Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufteilung eines Wirtschaftsvorgangs in eine Warenlieferung und eine Werkleistung zwischen zwei umsatzsteuerrechtlich selbständigen Gesellschaften, die personell und finanziell eng miteinander verbunden sind, setzt voraus, daß ihre Geschäfte eindeutig voneinander abgegrenzt sind.
2. Ein einwandfreier Nämlichkeitsnachweis ist unentbehrlich, wenn der Unternehmer in seinem Unternehmen teils von ihm bearbeitete, teils von ihm nichtbearbeitete Waren liefert. Handelt es sich bei den bearbeiteten und den nichtbearbeiteten Gegenständen um Warenarten, die sich eindeutig voneinander abgrenzen lassen, so kann für die zweite Gruppe auf den Nämlichkeitsnachweis verzichtet werden.
Normenkette
UStG §§ 3, 7 Abs. 3; UStDB § 2 Abs. 1, § 14 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige -- Stpfl. --), eine inzwischen aufgelöste OHG, betrieb Großhandel mit Schlachthausprodukten. Durch Gesellschaftsvertrag vom 1. Dezember 1956 wurde die Firma S. GmbH (im folgenden GmbH genannt) gegründet, deren Zweck die Lohnsalzerei und Lohnräucherei von Speck war. ... Die Geschäfte der beiden Firmen wurden wie folgt abgewickelt: Die OHG (Stpfl.) bezog, zumeist aus dem Ausland, rohen Speck. Dieser wurde von der GmbH gesalzen und geräuchert. Die Kunden erhielten zwei Rechnungen, eine von der OHG über Speck -- wobei Angaben, ob es sich um "rohen" oder "geräucherten" Speck handele, fehlten -- und eine zweite von der GmbH über die Räuchorkosten. Die GmbH räucherte ausschließlich die von der OHG verkauften Speckmengen. Der für die einzelnen Lieferungen benötigte Rohspeck wurde der GmbH von der OHG in einem Gesamtposten für einen oder mehrere Abnehmer übergeben. Die Aufteilung des Specks zwecks Auslieferung an die Kunden erfolgte durch die OHG nach dem Räuchern. Die OHG nahm, wie vorgefundene Lieferscheine zeigen, auch die Auslieferung des geräucherten Specks an die Kunden vor.
Streitig ist,
1. ...
2. ob die OHG an ihre Kunden unbearbeiteten rohen Speck oder Speck geliefert hat, den sie durch die GmbH als ihre Erfüllungsgehilfin hat räuchern lassen;
3. ob der Buchnachweis erfüllt ist
a) hinsichtlich der Lieferungen zu 2.,
b) hinsichtlich der Lieferungen von Innereien und
c) hinsichtlich der Einfuhranschlußlieferungen von Speck.
Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) hatte sich in allen drei Punkten auf den für die Stpfl. ungünstigeren Standpunkt gestellt. Das Finanzgericht (FG) hat die Stpfl. wegen des Vorgangs der Übernahme der Maschinen und Betriebsvorrichtungen aus der OHG in die GmbH mit 1 v. H. zur Umsatzsteuer herangezogen; bezüglich der anderen in Streit befindlichen Umsätze hat es sich der Auffassung der Stpfl. angeschlossen und die Umsatzsteuer entsprechend herabgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des FA, die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO), ist bezüglich der Punkte 1. und 3.b unbegründet; bezüglich der übrigen Punkte führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. ...
2. Das FG ist der Darstellung der Stpfl., die Kunden hätten bei ihr rohen Speck bestellt und ihr für die Dauer der Geschäftsbeziehungen den Auftrag erteilt, den gekauften rohen Speck im Namen und für Rechnung der Kunden bei der GmbH salzen und räuchern zu lassen, im Hinblick auf die während der Betriebsprüfung beigebrachten schriftlichen Bestätigungen mehrerer Kunden gefolgt. Nachträglich beigebrachten, vom Steuerpflichtigen formulierten Kunden-Bestätigungen ist aber erfahrungsgemäß ein nur geringer Beweiswert beizumessen. Derartige, auf lange Sicht berechnete Vereinbarungen werden im Geschäftsleben schriftlich getroffen. Die Stpfl. konnte in keinem Falle eine schriftliche Vereinbarung vorlegen.
