Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Wenn Hypothekenbanken von Darlehnsnehmern Gebühren vereinnahmen, die anläßlich der Schätzungen der Werte von Grundstücken entstanden sind, so gehören diese Beträge zu den Provisionen aus Bankumsätzen aller Art im Sinne des § 64 UStDB 1938 (ß 68 UStDB 1951).
Normenkette
UStDB § 68; UStG § 4/8
Tatbestand
Die Steuerpflichtige ist eine Kredit- und Hypothekenbank. Die Hypothekenbankabteilung beleiht Grundstücke kreditsuchender Darlehnsnehmer. Die Beleihungen erfordern die Schätzungen der Grundstückswerte. Dadurch erwachsen der Steuerpflichtigen Schätzungsgebühren und damit zusammenhängende Kosten. Die Schätzungsgebühren hat sich die Steuerpflichtige im II. Halbjahr 1948 von den Darlehnsnehmern ersetzen lassen und den Provisionen aus Bankumsätzen im Sinne des § 64 UStDB 1938 (jetzt § 68 UStDB 1951) zugerechnet, während das Finanzamt sie als aus "Hilfsgeschäften" geflossen angesehen und dem vollen Steuersatz unterworfen hat. Das Finanzgericht ist der Ansicht der Steuerpflichtigen beigetreten. Es hat die Schätzungsgebühren den Provisionen aus Bankumsätzen zugerechnet und den Auslagenersatz von der Umsatzsteuer völlig freigestellt.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts rügt die unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes. Er begründet seine Ansicht damit, daß es sich bei der Schätzung von Grundstücken um keine typische Banktätigkeit, sondern um eine Nebentätigkeit gehandelt habe, die den Hilfsgeschäften gleichzustellen sei, weil die Steuerpflichtige insoweit nicht mehr im Bereiche der Kreditgewährung, sondern im Bereiche der Kreditsicherung tätig geworden sei. Es habe den Schätzungen der Grundstückswerte sonach der unmittelbare Zusammenhang mit den Kreditgewährungen gefehlt, gleichgültig, ob es sich um Deckungs- oder freie Hypotheken gehandelt habe. Ausschließlich die Steuerpflichtige habe ein Interesse an den Schätzungen gehabt; denn geschätzt worden sei nicht auf Grund einer der Steuerpflichtigen auferlegten gesetzlichen Verpflichtung. Die Eignung der Schätzer zu den Schätzungen habe nicht auf banktechnischem, sondern auf bautechnischem Gebiete gelegen, woraus hervorgehe, daß es sich um keine typische Banktätigkeit gehandelt habe. Noch klarer werde dies dadurch, daß nicht eigene Schätzer einer Hypothekenbank, sondern fremde Schätzer, die mit der Banktätigkeit nichts zu tun hätten, die Schätzungen vornehmen könnten. Der Fall liege hier völlig dem des Urteils des Bundesfinanzhofs V 19/51 U vom 4. September 1952 (BStBl 1952 III S. 277, Slg. Bd. 56 S. 724) gleich, insbesondere im Hinblick darauf, daß es sich bei der Steuerpflichtigen um eine gemischte Hypothekenbank handele, die also auch reine Bankgeschäfte betreibe, somit Darlehen als Kreditbank wie als Hypothekenbank gewähren könne. Provisionen im banktechnischen Sinne seien die Schätzungsgebühren überdies nicht; § 64 UStDB 1938 komme für sie nicht in Betracht, sie seien lediglich Entgelte im Sinne des § 10 UStDB 1951. Von einer Provision könne man nur reden, wenn ein Vertragsteil eine Leistung erbringe, an der der andere Vertragsteil interessiert sei. Die Schätzungen hätten hier aber nicht im Interesse der Kreditsuchenden, sondern lediglich im Interesse der Bank wegen deren Sicherungsbedürfnisses gelegen. Es habe also ein beiderseitiges Interesse der Beteiligten gefehlt. Endlich spreche die buchtechnische Handhabung durch die Steuerpflichtige für die Auffassung des Finanzamts. Die Steuerpflichtige habe unter der Bezeichnung "Wertermittlungskosten" sämtliche Entgelte (Aufwandsersatz und ihr erwachsene Aufwendungen) aus allen Schätzungen, ohne Unterschied, ob es sich um Deckungs- oder freie Hypotheken gehandelt habe, auf einem Kostenkonto verbucht. Die Schätzungstätigkeit sei sonach eine Nebentätigkeit der Steuerpflichtigen gewesen.
