Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzliches zur Frage der Börsenumsatzsteuerpflichtigkeit der Zuweisung von Wertpapieren bei Erbauseinandersetzungen.
Normenkette
KVStG § 18/1; KVStG § 18/2/2
Tatbestand
In der notariellen Urkunde vom 31. März 1951 übertrugen die Testamentsvollstrecker über den Nachlaß eines Großindustriellen nominell 226.500 DM Geschäftsanteile (Vorzugsgeschäftsanteile) an der A. GmbH an die Beschwerdegegnerin (Bgin.), die zu den Miterben gehört. In dem Vertrag ist bestimmt, daß die übertragung unter Berechnung eines Kurses von 105 % des Nennwertes erfolgt, und daß der Gegenwert durch Verrechnung getilgt wird.
Das Finanzamt hat in dem der übertragung zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft ein börsenumsatzsteuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft gesehen und die Bgin. zum vollen Wert des Gegenstandes zur Steuer herangezogen. Hiergegen wurde eingewendet, daß der Erwerb der Geschäftsanteile durch die Bgin. als Miterbin im Zuge der Erbauseinandersetzung erfolgt sei und nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs der Börsenumsatzsteuer nicht unterliege.
Das Finanzgericht stellte die Bgin. von der Steuer frei, ohne zu prüfen, ob ein Anschaffungsgeschäft im Sinne des Kapitalverkehrsteuergesetzes vorliege, weil eine Verpflichtung zur Zahlung der Börsenumsatzsteuer nicht gegeben sei, selbst wenn man in der Vereinbarung ein steuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft erblicken würde. Das Finanzgericht begründet seine Auffassung damit, daß man bei der Börsenumsatzsteuer für die übertragung von Wertpapieren die gleiche grundsätzliche Einstellung des Gesetzgebers voraussetzen dürfe, die bei der Grunderwerbsteuer zu der ausdrücklichen Steuerbefreiung für die übertragung von Grundstücken im Falle einer Erbauseinandersetzung geführt habe. Zudem bilde die Erbauseinandersetzung einen Bestandteil des einheitlichen Rechtsvorgangs der Vererbung, der als Ganzes der Erbschaftsteuer unterliege und daher aus dieser Einheit nicht zu einer besonderen Besteuerung herausgelöst werden könne. Das Finanzgericht berief sich dabei auf die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 171/28 vom 10. Juli 1928 (Slg. Bd. 24 S. 44) und II 184/40 vom 28. September 1940 (Slg. 49 S. 149, Reichssteuerblatt - RStBl. - S. 966).
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamtsvorstehers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Beschwerdeführer (Bf.) will die Steuerpflicht für die überweisung von Wertpapieren bei Erbauseinandersetzungsverträgen an Miterben aus § 18 Abs. 2 Ziff. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) herleiten. Er weist dabei auf das Schrifttum hin, in dem diese Auffassung vertreten wird. Der Senat vermag dieser Rechtsansicht nicht zu folgen.
Nach § 18 Abs. 2 Ziff. 2 KapVStG gelten u. a. als Anschaffungsgeschäfte auch Geschäfte, durch die bei der Auflösung einer Personenvereinigung oder beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personenvereinigung den Gesellschaftern Wertpapiere aus dem Vermögen der Gesellschaft überwiesen werden. Der Senat hält die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Ziff. 2 a. a. O. auf Erbengemeinschaften nicht für anwendbar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes, von dem bei der Auslegung auszugehen ist, ist Tatbestandsmerkmal, daß die Wertpapiere aus dem Vermögen einer Gesellschaft stammen und daß sie Gesellschaftern überwiesen werden. Das Gesetz setzt also selbst Gesellschaften und Personenvereinigungen gleich. Die Erbengemeinschaft ist aber keine Gesellschaft, und die Miterben sind nicht deren Gesellschafter, sondern Teilhaber einer Gemeinschaft. Für die hier vertretene Auffassung spricht auch die Verkehrsanschauung, nach der unter Personenvereinigung regelmäßig ein Zusammenschluß auf Grund freiwilliger Vereinbarung verstanden wird. Bei der Erbengemeinschaft erfolgt der Zusammenschluß zwangsläufig auf Grund Gesetzes (ß 2032 BGB). Diese Anschauung befindet sich in übereinstimmung mit dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 372/29 vom 30. Juli 1929 (Slg. Bd. 25 S. 291, 293), wo in einer Grunderwerbsteuersache ausgesprochen wird, daß die Erbengemeinschaft keine Personenvereinigung ist. Mit dieser Auffassung steht nicht in Widerspruch, daß das Kapitalverkehrsteuergesetz für die Börsenumsatzsteuer der Gesamthandgemeinschaft, also auch der Erbengemeinschaft, steuerliche Rechtsfähigkeit beiliegt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 474/25 vom 3. November 1925, Slg. Bd. 17 S. 298; Urteil des Bundesfinanzhofs II 232/51 U vom 26. März 1952, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 137, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - S. 429).
Aus der Begründung zu § 18 Abs. 2 KapVStG (RStBl. 1934 S. 1460, 1476) läßt sich keine andere Auffassung des Gesetzgebers entnehmen. Dort wird mit Bezug auf die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Ziff. 2 a. a. O. nur von dem Fall der überlassung von Wertpapieren aus dem Gesellschaftsvermögen an einen Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft oder beim Ausscheiden eines Gesellschafters gesprochen. Die Aufnahme der Vorschrift des § 18 Abs. 2 Ziff. 2 a. a. O. in das Gesetz wurde nach der Begründung "im Interesse der Klarstellung" für notwendig erachtet, obgleich der Reichsfinanzhof seine Auffassung in dem Urteil vom 28. April 1925 (Slg. Bd. 16 S. 223), daß kein steuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft in einem derartigen Fall vorliege, in dem Urteil vom 8. März 1932 (Slg. Bd. 30 S. 251, RStBl. 1932 S. 443) aufgegeben habe. Wenn schon für erforderlich gehalten wurde, eine ausgetragene Rechtsauslegung zur Klarstellung in das Gesetz aufzunehmen und sich in der Begründung damit auseinanderzusetzen, hätte viel näher gelegen, im Gesetz, zum mindesten in der Begründung, zum Ausdruck zu bringen, ob zu den Personenvereinigungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Ziff. 2 a. a. O. auch die Erbengemeinschaften gehören. Dazu wäre um so mehr Veranlassung gewesen, als die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs II A 171/28 Slg. Bd. 24 S. 44), daß die überweisung von Wertpapieren im Wege der Erbauseinandersetzung keine Börsenumsatzsteuerpflicht begründe, ebenso bekannt war wie die des Reichsfinanzhofs II A 372/29 (Slg. Bd. 25 S. 291), daß die Erbengemeinschaft keine Personenvereinigung ist.
