Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ob ein Wohnhaus ein Zweifamilienhaus im Sinne des § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG ist, bestimmt sich grundsätzlich danach, ob nach der baulichen Gestaltung das Haus zwei Wohnungen hat.
Hat ein Haus nach der baulichen Gestaltung mehr als zwei Wohnungen, wird es aber tatsächlich nur von zwei Familien bewohnt, so wird es dadurch nicht zu einem Zweifamilienhaus, wenn diese Art der Nutzung nur vorübergehend ist. Anders kann es liegen, wenn das Haus nur zum Schein als Mehrfamilienhaus gestaltet ist, nach seiner baulichen Gestaltung aber auch als Zweifamilienhaus genutzt werden kann und tatsächlich nachhaltig als Zweifamilienhaus genutzt wird.
Normenkette
EStG § 7b/1; StAnpG § 1 Abs. 2, § 5/1; BewG § 75/6
Tatbestand
Die Bf. begehren die Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 b EStG für ein im Streitjahr 1962 fertiggestelltes Wohnhaus auf die vollen Herstellungskosten von 305.319 DM. Das Gebäude enthält drei abgeschlossene Wohnungen. Eine wird von der früheren Grundstückseigentümerin bewohnt; die beiden anderen bewohnten im Streitjahr die Bf. (Eheleute) und ihre im Jahre 1943 geborene Tochter. Das Finanzamt ließ die AfA gemäß § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1962 nur aus 120.000 DM zu, weil das Haus als Zweifamilienhaus genutzt worden sei.
Die Sprungberufung blieb erfolglos. Die Bf. hatten sich darauf berufen, daß die Bewertungsstelle des Finanzamts das Haus als Dreifamilienhaus bewertet habe. Das Finanzgericht führte dazu aus, die Einheitsbewertung sei nicht maßgeblich, da eine gesetzliche Bindung an die Feststellungen des Einheitswertbescheids nur bei Einfamilienhäusern bestehe. Der Gesetzgeber habe die erhöhte AfA nach § 7 b EStG bei Ein- und Zweifamilienhäusern auf die Herstellungskosten von 120.000 DM beschränkt, weil er kein Interesse daran gehabt habe, den Bau von Komforthäusern ohne Rücksicht auf die Zahl der Wohnungen voranzutreiben. Es würde diesem Ziel des Gesetzes nicht entsprechen, wenn man die Frage, ob ein Haus ein Zweifamilienhaus sei, von der Zahl der eingerichteten Wohnungen abhängig machen würde. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 234/54 U vom 3. Februar 1955 (BStBl 1955 III S. 89, Slg. Bd. 60 S. 230) könne nur die tatsächliche Nutzung des Hauses entscheidend sein. Die Tochter habe im Haushalt ihrer Eltern gelebt und die kleine Wohnung im Anbau wie ein Einzelzimmer benutzt. Daß die Tochter im Streitjahr schon heiratsfähig gewesen sei, sei demgegenüber unerheblich.
Mit ihrer Rb. rügen die Bf. unrichtige Rechtsanwendung. Sie tragen vor, das Haus habe drei selbständige Wohnungen. Die Wohnung der Tochter sei übrigens inzwischen fremdvermietet. Die Auffassung des Finanzgerichts über die Bedeutung der tatsächlichen Nutzung finde im Gesetz keine Grundlage. Es sei auch unzutreffend, daß die Tochter die kleine Wohnung im Anbau wie ein Einzelzimmer genutzt habe. Die Wohnung der Tochter enthalte eine Küche und ein Bad mit WC.
Entscheidungsgründe
Die Rb. mußte zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Der Begriff Zweifamilienhaus ist in § 7 b EStG 1962 nicht umschrieben. Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, wollte der Gesetzgeber mit der Beschränkung auf 120.000 DM, die vordem unbegrenzte steuerliche Förderung auch von sogenannten Komfortvillen begrenzen. Zugleich diente die Einschränkung aber auch der Dämpfung der Baukonjunktur (vgl. das Urteil des Senats VI 66/63 U vom 7. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 242, Slg. Bd. 79 S. 25, und den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 22/63, 2 BvL 23/63 vom 7. Juli 1964, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 18 S. 135, BStBl 1964 I S. 539). Die steuerliche Förderung größerer Häuser, besonders größerer Miethäuser, wurde dagegen von der Gesetzesänderung nicht betroffen und in dem bisherigen Maß aufrechterhalten.