Die Beteiligten haben sich hier noch in Schriftsätzen geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben.
Für die Entscheidung der hier in Betracht kommenden Streitfrage ist ausschlaggebend, ob die Schätzungsgebühren unter den Begriff "Provisionen aus Bankumsätzen" im Sinne des § 64 UStDB 1938 gehören. Dabei ist der Begriff "Provisionen" bei den Kreditinstituten weit zu fassen. Der Vorsteher des Finanzamts hat zutreffend vorgebracht, daß man von Provisionen nur reden könne, wenn der eine Teil der Vertragsparteien eine Leistung erbringe, an der der andere Vertragsteil ein Interesse habe. Er hat jedoch zu Unrecht das Vorliegen dieser Voraussetzung verneint.
In den §§ 11 und 12 des Hypothekenbankgesetzes vom 13. Juli 1899 (RGBl 1899 S. 375) ist von der "Beleihung" der Grundstücke die Rede. Mit dieser Bezeichnung bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß ein Darlehnsgeschäft den Ausgangspunkt für alle in dem Gesetz geregelten Maßnahmen abgibt. An der Darlehnsgewährung ist der Kreditsuchende auf alle Fälle interessiert, nicht anders als an jeder anderen Kreditaufnahme. Da es sich hier aber um einen Realkredit handelt, der wegen seiner langen Laufzeit und des festen Zinssatzes Vorteile mit sich bringt, ist das Interesse des Kreditsuchenden an dieser Art der Kreditaufnahme noch besonders groß. Einen Kredit von so besonderer Art kann er nicht anders erhalten als dadurch, daß der Wert des Grundstückes, das der Beleihung dienen soll, geschätzt wird. Die Schätzung liegt sonach auf jeden Fall auch im Interesse des Kreditsuchenden und nicht allein im Interesse der Hypothekenbank. Der Kreditsuchende bringt sein Interesse auch dadurch zum Ausdruck, daß er nach den von der Steuerpflichtigen verwendeten Antragsvordrucken für die Gewährung eines Kredites das Einverständnis mit den "Allgemeinen Bedingungen für Hypothekendarlehen" erklärt und daß in diesen Bedingungen unter Punkt zwei das Recht der Steuerpflichtigen, das Grundstück als Beleihungsobjekt durch Sachverständige schätzen zu lassen, ausgesprochen ist. Liegt sonach die Schätzung bei Hypothekenbankkrediten im Interesse auch des Kreditsuchenden, so sind die Schätzungsgebühren nach dem im Sinne des § 64 UStDB 1938 weit zu fassenden Provisionsbegriff unter die "Provisionen aus Bankumsätzen aller Art" zu rechnen.
Aus dem erwähnten Urteil des Bundesfinanzhofs V 19/51 U vom 4. September 1952 läßt sich nichts Gegenteiliges herleiten, vor allem deshalb, weil es sich dort nicht um den Begriff "Provisionen aus Bankumsätzen aller Art" im Sinne des § 64 UStDB 1938, sondern um die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 8 des Umsatzsteuergesetzes gehandelt hat. Auch die Buchführungsweise der Steuerpflichtigen ist für den vorliegenden Fall ohne Belang, ganz abgesehen davon, daß die Steuerpflichtige bereits im Verfahren vor dem Finanzgericht vom Finanzamt unwidersprochen vorgebracht hatte, daß sie im II. Halbjahr 1948 keine Schätzungsgebühren anläßlich der Gewährung freier Hypotheken, sondern nur Schätzungsgebühren anläßlich der Gewährung von Deckungsbeträgen vereinnahmt hat.
Daß es sich bei der Steuerpflichtigen um eine "gemischte" Hypothekenbank handelt, die also auch eine Kreditabteilung hat, ist für die Entscheidung über den vorliegenden Fall ebenfalls bedeutungslos. Die Hypothekenbankabteilung der Steuerpflichtigen arbeitet innerhalb des Unternehmens der Steuerpflichtigen wie eine gesonderte reine Hypothekenbank; sie hat eine besondere Organisation und Buchhaltung und unterliegt nach §§ 3 und 4 des Hypothekenbankgesetzes der besonderen staatlichen Aufsicht.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist daher zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1962, 363 |
BFHE 1963, 265 |
BFHE 75, 265 |
StRK, UStDB:68 R 1 |