Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei dem Anbau an ein Haus, der als Wohnung ausgestaltet ist, der aber zunächst leersteht und dann im folgenden Jahr für die Zahnarztpraxis des Eigentümers umgebaut wird, ist § 7 b EStG nicht anwendbar. § 7 b EStG setzt voraus, daß in solchen Fällen der Anbau auch tatsächlich zu Wohnzwecken benutzt worden ist.

 

Normenkette

EStG § 7b/1; EStG § 7b/2

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.), ein Zahnarzt, wohnt in einem eigenen Einfamilienhaus. Seine Praxis übte er bis Dezember 1962 in gemieteten Räumen aus. Im Jahre 1961 erstellte er an seinem Haus mit einem Kostenaufwand von etwa 100.000 DM einen Anbau, den er im Lauf des Jahres 1962 für seine Praxis unter Aufwendung von weiteren 18.000 DM umbaute und in den er Ende 1962 seine Praxis verlegte. In der Einkommensteuererklärung für 1961, in der er Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau beantragt, beanspruchte er für den Anbau eine erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) von 7.500 DM nach § 7 b EStG 1961.

Das Finanzamt (FA) hat diesem Antrag bei der Veranlagung nicht entsprochen und auch den Einspruch zurückgewiesen.

Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte insbesondere aus: Entgegen dem genehmigten Bauplan vom 25. Februar 1961 seien die vorgesehene Garagenerweiterung und der Einbau der Zahnarztpraxis nicht durchgeführt worden. In dem Anbau seien zunächst nur Wohn- und Schlafräume gebaut worden, die am 21. Dezember 1961 bezugsfertig gewesen seien. Daß diese Räume, die zu mehr als 80 v. H. für Wohnzwecke vorgesehen gewesen seien, Ende 1961 auch tatsächlich bezogen gewesen seien, sei für die Anwendung des § 7 b EStG 1961 nicht erforderlich. Die Räume in dem Anbau seien im Streitjahr 1961 weder privat noch beruflich benutzt worden. Es sei anzunehmen, daß die Stpfl. diese zunächst für Wohnzwecke bestimmten Räume durch Vermieten hätten nutzen wollen; es sei schon vor der Fertigstellung des Anbaus mit Mietinteressenten verhandelt worden. Da der Mietvertrag über die Praxisräume des Ehemannes bis zum 31. Dezember 1965 unkündbar gewesen sei und diese Räume für die Praxis günstiger gelegen hätten als das Wohnhaus, sei glaubhaft, daß der Stpfl. die gemieteten Praxisräume auch bis zum Ablauf des Mietvertrags habe benutzen wollen. Es sei nicht anzunehmen, daß er den im Jahre 1961 fertiggestellten Anbau vier Jahre habe ungenutzt lassen wollen, um dann seine Praxis dorthin zu verlegen. Die Räume im Anbau seien auch nicht ohne weiteres für die Praxis verwendbar gewesen. Das ergebe sich aus der Höhe der im Jahre 1962 aufgewendeten Umbaukosten von etwa 18.000 DM. Es stehe daher fest, daß die Stpfl. im Jahre 1961 in dem Anbau eine bewohnbare Wohnung geschaffen hätten, die sie mehrere Jahre durch Vermieten hätten nutzen wollen. Erst Ende Juni 1962 hätten sie sich entschlossen, die gemieteten Praxisräume aufzugeben und die Praxis in den Anbau zu verlegen. Unter diesen Umständen stehe den Stpfl. die erhöhte AfA nach § 7 b EStG 1961 für den Anbau zu, allerdings nur für Herstellungskosten von 86.342,67 DM; denn die restlichen 13.187,71 DM entfielen auf Außenanlagen, die erst im Jahre 1962 ausgeführt worden seien.