Leitsatz (amtlich)
Die zwischen einer sogenannten echten Ein- und Verkaufsgesellschaft (Kapitalgesellschaft) und ihren Gesellschaftern vereinbarte Gewinnlosigkeit der Kapitalgesellschaft kann steuerrechtlich nicht anerkannt werden - es sei denn, daß die Voraussetzungen einer Organschaft gegeben wären.
Normenkette
KStG §§ 1, 6, 8b Abs. 7 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH - als gewinnlose Ein- und Verkaufsgesellschaft zu behandeln ist mit der Folge, daß ihr körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen allein aus den nicht abzugsfähigen Ausgaben besteht.
Die im Jahre 1968 gegründete Klägerin betreibt nach dem Gesellschaftsvertrag den Ein- und Verkauf für ihre Gesellschafter, auch auf Kommissionsbasis. Ihr Stammkapital beträgt 20 000 DM; es wird zu gleichen Teilen von vier Gesellschaftern gehalten, die zugleich Geschäftsführer der Klägerin sind. Am 1. Mai 1969 schloß die Klägerin mit sechs branchegleichen Firmen je einen Assoziierungsvertrag, demzufolge ihre Tätigkeit nicht auf Gewinnerzielung gerichtet ist, vielmehr allein bezweckt, ihren Gesellschaftern und den assoziierten Firmen "ein einheitliches Auftreten gegenüber Lieferanten zu ermöglichen und durch die zusammengefaßte Einkaufsmacht dieser Firmen günstigere Einkaufsbedingungen zu erzielen". Jede assoziierte Firma ist verpflichtet, eine einmalige Einstandsgebühr von 100 DM und einen laufenden monatlichen Beitrag von 25 DM an die Klägerin zu zahlen. Dafür dient die Klägerin den assoziierten Firmen als Einkaufskommissionär; auch wickelt sie den gesamten Zahlungsverkehr zwischen diesen und den jeweiligen Lieferanten im Lastschriftverfahren ab, wodurch sie ein um 1 v. H. höheres Skonto erzielt als es den normalen Lieferungsbedingungen der Lieferfirmen entspricht. Die Beitragszahlungen und der Skonto-Mehrerlös werden jeder der assoziierten Firmen auf einem besonderen Konto gutgeschrieben, soweit sie nicht zur Deckung der bei der Klägerin entstehenden Kosten benötigt werden.
Im Streitjahr (1969) hat die Klägerin einen ihren Gesamtaufwand um 1 544 DM übersteigenden Überschuß erzielt. Diesen hat sie ihren Gesellschaftern und den assoziierten Firmen erfolgsneutral auf gesonderten Einlagekonten gutgeschrieben. In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1969 hat sie einen Gewinn von 0 DM und unter Hinzurechnung der nicht abzugsfähigen Vermögensteuer ein Einkommen von 200 DM erklärt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah die Klägerin als voll körperschaftsteuerpflichtig an und ermittelte den zu versteuernden Einkommensbetrag unter Berücksichtigung einer Gewerbesteuerrückstellung auf 1 990 DM. Soweit die Klägerin für ihre Gesellschafter unentgeltlich tätig sein solle und damit auf eine angemessene Verzinsung mindestens ihres Stammkapitals verzichte, liege eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1973, 399 veröffentlicht. Gegen seine Entscheidung richtet sich die vom FG zugelassene, form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Steuer auf 78 DM festzusetzen. Zur Begründung läßt sie vortragen:
Der Zweck der Gründung der Klägerin habe darin bestanden, durch die weitgehende Ausgliederung der Einkaufsfunktion aus bisher unabhängigen Unternehmungen gleicher Branche und Zusammenfassung derselben in einer Gesellschaft eine bessere Position für alle Beteiligten auf dem Beschaffungsmarkt zu erlangen. Dabei sollte die Klägerin ausschließlich für ihre Gesellschafter tätig sein und selbst praktisch gewinnlos arbeiten. Diese Zielsetzungen ergäben sich zwar nicht aus der Satzung, seien jedoch in der praktischen Durchführung mit einem Höchstmaß an Konsequenz verwirklicht worden.
Zur weiteren Festigung der Marktposition gegenüber den Lieferanten sei der Kreis der Gesellschafter ab dem Streitjahr um sechs neue Gesellschafter erweitert worden, mit denen zunächst sogenannte Assoziierungsverträge geschlossen worden seien. Diese Verträge gewährten den assoziierten Firmen die gleichen Rechte und Pflichten, wie sie auch die bereits in das Handelsregister eingetragenen Gesellschafter gehabt hätten.
