Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Gewerbesteuerpflicht eines Versicherungsvertreters (Spezialagent oder Generalagent mit gemischter Tätigkeit?).
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Nr. 1
Tatbestand
I. Bescheid
Dem Beschwerdeführer (Bf.), der seit 1927 in einem Arbeitsverhältnis bei der Zweigniederlassung X. der Y.-Versicherungs-AG und der Z.-Versicherungs-AG gestanden hat, ist durch Vertrag mit diesen Gesellschaften mit Wirkung vom 1. Juli 1951 eine Generalagentur für X. und Umgebung unter der Bezeichnung "Generalagentur A., vormals B.", übertragen worden. Grundlage der Generalagentur bildete der Bestand der bisherigen Generalagentur B., deren Inhaber verstorben war. An die Witwe seines Vorgängers hat der Bf. nach dem Vertrag aus dem Versicherungsbestand vom 1. Juli 1951 eine Nachprovision zu vergüten. Nach § 2 des Vertrages ist es Aufgabe des Bf., für die Ausbreitung des Geschäftes der beiden Gesellschaften innerhalb des zugewiesenen Gebietes zu sorgen; insbesondere obliegt es ihm, geschäftliche Beziehungen zu größeren industriellen und gewerblichen Betrieben herzustellen bzw. auszubauen und zu vertiefen. Nach § 4 des Vertrages gilt der Bf. als Vermittlungsagent im Sinne des § 43 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) und nach § 5 des Vertrages als selbständiger Gewerbetreibender. Als Entschädigung für seine Tätigkeit erhält der Bf. lediglich Abschluss- und Inkassoprovisionen, aus denen die Unkosten der Generalagentur zu tragen sind. Mehrere Büroeinrichtungsgegenstände sind dem Bf. von den Versicherungsgesellschaften leihweise überlassen worden. Die Abschlußprovisionen betrugen im Streitjahr, d. h. in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1951, ... DM, die Inkassoprovisionen etwa das Vierfache hiervon. Dem Bf. ist ein von den Gesellschaften angestellter Platzvertreter zugeteilt. Ferner sind für ihn zwölf nebenberufliche Untervertreter tätig, die in keinen Rechtsbeziehungen zu den Gesellschaften stehen und Provisionen auf eigene Rechnung des Bf. erhalten. Weiter war im Streitjahr beim Bf. ein Lehrling beschäftigt, wobei der Bf. ab 1. September 1951 an Stelle der Gesellschaften in das Lehrverhältnis eingetreten ist; im Innenverhältnis ist die Lehrlingsvergütung jedoch nach wie vor von den Gesellschaften getragen worden.
Das Finanzamt hat die Tätigkeit des Bf. in vollem Umfang als die eines selbständigen Gewerbetreibenden angesehen und ihn deshalb mit seinen gesamten Einkünften zur Gewerbesteuer herangezogen. Im Rechtsmittelverfahren hat der Bf. seine Selbständigkeit hinsichtlich der Inkassotätigkeit und der von ihm darüber hinaus wahrgenommenen, im Vertrag nicht weiter aufgeführten Verwaltungsaufgaben bestritten und seine Gewerbesteuerpflicht nur in bezug auf seine Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit anerkannt. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat sich im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Nach der Rechtsprechung sei bei der Prüfung der Selbständigkeit von Versicherungsvertretern zwischen dem Spezialagenten und dem Generalagenten zu unterscheiden. Die Hauptaufgabe des Spezialagenten sei die Vermittlung und der Abschluß von Versicherungen. Demgegenüber übe der Generalagent vorwiegend eine verwaltende, organisatorische und beaufsichtigende Tätigkeit aus. Vermittle der Generalagent auch Versicherungen, so sei er hinsichtlich seiner vermittelnden Tätigkeit selbständig, hinsichtlich seiner verwaltenden Tätigkeit unselbständig. Diese Aufteilung der Tätigkeit komme nur beim Generalagenten, nicht aber beim Spezialagenten in Betracht. Sei die Haupttätigkeit eines Versicherungsvertreters die Vermittlung oder der Abschluß von Versicherungen (Spezialagent), so werde er dadurch, daß er auch mit dem Einzug der Versicherungsprämien und mit der Mitwirkung bei Schadensfällen betraut sei, hinsichtlich dieser Nebentätigkeit nicht unselbständig. Der dahingehenden Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs habe sich der Bundesfinanzhof in dem Urteil IV 221/50 vom 12. Januar 1951 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz § 18, Rechtsspruch 10) angeschlossen. Für die Feststellung, ob ein Versicherungsvertreter Spezial- oder Generalagent sei, müsse jeweils im einzelnen Fall das Gesamtbild seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden. Hierbei sei entscheidender als der Wortlaut der mit der Versicherungsgesellschaft getroffenen Vereinbarungen die Tatsache, wie die hiernach zu entfallende Tätigkeit wirklich ausgeführt werde. Trotzdem gebe auch der Wortlaut der Vereinbarungen wichtige Anhaltspunkte für die Entscheidung. Für die Frage, ob ein Angestelltenverhältnis oder eine selbständige Unternehmertätigkeit vorliege, komme es allein auf das Innenverhältnis zwischen den Versicherungsunternehmen und dem Vertreter an. Bei der Beurteilung dieser Rechtsbeziehungen müsse dem Inhalt des zwischen den Gesellschaften und dem Bf. geschlossenen Vertrages um so größere Bedeutung beigemessen werden, als es sich hier um den unmittelbar an den Vertragsabschluß anschließenden Zeitraum handle. Es könne nicht angenommen werden, daß die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit des Bf. in diesem Zeitraum von der im Vertrag getroffenen Regelung abweiche. Dies werde auch von dem Bf. nicht behauptet. Er mache nur geltend, daß er zusätzliche Aufgaben übernommen habe, die im Vertrag keinen Niederschlag gefunden hätten.
Der Inhalt der Vereinbarungen mit dem Bf. lasse erkennen, daß dieser nicht als Generalagent mit überwiegend verwaltender Tätigkeit in einem Angestelltenverhältnis habe stehen sollen, sondern daß vielmehr an eine überwiegend werbende Tätigkeit, also an die Aufgabe eines Spezialagenten, gedacht gewesen sei. Dies ergebe sich besonders aus § 2 des Vertrages. Der hauptsächlich werbende Charakter der Tätigkeit des Bf. werde auch noch durch den Inhalt der von ihm vorgelegten Bescheinigung der Gesellschaften vom 3. Juli 1953 bestätigt, wonach es ihm obliege, den Gesellschaften aus dem Kreise der ihm zur Betreuung zugeteilten oder von ihm neu geworbenen Kunden in allen von den Gesellschaften betriebenen Versicherungszweigen ein möglichst zahlreiches Neugeschäft zuzuführen. Damit in übereinstimmung befinde sich die Bestimmung des § 4 des Vertrages, der den Bf. als Vermittlungsagenten bezeichne. In diesen Zusammenhang gehöre auch die Bestimmung des § 5 des Vertrages, wonach der Bf. selbständiger Gewerbetreibender sei. Seine Behauptung, daß damit lediglich der vermittelnde Teil seiner Tätigkeit gemeint sei, erscheine nicht stichhaltig. Andernfalls hätte diese Einschränkung im Vertrag ihren Niederschlag finden müssen. Für diese Auslegung spreche auch ein Schreiben der Versicherungsgesellschaften vom 16. Oktober 1951, in dem diese die von ihnen als unselbständig betrachteten Agenten namentlich aufgeführt hätten und in dem der Bf. nicht erwähnt sei. Auch die Regelung der an die Witwe B. zu zahlenden Nachprovision stehe der Annahme eines Angestelltenverhältnisses entgegen. Wenn es sich auch nicht um die Zahlung eines rentenähnlichen Kaufpreises für die übernahme der Agentur gehandelt habe, so sei doch der mit der Zahlung verfolgte Zweck entscheidend. Nach dem vom Bf. selbst veranlaßten Schreiben der Versicherungsgesellschaften vom 16. Juni 1954 sei die übernahme der Verpflichtung zu dieser Zahlung im Interesse des geschäftlichen Ansehens des Bf. gelegen gewesen.
