Leitsatz (amtlich)
Die Werbung für eine Ware, deren Vertrieb der Hersteller ausschließlich dem Unternehmer übertragen hat, ist auch dann keine "sonstige Leistung" des Unternehmers, wenn dem Hersteller ein Anspruch auf die Werbetätigkeit eingeräumt ist und der Hersteller seine Verkaufspreise unter Berücksichtigung des Werbeaufwands des Unternehmers bemessen hat.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1; UStDB 1951 § 10
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) schloß im Jahre 1952 mit der Firma M-GmbH einen Vertrag, durch den ihr das Alleinvertriebsrecht an der von dieser Firma hergestellten "W" eingeräumt wurde. In diesem Vertrag wurden außerdem u. a. die Ein- und Verkaufspreise festgelegt und die Höhe der von beiden Vertragspartnern zu leistenden Werbeaufwendungen vereinbart; danach mußte die Firma M-GmbH 20 v. H. der Brutto-Einnahmen aus den Lieferungen der "W" und die Steuerpflichtige 10 v. H. dieser Summe für Werbezwecke verwenden.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1955 änderten die Vertragspartner den Vertrag. Die Steuerpflichtige übernahm die Verpflichtung, in Zukunft die gesamten Werbeaufwendungen zu tragen. Die M-GmbH ermäßigte ihre Vertriebspreise um 20 v. H. Die Höhe des zu Werbezwecken aufzuwendenden Betrages wurde auf 37,5 v. H. des ermäßigten Einkaufspreises festgesetzt; dieser Satz entspricht dem Verhältnis von 30 v. H. aus den vorher gültigen Warenpreisen. Dementsprechend wickelten die Vertragspartner in der Folgezeit ihre Geschäfte miteinander ab; die Steuerpflichtige führte die Werbung durch ihre Werbeabteilung selbst aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah in der Übernahme der Werbetätigkeit durch die Steuerpflichtige eine sonstige Leistung und in der Ermäßigung des Einkaufspreises das Entgelt der Firma M-GmbH. Er unterwarf daher im Veranlagungszeitraum 1960 u. a. 2/3 der Gesamtaufwendungen für die Werbung der Umsatzsteuer.
Soweit Einspruch und Klage (Berufung) gegen diese Maßnahme gerichtet waren, sind sie erfolglos geblieben.
Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde (§§ 184 Abs. 2 Nr. 1, 115 ff. FGO) begehrt die Steuerpflichtige, das Urteil des FG im Umfang der Klageabweisung aufzuheben und die Umsatzsteuer um den auf die Werbeaufwendungen entfallenden Beitrag herabzusetzen. Zur Begründung führt sie aus, es liege kein steuerbarer Leistungsaustausch, sondern ein Preisnachlaß vor.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, die Steuerpflichtige habe Werbung im Rahmen eines Leistungsaustausches mit ihrer Lieferantin getrieben. Sie hat dabei zwar die bisherige Rechtsprechung - daß nämlich Werbezuschüsse dann als Entgelt für Werbeleistungen zu beurteilen sind, wenn sich derjenige, der Werbung treibt, dem Zuschußgeber gegenüber zur Werbung verpflichtet hat (Urteil des BFH V 144/62 U vom 5. August 1965, BFH 83, 362, BStBl III 1965, 630 mit weiteren Nachweisen) - berücksichtigt, ist aber gleichwohl dem wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhalts, wie er sich aus den Umständen des Falles ergibt, insbesondere der Bedeutung der Preisänderungen im Vertrag vom 1. Januar 1955, nicht gerecht geworden.
Richtig ist zwar, daß die Verpflichtung zur Werbung und deren Umfang vertraglich vereinbart sowie von der Steuerpflichtigen übernommen wurde und daß die Herabsetzung der Verkaufspreise mit der Übernahme in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Es sind aber dazu folgende Überlegungen von Bedeutung: Der Umfang des Verkaufs von "W" ist in besonders hohem Maße werbeabhängig. Ein bestimmter Werbeaufwand gehört regelmäßig zu den branchenüblichen, notwendigen Aufwendungen, um Waren dieser Art erfolgreich absetzen zu können. Da die Steuerpflichtige die alleinige Vertriebsfirma eines Artikels dieser Branche ist, kommt die gesamte von ihr betriebene Werbung unmittelbar ihr selbst zugute und bestimmt den Umfang ihrer Umsätze. Mittelbar wird allerdings die Lieferfirma ebenfalls von der gesamten Werbeleistung der Steuerpflichtigen begünstigt, weil höhere Umsätze der Steuerpflichtigen zu einem vermehrten Warenbezug bei der Herstellerfirma führen. Aus diesen Verhältnissen folgt aber nur, daß die Lieferfirma an der Werbung der Steuerpflichtigen Interesse gehabt und aus diesem Interesse die Kalkulation ihrer Einkaufspreise mit dem vermehrten Aufwand der Steuerpflichtigen für die Werbung in Einklang gebracht hat. Ein solches geschäftliches Verhalten zweier Vertragspartner kann steuerrechtlich auch nicht wegen des Umstandes als Leistungsaustausch beurteilt werden, daß die Steuerpflichtige der Herstellerin gegenüber zur Werbung verpflichtet war. Denn die Steuerpflichtige hat für dieses Anrecht kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts erhalten; insbesondere konnte sie die Minderung der ursprünglichen Einkaufspreise um 20 v. H. nicht "vereinnahmen", zumal da die Preisermäßigung beim Hersteller keinen eigenen "Aufwand" erforderlich gemacht hat, weil die Kalkulation der neuen Verkaufspreise auf dem Wegfall der eigenen Werbung des Herstellers beruht. Fehlt aber der Aufwand beim Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung, so ist nach § 10 Satz 1 UStDB 1951 auch kein "Entgelt" und damit keine Gegenleistung vorhanden.
Bei dem Vertrag vom 1. Januar 1955 haben die Vertragsparteien deshalb durch die Vereinbarung über die Werbung keinen Leistungsaustausch abgesprochen, sondern lediglich eine Neuverteilung ihrer Aufgaben zwecks Förderung ihres gemeinsamen geschäftlichen Ziels unter entsprechender Korrektur der Warenlieferungsbedingungen vorgenommen. Die Verpflichtung zur Werbung, die die Steuerpflichtige übernommen hat, ist dabei ein geschäftlich notwendiges Korrelat zur Einräumung des Alleinvertriebsrechts. Auch bei dieser Betrachtungsweise läßt sich aber kein Leistungsaustausch feststellen. Denn die Werbetätigkeit wurde durch die Einräumung des Alleinvertriebsrechts nicht wirtschaftlich und wertmäßig abgegolten; die Herstellerfirma hat sich vielmehr mit dem Anspruch auf die Werbung eine sinnvolle Handhabe gegen eine unzulängliche unternehmerische Aktivität der Steuerpflichtigen geschaffen und damit eine Minderung ihres Unternehmerwagnisses herbeigeführt, das sie mit der Ausschließlichkeit ihrer Absatzregelung eingegangen ist.
Die rechtliche Betrachtungsweise des FG und des FA kann diesen Erwägungen gegenüber keinen Bestand haben. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben, der Klage war in vollem Umfang stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
BStBl II 1969, 278 |
BFHE 1969, 464 |