Entscheidungsstichwort (Thema)
(Lohnsteuerhaftung nach Steuerhinterziehung und Hinterziehung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge - steuerliche Behandlung der vom Arbeitgeber übernommenen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung - Arbeitslohn - gesetzliche Verpflichtung i.S. von § 3 Nr. 62 EStG)
Leitsatz (amtlich)
1. Wirken Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich zur Hinterziehung der Lohnsteuer und der Gesamtbeiträge zur Sozialversicherung zusammen, so kann darin keine Nettolohnvereinbarung erblickt werden.
2. Wird der Arbeitgeber auf Zahlung der hinterzogenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen, so liegt darin in Höhe der Arbeitnehmeranteile eine Lohnzuwendung des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, die ihrerseits dem Lohnsteuerabzug unterliegt.
Orientierungssatz
1. Steuern, die auf nachgeforderte Beiträge und darauf wiederum entfallende Steuern zu erheben sind, entstehen erst mit der Inanspruchnahme des Arbeitgebers nach Aufdeckung der Hinterziehung. Vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme des Arbeitgebers kann von einem Zufluß eines geldwerten Vorteils an den Arbeitnehmer noch nicht ausgegangen werden (vgl. Literatur).
2. Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, die der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer entrichtet, stellen auch dann steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, wenn der Arbeitgeber nach Beitragsrecht (§§ 395 Abs. 2, 1397 Abs. 3 RVO) die Arbeitnehmeranteile nicht mehr vom Arbeitslohn der Arbeitnehmer kürzen kann. Dieser Fall der gesetzlichen Verschiebung der Beitragslast ist steuerrechtlich ebenso zu beurteilen, als wenn ein Arbeitgeber freiwillig von vornherein die gesetzlichen Arbeitnehmeranteile übernimmt (Festhaltung an BFH-Urteil vom 5.4.1974 VI R 110/71).
3. Arbeitslohn sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst, also für eine nichtselbständige Tätigkeit, gewährt werden.
4. Eine gesetzliche Verpflichtung i.S. von § 3 Nr. 62 EStG kann --ungeachtet sozialrechtlicher Besonderheiten-- nur eine solche Verpflichtung sein, die dem Arbeitgeber von Gesetzes wegen wie z.B. hinsichtlich der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung, nicht jedoch hinsichtlich der Nachentrichtung der Arbeitnehmeranteile, ursprünglich als ihn selbst belastend auferlegt ist (vgl. Urteil des FG München vom 18.5.1990 8 K 4922/88; Literatur).
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, § 3 Nr. 62, § 38 Abs. 2 S. 2; RVO §§ 393-395, 1396; LStDV § 2; RVO § 1397; EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, §§ 42d, 36 Abs. 2
Verfahrensgang
FG München (Entscheidung vom 08.12.1987; Aktenzeichen XII 3/86 L) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war nach einer Steuerfahndungsprüfung aufgrund bestandskräftiger Haftungsbescheide vom 15.März 1984 auf Lohnsteuerzahlung wegen sog. "schwarzer Lohnzahlungen" in den Jahren 1976 bis 1982 in Anspruch genommen worden. Dies führte auch zur Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 1 060 698 DM durch die Allgemeine Ortskrankenkasse --AOK-- (Nachforderungsbescheid vom 26.April 1985). Diese Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen hat die Klägerin im Jahre 1985 in voller Höhe getragen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah in Höhe der darin enthaltenen Arbeitnehmeranteile (530 349 DM) steuerpflichtigen Arbeitslohn, auf den er durch Haftungsbescheid vom 11.Dezember 1985 wegen nichtbeabsichtigten Rückgriffs der Klägerin gegen die Arbeitnehmer durch Anwendung eines Nettosteuersatzes eine Lohnsteuer in Höhe von 169 710 DM erhob. Das FA ging dabei davon aus, daß es sich um eine Lohnsteuerschuld des Jahres 1985 handelte.