Leitsatz (amtlich)
Ein steuerlich unschädliches Umpacken (Verpacken) oder Umfüllen liegt nicht vor, wenn sich die gesamte Behandlung einer Ware als ein anderer wirtschaftlicher Vorgang darstellt, mit dem ein selbständiger Sonderzweck verfolgt wird.
Normenkette
UStG 1951 § 7 Abs. 3; UStDB 1951 § 12 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) liefert im Großhandel neben anderen Erzeugnissen Z-Stifte. Sie bezieht die dazu erforderliche Masse in festen Blöcken von dem Hersteller. Die Masse wird im Betrieb der Steuerpflichtigen durch Erhitzen verflüssigt, im fertig bezogene Kunststoffhülsen mit der Aufschrift „Z-Stift” gegossen und nach dem durch Erkalten eintretenden Festwerden an der Kopfseite mit einem Elektro-Heizkörper bestrahlt, um die Oberfläche glatt und glänzend zu machen. Die Steuerpflichtige nahm für ihre Großhandelslieferungen von Z-Stiften den Steuersatz von 1 v. H. gemäß § 7 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1951 in Anspruch, der ihr für die Umsatzsteuer-Veranlagungen bis zum 31. Dezember 1962 gewährt wurde.
Auf Weisung der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) teilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) der Steuerpflichtigen mit, daß entgegen der früheren Beurteilung die Bearbeitung der Masse zu Stiften als steuerlich schädlich im Sinne des § 12 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 angesehen werde, weil es sich nicht um ein unschädliches Umfüllen oder Umpacken, sondern um den letzten Abschnitt der Herstellung handele. Das FA versagte daher für die Zeit ab 1. Januar 1963 die Großhandelsvergünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 für die Lieferungen von Z-Stiften, so auch in dem hier in Betracht kommenden verkürzten Veranlagungszeitraum Februar 1965.
Die Berufung (Klage) hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 im wesentlichen ausgeführt: Die von der Steuerpflichtigen durchgeführten Maßnahmen, um aus den Blöcken 25 g wiegende Stifte in Kunststoffhülsen zu erhalten, seien nicht als ein Umpacken oder Umfüllen anzusehen. Die Hülse, die am unteren Ende mit einer Schraubvorrichtung versehen sei, um die Masse des Stiftes hinaus und wieder hinein zu drehen, ermögliche erst den Gebrauch des Stiftes und diene damit einem Sonderzweck. Außerdem sei das Bestrahlen, das der Kopfseite des einzelnen Stiftes erst den Glanz und die Glätte und damit das Aussehen eines Fertigprodukts verleihe, der letzte Akt der Herstellung. Hülsen und Inhalt seien auch untrennbar miteinander verbunden und so als Sacheinheit anzusehen. Die Großhandelsbegünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 stehe der Steuerpflichtigen wegen der steuerlich schädlichen Bearbeitungsmaßnahmen nicht zu.
Mit der Revision beantragt die Steuerpflichtige, die Umsatzsteuer um … DM herabzusetzen. Sie rügt Verletzung von Bundesrecht (§ 7 Abs. 3 UStG 1951 in Verbindung mit §§ 12 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 3 UStDB 1951). Dazu trägt sie inhaltlich vor: Der durch die Verflüssigung der Masse eingeleitete Vorgang des Umfüllens in Hülsen sei durch die Erwärmung der Stiftspitzen, um die beim Gießen aufgetretenen Schrumpfungen an deren Oberfläche zu beseitigen, erst abgeschlossen worden. Einen besonderen Zweck habe sie mit dem Erhitzen des oberen Teils der Stifte nicht verfolgt, sondern die Masse, die in ihrer stofflichen, chemischen und biologischen Zusammensetzung unverändert geblieben sei, lediglich für den Verbraucher hergerichtet. Solche Vorgänge seien nach der ständigen Rechtsprechung des BFH steuerlich unschädlich, wie zahlreichen Entscheidungen, insbesondere den Urteilen V 174/52 U vom 30. April 1953 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 57 S. 528 – BFH 57, 528 –, BStBl III 1953, 203), V 134/55 U vom 21. September 1955 (BFH 61, 418, BStBl III 1955, 359) und V 20/57 U vom 29. Januar 1959 (BFH 68, 366, BStBl III 1959, 141), entnommen werden könne. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze habe das FG nicht hinreichend beachtet, den technischen wie den wirtschaftlichen Vorgang des Umfüllens und Glättens verkannt, den tatsächlichen Ablauf nicht richtig wiedergegeben und darüber hinaus das vom Sachverhalt her nicht vergleichbare BFH-Urteil V 307/57 U vom 12. November 1959 (BFH 70, 29, BStBl III 1960, 11) zu Unrecht herangezogen. Die Kunststoffhülse des Stifts diene lediglich dazu, dessen Verbrauch zu erleichtern. Sie habe also nur einen untergeordneten Nebenzweck, der unabhängig vom Umfüllen in der Verpackung bestehe, und sei keine Gebrauchsvorrichtung. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei durch das Füllen der Hülse mit Masse keine Sacheinheit entstanden. Beide könnten ohne Aufwand und Zerstörung voneinander getrennt werden. Im übrigen handele es sich bei der Hülse und der eingefüllten Masse um eine Verpackung und um den verpackten Gegenstand, durch deren Verbindung keine Sacheinheit entstehe.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Das FG ist ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gekommen, daß das Einfüllen der durch Erhitzen verflüssigten Masse in Kunststoffhülsen mit Drehvorrichtungen und die anschließende Behandlung durch Erwärmung der Stiftspitzen steuerlich schädliche, die Großhandelsbegünstigung nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 ausschließende Bearbeitungen sind.
