsfolge verboten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 70575 |
BStBl II 1973, 790 |
BFHE 1974, 129 |