Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Gewinnverwirklichung bei am Bilanzstichtag nicht vollendeten Bauten.
Für Schalungstafeln und Schalungsträger kann ein Bauunternehmer die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nicht in Anspruch nehmen.
Normenkette
EStG §§ 5, 6/2; EStDV § 7
Tatbestand
Bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Beschwerdeführerin (Bfin.), einer Bauunternehmung in Form einer OHG, war für das Wirtschaftsjahr 1952 u. a. streitig, ob "Polo" - Schalungstafeln und "Niko"-Schalungsträger im Wert von 11 790,42 DM im Jahr der Anschaffung als geringwertige Wirtschaftsgüter voll abgeschrieben werden dürfen und ob die Bfin. bei der Verbuchung ihrer Abrechnung vom 31. Dezember 1952 für die nicht vollendete Brücke einen Gewinn in Höhe von 46 307,17 DM auszuweisen verpflichtet war.
Bei den Schalungstafeln und Schalungsträgern handelte es sich um die erstmalige Anschaffung eines neuartigen Schalungsmaterials. Die Tafeln bestehen aus Holz und sind mit einer Eisenblechkante umgeben. Die Schalungsträger sind aus Metall. Beide haben genormte Abmessungen und können durch verschiedene Zusammensetzung bei mehreren Bauten verwendet werden. Das Finanzamt sah in dem Schalungsmaterial eine Sachgesamtheit und ließ lediglich eine auf 2 268,42 DM berechnete Absetzung für Abnutzung zu. Das Finanzgericht gab der Bfin. in diesem Punkt recht, weil die Schalungstafeln und Schalungsträger in der Regel nur für das jeweilige Bauwerk zusammengefügt würden und die Zusammensetzung ständigen änderungen unterliege. Die einzelnen Schalungsteile seien selbständig nutzbar und verwertbar.
In der Zeit vom 24. März 1952 bis 10. Juni 1953 führte die Bfin. einen Brückenbau aus und stellte dem Bauherrn die bis zum Bilanzstichtag vom 31. Dezember 1952 geleisteten Arbeiten mit 1 055 411,26 DM in Rechnung. Mit diesem Betrag belastete sie das Konto "halbfertige Bauten" und erkannte ein Erlöskonto. Zu Lasten des Jahresergebnisses grenzte die Bfin., die ihren Gewinn aus dem Bauauftrag mit zwei anderen Unternehmen zu teilen hatte, den in dem Rechnungsbetrag enthaltenen Gewinn von 3 x 46 307,17 DM und einen Betrag von 34 600 DM für noch später anfallende Unkosten ab. Für die Vollendung des Baus wandte die Bfin. im Jahr 1953 noch etwa 129 000 DM auf. Die Bfin. verlangt, daß die passive Rechnungsabgrenzung des auf sie entfallenden Gewinnanteils auch steuerlich anerkannt werde. Sie könne bei dem nicht vollendeten Bau zu einer Gewinnverwirklichung nicht gezwungen werden. Sie habe zwar zur Erleichterung der Abrechnung mit den an dem Bauwerk noch beteiligten Unternehmen in dem in Rechnung gestellten Betrag einen Gewinn ausgewiesen. Daß es sich hierbei aber nur um eine interne Abrechnung und nicht um eine gewollte Gewinnverwirklichung gehandelt habe, ergebe sich aus der Rechnungsabgrenzung des Gewinns und aus der Unterlassung von Rückstellungen für Garantieverpflichtungen. Die Abrechnung zum 31. Dezember 1952 sei eine überschlägliche Berechnung zur Erlangung von Vorauszahlungen gewesen, was sich daraus ergebe, daß keine fertigen Teile des Brückenbaus unter Bezugnahme auf § 13 des Vertrags vom Bauherrn abgenommen und die der Berechnung zugrunde gelegten vorläufigen Leistungsabmessungen später weitgehend geändert worden seien.
Die Vorbehörden sahen den auf die Bfin. entfallenden Gewinnanteil als verwirklicht an. Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß die Bfin. die Abrechnung zum 31. Dezember 1952, in der sie einen Unternehmergewinn angesetzt habe, nicht anders als durch die Aktivierung der entsprechenden Forderung habe buchen dürfen, und daß die Passivierung des in der Abrechnung enthaltenen Gewinns handels- und steuerrechtlich unzulässig sei. Der Unternehmer müsse den in den Teilzahlungen enthaltenen Gewinn ausweisen, wenn kein Grund zu der Annahme vorliege, er werde die Teilzahlungen ganz oder teilweise wieder herausgeben müssen. Zu einer solchen Annahme bestehe keine Veranlassung.
