Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Bewirkt ein Unternehmer, der seine Geschäftsleitung (ß 73 Abs. 4 Satz 1 AO) bzw. seinen Wohnsitz (ß 73 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 73 a AO) im Bundesgebiet oder in Berlin (West) hat, Umsätze in der sowjetischen Besatzungszone, so ist er von dem für ihn zuständigen Finanzamt grundsätzlich auch mit diesen Umsätzen nach den für die Bundesrepublik und Berlin (West) geltenden Vorschriften zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Eine steuerliche Mehrbelastung infolge Umsatzbesteuerung in der sowjetischen Besatzungszone darf durch eine Besteuerung dieser Umsätze nicht eintreten.
Normenkette
UStG §§ 11, 16, 13, 18; UStDB § 1 Abs. 1, § 1; AO § 73 Abs. 4, § 73a
Tatbestand
Der Steuerpflichtige hat im Jahre 1955 für schriftstellerische Beiträge auf dem Gebiet der Medizin an die Verlage X. und Y. ... DM erhalten. Streitig ist, ob der Steuerpflichtige mit diesen Einnahmen aus Umsätzen in der sowjetischen Besatzungszone zur Umsatzsteuer herangezogen werden kann.
Das Finanzamt ist der Auffassung, daß der Steuerpflichtige mit diesen Einnahmen bei seinem Wohnsitz-Finanzamt in A. steuerpflichtig sei, weil eine Befreiungsvorschrift hier nicht bestehe und eine Doppelbesteuerung nicht vorliege. Die in der sowjetischen Besatzungszone auf Grund der Verordnung zur änderung der Besteuerung der Lohnempfänger und der freischaffenden Intelligenz am 24. Mai 1951 (Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Nr. 63/51 S. 493) zu erhebende Honorarsteuer von 14 % beziehe sich nicht auf die Umsatzsteuer. Die Umsätze aus schriftstellerischer Tätigkeit seien aber auf Grund der Anordnung Nr. 88/51 vom 30. April 1951 (Deutsche Finanzwirtschaft I/51 S. 480) von der Umsatzsteuer befreit.
Der gegen den Steuerbescheid eingelegte Einspruch des Steuerpflichtigen wurde vom Finanzamt zurückgewiesen. Die Berufung blieb ohne Erfolg.
Die Vorinstanz hält die Zuständigkeit des Finanzamts als Wohnsitz-Finanzamt in A. auf Grund der §§ 73 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 73 a Abs. 2 AO für gegeben. Danach werde bei ärzten für die Besteuerung nach dem Umsatz die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts begründet, in dessen Bezirk der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz habe. Diese Regelung trage der im Umsatzsteuerrecht zum Ausdruck gelangenden Einheitstheorie Rechnung, wonach ein Unternehmer nur ein Unternehmen haben könne und deshalb alle Umsätze zusammenzurechnen seien. Diese Regelung werde weder durch die Anordnung der Alliierten Militärregierungen in Berlin vom 12. November 1948 (Verordnungsblatt für Groß-Berlin 1948 S. 498) noch durch die Zuständigkeitsregelung für die Sowjetzone vom 23. Dezember 1950 (Rundverfügung Nr. 206/50, Sammlung von Anordnungen und Rundverfügungen auf dem Gebiet des Abgabenrechts, Jahrgang 1950 S. 261) berührt. Die Erfassung der Umsätze stehe im vorliegenden Fall auch der Gesichtspunkt der Doppelbesteuerung nicht entgegen. Bei der Honorarsteuer handle es sich um eine Einkommensteuer. Für die Umsätze aus schriftstellerischer Tätigkeit bestehe in der sowjetischen Besatzungszone eine besondere Befreiung. Von einer Doppelbesteuerung könne deshalb keine Rede sein.