Wenn das FG für seine Entscheidung darauf abgestellt habe, daß eine GmbH üblicherweise auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei, so sei die Frage der Üblichkeit unternehmensbezogen zu sehen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung würde deshalb nur dann anzunehmen sein, wenn zugunsten einiger Gesellschafter von der allgemeinen in dem Unternehmen der Klägerin üblichen Betriebsgebarung abgewichen worden wäre. Das sei indes nicht der Fall. Der Umstand, daß der Gesetzgeber die körperschaftsteuerrechtliche Behandlung der gewinnlosen Ein- und Verkaufsgesellschaften angesichts ihrer geringen Zahl nicht geregelt habe, zwinge nicht zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung, da es sich bei ihnen fast immer um Gebilde mit quasi genossenschaftlicher Zielsetzung handelte.
Wenn schließlich nach Ansicht des FG die Inanspruchnahme der steuerlichen Vergünstigung durch die Klägerin an Satzungsmängeln scheitern müsse, so könne dem nicht gefolgt werden. Es werde bestritten, daß die Gewinnlosigkeit Bestandteil der Satzung sein müsse. Vielmehr komme es allein darauf an, daß das Prinzip der Gewinnlosigkeit in geeigneter Weise glaubhaft gemacht und vor allem konsequent praktiziert worden sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Klägerin ist als GmbH gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG grundsätzlich voll körperschaftsteuerpflichtig. Was als ihr (steuerpflichtiges) Einkommen gilt und wie es zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des EStG und denen der §§ 7-16 KStG (§ 6 Abs. 1 KStG). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird oder nicht (§ 7 KStG; vgl. Urteil des BFH vom 19. Juni 1974 I R 94/71, BFHE 112, 494, BStBl II 1974, 586). Somit dürfen auch Beträge, die eine Kapitalgesellschaft offen an ihre Gesellschafter ausschüttet, ihr steuerpflichtiges Einkommen grundsätzlich nicht mindern. Wäre es anders, würde § 7 Satz 1 KStG weitgehend ohne Bedeutung sein. Schließlich ergänzt § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG die Vorschriften in § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 7 KStG dahin, daß auch verdeckte Gewinnausschüttungen bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, d. h. ihm (wieder) hinzuzurechnen sind.
2. Ausnahmen von dem so gesetzlich postulierten Grundsatz der steuerlichen Doppel- oder Mehrfacherfassung des Gewinns der Kapitalgesellschaft (einmal durch die Körperschaftsteuer bei der Gesellschaft selbst, sodann - bei Ausschüttung - durch die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer bei den Gesellschaftern) kennt das Gesetz in § 7a KStG in Ansehung von Organverhältnissen, in § 9 KStG von Schachtelbeteiligungen und in § 23 KStG i. V. m. den §§ 31-35 KStDV in Ansehung der Genossenschaften. Die Kartellsteuerverordnung vom 20. Dezember 1941 (RStBl I 1941, 953), die ähnlichen Überlegungen Raum gab, hat der erkennende Senat mit Urteil vom 3. Juli 1974 I R 107/72 (BFHE 113, 105, BStBl II 1974, 695) für ungültig erklärt.
Zwar hat der RFH auch für die - echte - Ein- und Verkaufsgesellschaft, die "alle Geschäfte unmittelbar für Rechte der Gesellschafter tätigt" (RFH-Urteil vom 7. November 1928 VI A 199/28, RStBl 1929, 60), eine Ausnahme i. S. der vorgenannten Ausnahmeregelungen zugelassen. Der BFH hat diese Rechtsprechung jedoch in seinem Urteil vom 18. September 1962 I 113/61 U (BFHE 75, 599, BStBl III 1962, 485) - entgegen manchen Stimmen im Schrifttum (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 60 zu § 7 KStG) - nicht bestätigt. Vielmehr erforderte der Streitfall - wie an sich auch der vorliegende - keine abschließende Stellungnahme, da die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse die Klägerin nicht als eine echte Ein- und Verkaufsgesellschaft auswies.
