Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung von sechs Eigentumswohnungen durch eine Erbengemeinschaft als gewerbliche Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Werden von einer Erbengemeinschaft sechs Eigentumswohnungen alsbald nach ihrer Errichtung veräußert, liegt eine gewerbliche Tätigkeit auch vor, wenn der Veräußerungserlös der Finanzierung je einer Eigentumswohnung eines jeden Miterben in demselben Objekt dient.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStDV § 1; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) bildeten bis zur Auseinandersetzung am 11.November 1980 eine Erbengemeinschaft. Im Rahmen der Erbengemeinschaft betrieben sie bis zum 31.März 1977 auf dem geerbten Grundstück A-Straße in B ein Fremdenheim. Im Anschluß an die Aufgabe des Fremdenheims und die Überführung des Grundstücks in das Privatvermögen wurden die aufstehenden Gebäude mit Ausnahme eines im Jahre 1960 errichteten Gebäudeteils abgebrochen und im März 1978 mit dem Bau eines Hauses mit 12 Wohnungen und 14 Tiefgaragenstellplätzen begonnen. Der nicht abgebrochene Gebäudeteil, in dem sich eine weitere Wohnung befindet, wurde in den Neubau einbezogen. Mit notariellem Vertrag vom 11.Juli 1978 wurde das Grundstück in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. Schon während der Errichtung des Neubaues wurden sechs Eigentumswohnungen und fünf Tiefgaragenstellplätze verkauft. Die restlichen Wohnungen und Stellplätze wurden im Zuge der Erbauseinandersetzung, teilweise mit Zuzahlungen, unter den Klägern aufgeteilt, die sie, mit Ausnahme der Klägerin zu 1, im Streitjahr zu eigenen Wohnzwecken nutzten.
Bei der für das Streitjahr durchgeführten betriebsnahen Veranlagung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, hinsichtlich der Errichtung und des Verkaufs der Eigentumswohnungen mit Stellplätzen liege gewerblicher Grundstückshandel vor. Es wurden ein Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr in Höhe von 864 571 DM ermittelt und entsprechende Bescheide (Feststellungsbescheid vom 17.März 1982 und Gewerbesteuermeßbescheid vom 26.Mai 1982) erlassen. Auf den Einspruch hin stellte das FA in der Einspruchsentscheidung vom 30.August 1983 den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 748 806 DM fest und setzte den Gewerbesteuermeßbetrag auf 36 175 DM herab.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Gewinnfeststellungsbescheid und den Gewerbesteuermeßbescheid auf. Das FG war der Auffassung, eine gewerbliche Tätigkeit liege nicht vor, da die Kläger sich noch im Rahmen privater Vermögensverwaltung bewegt hätten.
Dagegen richtet sich die vom Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 2 Abs.1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) gerügt wird.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).
I.
1. Die Kläger haben zunächst den Betrieb des Fremdenheims in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt. Als Erben der früheren Betriebsinhaberin stand ihnen das Unternehmen als gesamthänderisches Vermögen zu (§ 2032 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Aus dem Unternehmen haben sie gemeinschaftlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG und des § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) in der für das Streitjahr geltenden Fassung erzielt (vgl. BFH-Urteil vom 9.Juli 1987 IV R 95/85, BFHE 150, 539, 540, BStBl II 1988, 245, 246). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG haben die Kläger diesen Betrieb im Jahre 1977 vor dem Abbruch des Betriebsgebäudes und der anschließenden Neubebauung eingestellt. Im Rahmen der weiterbestehenden Erbengemeinschaft konnten die Kläger sich aber auch in anderer Weise als bisher gewerblich betätigen. Entscheidend ist nur, ob die im Rahmen der Gemeinschaft ausgeübte Tätigkeit die steuerrechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebs erfüllt. Ist das der Fall, so gehören auch die aus der gewerblichen Tätigkeit erzielten Erträge zum gemeinschaftlichen Vermögen (§ 2041 BGB). Unerheblich für die Annahme gewerblicher Einkünfte ist, daß die Absicht besteht, im Anschluß an die Beendigung der gewerblichen Tätigkeit die Gemeinschaft auseinanderzusetzen.
