Leitsatz (amtlich)
Als Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO kommen auch Maßnahmen von Zollfahndungsbeamten nach § 193 AO in Betracht, die geeignet sind, das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu zerstören.
Normenkette
AO § 146a Abs. 3, § 193; FVG § 19 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine aus zwei Personen bestehende OHG in X, befaßt sich mit dem Großhandel von Baustoffen. Sie hielt im Jahre 1969 mehrere Lastzüge und besaß einen Lagertank für Dieselkraftstoff (DK) nebst Zapfsäule mit einem Fassungsvermögen von 10 000 Litern sowie ein 600-Liter-Faß für die Lagerung von steuerbegünstigtem Heizöl, das sie zur Beheizung ihrer Büroräume benötigte. In der Zeit vom 21. April bis zum 8. Oktober 1969 bezog sie durch ihren Gesellschafter A von dem Mineralölhändler H insgesamt 10 455 kg steuerbegünstigtes Heizöl in drei Lieferungen, die auf ihrem Verwendererlaubnisschein abgeschrieben wurden. Dieses Heizöl wurde in den für die Versorgung der Lastkraftwagen bestimmten DK-Tank abgelassen.
Am 5. November 1969 suchten Beamte der Zollfahndungsstelle den Gesellschafter A im Betrieb der Schwestergesellschaft der Klägerin, einer GmbH, in Y. auf und erklärten ihm, den Betrieb hinsichtlich der Ein- und Verkäufe von DK prüfen zu wollen. Der Gesellschafter A erklärte, alle Belege befänden sich bei der Klägerin in X, und fragte, ob er einer Straftat verdächtigt werde. Die Beamten erwiderten, sie stützten sich auf steuerrechtliche Befugnisse und würden ihm etwaige sich bei der Prüfung ergebende Verdachtsmomente gegen seine Person unverzüglich mitteilen. Anschließend prüften die Beamten im Büro der Klägerin in X die Ein- und Verkäufe von DK beider Unternehmen. Außerdem befragten sie den Gesellschafter B über die Anzahl der von der Klägerin betriebenen Ölöfen und über die Aufbewahrungsbehälter für Heizöl und DK. Sodann eröffneten sie dem Gesellschafter A, daß sie ihn der Steuerhehlerei beschuldigten; sie verdächtigten ihn, (anderes als das hier in Rede stehende) Heizöl angekauft und dies mit falschen Rechnungen getarnt zu haben.
Am 9. Dezember 1969 vernahmen die Fahndungsbeamten den Lieferer des Heizöls. Sie begaben sich mit ihm nach X auf den Hof der Klägerin. Dort zeigte er ihnen den DK-Tank, in den er das Heizöl abgelassen hatte. Anschließend befragten sie ihn über das Zustandekommen der Geschäftsverbindung und den Heizölerlaubnisschein der Klägerin. Der an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt -HZA-) gerichtete Schlußbericht der Zollfahndungsstelle vom 29. Juli 1971 enthält u. a. die Abschnitte "Steuerrechtliche Würdigung" mit dem abschließenden Satz: "Ich bitte, das Besteuerungsverfahren durchzuführen", und "Strafrechtliche Würdigung".
Durch Bescheid vom 11. Oktober 1972 forderte das HZA von der Klägerin wegen zweckwidriger Verwendung steuerbegünstigten Heizöls Mineralölsteuer zum Satze von 37,85 DM je 100 kg nach.
Die nach erfolglosem Einspruch gegen den Bescheid erhobene Klage wies das FG ab. Es führte aus: Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides seien § 3, § 8 Abs. 2 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) 1964 (BGBl I 1963, 1003) in der 1969 geltenden Fassung, § 4 StAnpG sowie § 23 Abs. 3 Nr. 4 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) vom 26. Mai 1953 (BGBl I 1953, 237) in der 1969 geltenden Fassung. Die durch Entfernung des Heizöls aus dem Herstellungsbetrieb gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 2 MinöStG in Höhe des Satzes von 37,85 DM je 100 kg bedingt entstandene Mineralölsteuerschuld werde unbedingt, sobald das Heizöl der Steueraufsicht entzogen oder zu anderen als Heizungszwecken verwendet werde (§ 8 Abs. 2 MinöStG i. V. m. § 4 Abs. 1 StAnpG). Insbesondere werde die Steuerschuld unbedingt, wenn das steuerbegünstigte Heizöl "bestimmungswidrig verwendet" werde (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 MinöStDV). Das sei der Fall, wenn es mit DK vermischt werde (Urteil des BFH vom 29. Juli 1969 VII R 68/66, BFHE 96, 372, Bundeszollblatt 1969 S. 1216 - BZBl 1969, 1216-).
