Leitsatz (amtlich)
Wird in einer gerichtlichen Entscheidung der Rückerstattungsverpflichtete zur Herausgabe des Grundstückes und zur Zahlung einer Geldsumme verurteilt, diese Entscheidung aber nur wegen der Geldabrechnung angefochten, so wird mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist des Rückerstattungsverpflichteten die Anordnung der Rückerstattung des Grundstückes rechtskräftig. Von diesem Zeitpunkt ab sind Leistungen auf die HGA beim Rückerstattungsberechtigten zu erheben.
Normenkette
15-AbgabenDV-LA 4; REAO Art. 79 Abs. 1, Art. 61 Abs. 2, Art. 62/2
Tatbestand
In einem vom Bg. wegen der Rückerstattung eines in Berlin (West) belegenen Grundstückes angestrengten Verfahren erging im März 1952 ein Beschluß der Wiedergutmachungskammer des Landgerichtes, in dem der Rückerstattungsverpflichtete verurteilt wurde, dem Bg. das Grundstück zurückzuerstatten, und ihm einen Geldbetrag zu zahlen. Der Beschluß wurde dem Bg. am 6. Mai 1952 und dem Verpflichteten am 5. Mai 1952 zugestellt. Sowohl der Bg. wie der Verpflichtete legten gegen den Beschluß sofortige Beschwerde ein. Beide Parteien wandten sich nur gegen den im Beschlusse festgelegten geldlichen Ausgleich. Mit Beschluß vom Juni 1953 hob das Kammergericht den angefochtenen Beschluß bezüglich des Geldausgleiches teilweise auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Das Kammergericht führt unter anderem aus, der Verpflichtete greife mit seiner Beschwerde die Anordnung der Rückerstattung nicht an; es bedürfe deshalb insoweit keiner Ausführungen, da eine Entscheidung über den Beschwerdeantrag hinaus ausgeschlossen sei. Einen Antrag des Verpflichteten, die Entscheidung des Kammergerichts über den geldlichen Ausgleich zu überprüfen, wies das Oberste Rückerstattungsgericht mit Beschluß vom Juli 1955 zurück. Im Mai 1956 schlossen die Parteien schließlich vor der Wiedergutmachungskammer des Landgerichtes Berlin einen Vergleich, in dem sie sich über die anläßlich der Rückerstattung des Grundstückes zu erbringenden Geldleistungen einigten.
Auf dem Rückerstattungsgrundstücke ruhten am 24. Juni 1948 Grundpfandrechte, die nach dem insoweit nicht angegriffenen Beschluß der Wiedergutmachungskammer bei der Rückerstattung bestehen blieben. Das Finanzamt zog daher den Bg. mit den Schuldnergewinnen aus der Umstellung der diesen Grundpfandrechten zugrunde liegenden Verbindlichkeiten zur Hypothekengewinnabgabe heran. Den Beginn der Leistungspflicht nach § 4 Abs. 1 der Fünfzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (15. AbgabenDV-LA) setzte es im Einspruchsbescheide auf den 7. Mai 1952 fest. Zur Begründung bezog es sich auf Tz. 14 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 26. Juli 1958 betreffend die Behandlung der Rückerstattungsfälle auf Grund der 15. AbgabenDV-LA (BStBl 1958 I S. 481), wonach bei gerichtlichen Rückerstattungsentscheidungen die Entziehung des Grundstückes mit der Verkündung der ersten Entscheidung über das Eigentum beendet sei, die nach dem Gesamtergebnis des Rückerstattungsverfahrens sachlich aufrechterhalten bleibe.
Das Verwaltungsgericht änderte die Einspruchsentscheidung ab. Die Leistungen auf die Hypothekengewinnabgabe seien erst ab 1. August 1955 zu erheben. Es komme auf die rechtskräftige Beendigung des Rückerstattungsverfahrens an. Diese sei mit der Zustellung des Beschlusses des Obersten Rückerstattungsgerichtes vom Juli 1955 an den Bg. am 28. Juli 1955 eingetreten.