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rb. des Steuerpflichtigen. In ihr wird geltend gemacht, daß die Vorinstanz aus der Zuständigkeitsregelung in der sowjetischen Besatzungszone nicht die richtigen Folgerungen gezogen habe. Dort sei bestimmt, daß Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz nicht in der sowjetischen Besatzungszone haben, aber dort Umsätze tätigen, diese in der sowjetischen Besatzungszone zu versteuern hätten. Es bestehe ein steuerliches Inland mit zwei Gebieten, in denen verschiedene gegensätzliche Anordnungen erlassen worden seien. Für das Verwaltungsgebiet der sowjetischen Besatzungszone seien die materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen durch deren anderweite Bestimmungen ersetzt worden. Dieser Tatsache sei auch insofern Rechnung getragen worden, als eine in der sowjetischen Besatzungszone erhobene Umsatzsteuer dort verbleibe und eine etwaige nach den Bestimmungen des Bundesgebiets und Berlin (West) höhere Umsatzsteuer nicht nacherhoben werde. Aus dem Vordruck zur Umsatzsteuererklärung sei zu schließen, daß die höchsten Verwaltungsorgane eine Besteuerung der in der sowjetischen Besatzungszone erzielten Umsätze im Bundesgebiet und in Berlin (West) nicht gewollt hätten. Nach der Verwaltungsübung werde auch eine Umsatzsteuer für die in der sowjetischen Besatzungszone erzielten Umsätze nicht erhoben. Die Befreiungsvorschrift für die freiberufliche Intelligenz in der sowjetischen Besatzungszone könne nicht durch eine gegensätzliche Vorschrift im anderen Gebiet ersetzt werden.
Der Bundesminister der Finanzen, der gemäß § 287 Ziff. 2 AO dem Verfahren beigetreten ist, geht in seiner Stellungnahme davon aus, daß für die Besteuerung schriftstellerischer Umsätze nach § 73 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 73 a AO das Finanzamt zuständig sei, in dessen Bezirk der schriftstellerische Unternehmer seinen Wohnsitz habe. Nach § 1 UStG unterlägen die Umsätze, die ein Unternehmer im "Inland" gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens bewirke, der Umsatzsteuer. Aus den Vorschriften der §§ 11 und 13 UStG ergebe sich weiter, daß die von einem Unternehmer vereinnahmten Entgelte zusammenzurechnen seien. Betreibe der Unternehmer sein Unternehmen von dem Bezirk eines Finanzamts im Bundesgebiet oder in Berlin (West) aus, oder habe ein Schriftsteller seinen Wohnsitz im Bundesgebiet oder in Berlin (West), so besteuere das UStG in Verbindung mit den genannten Vorschriften der AO auch die in der sowjetischen Besatzungszone getätigten Umsätze eines solchen Unternehmers. Daß das UStG dies bewußt wolle, ergebe sich daraus, daß die angeführten Vorschriften des UStG und der AO nicht geändert worden seien. Wenn in den Fällen, in denen sowjetzonale Finanzbehörden die Umsätze eines gewerblichen Unternehmers des Bundesgebietes oder von Berlin (West), die dieser durch eine Betriebstätte in der sowjetischen Besatzungszone ausführt, zur Umsatzsteuer heranziehen und die Finanzverwaltungen der Bundesrepublik und von Berlin (West) insoweit auf die Erfassung dieser Umsätze verzichten, so entspreche das dem Sinn und Zweck des UStG, das jeden Umsatz nur einmal besteuern wolle. Umgekehrt verlange der Sinn und Zweck des UStG, die Umsätze eines Unternehmers der Bundesrepublik oder von Berlin (West), die von den sowjetzonalen Finanzbehörden nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden, bei dem für ihn zuständigen Finanzamt in der Bundesrepublik oder Berlin (West) zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Dadurch würden die im Inland getätigten Umsätze des Schriftstellers einmal der Umsatzsteuer unterworfen. Es werde außerdem verhindert, daß andere inländische Schriftsteller, die ihre im Inland getätigten schriftstellerischen Umsätze der Umsatzsteuer unterwerfen müßten, umsatzsteuerlich schlechter behandelt werden. Diese Beurteilung stehe auch in Einklang mit der sogenannten Identitätstheorie, nach der die Bundesrepublik die Rechtspersönlichkeit des Deutschen Reiches fortsetze.