Es könne dahinstehen, ob die von H an die Klägerin gelieferten 10 455 kg Heizöl zum Antrieb von Kraftfahrzeugmotoren oder eine ausgetauschte DK-Menge zum Verheizen verwendet worden sei. Bereits durch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung aufgrund der Zeugenaussage des Lieferers H zugestandene Vermischung des Heizöls mit dem in dem DK-Tank noch enthaltenen oder dem später in ihn abgelassenen DK sei die auf dem Heizöl ruhende bedingte Mineralölsteuer unbedingt geworden. Steuerschuldnerin sei die Klägerin, da die bedingte Steuerschuld durch ordnungsmäßige Weitergabe des Heizöls von der Firma H an sie auf sie übergegangen sei (vgl. § 8 Abs. 4 StAnpG). Die unbedingt gewordenen Mineralölsteueransprüche seien nicht durch Verjährung erloschen. Der Ablauf der Verjährungsfrist sei durch die Fahndungsprüfung im Jahre 1969 gemäß § 146 a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) solange gehemmt worden, bis der angefochtene Steuerbescheid unanfechtbar werde. Die Fahndungsprüfung sei eine "Betriebsprüfung" im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO gewesen.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend:
Das FG gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, indem es erkläre, sie habe in der mündlichen Verhandlung eingestanden, daß die Heizöllieferungen des H in dem 10 000-Liter-Tank mit DK vermischt worden seien. Eine solche Erklärung habe ihr Vertreter dem Sitzungsprotokoll zufolge in der mündlichen Verhandlung nicht abgegeben. Er habe in der mündlichen Verhandlung ernstlich in Zweifel gezogen, daß in dem Tank ein Produktenaustausch vorgekommen sei. Indem das FG also irrtümlich von einem Eingeständnis einer Vermischung ausgegangen sei, habe es nicht aufgeklärt, ob eine solche tatsächlich eingetreten sei.
Sofern im Jahre 1969 Mineralölsteueransprüche entstanden seien, hätten sie einer Verjährung von nur einem Jahr unterlegen, da sie nicht hinterzogene Beträge beträfen. Solche Ansprüche seien seit dem Ablauf des Jahres 1970 verjährt. Bis dahin habe keine den Ablauf der Verjährung hemmende Maßnahme im Sinne des § 146 a AO stattgefunden, insbesondere keine Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO. Darunter sei nach dem BFH-Urteil vom 3. Juni 1975 VII R 46/72 (BFHE 116, 95, BStBl II 1975, 786) eine besonders qualifizierte und für den Steuerpflichtigen erkennbare Maßnahme der Verwaltung zu verstehen. Dazu könnten nach den vom Gesetzgeber mit § 146 a Abs. 3 AO verfolgten Absichten nicht auch strafrechtliche Ermittlungshandlungen von Zollfahndungsbeamten gerechnet werden. Im vorliegenden Fall hätten die Zollfahndungsbeamten nur strafrechtliche Ermittlungen angestellt, und diese seien nur gegen den Geschäftsführer der GmbH gerichtet gewesen. Steuerliche Ermittlungen hätten sie nur vorgetäuscht. Sie seien nur zufällig auf ihr Gelände in X gelangt, weil hier die Belege der GmbH aufbewahrt worden seien. Die hier vorgenommenen, auch für sie wichtigen Handlungen seien keine besonders qualifizierte und für sie erkennbare Maßnahme und damit keine Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO gewesen. Am 5. November 1969 hätten die Beamten keine Bücher eingesehen und sich beim Gesellschafter B nur über die Anzahl der Ölöfen sowie über die Aufbewahrungsbehälter für Heizöl und DK erkundigt, ohne ihn zu vernehmen. Am 9. Dezember 1969 hätten die Beamten auf ihrem Gelände nur eine Besichtigung des Tankraums durchgeführt, die ihre Gesellschafter nicht bemerkt hätten. Sie könne