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 76 FGO und des § 7 b EStG 1961. Zur Begründung trägt es vor, das FG habe die Bauakten des Landratsamts nicht beigezogen, aus denen sich ergeben hätte, daß eine zahnärztliche Praxis in dem Anbau geplant gewesen sei und bei den statischen Berechnungen von einer Baugrundbelastung ausgegangen worden sei, wie sie nur bei gewerblicher Benutzung vorgeschrieben sei. Die behaupteten Verhandlungen mit den Mietinteressenten seien bereits im Mai bzw. im September 1961 gescheitert gewesen. Das Kündigungsschreiben des Vermieters der Praxisräume und das Leerstehen der neugeschaffenen Räume rechtfertige den Schluß, daß der Stpfl. bereits am 31. Dezember 1961 nicht mehr ernsthaft beabsichtigt habe, den Anbau zu vermieten. Die gemieteten Praxisräume seien dem Stpfl. mit Schreiben vom 30. Dezember 1961 gekündigt worden. Da der Mietvertrag jedoch bis zum 31. Dezember 1965 unkündbar gewesen sei, müsse angenommen werden, daß der Stpfl. bereits am 31. Dezember 1961 entschlossen gewesen sei, den Anbau nach den ursprünglichen Bauplänen fertigzustellen und seine Praxis dorthin zu verlegen, so daß ein stufenweiser Ausbau ohne Zwischennutzung vorliege. Die erhöhte AfA nach § 7 b EStG könne nicht für Räume gewährt werden, die niemals tatsächlich für Wohnzwecke genutzt worden seien. Die mögliche Absicht, die Räume als Wohnung zu benutzen, trete zurück hinter dem am 31. Dezember 1961 bestehenden Ziel, die Räume entsprechend den ursprünglichen Plänen für die Praxis fertigzustellen. Daß Räume kurzfristig für Wohnzwecke zur Verfügung stehen, genüge nicht für die Anwendung des § 7 b EStG 1961. Steuerlich sei maßgebend, was verwirklicht worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils des FG. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß die Räume in dem Anbau Ende Dezember 1961 bezugsfertig waren, daß sie aber in diesem Jahr noch nicht benutzt wurden. Das schließt die Anwendbarkeit des § 7 b EStG nicht ohne weiteres aus. Da aber diese Vorschrift die Schaffung von Wohnungen fördern soll, müssen die im Jahr der Bezugsfertigkeit zunächst leerstehenden Räume wenigstens später Wohnzwecken zugeführt werden. Der Wortlaut des § 7 b EStG fordert das zwar nicht ausdrücklich. Wenn aber für die Steuervergünstigung nur Gebäude und deren Zubauten, Ausbauten oder Umbauten in Betracht kommen, die "Wohnzwecken dienen", so kann das nur dahin verstanden werden, daß nur solche Räume begünstigt sind, die diesem Zweck auch tatsächlich zugeführt werden. Das ist im Streitfall nicht geschehen. Die vom FG festgestellte gelegentliche Benutzung der leerstehenden Zimmer durch die Tochter der Stpfl. bei Parties ist ebensowenig ein "Bewohnen" der Räume wie die - offenbar nur behelfsmässige - Unterbringung des Schwagers der Stpfl. während eines 14-tägigen Urlaubs. Nach dem Urteil IV 575/55 U vom 18. Oktober 1956 (BFH 63, 492, BStBl III 1956, 385) erfordert § 7 b EStG zwar nicht ein ständiges Benutzen von Räumen als Wohnung; die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift sollen aber nur erfüllt sein, wenn die Räume ständig für Wohnzwecke zur Verfügung stehen. Der Senat teilt diese Ansicht. Da dem sozial- und wirtschaftspolitischen Zweck des § 7 b EStG bei Auslegung der Vorschrift besondere Bedeutung zukommt, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteil VI 240/61 S vom 27. November 1962, BFH 76, 313 BStBl III 1963, 115) betont, muß bei Räumen, die zwar zunächst als Wohnräume geplant und errichtet sein mögen, dann aber niemals tatsächlich auch zu diesem Zweck benutzt werden, die Bewertungsfreiheit nach § 7 b EStG versagt werden. Auf die Beweggründe, die die Stpfl. veranlaßt haben, die nach ihren Angaben beabsichtigte Vermietung zu unterlassen und die Räume für die Praxis zu verwenden, kommt es nicht an.

Die Vorentscheidung, die auf einer anderen rechtlichen Beurteilung beruht, war daher aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Einspruchsentscheidung zutreffend die Steuervergünstigung des § 7 b EStG 1961 für den Anbau abgelehnt hat, war die Berufung, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Klage zu behandeln ist, als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412482

BStBl III 1967, 339

BFHE 1967, 210

BFHE 88, 210

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