Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsrecht
Leitsatz (amtlich)
Unter Beamten des höheren Dienstes im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes sind die der Laufbahn des höheren Dienstes angehörenden Beamten zu verstehen.
Normenkette
StBerG § 8 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bg. nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Steuerberatungsgesetz) vom 16. August 1961 (BGBl I S. 1301) von der Steuerberaterprüfung zu befreien ist.
Der 1897 geborene Bg. war von 1920 bis 1943 und von 1947 bis August 1955 beim Landesfinanzamt bzw. der Oberfinanzdirektion als Mitarbeiter bzw. Sachbearbeiter und danach als Sachgebietsleiter beim Finanzamt tätig. In den Jahren 1919 bis 1925 studierte er neben seiner Tätigkeit in der Finanzverwaltung an der Universität Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft, ohne jedoch eine Abschlußprüfung abzulegen. Er wurde 1922 zum Obersteuersekretär, 1927 zum Steuerinspektor, 1937 zum Obersteuerinspektor und 1951 zum Steueramtmann befördert.
Mit Ablauf des Monats Dezember 1961 wurde der Bg. auf seinen Antrag vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Am 17. Januar 1962 beantragte er seine Bestellung zum Steuerberater unter Befreiung von der Steuerberaterprüfung. Der beim Finanzminister des Landes gebildete Zulassungsausschuß lehnte in seiner Sitzung vom 16. Oktober 1962 eine Befreiung von der Prüfung ab, weil der Bg. als Steueramtmann nicht dem höheren Dienst der Finanzverwaltung angehört habe.
Auf die Berufung des Bg. befreite ihn das Finanzgericht unter änderung der angefochtenen Entscheidung von der Steuerberaterprüfung.
Seine hiergegen gerichtete Rb. begründet der Finanzminister im wesentlichen wie folgt:
Die Worte "Beamte und Angestellte des höheren Dienstes der Finanzverwaltung" in § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes stellten einen Begriff da, der nicht in einzelne Wortgruppen auseinandergerissen werden könne. Das habe die Vorinstanz verkannt. Deshalb gehe die Ansicht fehl, § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes sei nicht nach seinem Wortlaut auszulegen. Die Auffassung, daß dieser zweifelhaft sei, könne nicht damit begründet werden, daß die Formulierung "Angestellte des höheren Dienstes" nicht dem Tarifrecht entspreche. Der Begriff "Beamte des höheren Dienstes" existiere im Beamtenrecht, und unter Angestellten des höheren Dienstes könnten dann nur solche gemeint sein, die nach ihrer Vorbildung den Beamten des höheren Dienstes vergleichbar seien. Das treffe für die Angestellten der Vergütungsgruppe III und höher zu. Das Urteil des Finanzgerichts Stuttgart vom 19. Februar 1963 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1963 S. 229) stütze die Auffassung, daß der Begriff "Beamte des höheren Dienstes" laufbahnmäßig und nicht funktionell zu verstehen sei. Auch das Finanzgericht Rheinland- Pfalz habe in seinem Urteil vom 19. Februar 1963 II 241/62 den gleichen Standpunkt vertreten. Die Materialien des Gesetzes, die Motive, die vom Verfasser des Gesetzentwurfs diesem beigegeben seien, sowie die Protokolle über die Verhandlungen des Parlaments oder seiner Kommissionen seien kein entscheidendes Auslegungsmittel. Außerdem bezögen sich die Ausführungen der amtlichen Begründung zu § 5 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes nicht auf die Formulierung "Beamte des höheren Dienstes", da dieser Begriff in § 5 Abs. 2 nicht enthalten sei. Daran ändere