Gegenüber den auf die Stellung des Bf. als Spezialagenten hinweisenden Abreden seien die in dem Vertrag enthaltenen Bestimmungen, die auf eine Angestelltenstellung des Bf. schließen lassen könnten, von weit geringerem Gewicht. Unerheblich sei zunächst die Bezeichnung der vom Bf. übernommenen Agentur als "Generalagentur". Ebenso seien die den Versicherungsgesellschaften eingeräumten Kontroll- und Weisungsbefugnisse nicht von einer derartigen Bedeutung, daß man von einer Eingliederung des Bf. als unselbständigen Angestellten in den Organismus der Gesellschaften sprechen könne. Auch die Betrauung des Bf. mit dem Prämieneinzug könne an dieser Beurteilung nichts ändern. Das Inkassogeschäft sei keine dem Spezialagenten fremde Tätigkeit. Die Inkassotätigkeit sei in der den Aufgabenbereich des Versicherungsagenten regelnden Vorschrift des § 43 VVG ausdrücklich aufgeführt. Daß der Prämieneinzug ein Bestandteil der Vermittlungstätigkeit des Bf. sei, ergebe sich auch aus folgender überlegung: Nach der für den Bf. geltenden Provisionstabelle würden Provisionen vom zweiten Versicherungsjahr an nur dann gewährt, wenn der Prämieneinzug durch den Vertreter erfolge. Die volle Entlohnung für die bei der Vermittlung aufgewendete Mühe komme dem Agenten nur dann zugute, wenn er den Prämieneinzug während der weiteren Laufzeit der Versicherung vornehme. Die Bestimmung, daß der Bf. bis auf geringe Ausnahmen alle Bürounkosten zu tragen habe, lasse erkennen, daß er ein dem Angestellten fremdes Unternehmerrisiko trage. Die Tatsache, daß dem Bf. über die gesetzliche Vollmacht hinausgehende Befugnisse in dem Vertrag nicht eingeräumt worden seien, bedeute ein weiteres Merkmal dafür, daß die Stellung des Bf. die eines Vermittlungsagenten habe sein sollen. Bei der Zuweisung eines festen Bezirks an den Bf. handle es sich lediglich um eine Einteilung des örtlichen Aufgabenbereiches nach organisatorischen Gesichtspunkten. Dies folge schon daraus, daß, wie gerichtsbekannt sei, mehrere dem Bf. gleichgeordnete Versicherungsvertreter für denselben Bezirk eingesetzt seien. Der Bf. habe also nicht die Stellung eines Bezirksdirektors.
Auch die tatsächliche Gestaltung seiner Tätigkeit gestatte es nicht, den Bf. als Generalagenten mit gemischter Tätigkeit anzusehen. Zunächst widerspreche die Stellung des Bf. als Lehrherr einer Angestelltenstellung. Dem von den Gesellschaften als lohnsteuerpflichtig behandelten Vorgänger, des Bf. sei der Lehrling nicht zugeteilt gewesen. über die für ihn tätigen zwölf Untervertreter übe der Bf. zwar eine gewisse Aufsicht aus. Sie seien jedoch Erfüllungsgehilfen des Bf. und stünden in keinerlei Rechtsbeziehungen zu den Gesellschaften. Der Bf. allein habe auch für die an sie zu zahlenden Provisionen aufzukommen. Demgegenüber trete die dem Bf. obliegende überwachung des alleinigen Platzvertreters, die als echte Beaufsichtigungstätigkeit zu betrachten sei, völlig zurück. Ferner sei daraus, daß der Bf. auch Provisionen für die unmittelbar bei den Gesellschaften eingehenden Prämien erhalte, zu schließen, daß er nicht seine Arbeitskraft, sondern einen Arbeitserfolg schulde. Für die Selbständigkeit des Bf. spreche, daß er ein eigenes Betriebsvermögen (Kraftfahrzeug) besitze und daß sich unter den von ihm als "Werbungskosten" geltend gemachten Aufwendungen solche für Personalkosten sowie für Mietzins, Telefon, Porto und Büro befänden. Endlich deute auch das Fehlen jeder Urlaubsregelung und vertraglichen Abmachung für den Krankheitsfall auf eine beruflich Selbständigkeit des Bf. hin.
