Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Hypothekenschulden, die auf einem zu dem von einer Lebensversicherung gebildeten Deckungsstock (§ 66 VAG) gehörenden Grundstück lasten, können Dauerschulden i. S. des § 8 Ziff. 1 GewStG sein.
Normenkette
GewStG § 8 Ziff. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Schuldzinsen für Hypothekenschulden mit denen zum Deckungsstock (§ 66 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen - VAG - vom 6. Juni 1931, RGBl 1931 I S. 315) gehörende Grundstücke eines Versicherungsunternehmens belastet sind, als Dauerschuldzinsen im Sinne des § 8 Ziff. 1 GewStG zu beurteilen sind.
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) ist ein Sterbekassenverein und hat den satzungsgemäßen Zweck, den Hinterbliebenen bei Ableben eines Mitglieds sofort eine bestimmte Summe für eine würdige Bestattung bereitzustellen. Zur Deckung der laufenden Versicherungsverträge führt er einer Deckungsrückstellung Mittel zu. Diese sind zum Teil in Grundstücken angelegt, auf denen Hypotheken lasten. Auf diese Schulden wurden im Jahre 1961 Schuldzinsen gezahlt, die das Finanzamt (FA) dem gewerblichen Gewinn als Dauerschuldzinsen gemäß § 8 Ziff. 1 GewStG zurechnete.
Der Stpfl. trug hiergegen vor, die belasteten Grundstücke gehörten als Bestandteile des Deckungsstocks nicht zum Betriebsvermögen; bei ihr seien darum auch nicht 3 v. H. des Einheitswerts der Grundstücke gemäß § 9 Ziff. 1 GewStG vom Gewinn abgezogen worden.
Während der Einspruch ohne Erfolg blieb, gab das Finanzgericht (FG) der Berufung statt. Es führte aus: Nach dem Gutachten des RFH I D 1/43 vom 26. November 1943 RStBl 1944, 171) sei der Deckungsstock ein Sondervermögen, das wirtschaftlich aus dem Betriebsvermögen ausscheide. Hiernach hätten aber die Ausgaben und Einnahmen aus dem Deckungsstock nichts mit dem Gewerbebetrieb des Versicherungsunternehmens zu tun. Zum Deckungsstockvermögen gehörten auch die Schulden. Andernfalls müßten auch nichtbezahlte Handwerkerrechnungen für die Reparatur an einem zum Deckungsstock gehörenden Gebäude beim Betriebsvermögen als Schulden behandelt werden.
Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen hat zu der streitigen Frage Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die gemäß § 184 FGO als Revision zu behandeln ist, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das FG ist von dem Gutachten des RFH I D 1/43 (a. a. O.) ausgegangen. Nach diesem ist die Deckungsrückstellung der Lebensversicherungen keine Dauerschuld im Sinne des GewStG. Die Deckungsrückstellung ist der Posten auf der Passivseite der Bilanz der Lebensversicherungsunternehmen, der für diejenigen Teile der Nettoprämien gebildet wird, die zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen zur Befriedigung der Versicherungsleistungen in späteren Jahren erforderlich sind. Sie ergibt sich aus dem Wesen der Lebensversicherung und ist wie eine echte Schuld des Unternehmens gegenüber den Versicherten zu behandeln.
Die Deckungsrückstellung ist somit der Gegenposten zum Deckungsstock, der einen Inbegriff von Vermögensgegenständen darstellt und vom übrigen Vermögen gesondert zu verwahren und zu verwalten ist (vgl. §§ 65 bis 79 VAG); er steht wirtschaftlich gesehen den Versicherungsnehmern zu. Die Bestände des Deckungsstocks können gemäß § 68 Abs. 1 Ziff. 5 VAG auch in inländischen Grundstücken angelegt werden. Wie das Bundesaufsichtsamt bestätigt, dürfen die Grundstücke grundsätzlich nicht belastet sein; eine Ausnahme kann zugelassen werden, wenn die Belastung gering ist (bis etwa 10 % der Anschaffungskosten; vgl. Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, 5. Aufl., § 68 Anm. 31). Als Anrechnungswert für den Deckungsstock ist grundsätzlich der Bilanzwert anzusetzen. Belastungen mindern den Anrechnungswert eines Grundstücks, werden aber nicht Teil des Deckungsstocks; denn dem Deckungsstock können aus seiner Zweckbestimmung heraus keine Verbindlichkeiten zugeführt werden. Soll der Deckungsstock den Versicherten ungeschmälert als Sondervermögen zur Verfügung stehen bzw. der Bedeckung der Deckungsrückstellung dienen, so wird ersichtlich, daß diesem Zweck die Zuführung von Schulden widerspricht. Geht darum in den Deckungsstock als Anrechnungswert der um die dingliche Belastung geminderte Wert des Grundstücks ein, so können die das Grundstück belastende Hypothek und die persönliche Schuld nicht in den Deckungsstock einbezogen werden.
Die Grundsätze des RFH-Gutachtens I D 1/43 (a. a. O.) betreffen die Deckungsrückstellung, also den dem Deckungsstock gegenüberstehenden Passivposten. Da aber die hier in Rede stehenden Hypotheken mit dem Deckungsstock und der Deckungsrückstellung nichts zu tun haben, können diese Grundsätze die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht bestimmen. Insoweit geht die Vorentscheidung von einer irrigen Auffassung aus.
Hiernach kann es dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Vorinstanz zutrifft, daß Einnahmen und Ausgaben, die den Deckungsstock betreffen, nichts mit dem Gewerbebetrieb des Versicherungsunternehmens zu tun haben.
Wenn auch die Deckungsrückstellung ihrer Natur nach nicht als Dauerschuld anzusehen ist, so schließt das nicht aus, daß die auf den Grundstücken des Deckungsstocks ruhenden Schulden Dauerschulden sind. Da diese nicht in die Bindung des Deckungsstocks fallen, sind sie nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. Hypothekarisch gesicherte Verbindlichkeiten gehören in der Regel zu den Dauerschulden (Blümich-Boyens- Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 8 Anm. 9). Dies trifft auch auf die in Rede stehenden Hypothekenschulden zu. Die Hypothekenzinsen mindern den Gewinn und sind darum nach § 8 Ziff. 1 GewStG wieder zuzurechnen.
Nach Aufhebung der Vorentscheidung ist darum die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412206 |
BStBl III 1966, 630 |
BFHE 1966, 689 |
BFHE 86, 689 |