Leitsatz (amtlich)
1. Unter die nach § 3 Nr. 8 EStG steuerfreien Kapitalentschädigungen, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung national-sozialistischen Unrechts gewährt werden, fallen nicht die auf solche Entschädigungen gezahlten Zinsen.
2. Die auf die Wiedergutmachungsentschädigung geleisteten Zinsen sind auch keine Entschädigung i. S.von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG und daher nicht gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG steuerbegünstigt.
2. Anwaltskosten, die durch den Erwerb einer steuerfreien Entschädigungsleistung veranlaßt sind, sind keine Werbungskosten der auf die Entschädigungsleistung zu zahlenden Zinsen.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 8, § 9 Abs. 1 S. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte Schadensersatzansprüche nach dem Bundesgesetz zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reiches und gleichgestellter Rechtsträger (Bundesrückerstattungsgesetz - BRüG - ) vom 19. Juli 1957 (BGBl I 1957, 734) und nach dem Dritten Gesetz zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes vom 2. Oktober 1964 (BGBl I 1964, 809) geltend gemacht.
Vor der Kammer für Wiedergutmachungssachen des Landgerichts (LG) X kam es zu einem Vergleich. Auf Grund des Entschädigungsbescheides der Oberfinanzdirektion (OFD) Y vom 6. Juni 1973 erhielt der Kläger als Schadensersatz für den Entzug von Wertpapieren und Bankguthaben eine Entschädigung in Höhe von 181 792,57 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 41 812,29 DM gemäß § 34 Abs. 1 BRüG.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt FA -) zog die Zinsen bei der Einkommensteuerveranlagung für den Veranlagungszeitraum 1973 als Einkünfte aus Kapitalvermögen heran, weil die Zinsen nicht gemäß § 3 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der Besteuerung ausgenommen seien. Die Zinsen wurden später in einem Berichtigungsbescheid um "anteilige" Anwaltskosten gekürzt, so daß noch 37 421 DM besteuert blieben.
Der Kläger ist der Ansicht, die Zinsen gehörten zur Kapitalentschädigung und seien daher steuerfrei, und zwar ebenso wie der Zinszuschlag nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG), für den die Steuerfreiheit in Abschn. 6 Nr. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) bestätigt werde.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision beantragt der Kläger erneut, die Einkommensteuer-Bemessungsgrundlage um die der Besteuerung unterworfenen Zinsen zu kürzen.
Hilfsweise beantragt der Kläger den bisher unberücksichtigt gebliebenen Betrag an Anwaltskosten (22 360 DM abzüglich 4 391 DM = 17 969 DM) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu behandeln und für den Fall, daß diesem Hilfsantrag nicht entsprochen werde, weiter hilfsweise, die Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Steuerfrei sind gemäß § 3 Nr. 8 EStG - soweit hier von Bedeutung Kapitalentschädigungen, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts gewährt werden. Hierunter fallen jedoch nicht die auf solche Entschädigungen gezahlten Zinsen.
Zutreffend ist das Finanzgericht (FG) davon ausgegangen, daß die rückerstattungsrechtlichen Ansprüche des Klägers ihre Rechtsgrundlage in dem zwischen dem Kläger und der OFD Y geschlossenen Vergleich haben, daß die Entschädigung und ihre Verzinsung unterschiedlich zu beurteilen sind und daß die Befreiungsvorschrift sich auf die rückerstattungsrechtlichen Leistungen nebst dem Abgeltungsbetrag für Zinsen (§ 15 Abs. 2 BRüG) beschränkt, sich aber nicht auf die Zinsen nach § 34 Abs. 1 BRüG erstreckt. Die Ausführungen des FG sind insofern frei von Rechtsirrtum.
Das Bundesrückerstattungsgesetz sieht in den §§ 15 ff. vor, daß zum Rückerstattungsanspruch bestimmte Zuschläge gehören, die einer Abgeltung von Zinsen dienen sollen, wie z. B. die Pauschalabfindung zum Kapitalbetrag gemäß § 15 Abs. 2 BRüG oder die Regelungen in §§ 16 Abs. 2 Satz 2 und 17 Abs. 2 BRüG. Die Vorschriften der §§ 31 ff. BRüG betreffen dagegen die Lastentragung - also die Zahlungspflicht der Bundesrepublik Deutschland - , die Rangfolge der Ansprüche und die Verzinsung der Ansprüche gemäß § 34 BRüG.
§ 34 BRüG enthält - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - eine abschließende Regelung der Verzinsung des Entschädigungsanspruches, der Verzinsung der Erfüllungsschuld, bezieht aber diesen der Höhe nach vom Zeitpunkt der Auszahlung der Wiedergutmachungsleistung abhängigen Anspruch nicht in den Rückerstattungsanspruch ein.
