Leitsatz (amtlich)
1. Zu den inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen, die der im Ausland ansässige Gesellschafter einer inländischen GmbH von dieser bezieht.
2. Zahlt eine Kapitalgesellschaft an eine Schwestergesellschaft zu laufenden Verlusten führende überhöhte Preise für die Lieferung von Waren, so können darin verdeckte Gewinnausschüttungen an die gemeinsame ausländische Muttergesellschft liegen, die bei dieser als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu besteuern sind.
Normenkette
KStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 S. 2; EStG §§ 20, 43-44, 49-50
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist eine ... handelsgesellschaft. Alleinige Gesellschafterin war im streitbefangenen Zeitraum die P-B in Brüssel. Im Gebiet der BRD bestanden als weitere Tochtergesellschaften der P-B die R-GmbH in M, eine Handelsgesellschaft, sowie die P-AG in D.
Bis Ende Oktober 1959 bezog die Klägerin die von ihr vertriebenen Erzeugnisse von der R-GmbH. am 1. November 1959 nahm die P-AG den ... betrieb auf. Von diesem Zeitpunkt an bezog die Klägerin insbesondere das von ihr vertriebene ... von der P-AG. Der Absatz des von der Klägerin vertriebenen ... gliederte sich in die Erlöse aus dem ... geschäft, aus dem Großverbrauchergeschäft und aus dem Händlergeschäft.
Bis zum 30. Oktober 1959 wurden die der Klägerin von der R-GmbH angesetzten Preise dadurch ermittelt, daß der Klägerin ein Rabatt von 0,19 DM pro Einheit auf die Verkaufspreise gewährt wurde. Für die Zeit vom 1. März 1959 bis 30. Oktober 1959 räumte die R-GmbH der Klägerin mit Rücksicht auf das von dieser betriebene, geringere Erlöse bringende Händlergeschäft einen weiteren Rabatt von 0,05 DM pro Einheit ein. Mit Wirkung vom 1. November 1959 - dem Zeitpunkt, in dem die P-AG die Belieferung der Klägerin übernahm - wurde die Preisberechnung vom Rabattsystem auf "Weltmarktparität" umgestellt. Dadurch erhöhte sich der Einstandspreis für die Klägerin. Sonderpreise wurden nicht mehr gewährt. Vom 12. März 1961 an wurde der von der Klägerin zu zahlende Einstandspreis herabgesetzt, und zwar getrennt für das im herkömmlichen Bereich abgesetzte ... und jenes, das im Händlergeschäft umgesetzt wurde.
Die Klägerin hat seit ihrem Bestehen keine Gewinne erwirtschaftet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ist der Ansicht, daß der Marktposition der Klägerin lediglich das ... - und Großverbrauchergeschäft entsprochen habe, nicht aber das Händlergeschäft. Dieses habe die Klägerin nicht in ihrem Interesse, sondern im Interesse des Gesamtkonzerns betrieben, in der Zeit vom 1. November 1959 bis zum 12. März 1961 speziell im Interesse des Absatzes des von der P-AG erzeugten ..., das bei ... und Großverbrauchern nicht habe abgesetzt werden können. Die Gestaltung der Einstandspreise in der Zeit vom 1. November 1959 bis zum 12. März 1961 berücksichtige nicht das Marktrisiko, das die Klägerin dadurch getragen habe, daß sie das ihr nicht wesensgemäß und dazu verlustbringende Händlergeschäft im Interesse des Absatzes der von der P-AG erzeugten, aber zu kostendeckenden Preisen nicht absetzbaren ... mengen betrieben habe. Die Belastung der Klägerin mit dem Marktrisiko des Händlergeschäfts sei eine einseitige Maßnahme der P-B gewesen, um im Bereich der P-AG entstandene Verluste auf die Klägerin zu verlagern. In der unentgeltlichen Übernahme eines Risikos, das eigentlich die Schwestergesellschaft zu tragen gehabt hätte, liege eine Vorteilsgewährung gegenüber der Schwestergesellschaft und damit mittelbar gegenüber der gemeinsamen Muttergesellschaft. Diese Vorteilsgewährung sei eine verdeckte Gewinnausschüttung an die P-B, welche das FA für die Zeit vom 1. November 1959 bis zum 11. März 1961 mit ... DM bewertete. Mit Haftungsbescheid nahm das FA die Klägerin für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer unter Anwendung eines Steuersatzes von 25 v. H. ... DM in Anspruch.
