Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Anrechnung des Gewerbeverlustes in Fällen des Unternehmerwechsels. Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 GewStG 1950 beschränkt sich auf die Regelung der Steuerschuldnerschaft.
Normenkette
GewStG § 2/5, § 5 Abs. 2, § 10a
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) ist die Witwe und Vorerbin ihres am 15. Mai 1955 verstorbenen Ehemannes, der mit Wirkung vom 1. Januar 1950 den bis dahin von ihm mit einem Gesellschafter in der Form einer OHG betriebenen Handel nach Ausscheiden dieses Gesellschafters als Einzelunternehmen fortführte. An dieser OHG waren der Verstorbene zu 7/8 und der ausgeschiedene Gesellschafter zu 1/8 beteiligt. Letzterer war schon seit dem Jahre 1945 nicht mehr in dem Betriebe tätig und schied unter Auszahlung seines Kapitalkontos aus dem Unternehmen aus, das von dem Verstorbenen ohne Liquidation und unter Beibehaltung der Buchwerte unter der alten Firma unverändert fortgeführt wurde.
Streitig ist, ob der auf 1.367.160 DM festgestellte Gewerbeertrag 1950 gemäß § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1950 um die Gewerbeverluste der OHG aus den Erhebungszeiträumen II/1948 und 1949 von insgesamt 1.170.995 DM zu kürzen ist. Der Steuerausschuß hat die Kürzung mit dem vollen Betrage zugelassen. Das Finanzgericht hat auf die von dem Vorsteher des Finanzamts eingelegte Berufung den Gewerbeverlust zum Abzug zugelassen, allerdings nur in Höhe von 7/8 da der Ehemann der Bgin. entsprechend seiner Gewinnbeteiligung nur mit 7/8 an dem Verlust beteiligt gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) beigetreten; er hat die Zulässigkeit der Geltendmachung des Gewerbeverlustes verneint, weil nach § 5 Abs. 2 GewStG 1950 im Falle des Unternehmerwechsels der Betrieb, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet unverändert fortgeführt werde, als eingestellt und auf den Tag des Unternehmerwechsels neu gegründet gelte. In der Hand des übernehmenden Unternehmers liege also immer ein neuer Steuergegenstand vor, so daß ein Verlust des früheren Unternehmens bei der Ermittlung des Gewerbeertrages des neuen Steuergegenstandes nicht berücksichtigt werden könne. Daher könne auch das Urteil des I. Senats I 37/54 vom 21. Juni 1954 (Slg. Bd. 59 S. 88, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 243), nach dem bei Fällen einer vorweggenommenen Erbfolge die Anrechnung eines Gewerbeverlustes aus den Vorjahren dort gerechtfertigt sein solle, wo wirtschaftlich die Unternehmer- und Unternehmensgleichheit zu bejahen sei, nicht als dem Gesetz entsprechend angesehen werden.
Die Bgin. ist der Auffassung, daß § 5 Abs. 2 GewStG 1950 eine nur die Frage der Steuerschuldnerschaft regelnde Sondervorschrift sei, die die aus dem Objektcharakter der Gewerbesteuer folgenden Rechtsgrundsätze nur hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft durchbreche, so daß diese Bestimmung bei der Auslegung und Anwendung des § 10a GewStG 1950 nicht in Betracht komme. Die Frage, in welchem Falle ein neuer oder anderer Betrieb mit einer die Berücksichtigung eines Gewerbeverlustes ausschließenden Wirkung vorliege, könne nur nach den sich aus dem Objektcharakter der Gewerbesteuer ergebenden Grundsätzen und nicht nach der Sondervorschrift entschieden werden. Daher könne auch im Falle einer Veränderung im Bereich der Steuerschuldnerschaft ein anderer Betrieb nur dann angenommen werden, wenn der Betrieb durch den Unternehmerwechsel in seinen objektiven Betriebsverhältnissen so wesentlich berührt werde, daß wirtschaftlich von einem neuen Betriebe gesprochen werden müsse. Da im vorliegenden Falle kein Streit darüber bestehe, daß durch das Ausscheiden des einzigen Mitgesellschafters der Betrieb wirtschaftlich zumindest nicht wesentlich berührt werde, müsse der in der Zeit vor dem Ausscheiden entstandene Gewerbeverlust zum Abzug zugelassen werden.