Die "echte" Ein- und Verkaufsgesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, daß sie ausschließlich und unmittelbar im Auftrag und für Rechnung ihrer Gesellschafter tätig wird, ihren Gesellschaftern als "vorgeschobene Person" zur Ausübung ihrer eigenen, ihnen unmittelbar zuzurechnenden gewerblichen Tätigkeit dient, so daß Gewinne und Verluste der Gesellschaft unmittelbar ihre Gesellschafter selbst treffen (vgl. BFH-Urteil I 113/61 U). Wird die Gesellschaft auch für fremde Personen (Nichtgesellschafter) tätig, entfiel schon nach der Rechtsprechung des RFH die Vergünstigung (vgl. RFH-Urteil vom 30. Oktober 1934 I A 93/34, RStBl 1935, 808).
3. Es besteht aber nach Ansicht des erkennenden Senats keine Rechtsgrundlage dafür, neben den vom Gesetz eingeräumten Ausnahmen von der gesetzlichen Regelung weitere Ausnahmen zuzulassen, insbesondere die - echte - Ein- und Verkaufsgesellschaft steuerrechtlich etwa wie eine Organgesellschaft oder eine Genossenschaft zu behandeln.
Wie bereits im Urteil des erkennenden Senats vom 3. Juli 1968 I 83/65 (BFHE 93, 514, BStBl II 1969, 14) dargelegt, ist die Tätigkeit einer GmbH üblicherweise auf die Erzielung eines Gewinns gerichtet, der eine angemessene Verzinsung des investierten Kapitals erbringt. Verzichtet die Gesellschaft im Interesse ihrer Gesellschafter auf die Erzielung eines solchen Gewinns, indem sie die Geschäfte ihrer Gesellschafter unentgeltlich oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt fördert, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Der Dispositionsspielraum der Gesellschafter einer GmbH ist angesichts der Wahl dieser Rechtsform zur Verwirklichung ihres gemeinschaftlichen Betätigungswillens dementsprechend nur eng (vgl. auch Felix in StRK Anmerkungen zu Körperschaftsteuergesetz § 6 Abs. 1 Satz 2 Rechtsspruch 152). Die Gewerbesteuerpflicht der GmbH folgt aus ihrer Rechtsform (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG), so daß auch aus dem BFH-Urteil vom 27. Mai 1964 I 226/62 U (BFHE 80, 29, BStBl III 1964, 485) über das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht bei einer lediglich auf Selbstkostendeckung abzielenden Tätigkeit nichts Gegenteiliges hergeleitet werden kann.
Darüber hinaus hat der erkennende Senat im Urteil vom 17. November 1966 I 280/63 (BFHE 87, 253, BStBl III 1967, 118) ausgeführt, daß der gesetzlich postulierte Grundsatz der Doppelbesteuerung ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung grundsätzlich nicht aufgegeben werden darf.
4. Im übrigen könnte die Klägerin mit ihrer Revision auch bei Zugrundelegung der Rechtsprechungsgrundsätze des RFH deshalb nicht durchdringen, weil sie nicht nur für ihre Gesellschafter tätig geworden ist. Die Satzung der Klägerin sagt - wie das FG zutreffend festgestellt hat - über ihre eigentliche Tätigkeit, die Verwirklichung ihres Gesellschaftszwecks, nichts aus. Dagegen ist den Assoziierungsverträgen zu entnehmen, daß es der Zweck der Klägerin ist, "eine möglichst starke Marktposition zu erlangen". Deshalb soll die Zahl der assoziierten Firmen ständig erweitert werden. Später sollen solchen Firmen, "mit denen sich die Zusammenarbeit bewährt hat", Mitgliedschaftsrechte eingeräumt werden. Daß die assoziierten Firmen im Streitjahr nicht Gesellschafter der Klägerin waren, steht danach außer Frage und kann angesichts der Vorschriften des GmbH-Gesetzes über den Erwerb der Gesellschaftereigenschaft keinem Zweifel unterliegen.
Die Klägerin ist auch tatsächlich nicht nur für ihre Gesellschafter, sondern auch für die ihr assoziierten Firmen tätig geworden, die die von der Klägerin für sie in Kommission einzukaufenden Waren mit deren ausdrücklicher Ermächtigung direkt bei dem jeweiligen Lieferanten bestellten. Der von der Klägerin erzielte Skonto-Mehrbetrag von 1 v. H. wurde nach Deckung der anteiligen Kosten der Klägerin der auftraggebenden Firma gutgebracht.
Fundstellen
Haufe-Index 71192 |
BStBl II 1975, 124 |
BFHE 1975, 43 |