Einspruch und Berufung (Klage) der Klägerin hatten keinen Erfolg. Das FG führte in seiner in den EFG 1970, 300, abgedruckten Entscheidung aus:
Es könne dahingestellt bleiben, ob für die Bemessung der Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung von der Annahme eines um 0,05 DM pro Einheit überhöhten Einkaufspreises für das im Händlergeschäft abgesetzte ... - so das FA - ausgegangen werden könne. Der angesetzte Betrag sei jedenfalls nicht überhöht. Die bei der Klägerin entstandenen und laufend entstehenden Verluste seien der Sache nach verdeckte Gewinnausschüttungen. Denn die Klägerin sei in ihren Entscheidungen abhängig und verfolge nicht ihre eigenen Interessen als Handelsgesellschaft; vielmehr sei sie faktisch eine Betriebsabteilung der Muttergesellschaft. Das Marktverhalten der Klägerin auf der Einkaufs- wie auf der Verkaufsseite sei von der Muttergesellschaft bestimmt worden. Unter solchen Umständen spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Verluste im Interesse der Muttergesellschaft in Kauf genommen worden seien.
Das FA habe die streitigen verdeckten Gewinnausschüttungen aber auch unabhängig davon aufgrund jener Bedingungen zu Recht angesetzt, unter denen die Klägerin das Händlergeschäft habe betreiben müssen. Zumindest die Differenz zwischen einem kaufmännisch angemessenen und dem der Klägerin tatsächlich abverlangten höheren Einstandspreis sei ein Vorteil, welcher der P-B über die P-AG ausschließlich aufgrund ihrer Gesellschafterstellung zugeflossen sei. Nach der Lebenserfahrung sei an Geschäften, die dem einen Partner Verluste, dem anderen aber Vorteile brächten, nur der letztere interessiert. Die Vorteile aus dem Händlergeschäft der Klägerin habe die P-AG gezogen, weil sie ihre Überschußproduktion nicht habe zu den Preisen abzusetzen brauchen, welche die Klägerin im Händlergeschäft erzielt habe, sondern an die Klägerin zu Preisen habe liefern können, die der höheren Weltmarktparität entsprochen hätten. Ein glaubhaftes eigenes Interesse am Händlergeschäft habe die Klägerin nicht darlegen können.
Der vom FA angesetzte Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung könne nicht beanstandet werden, weil die der Klägerin durch das Händlergeschäft erwachsenen finanziellen Einbußen jedenfalls größer gewesen seien als der vom FA als verdeckte Gewinnausschüttung errechnete Betrag: Beidem im streitigen Zeitraum im Händlergeschäft umgesetzten ... habe der Rohverlust (Differenz zwischen Einstandspreisen und Erlösen) ... DM betragen. Darüber hinaus hätte der Klägerin ein angemessener Rohgewinnaufschlag zur Bestreitung ihrer sonstigen Unkosten und als Gewinn verbleiben müssen, der - bei Annahme eines Rohgewinns von rd. 1,5 Pf pro Einheit - jedenfalls mit nicht weniger als insgesamt ... DM anzunehmen sei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG, unzutreffende Würdigung des Sachverhalts durch das FG und Verletzung des Sachaufklärungspflicht, da das FG nicht ermittelt habe, ob die Verluste der Klägerin auf verdeckte Gewinnausschüttungen zurückzuführen seien.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Kapitalertragsteuerhaftungsbescheid aufzuheben.
Das beklagte FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die P-B ist eine Körperschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat. Sie ist daher nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KStG mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Was inländische Einkünfte sind, beurteilt sich nach § 6 KStG, § 49 EStG. Im Streitfall scheidet der nach § 16 KStDV geltende Grundsatz, daß sämtliche Einkünfte einer Kapitalgesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind, im Hinblick auf die isolierende Betrachtungsweise aus (Urteil des BFH vom 4. März 1970 I R 140/66, BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 428). Dagegen gehören zu den inländischen Einkünften Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn der Schuldner - wie hier die Klägerin - seine Geschäftsleitung im Inland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG).