Selbst wenn man aber bei der Auslegung und Anwendung des § 10a GewStG 1950 die Vorschrift des § 5 Abs. 2 a. a. O. berücksichtigen wollte, sei darauf hinzuweisen, daß auch beim Unternehmerwechsel ein Betrieb dann nicht als neue gegründet gelte, wenn er mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb des übernehmenden Unternehmers vereinigt, oder wenn nur ein Teil des Betriebes übernommen werde. Da die Gewerbesteuerschuldnerschaft bei Personalgesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit nunmehr in Anlehnung an die allgemeinen steuerlichen Rechtsgrundsätze geregelt sei, also nicht mehr auf die Gesellschaft als solche abstelle, sondern auf die Gesellschafter als Mitunternehmer, stehe nichts entgegen, auch auf dem Gebiete des Gewerbesteuerrechtes ebenso wie bei der Einkommensteuer davon auszugehen, daß bei einer mehrgliedrigen OHG mehrere Teilbetriebe der Gesellschafter vorlägen. Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen OHG, deren Handelsgesellschaft unter übernahme aller Aktiven und Passiven unverändert fortgesetzt werde, stelle sich also hiernach als die Vereinigung des Teilbetriebes des ausscheidenden Gesellschafters mit dem schon bestehenden Teilbetrieb des übernehmenden Gesellschafters dar.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Nach § 10a GewStG 1950 ist bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, der maßgebende Gewerbeertrag um die Gewerbeverluste der drei vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen. Das Recht auf die Geltendmachung des Gewerbeverlustes ist nach dem auch heute noch maßgebenden Urteil des Reichsfinanzhofs VI 236/42 vom 26. August 1942 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1942 S. 1024) an die Person des Gewerbetreibenden, der den Verlust erlitten hat, geknüpft und setzt außerdem voraus, daß die als Gewerbeverlust absetzbaren Fehlbeträge bei dem gleichen Unternehmen entstanden sind, dessen Gewerbeertrag gemäß § 10a GewStG gekürzt werden soll. Dieses Erfordernis der Gleichheit des Unternehmens ergibt sich aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer, der es nicht zuläßt, daß Verluste eines Unternehmens bei der Veranlagung eines anderen Unternehmens berücksichtigt werden.
Daß das Unternehmen der Firma des verstorbenen Ehemannes der Bgin. durch das Ausscheiden des einzigen Gesellschafters in seinem Bestande nicht berührt worden ist, daß also die gemäß § 10a GewStG 1950 erforderliche Unternehmensgleichheit zu bejahen ist, wird auch von dem Bf. nicht verkannt. Streitig ist nur, ob durch die Auflösung der OHG und die übernahme des Unternehmens durch den Ehemann der Bgin. ein Wechsel in der Unternehmerschaft eingetreten ist. Nach dem GewStG 1936 wurde entsprechend dem Realsteuercharakter der Gewerbesteuer die Steuerpflicht des Gewerbebetriebes durch einen Wechsel in der Person des Unternehmers dann nicht berührt, wenn der neue Unternehmer das Unternehmen im wesentlichen unverändert fortführte. Dem entsprach die im § 210a Abs. 1 AO getroffene Regelung, wonach der Real- (Gewerbe-) steuerbescheid ohne weiteres auch gegen den Rechtsnachfolger (einschließlich des Nachfolgers im Besitz) wirksam blieb. Nur die persönliche Steuerschuldnerschaft ging von dem Zeitpunkt der übernahme an auf den neuen Unternehmer über. Diese dem Realsteuercharakter der Gewerbesteuer entsprechende Regelung wurde aus Vereinfachungsgründen zunächst durch § 1 der Zweiten Verordnung über die Erhebung der Gewerbesteuer in vereinfachter Form vom 16. November 1943 (2. GewStVV), (Reichsgesetzblatt - RGBl - 1943 I S. 684) und dann durch die Neufassung des § 5 Abs. 2 GewStG 1950 dahin geändert, daß beim übergang des Betriebes im ganzen auf einen anderen Unternehmer der Gewerbebetrieb in jedem Falle - also ohne Rücksicht darauf, ob der Betrieb unverändert fortgeführt wird oder nicht - als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt und durch den neuen Unternehmer neu gegründet gilt. Dadurch sollte die schwierige Feststellung vermieden werden, ob durch den Wechsel in der Person des Unternehmers das Unternehmen als solches in seinem Bestande verändert worden ist. Es ist zu untersuchen, ob diese Bestimmung, die einen Einbruch in den Realsteuercharakter der Gewerbesteuer bedeutet, nur für die Frage der Steuerschuldnerschaft oder darüber hinaus auch bei der Anwendung und Auslegung der übrigen gesetzlichen Bestimmungen des GewStG, also insbesondere auch des § 10a, zu beachten ist.