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß auch die sowjetische Besatzungszone Inland im Sinne des UStG ist (ß 1 Abs. 1 UStDB). Das hat zur Folge, daß der umsatzsteuerrechtliche Grundsatz der Einheit des Unternehmens materiell-rechtlich auch dann gilt, wenn ein Unternehmer Umsätze im Bundesgebiet oder in Berlin (West) und in der sowjetischen Besatzungszone tätigt. Die von dem Steuerpflichtigen in der sowjetischen Besatzungszone ausgeführten Umsätze gehören deshalb zu seinem Gesamtumsatz (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 174/53 U vom 11. Februar 1954, BStBl 1954 III S. 181, Slg. Bd. 58 S. 710). Dieser materiell-rechtlichen Regelung entsprechen die Vorschriften des UStG über die Zusammenrechnung der Entgelte und die einheitliche Erhebung der Umsatzsteuer in den §§ 11 und 13 UStG sowie die entsprechenden Vorschriften über die Zuständigkeit in den §§ 73 und 73 a AO. Für einen freiberuflichen Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz in A. hat, ist deshalb sein Finanzamt in A. zuständig. Bei diesem Finanzamt ist er mit allen seinen Inlandumsätzen zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Nun werden zwar seit der Aufteilung Deutschlands die in der sowjetischen Besatzungszone getätigten Umsätze in weitestgehendem Umfange durch die Finanzbehörden der sowjetischen Besatzungszone nach den dort geltenden umsatzsteuerlichen Bestimmungen besteuert. Gesetzliche Vorschriften, die diesen veränderten Verhältnissen Rechnung tragen würden, sind jedoch im Bundesgebiet und in Berlin (West) nicht ergangen. Die Finanzämter des Bundesgebiets und von Berlin (West) haben deshalb nach wie vor die für sie geltenden materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften anzuwenden. Den veränderten tatsächlichen Verhältnissen haben sie allerdings in der Weise Rechnung zu tragen, daß sie die Umsätze in der sowjetischen Besatzungszone, die dort bereits der Umsatzsteuer unterworfen wurden, nicht noch einmal zur Umsatzsteuer heranziehen. Eine Heranziehung dieser Umsätze auch im Bundesgebiet oder in Berlin (West) würde, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht ausführt, nicht mehr dem Sinn und Zweck des UStG entsprechen. Dieser Beurteilung hat die Verwaltung bisher in der Weise Rechnung getragen, daß sie im Verhältnis der Bundesrepublik und von Berlin (West) einerseits und der sowjetischen Besatzungszone andererseits die Betriebstättenbesteuerung zugelassen und von einer Besteuerung der Umsätze, die in der sowjetischen Besatzungszone der Umsatzsteuer unterliegen, abgesehen hat. Im vorliegenden Falle wurden die Umsätze des Steuerpflichtigen in der sowjetischen Besatzungszone unbestritten nicht zur Umsatzsteuer herangezogen. Die Vorinstanz hat auch zutreffend angenommen, daß die Honorarsteuer, die auf Grund der Verordnung vom 24. Mai 1951 (Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1951 S. 493) in der sowjetischen Besatzungszone von den Schriftstellern erhoben wurde, sich auf die Umsatzsteuer nicht bezieht. Die Umsätze des Steuerpflichtigen in der sowjetischen Besatzungszone wurde deshalb im vorliegenden Fall vom Finanzamt zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen.
Die Rb. war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1962, 525 |
BFHE 1963, 711 |
BFHE 75, 711 |
StRK, UStG:1/1 R 240 |