Der Gesetzgeber hat auch in der Folgezeit hinsichtlich dieser unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen (Rückerstattungsanspruch, Verzinsungsanspruch) voneinander unabhängige Änderungen des Gesetzes vorgenommen.
Auf die Rückerstattungsansprüche und ihre Verzinsung sind infolgedessen die allgemeinen Regeln des Einkommensteuerrechts anzuwenden. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat einkommensteuerrechtlich stets den Erfüllungsanspruch und den durch ihn ausgelösten Zinsanspruch unterschiedlich beurteilt (vgl. die Urteile vom 3. September 1964 IV 97/63 U, BFHE 80, 467, BStBl III 1964, 643; vom 21. April 1966 VI 366/65, Teil BFHE 85, 448, BStBl III 1966, 460; vom 18. Februar 1971 IV R 206/67, BFHE 102, 49, BStBl II 1971, 485; vom 25. November 1975 VIII R 262/72, BFHE 117, 534, BStBl II 1976, 293).
Der Kläger kann auch nicht mit seiner Berufung auf Abschn. 6 Nr. 4 EStR durchdringen. Abschn. 6 Nr. 4 EStR erläutert die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 7 EStG, erweitert sie aber nicht. Auch nach § 3 Nr. 7 EStG sind Zinsen nicht steuerfrei (ebenso BFH-Urteil vom 28. März 1966 VI 145/64, BFHE 86, 346, BStBl III 1966, 501, auf das sich der Kläger zu Unrecht beruft). Etwas anderes gilt nur dann, wenn kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift bestimmte Leistungen (z. B. der Zinszuschlag zur Hauptentschädigung oder die Zinsen i. S. des § 4 Abs. 3 des Währungsausgleichsgesetzes i. d. F. vom 1. Dezember 1965, BGBl I 1965, 2060) Teil der Ausgleichsleistung sind oder als deren Teil gelten. Mit einer unterschiedlichen Ausgestaltung des Befreiungsumfanges unterschiedlicher Ansprüche verstieß der Gesetzgeber weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - ) noch gegen das Willkürverbot. Die Gerichte sind insoweit an die Wertentscheidungen des Gesetzgebers gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG).
Die Zinsen sind auch keine Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG und daher nicht gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG steuerbegünstigt. Denn zu den Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zählen nur solche Einnahmen, die als Ersatz für Einnahmen gezahlt werden, die entweder entgangen sind oder noch entgehen und nunmehr an deren Stelle treten. Die Zinsansprüche des Klägers sind jedoch nicht durch den Verlust von Zinseinnahmen ausgelöst worden. Denn der Kläger hatte keine Zinsansprüche, die weggefallen wären oder an deren Stelle die Zinsansprüche aus dem Entschädigungsanspruch hätten treten sollen. Die Zinsen, die der Kläger erhält, sind keine Entschädigungen für entgehende Zinsen.
Die Nachzahlung unterlassener Zinszahlungen für einen längeren Zeitraum bildet keine Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (vgl. BFHE 80, 467, BStBl III 1964, 643 unter III.); Entsprechendes gilt für Verzugszinsen (vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1966 VI 142/65, BFHE 85, 453. BStBl III 1966, 462). Zahlungen, die bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistung eines Rechtsverhältnisses sind, zählen nicht zu den Entschädigungen, die Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sind (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1975 VIII R 183/73. BFHE 115,472, BStBl II 1975, 634).
Die Revision hat auch hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags keinen Erfolg, die Anwaltskosten von den Zinseinnahmen abzuziehen. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Anwaltskosten in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der steuerfreien Entschädigungsleistung stehen. Die Höhe der Anwaltskosten wird nicht dadurch beeinflußt, ob und in welcher Höhe über die Entschädigungsleistung hinaus vom Entschädigungsverpflichteten Zinsen zu zahlen sind. Das FA hat insoweit zu Unrecht "anteilige"Anwaltskosten als Werbungskosten anerkannt. Die Anwaltskosten durften danach - unabhängig vom Abzugsverbot gemäß § 3c EStG - nicht berücksichtigt werden.
Aus den gleichen Erwägungen können die Anwaltskosten auch nicht als außergewöhnliche Belastung i. S. von § 33 EStG berücksichtigt werden (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 23. Februar 1968 VI R 131/67, BFHE 91, 532, BStBl II 1968, 406, und VI R 278/66, BFHE 91, 573, BStBl II 1968, 433).
Fundstellen
Haufe-Index 413390 |
BStBl II 1981, 6 |
BFHE 1981, 297 |