Der erkennende Senat hält daran fest, daß die Börsenumsatzsteuer als eine Rechtsverkehrsteuer in allen Fällen zu erheben ist, in denen die Merkmale eines Anschaffungsgeschäfts im Sinne des § 18 Abs. 1 KapVStG vorliegen. Wenn aus wirtschaftlichen Gründen für eine Steuerart Steuererleichterungen oder Steuerbefreiungen angeordnet werden, so kann daraus nicht geschlossen werden, daß die gleichen Befreiungen oder Erleichterungen ohne besondere gesetzliche Vorschrift auch für andere Steuerarten gelten. Ohne Gesetz kann die Rechtsprechung die Steuerfreiheit nicht aussprechen. Sie würde sich sonst an Stelle des Gesetzgebers setzen und Recht schaffen, anstatt das bestehende Recht auszulegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 56/52 S vom 7. Mai 1952, BStBl. III S. 181, Bay. FMBl. S. 945). Daher kann die Steuerbefreiung des Grunderwerbsteuergesetzes für Erwerbe von Miterben bei Erbauseinandersetzungen ohne besondere Gesetzesvorschrift nicht auf die Börsenumsatzsteuer des Kapitalverkehrsteuergesetzes übertragen werden. Auch gibt es keinen "ungeschriebenen Rechtssatz", nach dem von der Börsenumsatzsteuer das Anschaffungsgeschäft befreit ist, das in der Zuweisung von Wertpapieren bei der Erbauseinandersetzung liegt, weil der Vorgang als Ganzes der Erbschaftsteuer unterworfen ist. Die zahlreichen Vorschriften in den Steuergesetzen, durch die das Zusammentreffen verschiedener steuerlicher Belastungen für einen Rechtsvorgang oder einen Tatbestand geregelt wird, beweisen die Richtigkeit dieser Auffassung. Als Beispiel wird auf § 4 Ziff. 8, 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verwiesen. Soweit in den Urteilen des Reichsfinanzhofs II A 171/28 und II 184/40 etwas anderes gesagt ist, wird daran nicht festhalten.
Demnach ist bei Erbauseinandersetzungsverträgen und bei Vereinbarungen über die überlassung von Wertpapieren aus dem Vermögen der Erbengemeinschaft an Miterben stets zu prüfen, ob sämtliche Merkmale eines steuerlichen Anschaffungsgeschäfts gegeben sind. Zweifel können insbesondere darüber entstehen, ob die freie Willensentschließung beim Abschluß des Veräußerungsgeschäfts vorliegt. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gehört zum Wesen der Erbengemeinschaft; sie ist in der Regel zwangsläufig (ß 2042 BGB). Von der Rechtsprechung ist anerkannt, daß ein obligatorisches Anschaffungsgeschäft nicht vorliegt, wenn die Zuteilung der Wertpapiere auf letztwilliger Anordnung beruht oder wenn mehrere gleichartige im Nachlaß befindliche Wertpapiere gemäß §§ 2042, 752 BGB unter den Miterben nach Verhältnis ihrer Anteile in Natur aufgeteilt werden (Hinweis auf Greiff, Reichsstempelgesetz, 2. Aufl. vor § 18 zu Tarif- Nr. 4 Anm. 3a Abs. 2, S. 86). Die Ansicht von Greiff a. a. O., diese Zuweisung müsse durch den Richter erfolgen, teilt der Senat nicht. Die Miterben können zwecks Herbeiführung der Börsenumsatzsteuerfreiheit nicht gezwungen werden, erst im Wege eines kostspieligen Rechtsstreits die Anteile für den einzelnen Miterben feststellen zu lassen, wenn die Aufteilung durch die Miterben den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Erbauseinandersetzung entspricht. Daher wird es als ausreichend angesehen, daß die vorgenommene Zuweisung im Wege der Auseinandersetzungsklage erzwingbar ist, um die Vereinbarungen über die Zuweisung der Wertpapiere als zwangsläufig anzusehen, und somit wegen des fehlenden Merkmals der Freiwilligkeit ein Anschaffungsgeschäft im Sinn des § 18 Abs. 1 KapVStG nicht anzunehmen.
Wenn jedoch die Wertpapiere an die einzelnen Miterben abweichend von einer ausdrücklichen Teilungsanordnung des Erblassers oder von den - mangels letztwilliger Anordnungen des Erblassers - maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zugewiesen werden, so ist das Geschäft in vollem Umfange steuerpflichtig.
Die Vorentscheidung hat das Vorliegen eines Anschaffungsgeschäfts nicht geprüft. Daher hält es der Senat für angebracht, die Sache zur Vornahme dieser Prüfung an Hand der vorstehenden Ausführungen und zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407532 |
BStBl III 1953, 2 |
BFHE 1954, 1 |
BFHE 57, 1 |