schon deshalb nicht als Betriebsprüfung angesehen werden, weil sie nichts in bezug auf einen Steueranspruch habe erbringen können. Bei einem Heizölverwender liege eine als Betriebsprüfung qualifizierbare Maßnahme nur vor, wenn festgestellt werde, was er bezogen und verbraucht habe und wo sich der Rest befinde. Soweit es sich um eine Nachschau gehandelt haben sollte, liege zwar eine Steueraufsichtsmaßnahme, nicht aber eine Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO vor. Schließlich habe auch der für eine Betriebsprüfung erforderliche Auftrag gefehlt.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und den Steuerbescheid vom 11. Oktober 1972 aufzuheben. Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der BdF ist dem Revisionsverfahren nach § 122 Abs. 2 FGO beigetreten. Er beantragt ebenfalls die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat festgestellt, daß das im Jahr 1969 von H an die Klägerin gelieferte Heizöl aus einem inländischen Herstellungsbetrieb stammte, bei seiner Entfernung aus diesem eine bedingte Mineralölsteuerschuld entstanden war und daß diese durch ordnungsgemäße Weitergabe des Heizöls auf die Klägerin übergegangen war. Es hat zutreffend ausgeführt, daß diese bedingte Steuerschuld nach § 23 Abs. 3 Nr. 4 MinöStDV durch bestimmungswiddrige Verwendung des Heizöls unbedingt werden konnte und daß Heizöl auch durch eine Vermischung mit DK bestimmungswidrig verwendet wird. Das FG hat ferner festgestellt, daß das Heizöl nicht nur in den DK-Tank abgelassen, sondern auch in diesem mit DK vermischt worden ist. An diese tatsächliche Feststellung ist der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da die Klägerin in bezug auf sie keinen zulässigen und begründeten Revisionsgrund vorgebracht hat. In der Revisionsbegründung hat sie die zum Tatbestand des FG-Urteils gehörende Feststellung angegriffen, sie habe in der mündlichen Verhandlung aufgrund der Zeugenaussage des Lieferers H zugestanden, daß die Heizöllieferungen in dem 10 000-Liter-Tank mit dem darin noch enthaltenen oder später eingefüllten DK vermischt worden seien. Der Angriff besteht in der Rüge, das FG sei irrtümlich von einem solchen Zugeständnis ausgegangen; das Sitzungsprotokoll beweise, daß ihr Vertreter eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben habe. Die Klägerin hat demnach in der Revisionsbegründung lediglich eine Unrichtigkeit des Tatbestandes des FG-Urteils im Sinne des § 108 Abs. 1 FGO geltend gemacht, dessen Berichtigung sie nach dieser Vorschrift binnen zweier Wochen nach Zustellung des Urteils beim FG hätte beantragen müssen, nicht etwa einen Verstoß des FG gegen eine Rechtsnorm, der allein als Revisionsgrund hätte in Betracht kommen können (vgl. § 118 Abs. 1 FGO). Auch das Unterbleiben einer Aufklärung, ob wirklich eine Vermischung eingetreten ist, hat die Klägerin nicht als Folge einer Rechtsverletzung, sondern des angeblichen Irrtums dargestellt. Im übrigen hätte zu einer zulässigen Rüge mangelnder Sachaufklärung die genaue Angabe gehört, aus welchem Grunde das FG welche Beweise hätte erheben müssen und welches Ergebnis diese Beweiserhebung nach der Auffassung der Klägerin gehabt hätte.
Der gemäß § 145 Abs. 2 Nr. 4 AO mit Ablauf des Jahres 1969 beginnende Lauf der Verjährungsfrist für die Mineralölsteueransprüche für das bestimmungswidrig verwendete Heizöl ist gemäß § 146 a Abs. 3 AO im November und Dezember 1969 durch eine Betriebsprüfung gehemmt worden, die sich auf diese Ansprüche erstreckte.