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören u. a. Gewinnanteile und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Den Einkünften aus Kapitalvermögen sind auch verdeckte Gewinnausschüttungen zuzurechnen. Sie sind "besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in § 20 Abs. 1 bezeichneten Einkünften oder an deren Stelle gewährt werden" (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Zwar wird in § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht aber auf § 20 Abs. 2 EStG Bezug genommen. Das bedeutet indes nicht, daß verdeckte Gewinnausschüttungen durch § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht erfaßt werden. Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG setzt die besonderen Entgelte oder Vorteile, die neben den Gewinnanteilen und sonstigen Bezügen oder an deren Stelle gewährt werden, diesen gleich. Es wäre kein Grund ersichtlich, weshalb zwar die Gewinnanteile und sonstigen Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung den inländischen Einkünften zugerechnet werden sollten, die ihnen gleichgestellten besonderen Entgelte oder Vorteile (verdeckte Gewinnausschüttungen) jedoch nicht. Andernfalls könnte die inländische Steuerpflicht allein dadurch umgangen werden, daß Gewinne nicht offen, sondern verdeckt ausgeschüttet würden. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG regelt keinen selbständigen Besteuerungstatbestand. Die Vorschrift soll vielmehr nur klarstellen daß es auf die Bezeichnung der Erträge nicht entscheidend ankommt, und daher auch in eine verschleierte Form gekleidete Erträge steuerpflichtig sind (vgl. Gutachten des RFH vom 14. Dezember 1920 I D 4/20, RFHE 4, 222 [228] zu der gleichlautenden Vorschrift des § 2 Abs. 2 des Kapitalertragsteuergesetzes vom 29. März 1920, RGBl S. 345).
2. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 27. Januar 1972 I R 28/69, BFHE 104, 353, BStBl II 1972, 320).
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch dann in Betracht kommen, wenn die Zuwendung nicht unmittelbar an den Gesellschafter, sondern an eine ihm nahestehende Person bewirkt wird (BFH-Urteil I R 28/69). Nahestehende Person kann auch eine Kapitalgesellschaft sein (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1967 I 98/65, BFHE 91, 239, BStBl II 1968, 322). Darauf beruht die Möglichkeit, durch Leistungen zwischen Schwestergesellschaften in verdeckter Form an die gemeinsame Muttergesellschaft Gewinne auszuschütten (BFH-Urteil vom 3. Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408). Was der Senat im Urteil I R 51/66 für den Fall ausgeführt hat, daß eine Schwestergesellschaft von der anderen zu unangemessen niedrigen Preisen Leistungen bezieht (vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Oktober 1968 I 228/65, BFHE 94, 373, BStBl II 1969, 243), muß auch umgekehrt dann gelten, wenn der Schwestergesellschaft für den Bezug von Waren überhöhte Preise gezahlt werden. In Fortführung der in der Urteilen I 228/65 und I R 51/66 dargestellten Grundsätze muß dieser Sachverhalt so gesehen werden, daß der überhöhte Preis lediglich im abgekürzten Zahlungsweg an die Schwestergesellschaft entrichtet, wirtschaftlich jedoch an die Muttergesellschaft gezahlt und von dieser in Form einer verdeckten Einlage an die durch Erhöhung ihres Aktivvermögens begünstigte Tochtergesellschaft weitergeleitet worden ist. Diese Betrachtungsweise muß zu der Annahme führen, daß der Muttergesellschaft in Form des überhöhten Preises geldwerte Vorteile im Sinne der §§ 8, 20 EStG zugeflossen sind. Dieser zufluß in Form verdeckter Gewinnausschüttungen bei der Muttergesellschaft kann nicht mit der Gewährung der verdeckten Einlage, die sich bei der begünstigten Tochtergesellschaft gewinneutral auswirkt, verrechnet werden. Denn mit dem Empfang des überhöhten Kaufpreises hat die Muttergesellschaft Einkünfte erzielt, wogegen die Gewährung der verdeckten Einlage dem Vermögensbereich der Muttergesellschaft zuzurechnen ist.
a) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Auffasung des FG gefolgt werden kann, die Verluste der Klägerin seien "der Sache nach" verdeckte Gewinnausschüttungen. Es bedarf daher auch nicht der Auseinandersetzung mit den Einwänden, die die Klägerin gegen diesen Teil der Urteilsbegründung des FG vorgetragen hat. Jedenfalls ist dem FG im Ergebnis darin zuzustimmen, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung in der vom FA errechneten Höhe aufgrund der Bedingungen angenommen werden kann, unter denen die Klägerin das Händlergeschäft mit ... betrieben hat.
