Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung eines Fehlers bei der Steuerfestsetzung nach dessen Aufdeckung durch die Aufsichtsbehörde
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berichtigungsmöglichkeit des § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO ist auch auf die Lastenausgleichsabgaben (hier: Vermögensabgabe) anwendbar.
2. Die Initiative für die Fehleraufdeckung muß nicht von der Aufsichtsbehörde ausgehen. Vielmehr ist erforderlich und ausreichend, daß sie den Fehler amtlich feststellt. (Leitsätze nicht amtlich)
Normenkette
AO § 222 Abs. 1 Nr. 3
Nachgehend
Gründe
Durch Bescheid vom 18. Februar 1955 wurde der Beschwerdegegner (Bg.) auf der Grundlage eines Gewinnsaldos von 110.198 DM und unter Berücksichtigung einer Ermäßigung wegen Vermögensrückganges von 62.222 DM zur Kreditgewinnabgabe (KGA) in Höhe von 46.900 DM veranlagt. Anläßlich einer Nachprüfung durch die Oberfinanzdirektion wurden die Vermögensverluste auf 56.829 DM festgestellt. Unter Berücksichtigung dieses Vermögensverlustes wurde der Bg. durch den gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) berichtigten Bescheid vom 9. Mai 1960 zur KGA in Höhe von 52.300 DM veranlagt.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht verneinte die Möglichkeit einer Berichtigung des ursprünglichen KGA-Bescheides nach § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO. Die in dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 165/57 U vom 18. April 1958 (Bundessteuerblatt –BStBl – 1958 III S. 250, Slg. Bd. 66 S. 654) vertretene Auffassung, daß sich die Beschränkung der Berichtigungsmöglichkeit nur auf fortlaufende, nicht aber auf einmalige Abgaben wie die Lastenausgleichsabgaben beziehe, sei unzutreffend. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergebe sich nichts für diese Ansicht. Die Bestimmung sei nur nach ihrem Wortlaut anzuwenden. Dies gelte um so mehr, als die Bestimmung der Rechtssicherheit diene, eine Auslegung gegen den Wortlaut, wie sie vom Bundesfinanzhofs vorgenommen werde, störe aber die Rechtssicherheit. Das Finanzgericht beruft sich für seine Auffassung unter anderem auf das in „Entscheidungen der Finanzgerichte” (EFG) 1960 Nr. 252 abgedruckte Urteil des Finanzgerichts München.
Der Vorsteher des Finanzamts ist unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Meinung, daß die Berichtigung des KGA-Bescheides nach § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO zulässig gewesen sei.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Mit Urteil III 273/57 S vom 7. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 157, Slg. Bd. 66 S. 407) hat der Senat entschieden, daß die KGA zwar eine Steuer vom Vermögen im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 2. Halbsatz AO ist, KGA-Bescheide aber gleichwohl nicht von der Berichtigung nach dieser Bestimmung ausgeschlossen seien. In dem die Vermögensabgabe betreffenden Urteil III 142/60 S vom 2. Februar 1962 (BStBl 1962 III S. 250, Slg. Bd. 74 S. 677) hat sich der Senat bei der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gegen das in BFG 1960 Nr. 252 abgedruckte Urteil des Finanzgerichts München erneut mit der Frage auseinandergesetzt. Er hat dabei an der Auffassung des Urteils III 165/57 U vom 18. April (a.a.O.), das im Anschluß an das die KGA betreffende Urteil III 273/57 S (a.a.O.) für die Vermögensabgabe ergangen ist, festgehalten. In dieser Entscheidung ist ausgeführt, daß der Wortlaut des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 AO keinen Hinweis gebe, ob die Vorschrift nur für die dort aufgeführten periodischen Steuern oder auch für solche Abgaben gelte, die ihrem Wesen nach stichtagsbezogen und –unbeschadet ihrer Laufdauer– ihrer Art nach einmalig seien. Es besteht keine Veranlassung von dieser Auffassung abzuweichen. Der Senat hält insbesondere daran fest, daß der Wortlaut „Steuern vom … Vermögen” keinen Aufschluß darüber gibt, ob darunter laufende oder einmalige Vermögensteuern zu verstehen sind. Da der Wortlaut des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO zweifelhaft ist, muß die Bestimmung nach den herkömmlichen Methoden (Systematik, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck) ausgelegt werden. Aus dem Sinnzusammenhang mit der vom Berichtigungsverbot ausgenommenen, in § 222 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 AO angeführten Erbschaftsteuer und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift hat der Senat entnommen, daß ein Berichtigungsverbot für Lastenausgleichsabgaben nicht bestehe. Eine Bestätigung dieser Auslegung hat der Senat in dem Sinn und Zweck der Vorschrift gefunden, der darin besteht, daß der Steuergläubiger bei einmaligen, für lange Zeit sich auswirkenden Steuern ein besonderes Interesse an der fehlerfreien Veranlagung hat.
Das Finanzgericht hat zu Unrecht die Berechtigung des Finanzamts zur Berichtigung des ursprünglichen KGA-Bescheides verneint. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Bg. hat sich im Berufungs- und Rechtsbeschwerdeverfahren lediglich darauf beschränkt, die Berechtigung des Finanzamts zur Berichtigung der ursprünglichen KGA-Veranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO zu bestreiten. Er hat nicht dargetan, aus welchen Gründen er die berichtigte Veranlagung für unrichtig hielt. Dem Senat war daher eine sachliche Nachprüfung nicht möglich, unter diesen Umständen war die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen