Leitsatz (amtlich)
Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung können nur anerkannt werden, wenn der eigene Hausstand i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 Satz 2 EStG ein Familienhausstand ist. Dieser liegt nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer mit einer Frau und deren Kind in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einem Haushalt zusammenlebt (Anschluß an BFH-Urteil vom 22.September 1988 VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293).
Orientierungssatz
Ein lediger Arbeitnehmer kann bei einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer trotz seiner gewissen Gleichstellung mit verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, Verpflegungsmehraufwand nur dann als Werbungskosten abziehen, wenn er ihn nachweist oder zumindest glaubhaft macht (vgl. BFH-Urteil vom 15.11.1982 VI R 102/79).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5 S. 2; LStR Abschn. 27; EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG München (Entscheidung vom 16.09.1986; Aktenzeichen VI (XIII) 223/85 E) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnt seit 1981 in A und ist in B beschäftigt. Vom 7.Januar 1984 bis zum 31.Dezember 1984 stellte ihn sein Arbeitgeber zu einer Firma nach C ab. In seiner Einkommensteuererklärung für 1984 machte er u.a. für die ersten zwei Wochen und für weitere 197 Tage seiner Tätigkeit in C Mehraufwendungen für Verpflegung wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte nur für die ersten zwei Wochen (10 Arbeitstage) Verpflegungsmehraufwendungen von pauschal 39 DM täglich als Werbungskosten an.
Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, daß er seit November 1982 mit Frau K und deren Tochter in eheähnlicher Gemeinschaft lebe. In der Einspruchsentscheidung ließ das FA geschätzte Verpflegungsmehraufwendungen von täglich 9 DM für weitere 197 Tage als Werbungskosten zum Abzug zu. Es vertrat die Auffassung, daß beim Kläger keine doppelte Haushaltsführung vorgelegen habe, so daß die Verpflegungsmehraufwendungen gemäß Abschn.27 Abs.5 und Abs.6 Nr.4 der Lohnsteuer-Richtlinien 1984 (LStR 1984) hätten nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden müssen.
Mit der Klage begehrte der Kläger die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen von pauschal 14 DM für 206 Tage wie bei einem verheirateten Arbeitnehmer.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 73 veröffentlichten Urteil im wesentlichen folgendes aus:
Nach der Legaldefinition in § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) liege eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhalte, beschäftigt sei und auch am Beschäftigungsort wohne. "Haushalt" sei der Oberbegriff für eine Wohnung und den über eine bloße Wohnung hinausgehenden Hausstand. Eine doppelte Haushaltsführung setze voraus, daß die normalerweise einheitliche Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte aufgesplittert sei.
Bei einem ledigen Arbeitnehmer scheide in der Regel die Annahme einer doppelten Haushaltsführung aus, weil der Ledige nicht wie eine aus mehreren Personen bestehende Familie gleichzeitig an zwei Orten anwesend sein und deshalb nicht zur gleichen Zeit zwei verschiedene Haushalte an verschiedenen Orten unterhalten könne. Andererseits sei die Möglichkeit einer doppelten Haushaltsführung nicht auf verheiratete Arbeitnehmer beschränkt. Zwar sei bei eheähnlichen Lebensgemeinschaften, anders als bei zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichteten Eheleuten keine rechtliche Verpflichtung zur Lebensgemeinschaft gegeben. Dies sei jedoch für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung nicht ausschlaggebend. Aus dem Gesetzeswortlaut lasse sich auch nicht ableiten, daß bei unverheirateten, aber in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Arbeitnehmern eine doppelte Haushaltsführung nicht in Betracht komme. Insbesondere brauche der Arbeitnehmer nicht mit den Personen, mit denen er in Hausgemeinschaft lebe und die er am Wohnort zurücklasse, in familiärer Beziehung zu stehen. Auch aus dem Begriff der "Familienheimfahrt" ergebe sich nichts anderes; denn die Vorschrift des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.5 Sätze 3 bis 5 EStG bestimme nicht die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung, sondern nur den Umfang der Abziehbarkeit der durch die doppelte Haushaltsführung entstandenen Mehraufwendungen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.5 EStG. Es führt aus, nach der übereinstimmenden Auffassung von Bundesfinanzhof (BFH) und Finanzverwaltung komme die Annahme einer doppelten Haushaltsführung bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht in Betracht. Auch zahlreiche FG hätten sich dafür ausgesprochen (Hinweis auf Urteile des FG Baden-Württemberg vom 23.Oktober 1980, EFG 1981, 174, des FG Düsseldorf vom 22.Juni 1981, EFG 1982, 185, und des Hessischen FG vom 24.April 1985, EFG 1985, 492).