Demgegenüber seien die vom Bf. wahrgenommenen sonstigen Verwaltungsaufgaben nicht von solcher Bedeutung, daß sie zusammen mit der Inkassotätigkeit als Hauptaufgabe gegenüber der Vermittlungstätigkeit angesehen werden könnten. Sie stellten lediglich untergeordnete Verwaltungsfunktionen dar, mit deren Durchführung selbständige Versicherungsvertreter üblicherweise betraut würden. Die Befugnis zur Regulierung von Schäden sei mit der Begrenzung auf Schäden bis zu 100 DM derartig beschränkt, daß sie der Annahme der Spezialagenteneigenschaft nicht entgegenstehen könne. In Anbetracht aller dieser Umstände könne es nicht darauf ankommen, daß die Inkassoprovisionen der Höhe nach die Abschlußprovisionen bei weitem überstiegen hätten. Es bestehe kein Anlaß, in dieser Hinsicht von der erwähnten Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 221/50 vom 12. Januar 1951 abzuweichen. Dazu komme, daß die Aufteilung der Provisionen in Inkasso- und Vermittlungsprovisionen erheblichen Schwierigkeiten begegne. Nach den allgemeinen Provisionsbedingungen der für den Bf. maßgebenden Provisionstabelle würden erstjährige Provisionen (Abschlußprovisionen) nur für Neuversicherungen gewährt; Ersatz- und Erneuerungsversicherungen sowie die Wiedergewinnung gekündigter Versicherungen, die gleichfalls eine erhebliche werbende Tätigkeit erforderten, lösten dagegen nur Ansprüche in Höhe der Provision vom zweiten Versicherungsjahr an (Inkassoprovisionen) aus. Komme es auf das Verhältnis der Höhe der Provisionen zueinander nicht entscheidend an, so bleibe ebenfalls ohne Bedeutung, ob die Inkassoprovisionen auf vom Bf. selbst vermittelte oder auf ihm übertragene Versicherungen entfielen. Die Angaben des Bf. über seine zeitmäßige Belastung mit den einzelnen Aufgaben (Vermittlungstätigkeit 10 v. H., Inkassotätigkeit 50 v. H., sonstige verwaltende Tätigkeit 40 v. H.) könnten keine andere Beurteilung rechtfertigen. Der Bf. führe selbst aus, daß die neuen Abschlüsse zum größten Teil bei der Vornahme des Inkassos getätigt würden. Daraus folge, daß eine zeitliche Aufteilung für die einzelne Tätigkeiten praktisch kaum möglich sei. Vielmehr gingen im vorliegenden Fall Vermittlungs- und Inkassotätigkeit derart ineinander über, daß sie nur einheitlich beurteilt werden könnten.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) hat der Bf. im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Der Vertragstext und die Anschauung der Versicherungsgesellschaften könnten für die Beurteilung, ob Selbständigkeit oder Unselbständigkeit vorliege, nicht entscheidend sein; die Stellungnahme der Versicherungsgesellschaften sei durch Zweckmäßigkeitsüberlegungen (z. B. Befreiung von der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Selbständigkeit des Vertreters) bestimmt. Er habe sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht die gleiche Stellung zu den Versicherungsgesellschaften, wie sie sein Vorgänger gehabt habe, der bis zu seinem Tode als lohnsteuerpflichtig behandelt worden sei. Schuldner der Nachprovision an dessen Witwe seien die Versicherungsgesellschaften, die nach den Richtlinien der früheren Reichsgruppe "Versicherungen" zu dieser Zahlung verpflichtet gewesen seien. Die Gesellschaften zahlten ihm laufend einen Zuschuß in entsprechender Höhe. Die Kontroll- und Weisungsbefugnisse der Versicherungsgesellschaften überstiegen bei weitem das Maß, das einem selbständigen Vertreter zugemutet werden könnte. Wenn die Bürounkosten nicht von den Versicherungsgesellschaften gesondert erstattet würden, so seien sie in einem erhöhten Provisionssatz enthalten. Die übernahme des Lehrlings hätten die Versicherungsgesellschaften aus betrieblichen Gründen gewünscht. Dem Generalvertreter werde im Versicherungsgewerbe grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wie viele Untervertreter er einzustellen habe. Die Untervertreter hätten auch beim Generalagenten ebenso wie das Büropersonal keine Rechtsbeziehungen zur Versicherungsgesellschaft. Auch der Generalvertreter benötige Büropersonal für Karteiführung, Mahnwesen, Kassenführung, Registratur und Aktenverwaltung. Dies seien Arbeiten, die sonst die Versicherungsgesellschaft selbst durchführen müßte, wenn sie nicht ihrem Bestand an den Generalvertreter übertragen hätte. Anteile am Arbeitserfolg (Provisionen) gebe es auch bei Angestellten. Ebenso habe eine große Zahl von Angestellten und Facharbeitern eigene Personenkraftwagen. Bei Generalagenten bestehe keine Notwendigkeit für Urlaubs- und Krankheitsregelungen. Die Verwaltungs- und Inkassotätigkeit, die bei Abwesenheit des Generalvertreters vorübergehend durch das Büropersonal ausgeübt werde, sei mengenmäßiger Natur.