nichts, daß in der Begründung zu § 8 des Steuerberatungsgesetzes auf die Erläuterungen zu § 5 Abs. 2 Bezug genommen werde. Es sei nicht ersichtlich, worauf die Vorinstanz ihre Ansicht stütze, § 5 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes werde in der Praxis überhaupt keine Bedeutung haben. Nach dieser Vorschrift könnten ehemalige Sachgebietsleiter zur Steuerberaterprüfung auch dann zugelassen werden, wenn sie die allgemeinen Vorbildungsvoraussetzungen nicht erfüllen. Die Befreiung von der Prüfung komme dagegen nur für solche Sachgebietsleiter in Betracht, die auch Beamte oder Angestellte des höheren Dienstes gewesen seien. Selbst wenn man annehme, der Gesetzgeber habe es versäumt, in § 8 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes die als Sachgebietsleiter tätig gewesenen Beamten des gehobenen Dienstes zu erwähnen, berechtige das nicht ohne weiteres zu der Annahme, daß dieser Personenkreis unter § 8 Abs. 1 Nr. 2 falle. Die Ausführungen der Vorinstanz könnten nicht davon überzeugen, daß der Zugang zum Beruf des Steuerberaters nicht grundsätzlich akademische Vorbildung voraussetze. Insoweit sei auf Nr. 21 der Begründung zum Entwurf des Steuerberatungsgesetzes zu verweisen. Es treffe auch nicht zu, daß die Personengruppe, die ohne akademische Vorbildung Steuerberater werden könne, so groß sei, daß kaum noch die Rede davon sein könne, die Ausübung des Steuerberaterberufs setze akademische Vorbildung voraus. Nach statistischen Unterlagen betrage unter dem Zugang seit Inkrafttreten des Steuerberatungsgesetzes der Anteil der Nichtakademiker etwa 20 v. H.
Der Bg. macht demgegenüber folgendes geltend: Der Begriff "Beamte und Angestellte des höheren Dienstes" in § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes sei nicht laufbahnrechtlich, sondern funktionell zu verstehen, da es keine Angestellten des höheren Dienstes gebe. Wollte man die Vorschrift auslegen wie der Finanzminister, so würde es nur ganz wenige Angestellte geben, die in den Genuß der Befreiung kämen. Man könne andererseits um des Gleichheitsgrundsatzes willen die Vorschrift nicht bei den Beamten laufbahnrechtlich, bei den Angestellten aber funktionell auslegen. Die Worte "Beamte und Angestellte des höheren Dienstes" stellten durchaus keinen einheitlichen Begriff dar, auch sei die Formulierung "ehemalige Finanzrichter, Beamte und Angestellte usw." nicht klar und eindeutig. Wenn nach dem Stuttgarter Urteil ein bewährter Großbetriebsprüfer der Vergütungsgruppe III TOA, der nicht fünf Jahre Sachgebietsleiter gewesen sei, von der Steuerberaterprüfung zu befreien sei, so könne erst recht einem langbewährten Steueramtmann, der fünf Jahre diese Funktion ausgeübt habe, die Befreiung nicht versagt werden. Nach den Angaben des Finanzministers betrüge der Vomhundertsatz der Nichtakademiker immerhin 20,4 ohne die wohl noch streitigen Fälle. Im übrigen aber könnten die Ausnahmefälle der §§ 5 Abs. 2 und 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes den Grundsatz, den Steuerberaterberuf an das Erfordernis der akademischen Vorbildung zu knüpfen, nicht wesentlich beeinträchtigen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Mit Recht hat die Vorinstanz die Berufung gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses beim Finanzminister des Landes auf Grund des § 237 Abs. 3 AO in der Fassung des Art. 17 Nr. 10 des Steueränderungsgesetzes (StändG) vom 13. Juli 1961 (BGBl 1961 I S. 981) als zulässig angesehen.
