Leitsatz (amtlich)
Blutalkoholuntersuchungen und toxikologische Untersuchungen eines chemischen Untersuchungsamts einer Gemeinde im Auftrag von Polizeibehörden sind unternehmerische Tätigkeiten.
Unternehmerische Tätigkeit wird nicht bei Ausführung "als Amtshilfe" (unabhängig von deren Begriffsbestimmung) zu nichtunternehmerischer "Ausübung öffentlicher Gewalt".
Orientierungssatz
1. Nur solche Tätigkeiten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind von der Steuer befreit (hoheitliche Tätigkeiten), durch die eine spezifische Aufgabe im Rahmen der öffentlichen Gewalt wahrgenommen wird (vgl. EuGH-Urteil vom 26.3.1987 Rs. 235/85). Für die Charakterisierung einer Tätigkeit als hoheitlich oder unternehmerisch ist unerheblich, daß ihre Zuweisung an die juristische Person des öffentlichen Rechts im Interesse des Gemeinwohls erfolgt. Es kommt auch nicht darauf an, ob privatunternehmerische Wettbewerber hinsichtlich der jeweiligen Tätigkeit vorhanden sind (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Die Leistungen aus Blutalkoholuntersuchungen und toxikologischen Untersuchungen eines chemischen Untersuchungsamts einer Gemeinde, das unter Leitung eines Diplom-Chemikers steht, im Aufrag von Polizeibehörden sind weder nach § 4 Nr. 16 noch nach § 4 Nr. 14 UStG 1980 umsatzsteuerbefreit.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 3, § 4 Nrn. 14, 16; EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 5
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine kommunale Gebietskörperschaft, unterhielt im Streitjahr 1982 ein chemisches Untersuchungsamt, das unter Leitung eines Diplom-Chemikers stand und in dem nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) "ausschließlich auf Veranlassung von Polizeibehörden Blutalkoholuntersuchungen und toxikologische Untersuchungen (Urin- und Asservatenuntersuchungen) auf Drogen- und Arzneimittelabusus durchgeführt wurden".
Für die Blutalkoholuntersuchungen in der Zeit vom 1.Januar bis 2.August 1982 (Einnahmen: 249 787,75 DM) und für die toxikologischen Untersuchungen in der Zeit vom 1.Januar bis 31.Dezember 1982 (Einnahmen: 28 180 DM) wies die Klägerin in ihren Gebührenrechnungen keine Umsatzsteuer gesondert aus, weil sie von entweder nach § 2 Abs.3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) nicht steuerbaren oder nach § 4 Nr.16 UStG 1980 steuerfreien Umsätzen ausging. Demgemäß unterwarf sie in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1982 diese Leistungen nicht der Umsatzsteuer.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging hingegen von steuerbaren Leistungen der Klägerin im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art aus, die zudem nicht nach § 4 Nr.16 UStG 1980 steuerfrei seien und zog die Klägerin mit Umsatzsteuerbescheid 1982 zur Umsatzsteuer heran. Das FA bezog sich dabei auf ein Schreiben des Justizministers Nordrhein-Westfalen an den Finanzminister Nordrhein-Westfalen vom 20.April 1978, einen Erlaß des Finanz- ministers Nordrhein-Westfalen vom 8.Mai 1978, ein Schreiben des Finanzministers Nordrhein-Westfalen an den Innenminister Nordrhein-Westfalen vom 19.Januar 1979, ein Schreiben des Finanzministers Nordrhein-Westfalen an den Städtetag Nordrhein- Westfalen vom 19.April 1979 und ein Schreiben des Finanzministers Nordrhein-Westfalen an den Bundesminister der Finanzen (BMF) vom 20.März 1981.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage im wesentlichen statt.
Nach Auffassung des FG übte die Klägerin mit den Untersuchungen im Wege der Amtshilfe öffentliche Gewalt aus. Die Leistungen seien gemäß § 2 Abs.3 Satz 1 UStG 1980 nicht steuerbar. Andererseits entfalle insoweit ein Vorsteuerabzug. Zu letzterem Punkt führte das FG aus, die Klägerin habe durch ihren Klageantrag (Freistellung der strittigen Entgelte von der Umsatzsteuer) und die Angabe des Streitwerts nicht zu erkennen gegeben, daß nur eine um die Vorsteuer (X DM) geminderte Herabsetzung der Umsatzsteuer 1982 begehrt werde.
Die Frage der Steuerbefreiung sprach das FG nur im Zusammenhang mit der Erörterung von Wettbewerbsnachteilen an: Es ging davon aus, daß § 4 Nr.14 UStG 1980 nur die Untersuchungen von freiberuflich tätigen Personen, nur Ärzte (Laborärzte) oder klinische Chemiker, erfasse. Die gleichen Leistungen der kommunalen Institute, die --wie hier-- unter Leitung eines Diplom-Chemikers stünden, unterlägen dagegen der Umsatzsteuer, weil für sie die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr.16 UStG 1980 nicht eingreife.
Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 2 UStG 1980. Nach seiner Auffassung hat das FG die Begriffe hoheitliche Tätigkeit und Amtshilfe verkannt. Dazu trägt es vor: Ein kommunales Institut übe mit den Untersuchungen zur Feststellung von Alkohol im Blut keine hoheitliche Tätigkeit aus (Hinweis auf die vorbezeichneten Schreiben der Verwaltungsbehörden). Zum einen handle es sich um Tätigkeiten, die auch private Unternehmen ausführten. Zum anderen enthielten weder die Strafprozeßordnung (StPO) noch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) Bestimmungen darüber, welche Stellen im Rahmen eines Straf- und Bußgeldverfahrens heranzuziehen seien. Auch private Untersuchungsstellen könnten unter Beachtung der Richtlinien für die Blutalkoholbestimmung herangezogen werden.
Die Auslegung des Begriffs der Amtshilfe nach Maßgabe des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1.April 1965 V 131/62 U (BFHE 82, 263, BStBl III 1965, 339) sei für den Streitfall zu weitgehend. Das chemische Untersuchungsamt sei Betrieb gewerblicher Art (§ 1 Abs.1 Nr.6 i.V.m. § 4 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--); es stelle anderen Behörden nicht nur überschüssiges Arbeitspotential zur Verfügung, wie sich bereits aus der Größenordnung ergebe. Überdies strebe das Untersuchungsamt mit den Blutalkoholuntersuchungen offenbar Gewinn an --nicht nur Auslagenersatz, der hoheitlicher Tätigkeit nicht entgegenstehe--. Insoweit habe das FG den Sachverhalt nicht aufgeklärt.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen und über die Kostenfestsetzung des FG-Urteils, die sie (die Klägerin) ungerechtfertigt belaste, im Rahmen des Endurteils zu entscheiden.
Zum einen hält die Klägerin die weite Auslegung des Amtshilfe- Begriffs für zutreffend. Daß chemische Untersuchungsämter öffentliche Gewalt ausübten, habe sich schon aus § 19 Abs.2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 ergeben (jetzt aus Abschn.5 Abs.14 der Körperschaftsteuer-Richtlinien --KStR--). Dort seien Anstalten der Nahrungsmitteluntersuchung besonders aufgeführt. Gewinnerzielungsabsicht fehle. Die nicht gedeckten Aufwendungen des Untersuchungsamts würden aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung durch eine Umlage der angeschlossenen Kreise und der Stadt ausgeglichen. Die Gebühren ergäben sich aus der Landesgebührenordnung (Allgemeine Verwaltungsgebührenordnung des Landes Nordrhein-Westfalen --AVwGebO NW--, i.d.F. der Bekanntmachung vom 5.August 1980, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen --GVBl NW-- 1980, 924), ohne daß deren Kostendeckung geprüft werde.
Soweit sich das FA auch auf die Schreiben des Finanzministers und Innenministers Nordrhein-Westfalen beziehe, ergebe sich daraus, daß die Umsatzsteuerpflicht nur bei kommunalen chemischen Untersuchungsämtern angenommen werde, um (umsatzsteuerrechtlich) eine Gleichstellung mit "privaten Unternehmern" auf diesem Gebiet zu erreichen. In Nordrhein-Westfalen handle es sich um einen Facharzt für Laboratoriumsdiagnostik. Überdies seien solche private Unternehmer --gleich ob Arzt oder Chemiker-- seit 1.Januar 1980 gemäß § 4 Nr.14 UStG 1980 von der Umsatzsteuer befreit.
Die Auffassung des FA verletze auch deswegen den Gleichheitssatz und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil nur kommunale chemische Untersuchungsämter als Betriebe gewerblicher Art angesehen würden, nicht aber Landesuntersuchungsämter oder gerichtsmedizinische Institute von Universitäten bei gleichen Leistungen.
Die Kostenentscheidung des FG enthalte eine offensichtliche Unrichtigkeit. Sie, die Klägerin, habe in Kenntnis des geltenden Umsatzsteuerrechts Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht, wenn die zugrunde liegenden (hier streitigen) Umsätze von der Umsatzsteuer nicht erfaßt worden seien. Das komme in ihrem Schreiben an das FA eindeutig zum Ausdruck. Darin sei der Streitwert durch Aufgliederung der strittigen Einnahmen des Jahres 1982 und unter Abzug der pauschalierten Vorsteuern ermittelt worden. Das FG habe den dort angegebenen Vorsteuerbetrag seiner Begründung zugrunde gelegt, ohne zu beachten, daß es sich bei den Umsatzangaben in der Klagebegründung nicht um Streitwertermittlungen, sondern nur um die Darstellung der Größenordnungsrelation der Einnahmen aus toxikologischen Untersuchungen und Blutalkoholuntersuchungen gehandelt habe.