Es sei nicht einzusehen, daß alle Inkassotätigkeit und alle sonstigen Verwaltungsaufgaben, die das Finanzgericht im übrigen nicht näher untersucht habe, lediglich "untergeordnete Verwaltungsfunktionen" darstellen sollten. Wenn die Verwaltungstätigkeit, wie bei ihm, die Vermittlungstätigkeit überwiege, könne sie nicht mehr als Nebentätigkeit gelten. Wenn man die Inkassotätigkeit ausklammere, blieben für die Vermittlungstätigkeit 1/5 und für die sonstige Verwaltungstätigkeit 4/5 der Resttätigkeit. Man müßte daher auch bei dieser Berechnungsmethode die Inkassotätigkeit der sonstigen Verwaltungstätigkeit zurechnen, da diese überwiege. Zu den Aufgaben eines unselbständigen Generalagenten gehörten nach der Rechtsprechung alle Geschäfte, die nichts mit der Werbung und Vermittlung neuer Versicherungen zu tun hätten und die das Versicherungsunternehmen selbst besorgen müßte, wenn der Generalagent nicht eingesetzt wäre. Grundlage seiner Generalagentur bilde der Bestand der bisherigen Generalagentur B. Erst auf dieser Basis habe sich allmählich die Vermittlungstätigkeit entwickelt. Sie sei nur eine Folge der Inkasso- und Verwaltungstätigkeit. Daß die zweitjährige Provision ebenfalls als eine Vergütung für die Vermittlung zu betrachten sei, finde in der Rechtsprechung keine Stütze. Schließlich treffe bei ihm auch das Merkmal des Generalagenten zu, daß er Vertretern übergeordnet sei, die der Versicherungsgesellschaft als Agenten verpflichtet seien.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Wenn das Finanzgericht den Bf. nach dem Gesamtbild seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als selbständigen Spezialagenten und nicht als Generalagenten mit gemischter Tätigkeit angesehen hat, so ist hierbei kein Rechtsirrtum zu erkennen. Jedenfalls konnte das Finanzgericht zu diesem Ergebnis gelangen. Die Würdigung in der Vorentscheidung entspricht den Grundsätzen des angeführten Urteils des Senats IV 221/50 vom 12. Januar 1951.
Das Ergebnis der Vorentscheidung kann auch durch die Einwendungen der Rb. nicht erschüttert werden. Es ist nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht zur Gewinnung des Gesamtbildes auch die Bestimmungen des mit den Versicherungsgesellschaften geschlossenen Vertrages mit herangezogen hat, zumal es sich hier um den Zeitraum unmittelbar nach Vertragsschluß handelt. Der Stellungnahme der Versicherungsgesellschaften konnte die Vorinstanz um so mehr Gewicht beilegen, als die Gesellschaften selbst in dem erwähnten Schreiben vom 16. Oktober 1951 eine Reihe von Vertretern als unselbständig bezeichnet hatten. Andererseits war das Finanzgericht für die Beurteilung der Gewerbesteuerpflicht des Bf. nicht daran gebunden, daß dessen Vorgänger als lohnsteuerpflichtig behandelt worden ist. Das Vorbringen des Bf., die Versicherungsgesellschaften zahlten ihm laufend einen Zuschuß in Höhe der an die Witwe seines Vorgängers zu entrichtenden Nachprovision, ist neu und kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr berücksichtigt werden. Das Finanzgericht hat mit Recht auch den Kontroll- und Weisungsbefugnissen der Gesellschaften keine solche Bedeutung beigemessen, daß der Bf. als in den Organismus der Gesellschaften fest eingegliedert und daher steuerlich unselbständig angesehen werden müßte. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs, daß auch starke vertragliche Bindungen, denen der Vertreter unterliegt, nicht ohne weiteres zur Annahme seiner Unselbständigkeit führen (vgl. die Urteile des Reichsfinanzhofs V 187/41 vom 30. Januar 1942, RStBl 1942 S. 399, und V 55/43 vom 3. Dezember 1943, RStBl 1944 S. 381, sowie das Urteil des Senats IV 219/51 U vom 16. Januar 1952, BStBl 1952 III S. 79, Slg. Bd. 56 S. 200). Hinsichtlich der übernahme des Lehrlings ist entscheidend, daß der Bf. hierzu als rechtlich befugt erachtet worden ist; unerheblich ist es, aus welchem Grund die übernahme erfolgt ist.