Daß diese Auffassung zutreffend sei, lasse sich insbesondere daraus ableiten, daß das Gesetz die Heimfahrten als Familienheimfahrten bezeichne. Voraussetzung für die Anerkennung einer familiären Beziehung sei, daß es sich um eine Rechtsbeziehung handle, eine Ehe oder eine natürliche oder gesetzliche Verwandtschaft. Eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Lebensgemeinschaften sei dem Grundgesetz (GG) nicht zu entnehmen. Hierfür bestehe auch kein steuerrechtliches Bedürfnis.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er weist insbesondere darauf hin, daß der BFH bereits in seinem Urteil vom 17.Februar 1961 VI 32/60 (BFHE 72, 461, BStBl III 1961, 169) den Begriff des Angehörigen im Zusammenhang mit der doppelten Haushaltsführung weit ausgelegt habe, da er auch eine im Haushalt des Steuerpflichtigen lebende Haushälterin als Angehörige in diesem Sinne angesehen habe. Eine Lebensgefährtin des Arbeitnehmers müsse deshalb diese Voraussetzungen erst recht erfüllen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Wie der Senat in seinem Urteil vom 22.September 1988 VI R 53/85 (BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293) entschieden hat, setzt eine doppelte Haushaltsführung i.S. von § 9 Abs.1 Nr.5 EStG u.a. einen "Familienhausstand" voraus. Er hat dies zusammenfassend aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH zu § 9 Abs.1 Nr.5 EStG sowie aus dem Tatbestandsmerkmal der "Familienheimfahrt" gefolgert. Die auch hier von der Vorinstanz vertretene Auffassung, der Begriff der Familienheimfahrt diene im Gesetz nur zur Regelung des Umfangs der abziehbaren Aufwendungen, nicht aber zur Umschreibung des Begriffs der doppelten Haushaltsführung, hat der Senat ausdrücklich abgelehnt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil VI R 53/85 Bezug genommen.
Wie sich aus den Ausführungen im Urteil VI R 53/85 weiter ergibt, setzt ein Familienhausstand im vorbezeichneten Sinne eine eheliche oder eine sonstige enge familiäre Verbindung des Steuerpflichtigen mit der in seinem Haushalt lebenden Person voraus. Hieran fehlt es bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ebenso wie bei Verlobten.
Danach handelt es sich bei dem Haushalt des Klägers, in dem seine Lebensgefährtin lebt, nicht um einen Familienhausstand i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG. Auch der Umstand, daß zu dem Haushalt nicht nur die Lebensgefährtin, sondern auch deren Kind gehört, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn zwischen dem Kläger und dem Kind seiner Lebensgefährtin besteht keine verwandtschaftliche Beziehung. Daß der Senat bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit mindestens einem gemeinsamen Kind vom Vorliegen eines Familienhausstandes ausgeht (BFH-Urteil vom 25.März 1988 VI R 32/85, BFHE 152, 533, BStBl II 1988, 582), beruht darauf, daß in diesem Fall der Steuerpflichtige und das Kind verwandt sind (§ 1589 des Bürgerlichen Gesetzbuches).
2. Der Kläger kann die streitigen Aufwendungen auch nicht nach den Grundsätzen abziehen, nach denen die Rechtsprechung ledige Arbeitnehmer bei einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer in gewisser Hinsicht verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, gleichgestellt hat. Dabei kann offenbleiben, ob die betreffenden Voraussetzungen vorliegen. Denn hinsichtlich des Verpflegungsmehraufwands setzt die Abziehbarkeit einen entsprechenden Nachweis oder zumindest die Glaubhaftmachung der Mehraufwendungen voraus (BFH-Urteil vom 15.November 1982 VI R 102/79, BFHE 137, 167, BStBl II 1983, 177). Daran fehlt es hier.
3. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage wird abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 62316 |
BFH/NV 1989, 14 |
BStBl II 1989, 561 |
BFHE 155, 518 |
BFHE 1989, 518 |
BB 1989, 962-963 (LT1) |
DB 1989, 861-862 (LT) |
DStR 1989, 226 (KT) |
HFR 1989, 363 (LT) |