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanz-gericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 366 veröffentlichten Gründen ab. Es führte im wesentlichen aus: Die AOK habe in ihrem Nachforderungsbescheid von Durchschnittsätzen ausgehen müssen. Da die Klägerin die Ermittlung der auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Sozialversicherungsbeiträge selbst unmöglich gemacht habe, habe das FA davon ausgehen können, daß die Klägerin darauf verzichtet habe, die von ihr nachgeforderten Beträge im Regreßwege von den Arbeitnehmern zurückzuholen. Der darin liegende geldwerte Vorteil der Arbeitnehmer sei der Lohnsteuer zu unterwerfen. Zugleich habe die Klägerin auch auf die Geltendmachung dieser Lohnsteuerbeträge gegenüber den Arbeitnehmern verzichtet, so daß die Anwendung eines Nettosteuersatzes geboten gewesen sei. Der Einwand der Klägerin, sie habe nicht auf einen Regreß gegen ihre Arbeitnehmer verzichtet, greife angesichts der Tatsache, daß sie selbst die Feststellung der auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Beträge unmöglich gemacht habe, nicht durch. Der Verzicht der Klägerin, von den Arbeitnehmern die Rückzahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu verlangen, und damit der Zufluß des darin liegenden geldwerten Vorteils habe im Jahre 1985 gelegen, da der Nachforderungsbescheid der AOK erst am 26.April 1985 ergangen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin bereits in den Jahren der "schwarzen Lohnzahlungen" an die Arbeitnehmer auf den Rückgriff gegen diese mit der Folge verzichtet habe, daß der geldwerte Vorteil bereits in den Jahren 1976 bis 1982 zugeflossen sei. Das Verhalten der Klägerin sei nämlich gerade darauf gerichtet gewesen, die Sozialversicherungsbeiträge zu hinterziehen und demzufolge den Arbeitnehmern keinen geldwerten Vorteil durch Nachentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge unter Verzicht auf einen Rückgriff zukommen zu lassen. Solange die AOK die Klägerin nicht tatsächlich in Anspruch genommen habe, habe allenfalls ein Regreßverzicht unter der aufschiebenden Bedingung vorgelegen, daß die AOK Sozialversicherungsbeiträge nachfordern werde. Aber selbst wenn man eine stillschweigende Vereinbarung der Klägerin mit ihren Arbeitnehmern in den Jahren 1976 bis 1982 annehmen wolle, die Sozialversicherungsbeiträge zu übernehmen, könne diese Vereinbarung erst in dem Zeitpunkt Bedeutung erlangen, in welchem die AOK tatsächlich nachfordere. Diesem Ergebnis stehe nicht das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7.Dezember 1984 VI R 164/79 (BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164) entgegen. Anders als im vorbezeichneten Urteil sei es im Streitfall nicht möglich gewesen, die hier streitige Lohnsteuer auf die AOK-Nachforderung aus dem Jahre 1985 bereits in den Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 15.März 1984 aufzunehmen. Der Wille, Sozialversicherungsbeiträge zu verheimlichen, um deren Abführung zu entgehen, und der Wille, die Zahlung der Beiträge für die Arbeitnehmer zu übernehmen, schlössen sich gegenseitig aus. Die Frage der Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge bzw. des Verzichts auf den Regreß habe sich daher erst im Zeitpunkt der Nachforderung durch die AOK stellen können.
Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin, die Vorentscheidung und den Haftungsbescheid aufzuheben. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus: Die Bezahlung der AOK-Nachforderung könne von vornherein nicht zum Lohnzufluß geführt haben. Lohn könne deshalb nicht angenommen werden, weil gar kein Regreßverzicht anzunehmen sei; denn ein Regreß sei gar nicht möglich, da sich nicht mehr aufklären lasse, welche Beträge auf die einzelnen Arbeitnehmer entfielen. Aber selbst wenn man einen Lohnzufluß bejahe, liege dieser bereits in den Jahren 1976 bis 1982 und hätte daher im Haftungsbescheid vom 15.März 1984 geltend gemacht werden müssen. Denn der Regreßverzicht liege --wenn überhaupt-- in der Tatsache, daß zum Zeitpunkt der Lohnzahlung keine Aufzeichnungen geführt worden seien und damit von vornherein ein Regreß unmöglich gewesen sei. Damit sei der Verzicht auf die Geltendmachung des Regresses konkludent zu dem Zeitpunkt erklärt worden, in dem die "schwarzen Lohnzahlungen" geleistet worden seien.
Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe der Vorentscheidung, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Die Vorentscheidung liegt auf der Linie des Urteils des Senats vom 5.April 1974 VI R 110/71 (BFHE 112, 463, BStBl II 1974, 664). Dort hat der Senat entschieden, daß die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, die der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer entrichtet, auch dann steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen, wenn der Arbeitgeber nach Beitragsrecht (§ 395 Abs.2, § 1397 Abs.3 der Reichsversicherungsordnung a.F. --RVO--; jetzt § 28g des Sozialgesetzbuches --SGB-- IV) die Arbeitnehmeranteile nicht mehr vom Arbeitslohn der Arbeitnehmer kürzen kann. Der Senat hielt es für gerechtfertigt, diesen Fall der gesetzlichen Verschiebung der Beitragslast steuerrechtlich ebenso zu beurteilen, als wenn ein Arbeitgeber freiwillig von vornherein die gesetzlichen Arbeitnehmeranteile übernimmt. Nach erneuter Überprüfung hält der Senat im Ergebnis an dieser Rechtsprechung fest.
2. Arbeitslohn sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst, also für eine nichtselbständige Tätigkeit, gewährt werden. Im Beitragsrecht ist der Arbeitgeber gegenüber der Einzugsstelle alleiniger Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge (§ 393 Abs.1, § 1396 Abs.1 RVO). Die versicherten Arbeitnehmer müssen sich aber bei der Lohnzahlung die sie betreffenden Beitragsteile (Arbeitnehmeranteile) vom Barlohn abziehen lassen (§ 394 Abs.1 Satz 1, § 1397 Abs.1 Satz 1 RVO). Im Streitfall hat die Klägerin bei den Lohnzahlungen in den Jahren 1976 bis 1982 die ausgezahlten Löhne nicht um die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung gekürzt, vielmehr hat sie diese Arbeitnehmeranteile erst auf Nachforderung durch die AOK im Jahre 1985 gezahlt. Da die Arbeitnehmer von ihrer Beitragslast befreit und die Beiträge nach Aufdeckung der Hinterziehung auch gezahlt worden sind, ist ihnen ein geldwerter Vorteil zugeflossen. Diesen Vorteil haben die Arbeitnehmer entsprechend dem zwischen ihnen und der Klägerin gefaßten Gesamtplan zur Beitrags-und Steuerhinterziehung für ihre Beschäftigung erlangt.
Der Annahme von Arbeitslohn steht nicht entgegen, daß die Beitragslast der Arbeitnehmer kraft Gesetzes deshalb auf die Klägerin übergegangen ist, weil sie die Arbeitnehmeranteile in den Jahren 1976 bis 1982 nicht vom Lohn abgezogen hat und dieses auch nicht bei der Lohnzahlung für die nächste Lohnzeit der vorgenannten Jahre nachgeholt hat (§ 395 Abs.2, § 1397 Abs.3 RVO; ebenso § 179 Nr.2 des Arbeitsförderungsgesetzes --AFG-- für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung; jetzt § 28g Satz 3 SGB IV, wonach der unterbliebene Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden darf). Diese gesetzliche Verlagerung der gesamten Beitragslast auf die Klägerin war die Folge der Durchführung des Gesamtplans zur Hinterziehung von Steuern und Beiträgen. Diese Rechtsfolge ist von der Klägerin als Arbeitgeberin bewußt in Kauf genommen worden; sie beruht auf deren Verhalten.