Entscheidungsgründe
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) greift die Bfin. die von dem Finanzgericht bejahte Pflicht zum Gewinnausweis an. Die Rb. ist in diesem Punkt begründet.
Am 31. Dezember 1952 war der Vertrag über die Errichtung der Brücke noch nicht abgewickelt, da die Bfin. im Jahre 1953 noch Leistungen im Werte von mehr als 120 000 DM auszuführen hatte. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ist der Kaufmann grundsätzlich nicht verpflichtet, die Forderungen und Verbindlichkeiten aus am Bilanzstichtag schwebenden Verträgen in die Bilanz aufzunehmen. Erst wenn der Kaufmann den gegenseitigen Vertrag im wesentlichen erfüllt und die Gegenseite seine Leistung abgenommen hat, besteht eine Verpflichtung zur Gewinnrealisierung. Solange noch ein nicht unbedeutendes Risiko der Abnahme durch den Vertragsgegner besteht, kann der Kaufmann zu einer Gewinnverwirklichung nicht gezwungen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs I 135/53 S vom 12. März 1954, Slg. Bd. 58 S. 624, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 149; I 103/55 U vom 25. September 1956, BStBl 1956 III S. 349). Ist eine Abnahme im Vertrage nicht vorgesehen oder nicht üblich, so kommt es darauf an, ob der Kaufmann alles getan hat, was er nach dem Vertrage zu leisten hat, und ob er bei objektiver Beurteilung der Sachlage von der Gegenseite Schwierigkeiten hinsichtlich der ordnungsmäßigen Ausführung des Vertrags erwarten muß. Für die danach vorzunehmende Beurteilung des Sachverhalts ist in erster Linie die Auffassung des Kaufmanns maßgebend, wobei weniger rechtliche als wirtschaftliche Gesichtspunkte entscheidend sind (Urteil des Bundesfinanzhofs I 4/52 U vom 17. Mai 1952, Slg. Bd. 56 S. 536, BStBl 1952 III S. 208).
Die vorstehend entwickelten für gegenseitige Verträge geltenden Grundsätze sind auch auf Bauausführungen anzuwenden, die am Bilanzstichtag noch nicht vollendet sind. Auch hier kommt es auf die Abnahme des Bauwerks durch den Vertragsgegner an (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 935/30 vom 22. Oktober 1931, Slg. Bd. 29 S. 276, Reichssteuerblatt - RStBl - 1932 S. 13, VI 744/38 vom 11. Januar 1939, Slg. Bd. 46 S. 44, RStBl S. 323 und Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 62/49 vom 13. Januar 1950, Steuer und Wirtschaft 1950 Nr. 49). Die Abnahme eines Bauwerks, aus der sich die Gewinnausweispflicht des Kaufmanns ergibt, erfolgt im allgemeinen erst nach Fertigstellung des Bauwerks. Es besteht aber auch die Möglichkeit der Abnahme von Teilen des Bauwerks während der Bauperiode. Solche abgrenzbaren Teilbauten werden dann als selbständige Bauten behandelt. Voraussetzung für die Gewinnrealisierung ist in einem solchen Fall, daß die abgrenzbare und fertige Teilleistung von dem Vertragsgegner abgenommen worden oder wirtschaftlich als abgenommen anzusehen ist.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so kann sich der Senat der Auffassung des Finanzgerichts, daß die Bfin. am 31. Dezember 1952 verpflichtet war, den durch ihre bisherigen Leistungen voraussichtlich erzielten Gewinn in der Bilanz zum 31. Dezember 1952 auszuweisen, nicht anschließen. Bei dem Bauauftrag über die Brücke handelt es sich um ein Bauwerk, das sich nur über einen Bilanzzeitpunkt erstreckte und bei dem abgrenzbare, vom Vertragsgegner abzunehmende Teilleistungen nicht vorgesehen waren. Das Finanzgericht hat jedenfalls nicht festgestellt, daß ein solcher Teilabschnitt vom Bauherrn abgenommen worden oder wirtschaftlich als abgenommen anzusehen war. Auch die Akten enthalten nichts, was eine solche Annahme rechtfertigen könnte. Bei dieser Sachlage kann die Bfin. nicht verpflichtet werden, am 31. Dezember 1952 einen Gewinn auszuweisen. Der Senat kann sich den Ausführungen von Zitzlaff in der Besprechung des Urteils des Obersten Finanzgerichtshofs IV 62/49 in Steuer und Wirtschaft 1950 Sp. 445, auf die sich das Finanzgericht beruft, nicht anschließen. Von der Höhe der tatsächlich vom Bauherrn bis zum Bilanzstichtag geleisteten Voraus- oder Abschlagszahlungen kann die Gewinnrealisierung nicht abhängig sein. Denn die tatsächlich erfolgten Zahlungen dürften sich nicht anders auswirken, als Forderungen auf Vorauszahlungen, die der Bauunternehmer auf Grund des Vertrages vom Bauherrn am Bilanzstichtag geltend machen kann. Entscheidend ist nach Auffassung des Senats allein, ob und in welchem Umfang der Bauunternehmer am Bilanzstichtag abgrenzbare Leistungen ausgeführt hat, die vom Bauherrn abgenommen sind oder die als abgenommen angesehen werden müssen.
