Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
In der Verteilung des restlichen Vermögens unter die Gesellschafter einer in Abwicklung befindlichen Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 72 GmbHG liegt - vom Gesellschafter her gesehen - keine Anschaffung der ihm zugeteilten Vermögensgegenstände im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziff. 5, 6 EStG. Die Vermögensgegenstände sind daher, wenn sie der Gesellschafter in einen Betrieb einlegt, mit dem Teilwert anzusetzen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 5, § 6/1/6
Tatbestand
Der Steuerpflichtige war Gesellschafter der L-GmbH in Berlin. Diese Gesellschaft stellte vor dem Jahre 1945 Filme her. Nach 1945 befaßte sie sich mit der Verwertung ihrer Filme.
Schon vor der Währungsreform befand sich die Gesellschaft in Liquidation. Der Steuerpflichtige war an ihr zu 50% beteiligt. Zwei weitere Gesellschafter hatten eine Beteiligung von je 25%. Gegen Ende des Jahres 1953 übernahm der Steuerpflichtige auch die Anteile der übrigen Gesellschafter gegen Zahlung von je 5000 DM. Kurze Zeit darauf wurde die Liquidation der Gesellschaft beendet. Am 28. Dezember 1953 wurde das Erlöschen der Firma in das Handelsregister eingetragen.
Die Liquidations-Schlußbilanz der Gesellschaft enthielt auf der Aktivseite ein Bankguthaben und auf der Passivseite den Posten "Kapital" in gleicher Höhe.
In dieser Bilanz war nicht berücksichtigt, daß die Gesellschaft noch die Filmrechte und Filmnegative zweier Filme besaß. Diese Vermögensgegenstände waren auf 0 DM abgeschrieben. Ferner hatte die Gesellschaft noch Steuerschulden, Provisionsschulden und eine Vermögensabgabeschuld nach dem LAG, die in der Liquidations-Schlußbilanz nicht ausgewiesen waren.
Das Vermögen der GmbH wurde im Zuge der Abwicklung an den Steuerpflichtigen als alleinigen Gesellschafter ausgekehrt.
Aus der Verwertung der beiden Filmrechte flossen dem Steuerpflichtigen in den Jahren 1954 und 1955 Einnahmen zu, die erst auf Grund einer Betriebsprüfung im Jahre 1957 steuerlich erfaßt wurden.
Der Prüfer behandelte die Erträge aus der Verwertung der Filmrechte als gewerbliche Einnahmen des Steuerpflichtigen und ermittelte den Gewinn in der Weise, daß er dem überschuß der Einnahmen über die Ausgaben, der sich aus den Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen ergab, bestimmte Beträge hinzurechnete. Dabei ging er davon aus, daß die beiden Filmrechte entsprechend der Schlußbilanz der GmbH mit einem Wert von 0 DM anzusetzen waren.
Das Finanzamt berichtigte auf Grund der Feststellungen des Betriebsprüfers die Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuerbescheide für 1950, 1951, 1954 und 1955.
Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Auf die Berufung hin änderte das Verwaltungsgericht die Bescheide über die Umsatzsteuer für 1951, die Gewerbesteuer für 1954 und 1955 und die Einkommensteuer für 1951, 1954 und 1955. Im übrigen hob es die Einspruchsentscheidung und die ihr zugrunde liegenden Steuerbescheide auf.
Das Verwaltungsgericht behandelte die Verwertung der Filmrechte ebenfalls als gewerbliche Tätigkeit, berechnete aber die Einkünfte aus diesem Gewerbebetrieb anders als das Finanzamt.
Die bedeutendste Abweichung liegt darin, daß das Verwaltungsgericht den Wert der Filmrechte nicht mit 0 DM ansetzte, sondern Anschaffungskosten von 19 408 DM ermittelte, mit denen diese Einlage in den Filmverwertungs-Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen zu bewerten sei. Der Betrag setzt sich aus dem Kaufpreis für den Erwerb der Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter (denn durch die übernahme dieser Rechte habe der Steuerpflichtige den Erwerb des Gesellschaftsvermögens erstrebt) und aus den in der Liquidationsschlußbilanz der GmbH nicht ausgewiesenen Steuerschulden, Provisionsschulden und Schulden nach dem LAG der Gesellschaft, die der Steuerpflichtige im Jahre 1954 getilgt hatte, zusammen.
Die Nutzungsdauer der Filmrechte schätzte das Verwaltungsgericht auf drei Jahre. Bei der Berechnung der gewerblichen Einkünfte für die Jahre 1954 und 1955 setzte es daher eine Absetzung für Abnutzung (AfA) von je 6466 DM an.
Entsprechend der Nutzungsdauer der Filmrechte verteilte das Verwaltungsgericht auch die Herstellungskosten für Kopien, von denen der Betriebsprüfer eine jährliche Abschreibung von 25% zugelassen hatte, auf drei Jahre und setzte in den Jahren 1954 und 1955 eine entsprechend höhere Abschreibung an.