Der erkennende Senat teilt die Auffassung des FG, daß die Maßnahmen der Zollfahndungsbeamten vom 5. November und 9. Dezember 1969 eine "Betriebsprüfung" im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO waren. Er hat sich im Urteil VII R 46/72 mit der Frage befaßt, was unter einer "Betriebsprüfung" im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO zu verstehen und wie dieser Begriff rechtlich von Ermittlungsmaßnahmen abzugrenzen ist, die mit einer Einsicht in Geschäftsunterlagen eines Unternehmens verbunden sind. Mit Rücksicht darauf, daß die Vorschriften des § 146 a AO im Rahmen einer Neuregelung des Verjährungsrechts geschaffen wurden, die die bisherigen weitgehenden Möglichkeiten der Verjährungsunterbrechung einschränken sollte, kam der Senat zu dem Ergebnis, daß nicht jede im Zusammenhang mit einer Ermittlungshandlung der Verwaltung vorgenommene Einsichtnahme in die Geschäftspapiere des Steuerpflichtigen eine Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO darstellen kann, sondern daß der Begriff Betriebsprüfung hier eine besonders qualifizierte Maßnahme der Verwaltung voraussetzt, die für den Steuerpflichtigen erkennbar ist. Einer nur aus Anlaß strafrechtlicher Ermittlungshandlungen durchgeführten Einsicht in die Geschäftspapiere, bei der dem Steuerpflichtigen nicht ersichtlich ist, daß es sich um eine als Betriebsprüfung einzuordnende Maßnahme handelt, hat der Senat eine verjährungshemmende Wirkung versagt. An diesen Grundsätzen hält der Senat auch für den vorliegenden Fall fest.
Der Klägerin ist zuzugeben, daß die wie im Falle des Urteils VII R 46/72 zunächst bei einem anderen Steuerpflichtigen erschienenen Zollfahndungsbeamten schon aufgrund ihrer primären Aufgabe, Steuervergehen und-ordnungswidrigkeiten zu erforschen (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 FVG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze -AOStrafÄndG- vom 10. August 1967, BGBl I 1967, 877, BStBl I 1967, 327, und des 2. AOStrafÄndG vom 12. August 1968, BGBl I 1968, 953, BStBl I 1968, 1062), und durch die Antwort auf die Frage ihres Gesellschafters A, ob er einer Straftat verdächtigt werde, zu erkennen gaben, daß sie bei der GmbH zur Vornahme strafrechtlicher Ermittlungen erschienen waren, die im übrigen anderes als das von H an die Klägerin gelieferte Heizöl zum Gegenstand hatten. Den strafrechtlichen Charakter der gegen die GmbH gerichteten Ermittlungen unterstrichen die Zollfahndungsbeamten, indem sie nach der Prüfung der DK-Ein- und -Verkäufe beider Unternehmen und der Befragung des Gesellschafters B dem Gesellschafter A eröffneten, sie beschuldigten ihn, beim Ankauf jenes anderen Heizöls eine Steuerhehlerei begangen zu haben.
Die Zollfahndungsbeamten haben jedoch auch steuerrechtliche Ermittlungen gegen die Klägerin angestellt, die die Verwendung des von H gelieferten Heizöls und die damit zusammenhängenden Mineralölsteueransprüche zum Gegenstand hatten. Das ist geschehen durch die am 5. November -1969 im Büro der Klägerin vorgenommene Prüfung ihrer eigenen DK-Einkäufe, durch die Vernehmung des Gesellschafters B über die Zahl der Ölöfen der Klägerin und über die Aufbewahrungsbehälter der Klägerin für Heizöl und DK sowie durch die Einvernahme des H am 9. Dezember 1969 darüber, in welchen Behälter er das an die Klägerin gelieferte Heizöl abgelassen hatte. Für die aus den beiden Gesellschaftern A und B bestehende Klägerin war erkennbar, daß diese Maßnahmen den Rahmen der ursprünglichen, andere Heizöllieferungen betreffenden strafrechtlichen Ermittlungen überschritten und sich nunmehr gegen sie richteten und die Heizöllieferungen des H zum Gegenstand hatten. Es handelte sich hierbei auch um besonders qualifizierte Maßnahmen, weil sie geeignet waren, das Vertrauen der Gesellschafter der Klägerin darauf, daß mit Ablauf des Jahres 1969 die Frist für die Verjährung der Mineralölsteueransprüche für das zweckwidrig verwendete Heizöl beginnen werde, zu zerstören. Die Maßnahmen konnten andererseits nur als Ausdruck des Willens verstanden werden, diese Ansprüche zu verfolgen und durchzusetzen.