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes sind von der Steuerberaterprüfung zu befreien ehemalige Finanzrichter, Beamte und Angestellte des höheren Dienstes der Finanzverwaltung, die während der letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst mindestens fünf Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachgebietsleiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung tätig gewesen sind. Die hierin enthaltenen Worte "des höheren Dienstes" beziehen sich nicht nur auf Angestellte, sondern auch auf Beamte, da naturgemäß nur Angehörige der Finanzverwaltung von der Prüfung befreit werden und daher die Wortreihe "Beamte und Angestellte des höheren Dienstes der Finanzverwaltung" ein zusammengehöriges Ganzen bildet.
Der Gesetzeswortlaut bedarf jedoch insofern der Auslegung, als zwar das Beamtenrecht eine Laufbahn des höheren Dienstes kennt und der Begriff des Beamten des höheren Dienstes festgelegt ist (siehe §§ 15 ff. des Bundesbeamtengesetzes und §§ 11 ff. des Beamtenrechtsrahmengesetzes), das Tarifrecht dagegen für Angestellte verschiedene Laufbahnen und so auch Angestellte des höheren Dienstes nicht kennt. Es fragt sich daher, ob § 8 des Steuerberatungsgesetzes einen neuen Begriff der Beamten und Angestellten des höheren Dienstes schafft oder ob diese Vorschrift an dem in anderen Gesetzen festgelegten Begriff der Beamten des höheren Dienstes festhält und diesen Beamten hinsichtlich der Prüfungsbefreiung als sogenannte Angestellte des höheren Dienstes diejenigen gleichstellt, die ihnen vergleichbar sind.
Wenn ein Begriff - wie hier der des Beamten des höheren Dienstes - gesetzlich festgelegt ist, ist es von vornherein wahrscheinlicher, daß ein neues Gesetz den Begriff in dem bereits bestimmten Sinne verwendet, als daß es bei gleichem Wortlaut dem Begriff einen anderen Inhalt gibt. Das dürfte nur dann nicht gelten, wenn gewichtige Gründe der Verwendung des Begriffs in dem bereits festliegenden Sinne entgegenstehen. Solche Gründe sind jedoch hinsichtlich des in § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes gebrauchten Begriffs der Beamten des höheren Dienstes nicht ersichtlich. Dagegen spricht zugunsten der Auffassung, daß in § 8 des Steuerberatungsgesetzes der Begriff der Beamten des höheren Dienstes in übereinstimmung mit dem Beamtenrecht laufbahnmäßig und nicht etwa abweichend davon funktionell verstanden wird, der Umstand, daß diese Beamten neben den Finanzrichtern genannt werden, also neben Angehörigen der richterlichen Laufbahn, die nach Vorbildung und Besoldung nur den Angehörigen der Beamtenlaufbahn des höheren Dienstes in der Verwaltung vergleichbar sind. Im gleichen Sinne ist es ferner zu werten, daß für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung die Zugehörigkeit zum höheren Dienst neben der längeren Ausübung einer bestimmten Funktion verlangt wird. Denn wenn es nur auf eine bestimmte Funktion ankäme, wäre es nicht erforderlich gewesen, von Angehörigen des höheren Dienstes zu sprechen. Es hätte vielmehr genügt, lediglich von Beamten und Angestellten der Finanzverwaltung, die eine gewisse Zeit Sachgebietsleiter waren, zu sprechen, wie das entsprechend § 8 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes, der sich auf die Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung bezieht, tut, indem er von ehemaligen Beamten und Angestellten der Finanzverwaltung spricht, ohne daß eine bestimmte Gruppe wie z. B. die des gehobenen Dienstes genannt ist.
Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, daß, wie die Vorinstanz festgestellt hat, der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages in seinem schriftlichen Bericht nur § 5 des Steuerberatungsgesetzes erläutert und bei § 8 lediglich auf das dort Gesagte verwiesen hat. Angesichts des Umstandes, daß der Gesetzeswortlaut, der den erklärten Willen des Gesetzgebers darstellt, in § 5 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes ein anderer ist als in § 8 Abs. 1 Nr. 2 - in § 5 ist nämlich nur von ehemaligen Beamten und Angestellten der Finanzverwaltung die Rede, die eine bestimmte Zeit als Sachgebietsleiter tätig gewesen sind - kann die auf eine Gleichheit der Auslegung hinauslaufende Meinung eines Parlamentsausschusses nicht von maßgeblicher Bedeutung sein. Das gilt um so mehr, als der sich aus dem Gesetzeswortlaut ergebende Unterschied auch durchaus einen Sinn hat. In § 5 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes geht es nämlich um die Befreiung von gewissen Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung, in § 8 dagegen um die Befreiung von der Prüfung. Daher rechtfertigt es sich, daß im letzteren Falle außer der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit die Erfüllung einer weiteren Voraussetzung verlangt wird. Auch aus der Tatsache, daß § 8 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes, wo es um die Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung geht, die Sachgebietsleiter nicht erwähnt, kann nicht geschlossen werden, daß diese als Beamte oder Angestellte des höheren Dienstes im Sinne des Abs. 1 Nr. 2 a. a. O. anzusehen und nach dieser Vorschrift von der Steuerberaterprüfung zu befreien sind. Vielmehr gilt, wenn nach Abs. 2 a. a. O. Sachbearbeiter von der Steuerbevollmächtigtenprüfung zu befreien sind, das erst recht für Beamte und Angestellte, die als Sachgebietsleiter eine höhere Stellung innegehabt haben. Zu ihrer Befreiung von der Steuerberaterprüfung dagegen bedarf es auch noch der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Beamten, nämlich der der Laufbahn des höheren Dienstes.
Aus den vorstehenden Gründen ist der erkennende Senat zu der Auffassung gelangt, daß in § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes unter Beamten des höheren Dienstes die der Laufbahn des höheren Dienstes angehörenden Beamten zu verstehen sind.
Darin, daß Beamte des höheren Dienstes - und vergleichbare Angestellte (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats VII 57/63 U vom 4. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 279) - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen von der Steuerberaterprüfung befreit sind, nicht aber Beamte des gehobenen Dienstes, auch wenn sie als Sachgebietsleiter tätig waren, ist ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zu erblicken. In die Laufbahn des höheren Dienstes gelangen Bewerber grundsätzlich auf Grund einer bestimmten Vorbildung oder aber im Wege des Aufstiegs aus einer anderen Laufbahn. Diejenigen Beamten, die nicht auf die eine oder andere Weise Beamte des höheren Dienstes geworden sind und damit die geforderte Voraussetzung nicht erfüllen, können nicht lediglich deshalb, weil sie in gleicher Weise wie auch höhere Beamte als Sachgebietsleiter verwendet werden, hinsichtlich der Befreiung von der Steuerberaterprüfung eine gleiche Behandlung wie die Beamten des höheren Dienstes beanspruchen. Denn es ist eine bekannte Tatsache, daß die Sachgebiete bei den Finanzämtern nach Umfang und Schwierigkeit der Aufgaben verschieden zu bewerten sind und daher auch die Beamten, die sie leiten, nicht in jeder Beziehung gleichzusetzen sind. Das kommt gerade darin zum Ausdruck, daß Sachgebiete sowohl von Beamten des gehobenen Dienstes verschiedener Besoldungsgruppen als auch von Beamten des höheren Dienstes geleitet werden.
Da die Vorinstanz § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes hinsichtlich des Begriffs der Beamten des höheren Dienstes unzutreffend ausgelegt hat, ist sie zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt. Ihre Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da der Bg. als Steueramtmann nicht zu den Beamten des höheren Dienstes in dem oben dargelegten Sinne gehörte und somit nicht alle Voraussetzungen für eine Befreiung von der Steuerberaterprüfung erfüllt, war seine Berufung gegen die ablehnende Entscheidung des Zulassungsausschusses als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411226 |
BStBl III 1964, 391 |
BFHE 1964, 438 |
BFHE 79, 438 |