Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Die für die Gewerbesteuer zu treffende Entscheidung, ob, wenn Ehegatten je für sich gewerbliche Betriebe unterhalten, zwei getrennte Betriebe vorliegen oder ein einheitlicher Betrieb der Ehegatten als Mitunternehmer, wird von den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (BStBl 1957 I S. 193) und der daraufhin durch das Gesetz vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848) vorgenommenen änderung der Ehegattenbesteuerung im Einkommensteuerrecht nicht berührt.
Die Frage ist auch bei gleichartigen oder wirtschaftlich zusammengehörigen Betriebszweigen - ungeachtet der allgemeinen Fassung in Abschnitt 19 Abs. 3 Satz 2 GewStR 1951, 1955 und 1958 - unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des einzelnen Falles zu beurteilen.
Normenkette
GewStG § 2
Tatbestand
Der Bf. betreibt seit 1949 ein Importgeschäft und den Großhandel mit Obst, Gemüse und Südfrüchten. Seit 1954 hat er auch einen Stand in der Großmarkthalle. Im Jahre 1955 erkrankte der Bf. an einem schweren Herzleiden; seitdem liegt das Geschäft in der Hauptsache in der Hand seiner Ehefrau, die schon vorher mitgearbeitet hatte. Im Jahre 1950 hatte der Schwiegersohn des Bf. unter der Firma X. ebenfalls ein Importgeschäft sowie den Großhandel für Gemüse und Südfrüchte eröffnet. Nachdem der Genannte im Februar 1951 nach Amerika ausgewandert war, ist die Firma X. von der Ehefrau des Bf. weitergeführt worden. Die geringen Umsätze der Firma haben sich auf lizenzierte Ware beschränkt, die einen sicheren Verdienst gewährleistete und deren Handel mit keinem Risiko verbunden war. Die Firma hatte in den Jahren 1951 bis 1955 folgende Umsätze und Gewinne:
Umsätze Gewinne 1951 --------------------- 14.143 DM -- 1.905 DM 1952 ----------------------- 257 DM --- 58 DM 1953 --------------------- 28.761 DM -- 1.882 DM 1954 --------------------- 1.401 DM ---- 38 DM 1955 --------------------- 22.540 DM -- 2.589 DM.Das Finanzamt hat die Firma des Bf. und die Firma X. gemäß Abschnitt 19 Abs. 3 GewStR 1951 und 1955 gewerbesteuerlich als einen einheitlichen Gewerbebetrieb behandelt, da es sich um gleichartige Betriebe handle, die wirtschaftlich zusammengehörten. Die Steuermeßbescheide hat es gegen beide Ehegatten erlassen.
Im Rechtsmittelverfahren hat sich der Bf. (Ehemann) gegen diese Auffassung gewendet. Er hat beantragt, die beiden Betriebe gewerbesteuerlich für die Erhebungszeiträume 1951 bis 1953 und 1955 gesondert zu behandeln; auf den Erhebungszeitraum 1954 hat er sein Begehren wegen des von der Firma X. erzielten Verlustes nicht erstreckt. Er hat geltend gemacht, daß jeder der beiden Betriebe gesondert geführt werde. Buchhaltung und Betriebseinrichtung seien vollkommen getrennt. Der Geschäftsbetrieb der Firma X. werde von seiner Ehefrau allein geführt. Bei den geringen Umsätzen, die ausschließlich aus geschlossenen Waggonsendungen bestünden, könne das Geschäft von der Wohnung aus geführt werden, ohne daß hierzu kaufmännische Einrichtungen und ein Anlagevermögen nötig wären. Eigene Kasse, Bankkonto und die üblichen kaufmännischen Bücher seien vorhanden. Auf Grund der Neuregelung der Ehegattenbesteuerung bei der Einkommensteuer müsse nunmehr auch bei der Gewerbesteuer die Trennung der Betriebe von Ehegatten möglich sein.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht hat die Ehefrau des Bf. von Amts wegen gemäß § 239 Abs. 3 AO als Beteiligte zum Verfahren zugezogen und sie zur Sache gehört. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit eines Betriebes im Sinne des Gewerbesteuerrechtes hänge von der subjektiven Selbständigkeit des Betriebsinhabers in bezug auf den Betrieb und von der sachlichen Selbständigkeit des Betriebes gegenüber anderen Betrieben ab. Die subjektive Selbständigkeit des Unternehmers setze voraus, daß er den Betrieb auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung führe und nicht im Auftrag eines anderen oder als Mitunternehmer. Sachlich selbständig sei ein Betrieb, wenn er organisatorisch, finanziell und wirtschaftlich eine in sich geschlossene Einheit bilde. Mehrere Betriebe, die ihrer rechtlichen Struktur nach selbständige Handelsunternehmen darstellten, könnten gewerbesteuerlich nur dann als wirtschaftliche Einheit angesehen werden, wenn ihnen die beiden genannten Wesensmerkmale der Selbständigkeit eines Gewerbebetriebes fehlten. Bei mehreren Betrieben, von denen jeder einem von zwei Ehegatten gehöre, gelte keine Besonderheit. Die Auffassung in Abschnitt 19 Abs. 3 GewStR 1951 und 1955, wonach bei Eheleuten, wenn sie je für sich gleichartige oder wirtschaftlich zusammengehörige Betriebe innehätten, ein einheitlicher Gewerbebetrieb angenommen werden müsse, sei daher unrichtig. Wenn auch bei solchen Betrieben von Eheleuten eine starke Vermutung dafür spreche, daß es sich nicht um selbständige Gewerbebetriebe handele, so könnten die tatsächlichen Feststellungen doch zum gegenteiligen Ergebnis führen. Mit der Frage der Zusammenveranlagung der Ehegatten nach dem Einkommensteuerrecht und dem Vermögensteuerrecht habe die Selbständigkeit oder Unselbständigkeit ihrer Betriebe nach dem Gewerbesteuerrecht nichts zu tun.
Bei der Prüfung der Selbständigkeit der beiden Handelsgeschäfte des Bf. und seiner Ehefrau an Hand der genannten Merkmale sei das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, daß beide Betriebe eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Die Firma X. sei zwar formal ein ins Handelsregister eingetragenes Handelsgeschäft der Ehefrau des Bf. und habe eine eigene Kassen- und Buchführung. Tatsächlich sei aber der Firmenname von der Ehefrau nur gelegentlich dazu benutzt worden, für bestimmte lizenzierte Waren, zum Beispiel für Frühkartoffeln, deren Weiterverkauf mit keinem Risiko verbunden gewesen sei und einen sicheren Verdienst gewährt habe, eine besondere, auf die Firma X. lautende Zuteilung zu erhalten. Diese Umsätze seien unter der Mitarbeit der Ehefrau über die Firma des Bf. gelaufen. Die Firma X. habe somit die Aufgabe gehabt, bei bestimmten Umsätzen die Hauptfirma zu ergänzen. In dieser Form habe der Betrieb ohne besonderen Aufwand aber nur geführt werden können, weil der Bf. mit seiner Ehefrau zugleich einen gleichartigen, viel größeren Betrieb unterhalten habe. Daß die Beibehaltung der Firma nach der Angabe der Ehefrau auch den Zweck gehabt haben solle, ihr gegebenenfalls später als eventuelle Existenzgrundlage zu dienen, sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, da sie in den Streitjahren jedenfalls diesen Zweck nicht gehabt habe. Diesen Tatsachen gegenüber sei der Einwand des Bf., die Firma X. habe eine eigene Buchführung und eine eigene Betriebseinrichtung gehabt und sei auch finanziell und organisatorisch selbständig gewesen, unerheblich. Ein Geschäftsbetrieb von so geringem Umfang könne ohne besonderen Aufwand formal eine eigene Buch- und Kassenführung nachweisen. Darin könne bei ihm kein Wesensmerkmal seiner Selbständigkeit erblickt werden. Auch bedürfe eine solche Firma keiner besonderen Finanzierung und keiner Organisation; sie habe auch keine eigene Betriebseinrichtung und keine eigenen Arbeitskräfte nötig. Hiernach könne die Firma X. gewerbesteuerlich nicht als selbständiger, in sich geschlossener Gewerbebetrieb angesehen werden; vielmehr gehörten ihre Geschäfte wirtschaftlich zu den Umsätzen des einheitlichen Gewerbebetriebes des Bf. und seiner Ehefrau.