Daß der Bf. seine personellen und sachlichen Bürounkosten sowie die sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Aufwendungen aus seinen Einnahmen zu bestreiten hat, läßt ihn als Träger des Unternehmerwagnisses erscheinen und ist daher ein gewichtiges Argument für seine Selbständigkeit. Dazu kommt noch, daß das Büropersonal sowie die Untervertreter nur zu ihm und nicht zu den Versicherungsgesellschaften in Rechtsbeziehungen stehen. Wie sich aus den Ausführungen der Rb. ergibt, ist das Büropersonal in der Hauptsache auf dem Gebiet des Inkassos und der sonstigen Verwaltungsaufgaben tätig. Dies spricht entscheidend für die Selbständigkeit des Bf. auch hinsichtlich der Verwaltungstätigkeit. Die Behauptung des Bf. in der Rb., er sei Vertretern übergeordnet, die den Versicherungsgesellschaften als Agenten verpflichtet seien, ist neu und daher im vorliegenden Verfahren unbeachtlich. Dafür, daß der Bf. in seiner gesamten Stellung als Spezialagent anzusehen ist, spricht schließlich auch die von ihm nicht bestrittene Feststellung des Finanzgerichts, daß für den gleichen Bezirk mehrere dem Bf. gleichgeordnete Vertreter eingesetzt sind, der Bf. somit nicht die Stellung eines Bezirksdirektors hat. Der Hinweis der Rb. auf die zahlreiche Benutzung von Kraftfahrzeugen durch Arbeitnehmer geht fehl. Denn im vorliegenden Fall handelt es sich darum, daß der Bf. einen Kraftwagen bei der Ausübung seiner Tätigkeit ohne Unkostenersatz durch die Versicherungsgesellschaften benutzt hat. Bei den Arbeitnehmern kommt dagegen die Benutzung eines Kraftfahrzeugs auf eigene Rechnung nur für die Wege zur und von der Arbeitsstätte in Betracht.
Die sonstigen Verwaltungsaufgaben, die der Bf. außer dem Inkasso übernommen hat, sind in der Vorentscheidung unter übernahme des betreffenden Vorbringens des Bf. festgestellt. Gegenüber der Beurteilung dieser Tätigkeit zusammen mit der Inkasso- sowie der Abschluß und Vermittlungstätigkeit als einer einheitlichen selbständigen Tätigkeit ist nach den zutreffenden Darlegungen des Finanzgerichts (vgl. das angeführte Urteil des Senats IV 221/50 vom 12. Januar 1951) der Hinweis des Bf. auf das zahlenmäßige Verhältnis der Abschluss- und Inkassoprovisionen und auf das Verhältnis der zeitlichen Beanspruchung der einzelnen Tätigkeiten nicht zwingend. Zu beachten ist dabei insbesondere, daß im Streitfall die Abschlußprovisionen nur das Ergebnis einer halbjährigen Tätigkeit (1. Juli bis 31. Dezember 1951) sind, während es sich bei den Inkassoprovisionen in der Hauptsache um Jahresgebühren handeln dürfte.
Die Rb. war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
II. Urteil -
Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Bescheid vom 9. Oktober 1958 Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung haben der Bf. und seine Vertreter beantragt, ihn (den Bf.) hinsichtlich der verwaltenden Tätigkeit von der Gewerbesteuer freizustellen; zu dieser Entscheidung müsse man durch die für die Lösung des Rechtsproblems erforderliche Beschreitung neuer Wege gelangen. Solche seien aufgezeigt:
in dem von einem Hochschullehrer für einen Versicherungskonzern erstatteten Privatgutachten vom 13. August 1957;
in einem - nicht rechtskräftigen - Urteil eines Finanzgerichts vom 22. Mai 1958.