Es kommt hinzu, daß die Feststellung der Vorinstanz in den folgenden Punkten zum Verhalten der Stpfl. und ihrer Abnehmer in Widerspruch steht: In den bei den Akten befindlichen Offerten hat die Stpfl. von "unserer Großräucherei" und von der von ihr erstellten Großräucherei gesprochen und den Kunden "gut gerauchte Ware" angeboten. Soweit der Stpfl. schriftliche Aufträge erteilt worden sind, lauteten sie durchweg auf die Lieferung von geräuchertem Speck. Es fällt auf, daß die den Auftragsdurchschriften entsprechenden Originalauftragsschreiben vom Betriebsprüfer bei der Stpfl. größtenteils nicht vorgefunden worden sind. Die bei den Akten befindlichen Lieferscheine und Verkaufsbestätigungen der Stpfl. lauteten ebenfalls auf geräucherten Speck. Die Käufer hatten an einer Aufteilung der Werklieferungen in Warenlieferungen und Werkleistungen auch kein Interesse. Die Feststellung des FG kann daher der revisionsrechtlichen Würdigung nicht zugrunde gelegt werden.
Außerdem hätten die Aufträge auf Lieferung rohen Specks höhere Gewichtsangaben enthalten müssen als die Aufträge auf Lieferung geräucherten Specks, weil durch das Räuchern je nach der Art der Rohware und nach der Räucherungsmethode unterschiedliche Gewichtsverluste eintreten. Da die Verschaffung der Verfügungsmacht ein tatsächlicher Vorgang ist, können Durchschnittsgewichte nicht zugrunde gelegt werden. Der Abnehmer muß wissen, an welcher Warenmenge er im Einzelfall die Verfügungsmacht erhält (vgl. Urteil des BFH V 135/63 vom 24. Februar 1966, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 85 S. 145 -- BFH 85, 145 --, BStBl III 1966, 263). Auch an der erforderlichen Konkretisierung der Ware fehlte es im Streitfalle, weil die Aufteilung des Specks auf die einzelnen Abnehmer erst nach dem Räuchern stattfand.
Aber selbst wenn man sich über diese Bedenken hinwegsetzen wollte, würde sich an dem Ergebnis nichts ändern.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs, daß ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang umsatzsteuerlich nicht in eine Warenlieferung und in eine Werkleistung aufgeteilt werden darf, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Abnehmer aus Gefälligkeit dem Lieferer gegenüber mit einer solchen Aufspaltung einverstanden erklären. Dieser Grundsatz ist für die Fälle aufgestellt worden, daß die Bearbeitung der Ware vom Lieferer selbst bewirkt wird. Findet die Aufteilung eines Auftrags in eine Warenlieferung und eine Werkleistung im ausdrücklichen oder stillschweigenden Einvernehmen mit dem Abnehmer zwischen zwei Firmen statt, deren Inhaber verschiedene Personen sind, so ist die zivilrechtliche Gestaltung grundsätzlich auch für die Umsatzbesteuerung maßgebend. Dies gilt auch dann, wenn die beiden Firmen Personenzusammenschlüsse oder juristische Personen sind. Wegen der Freiheit der Unternehmer, ihre Rechtsverhältnisse so zu gestalten, wie es ihren Interessen am besten entspricht, wird man diese Aufteilung umsatzsteuerrechtlich -- ebenso wie zivilrechtlich -- selbst dann anerkennen müssen, wenn die Gesellschaften, ohne in einem Organschaftsverhältnis zueinander zu stehen, personell und finanziell eng miteinander verbunden sind. Im Interesse der Gleichmäßigkeit und Klarheit der Besteuerung muß in diesen Fällen aber gefordert werden, daß die Geschäfte der beiden Gesellschaften eindeutig voneinander abgegrenzt sind und daß nach dem Gesamtbild wirklich zwei unabhängige Unternehmen vorliegen. Hierzu gehört, daß die beiden Gesellschaften eigene Geschäftsräume, eigene Arbeitskräfte und eine eigene Buchführung besitzen und daß getrennte Angebote abgegeben und getrennte Aufträge erteilt werden (im Ergebnis ebenso Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umstzsteuergesetz, 9. Aufl., Tz. 1157 f.). Diese Vorausetzungen sind -- wie die obigen Ausführungen zeigen-- im Streitfalle nur zu einem kleinen Teil erfüllt. Von zwei wirklich voneinander unabhängigen Unternehmen kann bei der OHG und der GmbH keine Rede sein. Auf die Prüfung der Frage, ob die Aufteilung der Specklieferungen nicht schon deshalb abzulehnen ist, weil zwischen der OHG und der GmbH ein Organschaftsverhältnis besteht, kann daher verzichtet werden.