Mit der Rb. hat der Bf. im wesentlichen geltend gemacht, das Finanzgericht habe nur deshalb einen einheitlichen Gewerbebetrieb angenommen, weil es sich bei den Betriebsinhabern um Eheleute handle. Diese Auffassung entspreche nicht mehr der durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 geschaffenen Rechtslage, wonach Ehegatten mit ihren Gewerbebetrieben grundsätzlich getrennt zu veranlagen seien. Dies müsse, da nach § 2 GewStG unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen sei, auch für die Gewerbesteuer gelten. Ehegatten müßten nunmehr wie zwei fremde Unternehmer behandelt werden; für sie könne daher ebenfalls kein gemeinsamer Gewerbesteuermeßbetrag mehr festgesetzt werden.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Das Finanzgericht hat mit zutreffender Begründung einen einheitlichen Gewerbebetrieb mit dem Bf. und dessen Ehefrau als Unternehmer (Mitunternehmer) für gegeben erachtet. Der Bf. irrt, wenn er meint, das Finanzgericht sei zu dieser Auffassung nur deshalb gekommen, weil es sich um Eheleute handle. Dies ergibt sich schon daraus, daß in der Vorentscheidung die Ausführungen in Abschnitt 19 Abs. 3 GewStR 1951 und 1955, und zwar mit Recht, in der darin zum Ausdruck kommenden Allgemeinheit als unrichtig bezeichnet werden. Auch wenn der Betrieb der Firma X. in der Weise, wie in den Streitjahren geschehen, nicht von der Ehefrau, sondern von einem Fremden geführt worden wäre, wäre er wegen seiner wirtschaftlichen Unselbständigkeit mit dem Betrieb des Bf. zusammen als einheitlicher Betrieb zu behandeln gewesen, wobei als Unternehmer (Mitunternehmer) der Bf. und sein fremder Partner in Betracht gekommen wären. Das Finanzgericht hat deshalb auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die hier für die Gewerbesteuer zu treffende Entscheidung mit der Frage der Zusammenveranlagung der Ehegatten bei der Einkommensteuer - und auch bei der Vermögensteuer - nichts zu tun habe. Sie wird daher von den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (BStBl 1957 I S. 193) und der daraufhin erfolgten änderung der Ehegattenbesteuerung im Einkommensteuerrecht durch das Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848) nicht berührt.
Was die Frage der Mitunternehmerschaft betrifft, so ist diese nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. das Urteil I 139/54 S vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 4, Slg. Bd. 62 S. 9) im Verfahren der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags selbständig, das heißt unabhängig vom Einkommensteuerverfahren, zu beurteilen. Es ist daher für das Gewerbesteuerverfahren unerheblich, ob für Zwecke der Einkommensteuer eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung vorgenommen worden ist oder nicht. In der genannten Entscheidung ist weiter ausgesprochen, daß die Frage, ob eine Mitunternehmerschaft vorliegt, im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Wenn hier das Finanzgericht nach dem Gesamtbild des Falles die Eheleute als Mitunternehmer angesehen hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Bei sonst gleicher Sachlage wäre, wie ausgeführt, ein Mitunternehmerverhältnis auch zwischen fremden Personen anzunehmen gewesen. Mit der Bejahung der Mitunternehmerschaft steht es im Einklang, daß die angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheide gegen den Bf. und seine Ehefrau ergangen sind (§§ 210 Abs. 2, 212 a Abs. 2 und 3 AO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 GewStG).
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410062 |
BStBl III 1961, 314 |
BFHE 1962, 125 |
BFHE 73, 125 |