Zu a): Das Gutachten komme zu dem Ergebnis, daß die Mischung des in der Praxis zur Anwendung gelangenden Vertretervertrages aus typischen und atypischen Elementen, aus Bestandteilen selbständiger und unselbständiger Arbeit, eine einheitliche Auffassung des Vertretervertrages als des zu selbständiger Arbeit verpflichtenden Abkommens nicht zulasse. Die maßgebliche Bedeutung zur Erledigung in unselbständiger Arbeit übertragener Verwaltungsaufgaben an den Vertreter zwinge steuerlich zu einer Zerlegung des Vertrages in seine Bestandteile mit der Folge, daß für jeden Vertreter, heisse er nun General- oder Spezial-, Verwaltungs- oder Vermittlungsagent, die gemischte Tätigkeit anzuerkennen sei, wenn er Aufgaben werkvertraglicher mit solchen dienstvertraglicher Natur in seiner Tätigkeit zu erfüllen habe.
Zu b): Das Finanzgericht sei der Auffassung, der mit der Vermittlungs- und Abschlußtätigkeit befaßte Versicherungsvertreter sei zwar auch, soweit er Verwaltungsarbeit leiste, selbständig, übe jedoch insoweit keine werbende Tätigkeit aus. Die Verwaltungstätigkeit falle daher nicht unter § 15, sondern unter § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG); sie ähnele der eines Hausverwalters oder sonstigen Vermögensverwalters.
Der Senat erachtet keinen der beiden Wege für gangbar.
Das Gutachten verkennt, daß die verwaltende Tätigkeit eines Versicherungsvertreter nicht ohne weiteres dessen Unselbständigkeit herbeiführt. Entscheidend ist vielmehr, ob diese Tätigkeit im Rahmen der Eingliederung des Vertreters in das Versicherungsunternehmen erfolgt. Dies ist aber, wie der Senat im Bescheid vom 9. Oktober 1958 ausgeführt hat, vom Finanzgericht unter Berücksichtigung der Vertragsbestimmungen und der tatsächlichen Gestaltung der Tätigkeit mit Recht verneint worden. Für die Selbständigkeit auch hinsichtlich der Verwaltungstätigkeit spricht insbesondere, daß der Bf. auch insoweit das Unternehmerwagnis trägt, weil er für die Kosten des dabei beschäftigten, nur zu ihm in einem Anstellungsverhältnis stehenden Büropersonals selbst aufzukommen hat. Hiernach kann steuerlich kein Dienstverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 3 der Lohnsteuer- Durchführungsverordnung angenommen werden.
Die verwaltende Tätigkeit des Bf. kann auch nicht als selbständige Arbeit nach § 18 EStG - wobei es sich nur um eine sonstige selbständige Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG handeln könnte (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 311/38 vom 15. Juni 1938, RStBl 1938 S. 842) - anerkannt werden. Denn es trifft nicht zu, daß sie keinen werbenden Charakter trägt. Das erwähnte Urteil des Finanzgerichts stellt hinsichtlich der verwaltenden Tätigkeit lediglich auf die Einziehung der Prämien ab. Diese spielt aber, wie in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden ist, innerhalb der Verwaltungstätigkeit des Bf. nur eine untergeordnete Rolle. Das Hauptgewicht ruht vielmehr auf der Pflege und Erhaltung des Versicherungsbestandes. Diese erfordern aber die weitere persönliche Fühlungnahme des Versicherungsvertreters mit den Versicherungsnehmern auch nach Abschluß des Versicherungsvertrages, wobei es sich insbesondere um die Wiedergewinnung gekündigter Versicherungen, um Vertragsänderungen wegen änderung des zu versichernden Risikos (Nachversicherungen, Ersatz- und Erneuerungsversicherungen) und dergleichen handelt. Diese weitere Tätigkeit des Versicherungsvertreters hinsichtlich der einzelnen Versicherungen ist aber ebenso wie diejenige, die zur Vermittlung oder zum Abschluß des Versicherungsvertrages führt, als eine werbende anzusehen; sie fällt daher nicht unter § 18, sondern unter § 15 EStG und wird sonach auch von der Gewerbesteuerpflicht mit erfaßt.
Nach alledem muß es bei dem Ergebnis des Bescheides vom 9. Oktober 1958 verbleiben, so daß die Rb. als unbegründet zurückzuweisen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 409310 |
BStBl III 1959, 425 |
BFHE 1960, 446 |
BFHE 69, 438 |
StRK, GewStG:2/1 R 101 |