Wenn es darum geht, Ein- und Zweifamilienhäuser gegenüber anderen Häusern abzugrenzen, so muß man grundsätzlich auf die äußere bauliche Gestaltung abstellen, wie es auch bei der Einheitsbewertung geschieht. Wenn auch, wie das Finanzgericht zutreffend bemerkt, die Entscheidung im Einheitswertverfahren in Fällen dieser Art für die Einkommensteuerveranlagung nicht bindend ist, so kann sie doch, da die gleichen rechtlichen Gesichtspunkte maßgebend sind, einen Anhalt bieten. Die Auffassung, daß es in erster Linie auf die bauliche Gestaltung ankommt, ergibt sich auch aus § 51 f Abs. 6 des Gesetzes zur änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BStBl 1965 I S. 375), in dem erstmals der Begriff Zweifamilienhaus gesetzlich definiert ist. Der Senat trägt keine Bedenken, diese Begriffsbestimmung bereits bei der Auslegung des § 7 b EStG 1958 zu verwenden, weil sie auf allgemeine Gesichtspunkte abgestellt ist. In Abschn. 58 Abs. 4 letzter Satz EStR 1963 bestimmt übrigens auch die Bundesregierung ein Zweifamilienhaus als ein Gebäude, das nach seiner baulichen Gestaltung nicht mehr als zwei Wohnungen hat. Wenn das Finanzgericht demgegenüber die Abgrenzung nicht in erster Linie nach der baulichen Gestaltung, sondern nach der Art der tatsächlichen Nutzung vornehmen will, so ist dem nicht zuzustimmen. Allerdings kann in Grenzfällen, wenn die bauliche Gestaltung keine klare Abgrenzung ermöglicht, auch die tatsächliche Nutzung mit als Abgrenzungsmerkmal herangezogen werden.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts hat das Haus nach seiner baulichen Gestaltung drei abgeschlossene selbständige Wohnungen; alle Wohnungen haben eine eigene Küche und ein Badezimmer mit WC. Ist das Haus nach seiner baulichen Gestaltung also kein Zweifamilienhaus, so müßten besondere Umstände vorliegen, wenn es trotzdem als Zweifamilienhaus im Sinne des § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG behandelt werden sollte. Das Finanzgericht will allerdings unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 234/54 U (a. a. O.) einen solchen Umstand darin sehen, daß die Familie des Bf., zu der auch die Tochter gehört, zwei Wohnungen in dem Haus genutzt und als Einheit behandelt hat. Der Senat tritt dieser Würdigung nicht bei. Das Urteil IV 234/54 U (a. a. O.) behandelt die Abgrenzung steuerlich begünstigter Wohnflächen von betrieblich genutzten Räumen; dabei spielt allerdings die tatsächliche Nutzung die ausschlaggebende Rolle. ähnlich hat der Senat in den Urteilen VI 18/57 U vom 12. Juni 1959 (BStBl 1959 III S. 307, Slg. Bd. 69 S. 119) und VI 102/61 vom 13. April 1962 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1962 S. 335), die zu § 7 c EStG ergangen sind, die tatsächliche Nutzung für maßgebend erklärt. Im Streitfall spielt aber der Umfang der Wohnfläche keine Rolle, sondern es kommt allein darauf an, ob das Haus ein Zweifamilienhaus ist. Nutzt eine Hausgemeinschaft zwei Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus, so kann das Haus allenfalls steuerlich als Zweifamilienhaus behandelt werden, wenn das Haus nur zum Schein als Mehrfamilienhaus gebaut ist, in Wirklichkeit aber auch die Nutzung als Zweifamilienhaus ohne weiteres gestattet und tatsächlich von einer Familie zwei Wohnungen für längere Zeit nachhaltig als Wohneinheit benutzt werden.
Für eine solche Beurteilung liegt aber hier kein Anhalt vor. Die Bf., eine kinderreiche Familie mit heranwachsenden Kindern, hatten vorübergehend einen größeren Bedarf an Wohnraum. Sie haben die dritte Wohnung inzwischen anderweit vermietet. Sie haben also die dritte Wohnung nur vorübergehend mitbenutzt. Unter diesen Umständen kann die tatsächliche Nutzung gegenüber der baulichen Gestaltung nicht ausschlaggebend sein.
Die Vorentscheidung, die auf anderen Rechtsgrundsätzen beruht, war aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das die erhöhte AfA im Sinne des § 7 b Abs. 1 EStG nunmehr aus den vollen Herstellungskosten des Hauses zu berechnen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 411821 |
BStBl III 1966, 87 |
BFHE 1966, 238 |
BFHE 84, 238 |