Das FA schloß sich den Ausführungen der Klägerin zum Streitwert an.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Die Untersuchungsleistungen (Blutalkohol- und toxikologische Untersuchungen) des chemischen Untersuchungsamts der Klägerin sind nach § 2 Abs.3 UStG 1980 steuerbare Leistungen im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (§ 1 Abs.1 Nr.6, § 4 KStG). Es handelt sich um keine Ausübung öffentlicher Gewalt (Hoheitsbetrieb im Sinne des § 4 Abs.5 KStG).
a) Die Untersuchungsleistungen wurden im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ausgeführt. Betriebe gewerblicher Art sind nach § 4 Abs.1 KStG alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ... dienen und die sich (wie hier vom FG festgestellt) innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich. Der in § 4 Abs.1 Satz 1 KStG enthaltene Vorbehalt bezüglich der Voraussetzungen des § 4 Abs.5 KStG ist hier nicht erfüllt. Ausübung öffentlicher Gewalt (hoheitliche Tätigkeit) im Sinne des § 4 Abs.5 KStG wird nach ständiger Rechtsprechung durch solche Tätigkeiten bewirkt, die dem Träger der öffentlichen Gewalt "eigentümlich und vorbehalten" sind (vgl. BFH-Urteil vom 30.Juni 1988 V R 79/84, BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910, mit Nachweisen). Bewegt sich die juristische Person des öffentlichen Rechts in Bereichen der privatunternehmerischen Berufs- und Gewerbeausübung, ist unternehmerische Tätigkeit anzunehmen.
Wie der Senat in BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910, im Hinblick auf die leistungsbezogene Umsatzsteuer ausgeführt hat, ergibt sich die Ausübung öffentlicher Gewalt nicht aus der gesetzlichen Zuweisung einer Aufgabe als Pflichtaufgabe der juristischen Person des öffentlichen Recht, wenn die Leistungen (zur Aufgabenerfüllung) ihrer Art nach privatunternehmerisch sind. Dies entspricht dem Gemeinschaftsrecht. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit Urteil vom 26.März 1987 Rs.235/85 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1988, 164) zu Art.4 Abs.5 der Sechsten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.Mai 1977 --77/388 EWG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 145/1 vom 13.Juni 1977) --6.EG-Richtlinie-- entschieden hat, sind nur solche Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen Rechts von der Steuer befreit, durch die eine spezifische Aufgabe im Rahmen der öffentlichen Gewalt wahrgenommen wird. Der Bereich der (besteuerten) wirtschaftlichen Tätigkeit ist weit, da diese unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis betrachtet wird (Art.4 Abs.1) und auch alle Dienstleistungen z.B. im Bereich der freien Berufe erfaßt.
Das FA hat demnach zu Recht geltend gemacht, die Untersuchungsleistungen könnten von einem (privatunternehmerisch tätigen) Arzt oder Chemiker --nach Maßgabe vorgegebener Tätigkeitsbedingungen-- ausgeführt werden. Daß die Zuweisung der Tätigkeit an die juristische Person des öffentlichen Rechts im Interesse des Gemeinwohls erfolgt, ist für ihre Charakterisierung als hoheitlich oder unternehmerisch unerheblich (wie auch die Festsetzung und Erhebung der Gegenleistung als Gebühr oder ähnliches durch Gesetz und Verordnung; BFH-Urteile vom 26.Mai 1977 V R 15/74, BFHE 123, 70, BStBl II 1977, 813 --Friedhofsverwaltung--, und vom 18.August 1988 V R 18/83, BFHE 154, 269, BStBl II 1988, 971, unter II.1. --Kureinrichtungen einer Gemeinde--).
Es kommt auch nicht darauf an, ob privatunternehmerische Wettbewerber hinsichtlich der jeweiligen Tätigkeit vorhanden sind. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen in BFHE 154, 192, BStBl II 1988, 910 Bezug.
b) Das FG hat die vorgenannten Auslegungskriterien zu § 2 Abs.3 UStG 1980 zu Unrecht mit der Begründung vernachlässigt, die Tätigkeit der Klägerin sei "Amtshilfe" und liege damit "im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt, selbst wenn es sich um eine der Art nach nicht typisch hoheitliche Betätigung handelt". Diese Beurteilung beruht wohl auf der Erwägung, daß die Feststellung von Blutalkohol z.B. bei strafbaren Handlungen --würde sie insgesamt durch die Polizeibehörden durchgeführt-- zur "Amtshandlung" der Polizeibehörden gehörte; daher müsse diese Tätigkeit der Klägerin "als Hilfeleistung" im Auftrag der Polizeibehörden ebenso qualifiziert werden, weil derselbe Zweck verfolgt werde.
Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Denn eine nach den vorstehend aufgeführten Kriterien als unternehmerisch beurteilte Tätigkeit verliert diese umsatzsteuerrechtliche Eigenschaft nicht dadurch, daß sie im Wege der Amtshilfe, in welchem Sinne diese auch verstanden werden mag, ausgeführt wird. Amtshilfe ist keine Voraussetzung umsatzsteuerrechtlicher Nichtsteuerbarkeit.
Ob die Klägerin Amtshilfe etwa nach den Voraussetzungen der §§ 4 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 25.Mai 1976 (BGBl I 1976, 1253) leistete, braucht daher nicht geprüft zu werden.
Der Senat kann angesichts dessen offenlassen, ob die Auffassung des FG durch die von ihm zitierten BFH-Urteile gestützt wird (vom 12.Dezember 1968 V 213/65, BFHE 94, 558, BStBl II 1969, 280, und in BFHE 82, 263, BStBl III 1965, 339, betreffend Abwasserübernahme in die Kanalisation durch eine Gemeinde von einer anderen Gemeinde; Übernahme bürotechnischer Hilfsarbeiten - Datenverarbeitung durch eine Hollerithabteilung - durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts zugunsten einer anderen gegen Selbstkostenerstattung).
Ebenso kann offenbleiben, ob die Ausführungen in diesen Streitfällen zur umsatzsteuerrechtlichen Auswirkung von Amtshilfe zutreffend sind und weiterhin aufrechterhalten werden können.
2. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben. Es stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs.4 FGO), jedenfalls nicht, wie die Klägerin hilfsweise meint, wegen Eingreifens einer Steuerbefreiung.
§ 4 Nr.16 UStG 1980 befreit die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung ... eng verbundenen Umsätze. "Ärztliche" Diagnostik oder Befunderhebung findet in der Untersuchungsanstalt der Klägerin nicht statt. Die Erweiterung der insoweit beschränkten Steuerbefreiung des § 4 Nr.16 durch das UStG 1980 auch auf gewerbliche Analyseunternehmen, wenn ihre Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden (vgl. BTDrucks 8/1779, Teil B, Zu § 4 Nr.16), entsprach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 26.Oktober 1976 1 BvR 191/74 (BVerfGE 43, 58, UR 1977, 32). § 4 Nr.14 UStG 1980 greift ebenfalls nicht ein. Auch diese Steuerbefreiung wurde mit dem UStG 1980 zur Vermeidung einer ungleichmäßigen Besteuerung (insbesondere im Verhältnis zu den Laborärzten) auf die klinischen Chemiker ausgedehnt (vgl. BTDrucks 8/2827, Einzelbegründung Zu § 4 Nr.14, und BFH-Urteil vom 25.März 1977 V R 144/74, BFHE 122, 181, BStBl II 1977, 579). Die Steuerbefreiung der Umsätze aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker gilt zwar auch dann, wenn die Tätigkeit nicht freiberuflich, sondern gewerblich ausgeübt wird (sie ist nicht in die Verweisung auf § 18 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes einbezogen) --vgl. u.a. Abschn.91 der Umsatzsteuer-Richtlinien. Das Untersuchungsamt der Klägerin erfüllt aber nicht die Voraussetzung "als klinischer Chemiker" --selbst wenn es von einem solchen geleitet würde, was nicht festgestellt ist--; denn die Eigenschaft als klinischer Chemiker ergibt sich aus einer personenbezogenen Anerkennung (vgl. BFHE 122, 181, BStBl II 1977, 579).
3. Die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO), weil der Senat nach den vorhandenen Feststellungen über den Revisionsantrag des FA nicht in vollem Umfang zu entscheiden vermag. Die beantragte Aufhebung des FG-Urteils mit Klageabweisung setzt voraus, daß die Höhe der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung 1982 sich nicht aufgrund eines --nach der vorliegenden Entscheidung nicht durch § 15 Abs.1 und 2 UStG 1980 ausgeschlossenen-- Vorsteuerabzug zugunsten der Klägerin ändert. Den Ausführungen des FG, aber auch denen der Klägerin und des FA im Revisionsverfahren (auf den Streitwert des FG-Verfahrens zugeschnitten) zum Vorsteuerabzug läßt sich nicht entnehmen, ob dieser zutreffend vorgenommen worden ist.
Bei der erneuten Befassung mit der Sache kann sich das FG auch der von den Beteiligten angeschnittenen "Streitwertfrage" zuwenden.
Fundstellen
Haufe-Index 62817 |
BFH/NV 1989, 53 |
BStBl II 1990, 95 |
BFHE 158, 177 |
BFHE 1990, 177 |
BB 1989, 2471-2471 (L1) |
DB 1990, 160 (S) |
HFR 1990, 95 (LT) |