Der Senat setzt sich hiermit nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.September 1988 12 RK 36/86 (BSGE 64, 110, Betriebs-Berater --BB-- 1989, 1762). Das BSG geht davon aus, daß ein Arbeitgeber nach Eintritt der gesetzlichen Lastenverschiebung mit der Zahlung der von ihm dann allein zu tragenden Beiträge rechtlich und wirtschaftlich eine eigene Schuld erfüllt und damit mit dieser Beitragszahlung dem Arbeitnehmer nicht einen weiteren Vorteil zuwendet. Das BSG verneint dementsprechend eine Beitragspflicht auf nicht einbehaltene und nunmehr vom Arbeitgeber allein zu tragende Arbeitnehmeranteile. Es hat sein Ergebnis aus der beitragsrechtlichen Unterscheidung zwischen der Pflicht zur Beitragszahlung und zur Lastentragung sowie dem abschließenden Charakter der §§ 393 bis 395 RVO (bzw. §§ 1396, 1397 RVO) abgeleitet. Diese beitragsrechtlichen Besonderheiten stehen, wie das BSG zu dem Urteil des Senats in BFHE 112, 463, BStBl II 1974, 664 bemerkt, der steuerrechtlichen Beurteilung der Lastenverschiebung und damit der Beurteilung der nicht mehr vom Lohn abziehbaren Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung als Arbeitslohn nicht entgegen. Diese steuerrechtliche Beurteilung durch das BSG ist zutreffend, weil die Verlagerung der gesetzlichen Beitragslast auf den Arbeitgeber und die Entlastung der Arbeitnehmer von dieser gesetzlichen Beitragslast die Folge zielgerichteten Handelns des Arbeitgebers war. Diese Auffassung wird auch überwiegend im steuerrechtlichen Schrifttum vertreten (Hartz/Meeßen/ Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Sozialversicherung", S.1083, Lieferung 11 zur 4.Aufl., Februar 1985; Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 19 EStG Anm.400 "Sozialversicherungsnachzahlung"; Altehöfer in Lademann/Lenski/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 19 Anm.138 "Sozialversicherung"; Thomas in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 19 EStG Rdnr.189 und § 40 EStG Rdnr.41; Thürmer in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 19 Rz.280 "Sozialversicherungsbeiträge", Rauch, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1990, 375; anderer Ansicht Spriegel, Der Betrieb --DB-- 1989, 1642; Helmert, DB 1988, 1771; Vogt, BB 1989, 1755).
3. Dieser Arbeitslohn unterliegt auch nicht etwa der Vorschrift des § 3 Nr.62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Danach sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit sie aufgrund gesetzlicher Verpflichtung bezahlt werden. Eine gesetzliche Verpflichtung im Sinne dieser Vorschrift kann --ungeachtet sozialrechtlicher Besonderheiten-- nur eine solche Verpflichtung sein, die dem Arbeitgeber von Gesetzes wegen wie z.B. hinsichtlich der Arbeitgeberanteile zur Gesamtsozialversicherung ursprünglich als ihn selbst belastend auferlegt ist. Die gesetzlich angeordnete Verschiebung der Beitragslast in den Fällen nicht mehr möglicher Kürzung des Arbeitnehmeranteils zur Gesamtsozialversicherung vom Lohn der Arbeitnehmer ändert nichts daran, daß es sich bei der Nachentrichtung der Arbeitnehmeranteile um Zahlungen auf eine ursprüngliche Beitragslast des Arbeitnehmers und nicht auf eine ursprünglich eigene des Arbeitgebers handelt (gleicher Ansicht FG München, Urteil vom 18.Mai 1990 8 K 4922/88, EFG 1990, 621, rechtskräftig; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 3 EStG Anm.353; Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., § 3 EStG Rdnr.198; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 3 "Zukunftssicherungsleistungen" b).