2. Nach § 1 GewStDV --jetzt § 15 Abs.2 EStG-- ist Voraussetzung für die Annahme eines Gewerbebetriebs eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs oder einer sonstigen selbständigen Tätigkeit im Sinne des EStG anzusehen ist. Hinzukommen muß, daß die Tätigkeit sich nach den Umständen des Einzelfalles nicht als private Vermögensverwaltung darstellt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt.
a) Besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Errichtung und der Veräußerung von mindestens vier Eigentumswohnungen, so liegt nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig ein Gewerbebetrieb vor; ein enger zeitlicher Zusammenhang wird angenommen, wenn die Zeitspanne zwischen der Errichtung und dem Verkauf der Wohnung nicht mehr als fünf Jahre beträgt (vgl. BFH-Urteile vom 31.Januar 1980 IV R 13/76, BFHE 130, 34, 37, BStBl II 1980, 318, 319; vom 9.Dezember 1986 VIII R 317/82, BFHE 148, 480, BStBl II 1988, 244; vom 3.Juni 1987 III R 209/83, BFHE 150, 418, BStBl II 1988, 277, und vom 23.Oktober 1987 III R 275/83, BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293). Werden die Eigentumswohnungen von einer Personengesellschaft oder Personengemeinschaft veräußert, so ist darauf abzustellen, ob die Gesellschaft oder Gemeinschaft diese Voraussetzungen erfüllt. Denn bei Personengesellschaften und wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaften, zu denen auch die Erbengemeinschaft gehört, kommt es darauf an, ob die Gesellschafter oder Gemeinschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit den zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führenden Sachverhalt verwirklichen (BFH-Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 425, 439, BStBl II 1984, 751, 761, 768).
b) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall ergibt sich, daß die Kläger gemeinschaftlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt haben. Die Kläger haben nämlich in ungeteilter Erbengemeinschaft nach Abbruch des Altgebäudes einen Neubau errichtet (Baubeginn 1978), diesen in Eigentumswohnungen aufgeteilt, davon sechs Eigentumswohnungen mit fünf Tiefgaragenstellplätzen noch während der Bauzeit verkauft und 1979 veräußert. Diese Bau- und Veräußerungsmaßnahmen entsprechen dem Umfang, für den der BFH bereits mehrfach eine gewerbliche Tätigkeit bejaht hat (vgl. z.B. Urteil in BFHE 130, 34, BStBl II 1980, 318 m.w.N.). Unerheblich ist, daß das Grundstück den Klägern und zuvor der Erblasserin schon lange Zeit gehört hat. Der für die Annahme eines Gewerbebetriebs bedeutsame enge zeitliche Zusammenhang (vgl. Buchst.a) muß zwischen der Errichtung und Veräußerung der Eigentumswohnungen bestehen (Urteil in BFHE 151, 399, 403, BStBl II 1988, 293). Ist dieser, wie im Streitfall, gegeben, so kommt es auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks und darauf, daß dieses zuvor mit einem anderen Gebäude bebaut war, nicht an.
3. Die Einwendungen der Kläger dagegen erweisen sich als unbegründet.
a) Unerheblich für die Annahme gewerblicher Einkünfte ist insbesondere, daß die Kläger je eine Eigentumswohnung zwecks Eigennutzung bzw. Vermietung zurückbehalten und nicht veräußert haben, daß die Veräußerungserlöse der Finanzierung dieser Wohnungen dienten und dazu --wie die Kläger vortragen-- erforderlich waren. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, an der festzuhalten ist, haben die Beweggründe für die Veräußerung von Eigentumswohnungen auf die Zuordnung des Vorgangs zum gewerblichen Bereich oder zum Bereich der Vermögensverwaltung keine Bedeutung (vgl. z.B. Urteil in BFHE 130, 34, BStBl II 1980, 318, und BFH-Urteil vom 20.August 1986 I R 148/83, BFH/NV 1987, 646). Infolgedessen hat der Senat schon im Urteil in BFHE 130, 34, BStBl II 1980, 318 auch dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß bei einer Eigentümergemeinschaft die Erlöse aus der Veräußerung der Eigentumswohnungen von vornherein dazu bestimmt waren, den Bau und Erwerb der nicht zur Veräußerung bestimmten, sondern den Eigentümern je zur eigenen Nutzung vorbehaltenen Eigentumswohnungen in demselben Gebäude ohne Einsatz größerer anderer Eigenmittel zu ermöglichen.