Die Zollfahndungsbeamten waren zur Durchführung dieser steuerrechtlichen Ermittlungen befugt aufgrund des § 19 Abs. 1 Satz 2 FVG i. V. m. § 193 AO. Gemäß diesen Vorschriften konnten sie für Zwecke der Besteuerung auch außerhalb eines Steuerermittlungsverfahrens durch die zuständige Zollstelle Nachschau halten bei solchen Unternehmern und in solchen Unternehmen, die der Steueraufsicht unterliegen. Dazu gehörte die Klägerin gemäß § 21 Abs. 1 MinöStDV.
Der Senat hat im Urteil VII R 46/72 die Frage offengelassen, ob der Begriff "Betriebsprüfung" in § 146 a Abs. 3 AO auch Maßnahmen umfaßt, die unter die Nachschauvorschriften des § 193 AO fallen. Er bejaht nunmehr diese Frage für die Fälle, in denen die Nachschau nicht nur der in dem genannten Urteil angesprochenen prophylaktischen Kontrolle, ob gewisse Unternehmen die ihnen auferlegten steuerlichen Pflichten erfüllen, dient, sondern zum Ziel hat, "den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt mit dem Ziele aufzuklären, die Steuergesetze richtig anzuwenden und ggf. die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Steuerforderungen zu verfolgen" (BFH-Beschluß vom 21. November 1972 VII B 80/71, BFHE 107, 360, BStBl II 1973, 130). Daß diese Maßnahmen meist bei Verbrauchsteuern nicht den Umfang haben werden, wie dies in der Regel bei den Ertragsteuern mit den ihnen durchweg zugrunde liegenden Komplexen, die Buchführung und Bilanzierung betreffenden Sachverhalten der Fall ist, ergibt sich aus der Natur der Sache. Es kann dahinstehen, ob eine einzelne Maßnahme eine Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a Abs. 3 AO sein könnte. Hier lagen jedenfalls eingehende Prüfungsmaßnahmen von Zollfahndungsbeamten vor, die geeignet waren, das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu zerstören.
Die Klägerin kann nicht mehr mit der Behauptung gehört werden, die Zollfahndungsbeamten hätten steuerrechtliche Ermittlungen nur vorgetäuscht. Denn diese Behauptung ist gegenüber den tatsächlichen Feststellungen des FG neu (vgl. § 118 Abs. 1 und 2 FGO). Den gegen die Klägerin gerichteten steuerrechtlichen Ermittlungen der Beamten kann eine rechtliche Bedeutung nicht deshalb abgesprochen werden, weil sie durch den äußerlichen Umstand ausgelöst worden sind, daß sich die von den Beamten zur Prüfung des Betriebes der GmbH benötigten Belege nicht bei dieser in Y, sondern im Büro der Klägerin in X befanden. Es genügt, daß die Beamten dazu übergegangen sind, auch bei der Klägerin die Ein- und Verkäufe von DK zu prüfen und daß sie dann Nachforschungen über den Verbleib der drei Heizöllieferungen des H bei der Klägerin anstellten. Es handelte sich dabei um mehr als um eine Einzelmaßnahme im Sinne des BFH-Urteils VII R 46/72. Die Maßnahmen brauchten andererseits sich nicht auf das ganze Betriebsgeschehen der Klägerin zu erstrecken, da sie nur der Feststellung von drei gleichartigen Steueransprüchen dienten und dazu auch ausreichten. Es ist schließlich unerheblich, ob die Beamten einen Auftrag zur Vornahme einer Betriebsprüfung erhalten hatten, da es nach § 146 a Abs. 3 AO für die Hemmung des Ablaufs der Verjährung genügt, daß mit einer Betriebsprüfung begonnen wird.
Der Steuerbescheid vom 11. Oktober 1972, durch den das HZA die durch bestimmungswidrige Verwendung des von H an die Klägerin gelieferten Heizöls in der Person der Klägerin unbedingt gewordene Mineralölsteuerschuld geltend gemacht hat, war somit rechtmäßig.
Fundstellen
BStBl II 1978, 360 |
BFHE 1978, 416 |
NJW 1978, 1656 |