4. Das FG hat den Zufluß des geldwerten Vorteils zutreffend in der Inanspruchnahme der Klägerin durch die AOK im Jahre 1985 gesehen (§ 38 Abs.2 EStG). Daher konnte die aus der Nacherhebung der Beiträge zur Gesamtsozialversicherung resultierende Lohnsteuer nicht bereits im ursprünglichen die Jahre 1976 bis 1982 betreffenden Haftungsbescheid vom 15.März 1984 geltend gemacht werden.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte nicht bereits im Zeitpunkt der früheren Lohnzahlungen auch die Befreiung der Arbeitnehmer von der Beitragslast als Lohnzufluß gewertet werden. Diese Rechtsfolge hätte nur im Falle einer Nettolohnvereinbarung eintreten können. Nur dann wären von den übernommenen und mit zum Lohn gehörenden Steuern und Beitragsanteilen zugleich wiederum Beiträge und Steuern zu entrichten gewesen. Im Streitfall hat die Klägerin aber nicht vor oder bei Auszahlung des Lohnes ausdrücklich oder wenigstens durch schlüssiges Verhalten zu erkennen gegeben, daß sie Steuern und Beitragsanteile ihrer Arbeitnehmer übernehmen und ihnen damit zusätzlich zu dem ausgezahlten Barlohn einen weiteren Vermögensvorteil hat zuwenden wollen. Nach dem auf Beitrags- und Steuerhinterziehung gerichteten Gesamtplan sollten Beiträge und Steuern gerade nicht abgeführt werden. Mit der Vorentscheidung und dem BSG in BSGE 64, 110, BB 1989, 1762 geht der Senat davon aus, daß eine solche Absprache nicht als Nettolohnvereinbarung gewertet werden kann. Aus steuerrechtlicher Sicht kommt noch folgendes hinzu: Die Hauptrechtsfolge der Nettolohnvereinbarung liegt, wie der Senat in dem Urteil vom 6.Dezember 1991 VI R 122/89, BFHE 166, 540 ausführlich dargelegt hat, darin, daß für den Arbeitnehmer mit Auszahlung des Barlohnes die Lohnsteuer i.S. des § 42d Abs.3 Satz 4 Nr.1 EStG vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn mit der Folge einbehalten gilt, daß der Arbeitnehmer vom FA nicht mehr in Anspruch genommen werden kann und die aus seiner Sicht vorschriftsmäßig einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge im Rahmen seiner Jahressteuerfestsetzung auf die Einkommensteuer angerechnet werden (§ 36 Abs.2 EStG; s. BFH-Urteil vom 8.November 1985 VI R 238/80, BFHE 145, 198, BStBl II 1986, 186). Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber zur Beitrags- und Steuerhinterziehung zusammengewirkt, so kann aus der Sicht des Arbeitnehmers mit der Auszahlung des Barlohnes die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten worden sein, so daß der Arbeitnehmer nicht im Zeitpunkt der Lohnzahlung von seiner Beitragslast und Steuerpflicht befreit wird und damit im Zeitpunkt der Lohnzahlung noch offen ist, ob ihn das FA bei Aufdeckung der Hinterziehung nicht doch noch vor dem Arbeitgeber in Anspruch nehmen wird.
Zwar ist der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 24.September 1986 3 StR 336/86 (BGHSt 34, 166, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1987, 541) davon ausgegangen, daß in der Regel eine Nettolohnabrede anzunehmen ist, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Zwecke der Lohnsteuerhinterziehung einvernehmlich zusammenwirken, daher ein bestimmtes Arbeitsentgelt voll und ohne Abzüge ausgezahlt wird und dieses Arbeitsentgelt dem Arbeitnehmer mit der Auszahlung ungekürzt verbleiben soll. Wenn auch diese Auffassung des BGH mit den obigen Ausführungen nicht im Einklang steht, so hat der Senat dennoch keine Veranlassung, beim BGH anzufragen, ob er den abweichenden Ausführungen zustimmt. Der Senat versteht den BGH dahin, daß es diesem auf die Höhe der aus der Hinterziehung insgesamt entstandenen Steuern und nicht auf den Entstehungszeitpunkt der auf die Steuern wiederum zu erhebenden Steuern ankam. Auch der Senat kommt wie der BGH zu dem Ergebnis, daß Steuern auf nachgeforderte Beiträge und darauf wiederum entfallende Steuern zu erheben sind; nur entstehen diese auf Steuern und Beiträge zu erhebenden Steuern erst mit der Inanspruchnahme des Arbeitgebers nach Aufdeckung der Hinterziehung.