Das Finanzgericht geht davon aus, daß die Bfin. durch die Art ihrer Verbuchung selbst zum Ausdruck gebracht habe, daß ein Teil des Gewinns verwirklicht sei. Diese Auffassung kann sich der Senat nicht zu eigen machen. Es ist richtig, daß die Bfin. in ihrer Abrechnung zum 31. Dezember 1952 auch einen Unternehmergewinn einkalkuliert hat. Mit der Aktivierung einer solchen Abrechnungsforderung kommt zwar in der Regel der Wille des Kaufmanns zum Ausdruck, einen Teil des durch den Bauauftrag voraussichtlich erzielten Gewinns auch vor Vollendung des Bauwerks als verwirklicht auszuweisen. Diese Vermutung ist hier aber dadurch entkräftet, daß die Bfin. den in der Abrechnungsanforderung enthaltenen Gewinn einem passiven Rechnungsabgrenzungsposten zu Lasten der Erfolgsrechnung zugewiesen hat. Damit hat sie eindeutig ihren Willen zum Ausdruck gebracht, zum 31. Dezember 1952 noch keinen Gewinn zu realisieren.
Der einheitlich für 1952 festzustellende Gewinn der Bfin. vermindert sich um den Gewinnanteil von 46 307,17 DM. Die Sache ist aber deshalb nicht entscheidungsreif, weil der Senat hinsichtlich der von dem Finanzgericht vertretenen Rechtsauffassung über die Bewertungsfreiheit für Schalungstafeln und Schalungsträger einen anderen Standpunkt vertritt (§ 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - 1952, jetzt § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der Bundesminister der Finanzen, dem der Senat Gelegenheit zur äußerung zu dieser Rechtsfrage gegeben hat, hat erklärt, von einer Stellungnahme absehen zu wollen; er hat statt dessen eine äußerung der Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie e. V. in Düsseldorf mitgeteilt, die sich im wesentlichen mit der Auffassung des Finanzgerichts deckt.
Nach § 7 EStDV 1952 können Steuerpflichtige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, abnutzbare bewegliche Anlagegüter, die einer selbständigen Nutzung und Bewertung fähig sind, im Jahr der Anschaffung und Herstellung voll abschreiben, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im neuen oder gebrauchten Zustand selbständig nutzbar und bewertbar sind. Eine solche selbständige Bewertbarkeit besteht nicht, wenn die einzelnen Wirtschaftsgüter zu einer Sachgesamtheit gehören. Für die Frage, ob die Schalungsteile eine Sachgesamtheit oder selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter sind, kommt es auf die Verkehrsanschauung an (vgl. zuletzt die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile des Senats I 133/56 U vom 5. Oktober 1956, I 191/56 U vom 30. Oktober 1956 und die dort aufgeführte Rechtsprechung). Für die Verkehrsauffassung ist es unerheblich, ob die einzelnen Schalungsteile für jedes Bauwerk in einer für dieses Bauwerk passenden Form zusammengefügt werden müssen. Denn die jeweilige verschiedenartige Zusammensetzung der Schalungsteile ist für die Frage ohne Bedeutung, ob die einzelnen Schalungsteile für sich selbst genutzt werden können. Diese Frage ist zu verneinen, weil jeder Teil nur zusammen mit anderen Teilen bei der Errichtung eines Bauwerks verwendbar ist. Bei jeder Benutzung und Verwertung ist eine Zusammenfügung mehrerer Tafeln und Träger erforderlich, wobei lediglich die Art der Zusammenfügung und die Anzahl der verwandten Teile Veränderungen unterliegt. Der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung naheliegende Weg der Bilanzierung des Schalungsmaterials ist die Bildung eines Festwerts, sofern an den einzelnen Bilanzstichtagen in etwa gleiche Bestände untergestellt werden können (vgl. auch Abschnitt 26 der Einkommensteuer-Richtlinien 1953).
Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das entsprechend den vorstehenden Rechtsausführungen erneut im Einspruchsverfahren über den Gewinn entscheiden wird.
Fundstellen
Haufe-Index 408653 |
BStBl III 1957, 27 |
BFHE 1957, 70 |
BFHE 64, 70 |
BB 1957, 141 |
DB 1957, 106 |