Das Verwaltungsgericht änderte die Berechnung der gewerblichen Einkünfte schließlich noch in einem weiteren Punkt. Der Betriebsprüfer hatte die Zinsen aus dem privaten Bankkonto des Steuerpflichtigen zu den gewerblichen Einnahmen hinzugerechnet. Da der gesamte Zahlungsvorgang des Steuerpflichtigen auf diesem Bankkonto abgewickelt worden sei, habe das Konto dem Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen gedient und sei damit notwendiges Betriebsvermögen gewesen. Das Verwaltungsgericht folgte dieser Auffassung nicht. Der Steuerpflichtige habe kein Geschäftskonto unterhalten wollen. Die Zinsen, die auf seinem Bankkonto angefallen seien, zählten daher zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Mit der Rb. greift der Vorsteher des Finanzamts den Ansatz von Anschaffungskosten für die Filmrechte an. Das Verfahren des Verwaltungsgerichts leide insoweit an wesentlichen Mängeln durch ungenügende Sachaufklärung und unrichtige Beweisführung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Steuerpflichtige habe durch die Verwertung der Filmrechte eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Verwaltungsgericht konnte vor allem darauf hinweisen, daß der Steuerpflichtige nach seinem eigenen Vortrag durch seinen Vertreter werbend aufgetreten ist.
Auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, daß die Zinsen aus dem Bankguthaben des Steuerpflichtigen nicht zu den gewerblichen Einnahmen gehörten, ferner, daß sie Herstellungskosten für die Filmkopien in drei Jahren abgeschrieben werden konnten, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Auf falscher Rechtsanwendung beruht dagegen die Ermittlung der Anschaffungskosten für die beiden Filmrechte.
Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den Kaufpreis, den der Steuerpflichtige im Dezember 1953 für die übernahme der beiden anderen Geschäftsanteile entrichtet hat, als Anschaffungskosten für den Erwerb der Filmrechte angesehen. Der Steuerpflichtige hat durch die beiden Abtretungen nicht die Vermögenswerte der Gesellschaft, sondern die Geschäftsanteile der beiden übrigen Gesellschafter erworben (ß 15 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Gewiß stand hinter diesen Geschäftsanteilen das anteilige Vermögen der Gesellschaft, das allerdings nicht nur - wie das Verwaltungsgericht meint - aus den Rechten an den beiden Filmen und den Filmnegativen bestand, sondern ausweislich der Liquidationsschlußbilanz auch noch aus einem Bankguthaben. Es stellt aber einen unzulässigen Durchgriff durch die Rechtsform der juristischen Person dar, wenn das Verwaltungsgericht den Erwerb der Geschäftsanteile als Erwerb des Vermögens der Gesellschaft behandelt hat.
Auch bei der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft an den Steuerpflichtigen als alleinigen Gesellschafter sind diesem Anschaffungskosten für den Erwerb der Filmrechte nicht entstanden.
Denn in der Auskehrung des Vermögens der Gesellschaft an den Steuerpflichtigen kann eine "Anschaffung" der Filmrechte im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziff. 5, 6 EStG nicht erblickt werden. Sie beruht nicht auf einem Rechtsgeschäft, sondern allein auf dem gesetzlichen Gebot des § 72 GmbHG. Sie erstreckt sich außerdem nur auf die Aktivposten, nicht auf die Schulden (Scholz-Fischer, Klein-Kommentar zum GmbH-Gesetz, 6. Aufl., § 72, Anm. 2; Schmidt in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Aufl., § 72, Anm. 1). Die Schulden der Gesellschaft müssen vorher von den Liquidatoren getilgt werden (§§ 70, 73 GmbHG). Daher ist es nicht möglich, in der Zahlung von Schulden der Gesellschaft Anschaffungskosten für das verteilte Vermögen zu erblicken. Die Gesellschafter erhalten das Vermögen der Gesellschaft nach § 72 GmbHG ohne jede Gegenleistung. Sie geben dafür auch nicht ihre Geschäftsanteile an die Gesellschaft zurück. Die Geschäftsanteile gehen vielmehr von selbst unter, sobald die Gesellschaft ihr rechtliches Ende gefunden hat.
Da somit Anschaffungskosten für die Bewertung der Einlage der beiden Filmrechte ausscheiden, verbleibt es dabei, daß diese Rechte mit dem Teilwert anzusetzen sind (ß 6 Abs. 1 Ziff. 5, 6 EStG). Diesen Wert muß das Verwaltungsgericht nunmehr ermitteln.
Fundstellen
Haufe-Index 411782 |
BStBl III 1965, 665 |
BFHE 1966, 459 |
BFHE 83, 459 |
BB 1965, 1303 |
DB 1965, 1651 |
DStR 1965, 697 |