Die Klägerin hatte innerhalb des Konzerns Produkte der P-AG zu vertreiben. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin gezwungen war, den Umfang ihrer Verkaufstätigkeit nach der Kapazität der P-AG auszurichten oder ob diese sich noch mit Erfolg um andere Großkunden bemüht hat. Ergeben sich im Rahmen eines Konzerns bei einer Vertriebsgesellschaft laufend Verluste, so sind die Vertragsbedingungen und die Verrechnungspreise daraufhin zu untersuchen, ob sie den zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen der gleichen Branche vereinbarten entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 1967 I 220/64, BFHE 88, 545, BStBl III 1967, 495). Das trifft bereits aufgrund der vom FG ohne Rechtsverstoß festgestellten Tatsachen im Streitfall nicht zu. Daß das Händlergeschäft für die Klägerin ein Verlustgeschäft war, ergibt sich aus den eigenen, in der Vorentscheidung wiedergegebenen Ausführungen der Klägerin, im Händlergeschäft wäre selbst bei den vom FA als angemessen angesehenen Einstandspreisen Gewinn nicht zu erzielen gewesen. Das FG hat hierzu überzeugend ausgeführt, daß für die Händler die Belieferung durch die Klägerin nur unter der Voraussetzung interessant gewesen sei, daß ihnen eine eigene Handelsspanne verblieb. Die Klägerin hätte unter diesen Umständen mit Gewinnen aus dem Händlergeschäft nur rechnen können, wenn sie das in diesem Rahmen abzusetzende ... zu Einstandspreisen erworben hätte, die wesentlich unter den gezahlten Preisen lagen. Daß die Klägerin gleichwohl an die P-AG Weltmarktpreise gezahlt hat, durfte das FG ohne Rechtsirrtum auf die Konzernbindung der Klägerin zurückführen. Es ist davon auszugehen, daß Verträge zwischen Kaufleuten so gestaltet sind, daß der eine Vertragspartner über eine längere Zeit hinaus nicht leer ausgeht (BFH-Urteil I 220/64). Danach ist die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Kaufverträge mit der P-AG nicht zu den für die Klägerin ungünstigen Bedingungen abgeschlossen hätte, zumal - wie das FG ohne Rüge festgestellt hat - die Klägerin nach den schon für den streitigen Zeitraum bestehenden vertraglichen Vereinbarungen nur verpflichtet gewesen ist, ihren Bedarf an bestimmten Erzeugnissen bei der P-AG zu decken. Daß unter fremden Dritten bei vergleichbaren Verhältnissen gleichwohl derart ungünstige Bedingungen vereinbart worden wären, brauchte das FG um so weniger anzunehmen, als die Klägerin über Jahre hinweg erhebliche Verluste erlitten hat. Das FG konnte danach davon ausgehen, daß in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem tatsächlich gezahlten und dem kaufmännisch angemessenen Einstandspreis eine verdeckte Gewinnausschüttung an die P-B anzunehmen sei. Das FG war auch nicht verpflichtet, dem Vortrag der Klägerin näher nachzugehen, daß auch ein weiteres Unternehmen bei der P-AG ... zu den gleichen Preisen wie die Klägerin selbst abgenommen habe. Selbst wenn dies zutreffen sollte, so besagt dies nichts für die Beurteilung des Streitfalles, weil nicht dargetan ist, daß die Verhältnisse dieses Unternehmens, soweit sie für die Willensbildung eines ordentlichen Geschäftsleiters Bedeutung erlangen, mit denen der Klägerin vergleichbar sind.