Voraussetzung für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes. nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Nr. 3 UStDB 1951 ist u. a., daß der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung weder bearbeitet noch verarbeitet hat, weil die Steuervergünstigung nur demjenigen Großhändler zusteht, der sich auf die dem Großhandel eigentümliche Aufgabe der echten Warenverteilung beschränkt. Nach der ständigen, in der Vorentscheidung zitierten Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951, nach dem Umpacken (Verpacken) und Umfüllen nicht als Bearbeitung oder Verarbeitung „gelten”, sind Maßnahmen eines Unternehmers zu dem Zweck, die Ware für die besonderen Bedürfnisse des Letztverbrauchers herzurichten und den Liefergegenstand versand- oder sogar erst verkaufsfähig zu machen, als steuerlich unschädlich anzusehen. Diese Grundsätze sind jedoch, wie der Senat stets ausdrücklich hervorgehoben hat, nur dann anwendbar, wenn der Gesamtvorgang nach dem Sprachgebrauch noch als „Umfüllen” oder „Umpacken” anzusehen ist und wenn mit den Maßnahmen des Unternehmers nicht selbständige Sonderzwecke verfolgt werden. Das FG hat den von ihm festgestellten, insoweit unstreitigen Sachverhalt ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Verletzung von Erfahrungssätzen zutreffend dahingehend gewürdigt, daß die von der Steuerpflichtigen durchgeführten Maßnahmen, um aus den Blöcken die von den Abnehmern verlangten Z-Stifte verkaufsfähig herzurichten, nicht als Umfüllen oder Umpacken angesehen werden können. Dabei ist es – entgegen der Meinung der Steuerpflichtigen – der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 in vollem Umfang gefolgt, und es hat auch die gelockerte Beurteilung von Zuteilungsmaßnahmen sowie der Vorgänge des Umfüllens und Umpackens unter Berücksichtigung der gesteigerten Anforderungen der Kundschaft hinreichend beachtet.
Bei dem Einfüllen der verflüssigten Masse in Hülsen mit Schraubvorrichtungen, die den Gebrauch der Stifte durch Herausdrehen der Masse erst ermöglichen und durch Zurückschrauben die Masse vor dem Eintrocknen und vor Beschädigungen schützen, handelt es sich nach dem Sprachgebrauch nicht um ein Umfüllen oder Umpacken (Verpacken) im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951, da die Liefergegenstände dadurch nicht nur versand- und verkaufsfähig gemacht oder mengenmäßig zugeteilt werden. Vielmehr ist die in die Kunststoffhülsen gegossene Masse durch den Vorgang der Verbindung mit der Hülse erst zu einer für den Verbraucher verwendbaren Ware geworden. Denn der Abnehmer hätte, wäre die Masse lediglich in Hülsen ohne besondere Vorrichtungen verpackt, umgepackt oder umgefüllt worden, diese nicht oder nur nach Zerstörung der Umhüllung benutzen können. Dies sollte durch die Maßnahmen der Steuerpflichtigen vermieden werden, die ihren Kunden nach den Feststellungen der Vorinstanz die mit Masse gefüllte Hülse als besondere Gebrauchsvorrichtung lieferte. Unter diesen Umständen liegt ein Umpacken oder Umfüllen nicht mehr vor, weil sich die gesamte Behandlung, insbesondere die Verwendung eines den Gebrauch ermöglichenden Mechanismus, der bei Zahnpastatuben, Benzinampullen usw. fehlt, als ein anderer wirtschaftlicher Vorgang darstellt, mit dem ein selbständiger Sonderzweck, nicht nur – wie die Steuerpflichtige meint – ein Nebenzweck verfolgt wird.
Zutreffend hat das FG auch ausgeführt, daß die Erwärmung der Stiftspitzen, um diesen Glanz und Glätte zu geben, nicht einem Umfüllen oder Umpacken zugerechnet werden kann, sondern als weitere Bearbeitung anzusehen ist. Darauf und auf die hiergegen gerichteten Einwendungen der Steuerpflichtigen kommt es jedoch nicht entscheidend an, weil, wie oben ausgeführt, die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 nicht gegeben sind. Deshalb kann auch unerörtert bleiben, ob die Steuerpflichtige durch die Verbindung der Masse mit der Hülse eine die Steuerbegünstigung ausschließende Sacheinheit gebildet hat.
Nach alledem steht der Steuerpflichtigen für die Lieferungen von Z-Stiften der ermäßigte Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 nicht zu.
Fundstellen
Haufe-Index 514912 |
BFHE 1972, 180 |