Mit der Rb. begehrt der Vorsteher des Finanzamts, den Beginn der Leistungspflicht entsprechend der Einspruchsentscheidung auf den 7. Mai 1952 festzusetzen. In diesem Zeitpunkt sei der Beschluß der Wiedergutmachungskammer wirksam geworden und die Entziehungsperiode beendet gewesen. Spätestens aber habe die Entziehungsperiode am 27. Juni 1952 geendet; denn in diesem Zeitpunkte sei das Grundstück durch den Treuhänder für Rückerstattungsvermögen aus der Vermögensaufsicht entlassen und an den Rückerstattungsberechtigten übergeben worden.
Der Bg. legte Anschlußbeschwerde mit der Begründung ein, die Entziehungsperiode sei erst mit der endgültigen Erledigung des Rückerstattungsverfahrens, nämlich mit dem Abschluß des Vergleiches vom Mai 1956, beendet gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Nach Art. 79 Abs. 1 Satz 2 der Rückerstattungsanordnung für das Land Berlin (REAO) können gegen einen Rückerstattungsberechtigten Ansprüche auf öffentliche Abgaben für die Zeit, in der ihm Vermögensgegenstände zu Unrecht entzogen waren, nicht geltend gemacht werden. In ähnlicher Weise wurde in einem Schreiben der Alliierten Kommandantur Berlin an den Oberbürgermeister von Berlin - BK/Lettre (50) 175 - vom 14. Dezember 1950 (Verordnungsblatt für Berlin 1951 II S. 220) angeordnet, daß alle Steuerverfahren, die sich auf Vermögenswerte beziehen, die der Rückerstattung unterliegen, erst dann durchgeführt werden dürfen, wenn ein endgültiger Zuspruch des Vermögensgegenstandes erfolgt, oder wenn der Rückerstattungsanspruch durch Verzicht oder Verjährung erloschen ist.
Für die Hypothekengewinnabgabe ist demgemäß auf Grund der Ermächtigung des § 137 LAG in § 4 Abs. 1 der 15. AbgabenDV-LA angeordnet, daß, wenn ein Rückerstattungsgrundstück auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung oder einer nach den Rückerstattungsgesetzen wirksamen Vereinbarung in das Eigentum des Rückerstattungsberechtigten gelangt, Leistungen auf die der Abgabepflicht unterliegenden Schuldnergewinne für die Zeit, in der das Rückerstattungsgrundstück entzogen war, gegen den Berechtigten nicht geltend gemacht werden. Wenn die Rückerstattung des Grundstückes gerichtlich angeordnet wurde, sind nach der auch für diesen Fall maßgebenden Rechtsprechung des erkennenden Senates Leistungen auf die Hypothekengewinnabgabe erst für die Zeit nach Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bei dem Rückerstattungsberechtigten zu erheben (vgl. Urteil III 53/60 U vom 27. Oktober 1961, BStBl 1962 III S. 12, Slg. Bd. 74 S. 31).
Dies bedeutet nicht, daß die Entziehungsperiode erst mit der Zustellung des Beschlusses des Obersten Rückerstattungsgerichtes als beendet anzusehen ist, wie das Verwaltungsgericht annimmt, oder mit dem Abschluß des Vergleiches vor der Wiedergutmachungskammer, wie der Bg. begehrt. Im vorliegenden Falle war nicht, wie im Falle des genannten Urteiles des Bundesfinanzhofs, das Eigentum an dem Rückerstattungsgrundstücke während des gesamten Rückerstattungsverfahrens streitbefangen, sondern es war nach der Entscheidung der Wiedergutmachungskammer sachlich außer Streit. Das Verfahren blieb nur wegen der Ansprüche auf Geldleistungen anhängig. Der Beschluß der Wiedergutmachungskammer wurde daher hinsichtlich der Anordnung der Rückerstattung des Grundstückes mit dem Ablauf der dem Verpflichteten zustehenden Beschwerdefrist insoweit rechtskräftig.