b) Auch die Ausführungen des FG über die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttungen ergeben keine Beanstandung. Die Vorinstanz hat für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß bei dem im streitbefangenen Zeitraum im Händlergeschäft umgesetzten ... der Rohverlust (Unterschiedsbetrag zwischen Einkaufspreisen und Erlösen) bereits ... DM betragen habe. Es entspricht den Gepflogenheiten des Wirtschaftslebens, wenn die Vorinstanz bei der Errechnung des kaufmännisch angemessenen Einstandspreises eine angemessene Rohgewinnspanne berücksichtigt hat. Wenn das FG diese mit 1,5 Pf pro Einheit angenommen hat, so durfte es dabei die ab 12. März 1961 vereinbarten ermäßigten Einstandspreise zum Vergleich heranziehen, die der Klägerin einen Rohgewinn ermöglichten, der den Betrag von 1,5 Pf pro Einheit jeweils überschritten hat. Die Bewertung der verdeckten Gewinnausschüttung durch das FG ist somit möglich; daß sie sich als zwingend erweist, ist nicht erforderlich.
c) Das FG hat sich mit seiner Entscheidung auch - entgegen der Ansicht der Klägerin - im Rahmen des ihm gegebenen Prüfungsspielraums gehalten. Weder hat das FG den im Haftungsbescheid festgesetzten Steuerbetrag erhöht noch ist es über das Begehren der Klägerin hinausgegangen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Innerhalb der ihm durch die Bindung an das Klagebegehren und das Verbot der Verböserung gesetzten Grenzen war das FG berechtigt und sogar verpflichtet, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts in vollem Umfang zu überprüfen (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 Gr. S. 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344).
3. Den übrigen Einwendungen der Klägerin gegen die Vorentscheidung vermag der Senat gleichfalls nicht zu folgen.
a) Abzulehnen ist die von der Klägerin vertretene Ansicht, eine verdeckte Gewinnausschüttung müsse im Streitfall schon deshalb ausscheiden, weil es der P-B nicht zum Nachteil gereichen dürfe, daß sie in der BRD anders als andere internationale ... gesellschaften mit zwei Tochtergesellschaften, nicht dagegen nur mit einer Tochtergesellschaft vertreten sei. Das geltende Recht kennt keinen Rechtssatz des Inhalts, daß es - abweichend von den die Besteuerungstatbestände im einzelnen regelnden Vorschriften - verboten sei, einen Vorgang dann zu besteuern, wenn dies wegen der besonders organisierten Struktur eines Konzerns zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen, anders aufgebauten Gesellschaften führt. Auch der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verbietet nur, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln (Urteil des BVerfG vom 23. Oktober 1951 2 BvG 1/52, BVerfGE 1, 14 [52]). Dieser Grundsatz ist im Streitfall nicht verletzt; denn andere Gesellschaften würden bei vergleichbaren Verhältnissen steuerlich nicht anders behandelt als die P-B und die Klägerin.
b) Der Einwand der Klägerin, eine verdeckte Gewinnausschüttung scheide schon deshalb aus, weil es sich bei den Zuwendungen der Klägerin an die P-B im Hinblick auf die bei der Klägerin laufend eingetretenen Verluste um Kapitalrückzahlungen an die Muttergesellschaft und somit nicht um Kapitalerträge im Sinne der §§ 43 Abs. 1 Nr. 1 und 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG handle, geht ebenfalls fehl.
Der BFH hat im Anschluß an die Rechtsprechung des RFH Kapitalrückzahlungen dann erkannt, wenn die Zahlungen von der Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter aufgrund einer formellen, im Interesse der Kapitalgesellschaft liegenden Kapitalherabsetzung geleistet wurden (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1959 I 220/58, StRK, Körperschaftsteuergesetz, § 17 Abs. 1 Nr. 1, Rechtsspruch 13; vom 9. August 1963 VI 72/60, BFHE 77, 366, BStBl III 1963, 454; vom 1. Dezember 1967 VI 379/65, BFHE 90, 485, BStBl II 1968, 145). Der Senat sieht keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzugehen. Zwar kann in der Schmälerung des Stammkapitals (und nur in dieser) eine - gemäß § 30 GmbHG verbotene - verdeckte Kapitalrückzahlung liegen. Dieser Vorgang würde indes nach § 31 GmbHG einen entsprechenden, die Kapitalrückzahlung ausgleichenden Erstattungsanspruch der Gesellschaft auslösen. Im übrigen ist im Streitfall nichts dafür dargetan, daß das der Deckung des Stammkapitals dienende Vermögen geschmälert worden wäre.