Es erscheint zunächst zweifelhaft, ob durch § 5 Abs. 2 GewStG 1950 auch die Fälle geregelt werden sollten, in denen durch personelle Veränderungen ein Wechsel in dem Bestande der das Unternehmen tragenden Personengemeinschaft eintritt, mindestens aber einer oder auch mehrere der Mitunternehmer weiterhin beteiligt bleiben. Denn man kann in diesen Fällen nicht von einem übergang des Unternehmens im ganzen auf den verbleibenden Gesellschafter sprechen, da nach § 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit § 105 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) dem verbleibenden Gesellschafter der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zuwächst. Da § 5 Abs. 2 GewStG 1950 den Steuergegenstand, das Unternehmen als solches, unberücksichtigt läßt und auf die Personen des Unternehmers bzw. der Unternehmer abstellt, dürfte diese bürgerlich-rechtliche Regelung Beachtung verdienen. Zwar ist es richtig, daß die OHG als solche Steuerschuldner ist, es kann aber nicht an der Tatsache vorübergegangen werden, daß diese Regelung auf dem Charakter der Gewerbesteuer als Sachsteuer beruht, der durch § 5 Abs. 2 GewStG für das Gebiet der Steuerschuldnerschaft beseitigt worden ist, und daß andererseits die einzelnen Gesellschafter als Gesamtschuldner für die Gewerbesteuer der Gesellschaft mit ihrem Gesamtvermögen einstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs I 99/54 vom 2. August 1955, Slg. Bd. 61 S. 250, BStBl 1955 III S. 294), wodurch die maßgebende Bedeutung der Gesellschafter hervorgehoben wird.
Schließlich wird auch noch zu beachten sein, daß für das Lastenausgleichsgesetz - LAG - (ß 167 Abs. 2 LAG) die Frage der "Inhaberidentität" gemäß § 10 der Achten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 28. Juni 1954 (BGBl 1954 I S. 151 und BStBl 1954 I S. 313) in den Fällen ausdrücklich bejaht wird, in denen während des Vergleichszeitraumes (1. Januar 1940 bis 21. Juni 1948) eine Personengesellschaft in einen Einzelbetrieb umgewandelt worden ist und der Inhaber des Einzelbetriebes als Mitunternehmer an der Personengesellschaft mit mindestens 75 v. H. beteiligt war. Eine ähnliche Regelung trifft die Achte Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes vom 18. Dezember 1956 (BGBl 1956 I S. 928) im § 6, wonach bei der Umwandlung einer Personengesellschaft in einen Einzelbetrieb oder eines Einzelbetriebes in eine Personengesellschaft eine Neugründung im Sinne des Feststellungsgesetzes nicht anzunehmen ist. Der in den oben genannten Gesetzen verwendete Begriff des Gewerbebetriebes entspricht im wesentlichen dem des GewStG, so daß die erwähnte Regelung der Inhaberidentität im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung auch auf dem Gebiet des öffentlichen Abgabenwesens berücksichtigt werden sollte.