Der Begriff der teilweisen Rechtskraft ist zwar dem ordentlichen bürgerlichen Rechtsstreite im allgemeinen fremd. Auf das Rückerstattungsverfahren finden aber, soweit in den Rückerstattungsgesetzen nichts anderes bestimmt ist, nicht die Vorschriften der Zivilprozeßordnung, sondern die Vorschriften über das Verfahren in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend Anwendung (Art. 61 Abs. 2 REAO). Im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist im Gegensatz zur Zivilprozeßordnung eine die Teilrechtskraft im allgemeinen ausschließende Regelung nicht enthalten. Dementsprechend wird für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Möglichkeit des Eintrittes der teilweisen Rechtskraft bejaht, wenn eine Entscheidung nicht in vollem Umfange, sondern nur teilweise angefochten wird (vgl. Keidel, Kommentar zum Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 7. Aufl., Anm. 2 zu § 21 und Anm. 1 zu § 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, vor allem für das Rückerstattungsverfahren die Urteile des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. April 1954, Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1954 S. 245, und des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. September 1954, Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1954 S. 356).
Voraussetzung für den Eintritt der teilweisen Rechtskraft ist allerdings, daß die nicht angegriffenen Teile des Beschlusses einen selbständigen Verfahrensgegenstand regeln, über den auch durch Teilbeschluß im Sinne des Art. 61 Abs. 2 Buchst. c REAO entschieden werden könnte. Dies ist bei der Rückerstattungsanordnung der Fall. Die Rückerstattungsanordnung ist mit den übrigen Punkten des Rückerstattungsbeschlusses, wie z. B. der Entscheidung über Geldansprüche, nicht in der Weise unlösbar verbunden, daß ihretwegen nicht Teilrechtskraft eintreten könnte (vgl. Urteile des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. April 1954 und des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. September 1954 a. a. O.). Vielmehr handelt es sich hierbei um mehrere selbständige Anordnungen, die nur zusammengefaßt, im übrigen aber auch selbständig der Rechtskraft fähig sind. Das Kammergericht hat entsprechend diesen Grundsätzen den Beschluß der Wiedergutmachungskammer hinsichtlich der Rückerstattungsanordnung selbst auch nicht mehr überprüft.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Einspruchsentscheidung sind daher aufzuheben. Der Hypothekengewinnabgabebescheid ist dahin abzuändern, daß der Beginn der Leistungspflicht auf den 6. August 1952 festgesetzt wird. Nach dem Beschluß der Wiedergutmachungskammer hatte auch der Verpflichtete seinen Wohnsitz im Auslande. Ihm stand daher für seine Beschwerde, bzw. für die Ausdehnung seiner Beschwerde auf die Rückerstattungsanordnung eine Frist von drei Monaten zu, die mit dem die Zustellung des Beschlusses (5. Mai 1952) folgenden Tage begann (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 1 REAO). Mit dem Ablauf seiner Beschwerdefrist am 5. August 1952 wurde der Beschluß der Wiedergutmachungskammer hinsichtlich der Rückerstattungsanordnung rechtskräftig. In diesem Zeitpunkte endete auch die Entziehungsperiode.
Die Anschlußbeschwerde des Bg. ist als unzulässig zu verwerfen. Einer Rb. können nach § 293 Satz 1 AO die Beschwerdeberechtigten sich nur bis zum Ablauf der ihnen nach § 292 AO zur Erklärung auf die Rb. gesetzten Frist anschließen. Das Verwaltungsgericht hatte dem Vertreter des Bg. zur Erklärung auf die ihm am 26. Juli 1960 zugesandte Rb. eine Frist von vier Wochen bestimmt. Die mit Schriftsatz vom 14. März 1962, eingegangen am 16. März 1962, eingelegte Anschlußbeschwerde ist daher verspätet.
Als Streitwert war der Gesamtbetrag der in den strittigen Zeitraum der Entziehungsperiode fallenden Hypothekengewinnabgabe-Leistungen anzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 410789 |
BStBl III 1963, 336 |
BFHE 1964, 52 |
BFHE 77, 52 |