b) Unerheblich ist ferner, ob, wie die Kläger meinen, bei einer anderen Gestaltung, nämlich bei einer Erbauseinandersetzung in der Weise, daß jedem Miterben entsprechend seiner Quote Eigentumswohnungen zugeteilt und anschließend veräußert werden, eine gewerbliche Tätigkeit zu verneinen wäre. Die Besteuerung richtet sich nach dem tatsächlichen verwirklichten Sachverhalt, nicht nach einem denkbaren, aber nicht verwirklichten anderen Sachverhalt.
c) Die Kläger haben noch geltend gemacht, sie hätten auf den Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 15.Oktober 1976 31 - S 2240 -1/8 - 63458 vertrauen können, nach welchem im allgemeinen ein Grundstückshandel zu verneinen sei, wenn nicht mehr als sechs Objekte veräußert werden. Der BFH hat jedoch schon im Urteil vom 8.August 1979 I R 186/78 (BFHE 129, 177, 180, BStBl II 1980, 106, 107) ausgesprochen, daß dies der Wertung der Veräußerung von --im damaligen Streitfall-- vier Eigentumswohnungen als gewerbliche Tätigkeit nicht entgegensteht.
4. In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger darauf hingewiesen, bei der Abgrenzung der gewerblichen von der vermögensverwaltenden Tätigkeit sei nach dem BFH-Urteil vom 17.März 1981 VIII R 149/78 (BFHE 133, 44, BStBl II 1981, 522) in Zweifelsfällen darauf abzustellen, ob die Tätigkeit dem Bild entspreche, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmache und einer privaten Vermögensverwaltung fremd sei. Wenn das FG in seinem Urteil ausgeführt habe, das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin im Streitfall entspreche nicht dem eines Grundstückshandels nach der Verkehrsauffassung, so handele es sich dabei um eine den BFH gemäß § 118 Abs.2 FGO bindende Tatsachenfeststellung. Dem kann nicht zugestimmt werden. Wie sich aus den Ausführungen unter 2. und 3. ergibt, liegt nach der Rechtsprechung des BFH in Fällen wie dem Streitfall eine gewerbliche Tätigkeit vor. Entgegen der Auffassung des FG ist insbesondere unerheblich, daß die Veräußerungserlöse für die Finanzierung der von den Klägern erworbenen Wohnungen bestimmt und erforderlich waren (Urteil in BFHE 130, 134, BStBl II 1980, 318). Dieser Sachverhalt kann nicht anders beurteilt werden als z.B. der Fall, daß Gewinne aus Aktivitäten, die nach den geltenden Abgrenzungskriterien als gewerblich anzusehen sind, zur Finanzierung anderer privater Investitionen, etwa zur Bebauung eines anderen zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks verwendet werden. Können an der Wertung solcher Aktivitäten als gewerbliche Tätigkeit nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung Zweifel nicht bestehen, so kann einer entsprechenden revisionsgerichtlichen Entscheidung die Grundlage nicht dadurch entzogen werden, daß das FG behauptet, die Verkehrsauffassung stehe dem entgegen. Damit stellt das FG nicht Tatsachen fest, sondern legt seiner Entscheidung eine von der Rechtsprechung des BFH abweichende Rechtsauffassung zugrunde.
II.
Nach den vorstehenden Ausführungen kann das Urteil des FG keinen Bestand haben, sondern muß aufgehoben werden. Die Sache ist spruchreif, denn die Höhe des Gewinns ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Klage wird abgewiesen.
Nach den Ausführungen der Kläger zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen wird die Verwaltungsbehörde zu prüfen haben, ob Billigkeitsmaßnahmen erforderlich sind.
Fundstellen
Haufe-Index 63216 |
BFH/NV 1990, 52 |
BStBl II 1990, 637 |
BFHE 160, 249 |
BFHE 1991, 249 |
BB 1990, 1468 |
BB 1990, 1468-1467 (LT) |
DB 1990, 1544-1545 (LT) |
DStR 1990, 445 (KT) |
HFR 1990, 492 (LT) |
StE 1990, 234 (K) |