Selbst wenn man aber die Vorschrift des § 5 Abs. 2 GewStG 1950 allein für maßgebend erachtet, muß ihre Anwendung auf die Frage der Steuerschuldnerschaft beschränkt bleiben; es können aus dieser Bestimmung für den Begriff der Unternehmens- und Unternehmergleichheit und bei der Auslegung anderer Vorschriften des Gewerbesteuerrechts keine Schlüsse gezogen werden. Das trifft insbesondere auf § 10a GewStG zu, der den "Gewerbetreibenden", nicht den Steuergegenstand in den Vordergrund stellt. Es werden hier die gleichen Grundsätze maßgebend sein müssen wie für die Geltendmachung des Verlustvortrages bei der Einkommensteuer. Daß bei der letzteren der Verlustvortrag auf dem Umwege über die Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG berücksichtigt wird, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Für eine gleichmäßige Behandlung spricht auch die Erwägung, daß der vom Gesetzgeber verfolgte steuerpolitische Zweck der beiden Bestimmungen der gleiche ist; auch im Interesse der Vereinfachung des Steuerrechtes sollte von den für die Ermittlung des Gewinnes nach dem EStG maßgebenden Bestimmungen bei der Gewerbesteuerveranlagung nur insoweit abgewichen werden, als der unterschiedliche Charakter der beiden Steuern eine abweichende Behandlung erfordert. Bei der Veranlagung der Bgin. zur Einkommensteuer des hier streitigen Veranlagungszeitraumes ist der Verlustvortrag in vollem Umfange berücksichtigt worden.
Auch der I. Senat des Bundesfinanzhofs (Urteil I 37/54 U vom 21. Juni 1954, a. a. O., und Urteil I 27/54 U vom 24. August 1954, Slg. Bd. 59 S. 292, BStBl 1954 III S. 323) hat in einem Falle, in dem der Vater seinen Sohn unter unentgeltlicher überlassung eines Teils seines Kapitalkontos in sein Einzelunternehmen aufgenommen hat und das Unternehmen von beiden als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts fortgeführt wurde, keinen Unternehmerwechsel im Sinne des § 10a GewStG angenommen, so daß der Vater die auf dem Gewerbebetrieb lastenden Fehlbeträge der drei vorangegangenen Erhebungszeiträume zum Ausgleich bringen konnte.
Soweit die vorstehenden Ausführungen mit der Begründung der Entscheidung des erkennenden Senats IV 425/53 U vom 4. Mai 1955 (Slg. Bd. 60 S. 484, BStBl 1955 S. 185) in Widerspruch stehen, wird diese nicht mehr aufrechterhalten.
Ergibt sich somit, daß ein Unternehmerwechsel nicht gegeben ist, so folgt daraus noch nicht, daß bei der Ermittlung des Gewerbeertrages des zu einem Einzelunternehmen gewordenen Betriebes der volle Gewerbeverlust gekürzt werden darf. Aus der Fassung des § 10a GewStG ergibt sich eindeutig, daß der Gewerbeverlust an die Person des Unternehmers geknüpft ist, und daß insoweit der Objektcharakter der Gewerbesteuer zurücktreten muß. Man wird deshalb zur Herbeiführung einer möglichst geichmäßigen Heranziehung der Gewinne zur Einkommensteuer und Gewerbesteuer von den Grundsätzen des Einkommensteuerrechtes ausgehen können, soweit nicht eine unterschiedliche Behandlung zwingend aus dem GewStG oder aus dem das Gewerbesteuerrecht beherrschenden Objektcharakter dieser Steuer hergeleitet werden muß (vgl. das oben bezeichnete Urteil des Reichsfinanzhofs VI 236/42). Der Senat stimmt aus diesen Gründen den Ausführungen des Finanzgerichts zu, daß nach § 10a GewStG bei einer Veränderung der den Betrieb tragenden Unternehmer, die zu keinem Unternehmenswechsel führt, der Gewerbeverlust nur insoweit berücksichtigt werden darf, als er die vor und nach der Veränderung beteiligten Unternehmer tatsächlich belastet hat. Das Finanzgericht hat deshalb mit Recht bei der Veranlagung des Einzelunternehmens für den Erhebungszeitraum 1950 den Verlust der OHG aus den Erhebungszeiträumen II/1948 und 1949 nur mit 7/8 berücksichtigt.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war als unbegründet zurückzuweisen. Die Beteiligten haben mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien jedoch zweckmäßig, zunächst ohne eine solche durch Vorbescheid gemäß § 294 Abs. 2 AO zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 408962 |
BStBl III 1958, 210 |
BFHE 1958, 548 |
BFHE 66, 548 |