b) Ein Lohnzufluß kann auch nicht im Zeitpunkt der im Hinblick auf § 395 Abs.2, § 1397 Abs.3 RVO gesetzlich bewirkten Verschiebung der Beitragslast angenommen werden. Im Streitfall war der Gesamtplan der Klägerin und ihrer Arbeitnehmer darauf gerichtet, daß die Beitragslast gerade nicht erfüllt werden sollte. Es war daher im Zeitpunkt der gesetzlichen Lastenverschiebung völlig ungewiß, ob es zur Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung kommen würde. Damit kam allein der gesetzlichen Lastenverschiebung noch kein wirtschaftlicher Wert zu; denn eine wirtschaftliche Bereicherung war zu diesem Zeitpunkt bei den Arbeitnehmern noch nicht eingetreten. Der wirtschaftliche Wert realisierte sich erst im Augenblick der Inanspruchnahme der Klägerin. Jedenfalls in einem solchen Fall kann vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme der Klägerin von einem Zufluß eines geldwerten Vorteils an ihre Arbeitnehmer noch nicht ausgegangen werden (Thomas in Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., § 40 EStG Rdnr.41 f.; Thürmer, a.a.O.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus dem Urteil des Senats in BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164, unter 5. der Entscheidungsgründe, am Ende nichts Gegenteiliges. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, konnte eine Steuer auf eine Beitragsnacherhebung in dem ursprünglichen Haftungsbescheid vom 15.März 1984 nicht erfaßt werden, weil zu jenem Zeitpunkt die Inanspruchnahme der Klägerin durch die AOK noch ausstand und es damit noch an einem Zufluß von Arbeitslohn (§ 38 Abs.2 Satz 2 EStG) fehlte.
5. Zutreffend hat das FA nicht nur Steuern auf die Beitragsnacherhebung, sondern auch Steuern auf diese Steuern erhoben (Nettosteuersatz). Da die Klägerin nicht die Absicht hatte und es ihr hinsichtlich eines Teils der Arbeitnehmer auch nicht mehr möglich war, bei den Arbeitnehmern Regreß zu nehmen, hat sie diesen Arbeitnehmern in der endgültigen das Jahr 1985 betreffenden Steuerübernahme ebenfalls im Jahre 1985 diesen geldwerten Vorteil zugewendet.
6. Entgegen der Auffassung von Vogt (BB 1989, 1755 ff.) wird durch diese Entscheidung der Klägerin nicht etwa eine Art Strafsteuer auferlegt. Die Klägerin wird nicht schlechter behandelt als ein Arbeitgeber, der das gewünschte Ergebnis --keine Belastung der Arbeitnehmer mit Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung und Steuern-- nicht im Wege der Beitrags- und Steuerhinterziehung zu erreichen versucht, sondern dafür den vorgesehenen legalen Weg der Nettolohnvereinbarung wählt.
Fundstellen
Haufe-Index 64298 |
BFH/NV 1992, 36 |
BStBl II 1992, 443 |
BFHE 166, 558 |
BFHE 1992, 558 |
BB 1992, 1911 |
BB 1992, 1911-1913 (LT) |
DB 1992, 2603 (L) |
DStR 1992, 787 (KT) |
HFR 1992, 283 (LT) |
StE 1992, 489 (K) |