Hat aber die Stpfl. ihren Abnehmern nicht rohen Speck, sondern Speck geliefert, den sie durch die GmbH als ihre Erfüllungsgehilfin hat salzen und räuchern lassen, so muß sie den gesamten von den Kunden gezahlten Preis einschließlich der Räucherkosten versteuern, und zwar, weil wegen der ihr zuzurechnenden Bearbeitung des Specks die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ausscheidet, zum allgemeinen Steuersatz von 4 v. H.
3. Hinsichtlich des Buchnachweises ergibt die Nachprüfung durch den Senat folgendes:
a) Sie spielt für die unter 2. behandelten Umsätze keine Rolle, weil auf diese Umsätze schon wegen der Bearbeitung der Ware § 7 Abs. 3 UStG nicht anwendbar ist.
b) Der Senat hat in seinem Urteil V 160/59 S vom 21. Dezember 1961 (BFH 74, 565, BStBl III 1962, 209) klargestellt, daß § 14 Abs. 4 UStDB keine Mußvorschriften, sondern lediglich Richtlinien für die Führung des Buchnachweises enthält. Das Fehlen des sog. Nämlichkeitsnachweises (Nachweis dafür, daß der Unternehmer den von ihm gelieferten Gegenstand erworben und ohne Veränderung seiner Marktgängigkeit an einen anderen Unternehmer zur gewerblichen Verwendung geliefert hat) führt in der Regel dann nicht zum Verlust der Steuervergünstigung, wenn der Steuerpflichtige ein reines Handelsunternehmen betreibt, bei dem Bearbeitungsvorgänge nicht vorkommen. Dagegen ist ein einwandfreier Nämlichkeitsnachweis unentbehrlich, wenn der Steuerpflichtige in seinem Unternehmen teils von ihm bearbeitete, teils von ihm nichtbearbeitete Waren liefert. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn es sich bei den bearbeiteten und den nichtbearbeiteten Gegenstände um Waren arten handelt, die sich scharf voneinander abgrenzen lassen. In diesen Fällen kann für die Gruppe der Waren, die nicht vom Unternehmer bearbeitet worden sind, auf den Nämlichkeitsnachweis verzichtet werden (vgl. Urteil des BFH V 43/61 vom 23. Januar 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 268). Da die Stpfl. die Innereien nach dem Betriebsprüfungsbericht nicht bearbeitet hat, bedarf es insoweit des Nämlichkeitsnachweises nicht.
c) Die Einfuhranschlußlieferungen betreffen die Warenart "Speck". Da die Stpfl. Waren dieser Art zum Teil bearbeitet (gesalzen und geräuchert) hat (vgl. Punkt 2), muß für die Einfuhranschlußlieferungen der Nämlichkeitsnachweis gefordert werden. Er ist aber unstreitig nicht geführt worden.
4. ...
Fundstellen
BStBl III 1967, 159 |
BFHE 1967, 283 |