c) Auch der Umstand, daß eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter laufend Vorteile zuwendet und dadurch der Anteil des Gesellschafters an der Kapitalgesellschaft laufend entwertet wird, steht der Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen nicht entgegen. Die gegenteilige Auffassung hätte zur Folge, daß Leistungen der GmbH an ihre Gesellschafter um so weniger als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen wären, je nachhaltiger sie getätigt würden. Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar ist es richtig, daß Gewinnausschüttungen - auch wenn sie in verdeckter Form geschehen - den Wert der Beteiligung mindern können. Bei Beteiligungen, die zum Betriebsvermögen eines Gewerbetreibenden gehören, mag sich daraus eine Abschreibung der Beteiligung auf den Teilwert rechtfertigen (vgl. zur Frage der Abschreibung einer Beteiligung auf den Teilwert infolge von Ausschüttungen BFH-Urteil vom 17. September 1969 I 189/65, BFHE 97, 251, BStBl II 1970, 107). Der Vermögensvorteil, der dem Gesellschafter in Form verdeckter Gewinnausschüttungen zufließt, darf indes nicht mit dem Vermögensnachteil verrechnet werden, den seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft möglicherweise erleidet. Das gilt um so mehr, wenn man - wie die Klägerin - zwischen Kapitalstamm und Kapitalertrag scharf unterscheidet.
d) Schließlich kann der Senat den Ausführungen der Klägerin auch insoweit nicht folgen, als sie den der P-B gewährten Vorteilen die von dieser übernommenen Kapitalerhöhungen der Klägerin verrechnend gegenüberstellen will. Der Senat braucht im Streiftall nicht abschließend zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Vorteile auch ohne vertragliche Abmachung dann mit Nachteilen ausgeglichen werden dürfen, wenn die Vor- und Nachteile des Gesellschafters sich aus Rechtsgeschäften ergeben, die so eng zusammenhängen, daß sie wirtschaftlich als ein einheitliches Geschäft anzusehen sind (vgl. Döllerer, BB 1967, 1437 [1444]. Im Streitfall handelt es sich bei den von der Klägerin an die P-B gewährten Vorteilen einerseits und den Kapitalerhöhungen der P-B bei der Klägerin andererseits nicht um eng verbundene Rechtsgeschäfte dieser Art. Fehlt es an diesem engen Zusammenhang, verbleibt es bei den in den Urteilen vom 22. April 1964 I 62/61 U (BFHE 79, 382, BStBl III 1964, 370) und vom 4. Mai 1965 I 136/62 U (BFHE 83, 273, BStBl III 1965, 598) ausgesprochenen Grundsätzen. Danach können Vorteile, die dem Gesellschafter nur mit Rücksicht auf die Gesellschaftereigenschaft gewährt werden, durch Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft nur aufgewogen werden, wenn - außer einem zeitlichen Zusammenhang der Leistungen - die Beteiligten eindeutige Abmachungen getroffen haben, die die gewährten Vorteile als Gegenleistungen für Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft erkennbar machen. Daß solche Abmachungen im Streitfall vorliegen, wird von der Klägerin selbst nicht geltend gemacht. Im übrigen läßt es der Senat ausdrücklich offen, ob Kapitalerhöhungen überhaupt geeignet sind, Vorteile der im Streitfall gewährten Art auszugleichen.
4. Die Kapitalertragsteuer wird gemäß § 6 KStG, § 43 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben. Das Recht zum Steuerabzug wird durch die Bestimmungen des DBA-Belgien vom 11. April 1967 (BGBl II 1969, 18, BStBl I 1969, 39) nicht berührt (vgl. Art. 10 DBA-Belgien). Bei in verdeckter Form ausgeschütteten Gewinnen, wie sie im Streitfall vorliegen, ist der Schuldner nur dann haftbar zu machen, wenn beachtliche Gründe dafür angeführt werden können, warum die Steuerpflicht der Einkünfte nicht ausschließlich im Veranlagungsverfahren des Gesellschafters erörtert und geklärt werden soll (BFH-Urteil vom 28. November 1961 I 40/60 S, BFHE 74, 281, BStBl III 1962, 107). Solche Gründe liegen hier vor, da der Gläubiger beschränkt steuerpflichtig ist und die Körperschaftsteuerpflicht in diesem Falle als durch den Steuerabzug abgegolten gilt (§ 6 KStG, § 50 Abs. 4 EStG).
Fundstellen
Haufe-Index 70399 |
BStBl II 1973, 449 |
BFHE 1973, 175 |