Leitsatz (amtlich)
Immaterielle Wirtschaftsgüter gehören nicht zu den beweglichen Wirtschaftsgütern nach § 19 Abs. 1 BHG 1968.
Normenkette
BHG 1968 § 19
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die sich früher A-GmbH & Co. nannte und später in B-GmbH & Co. umbenannte, erwarb mit Vertrag vom ... Dezember 1968 von der Firma C 11 ... geräte "zum Zwecke der Durchführung von Forschungen, Entwicklungen und Produktion, basierend auf den zu erwerbenden Geräten (Prototypen)" zum Gesamtpreis von ... DM. Gegenstand der A war nach dem schriftlichen Gesellschaftsvertrag vom ... Februar 1969 die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Systemen für die ... industrie und verwandte Gebiete.
Die Klägerin behauptet, bereits am ... Dezember 1968 gegründet worden zu sein. Komplementär war die D-GmbH - später: E-GmbH - deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer X war. Kommanditisten waren ebenfalls X mit einer Einlage von ... DM und Y mit einer Einlage von ... DM. Letzerer war jedoch nur Strohmann, zunächst für eine westdeutsche Familie und dann, als sich deren Beteiligung zerschlug, wiederum für X. Y wurde zum Prokuristen der Komplementär-GmbH bestellt. Die Geräte wurden am ... Dezember 1971 an die Firma F-GmbH zum Gesamtpreis von ... DM weiterverkauft. Zwischenzeitlich waren sie an die Firma G-GmbH kurzfristig ausgeliehen. Sämtliche Firmen gehören zur Unternehmensgruppe X.
Die Klägerin beantragte im März 1969 für die Geräte eine Forschungszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 des Berlinhilfegesetzes (BHG) i. d. F. vom 1. Oktober 1968 (BGBl I 1968, 1049, BStBl I 1968, 1128). Sie machte geltend, sie betreibe mit den Geräten Grundlagenforschung und entwickle neue Herstellungsverfahren. Auch die Firma F-GmbH und die Firma G-GmbH hätten Grundlagenforschung betrieben, so daß insgesamt die gesetzliche Verbleibfrist von drei Jahren eingehalten worden sei. Allerdings hätten durch die Entwicklung der ...technik die ...geräte ihre Bedeutung alsbald verloren und seien nur noch als normale Geräte verwendbar gewesen. Der Verkaufspreis von ... DM sei deshalb ein angemessener Marktpreis gewesen.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung gewährte das Finanzamt - FA - (Beklagter und Revisionsbeklagter) der Klägerin nur eine Zulage von insgesamt ... DM.
Es ging davon aus, daß die A mit dem bezahlten Kaufpreis überwiegend eingeleitete Entwicklungen, also Know-how erworben habe. Sie habe beabsichtigt, die Prototypen bis zur Produktionsreife weiterzuentwickeln. Immaterielle Wirtschaftsgüter seien aber nicht zulagefähig, weil sie keine beweglichen Wirtschaftgüter seien (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. August 1964 IV 215/62 U, BFHE 80, 279, BStBl III 1964, 575). Eine Zulage könne deshalb nur insoweit gewährt werden, als der Kaufpreis auf die ... geräte als körperliche Wirtschaftsgüter entfallen sei. Die Firma C habe solche Geräte an gruppenfremde Unternehmen zum Preis zwischen ... und ... DM verkauft. Auf dieser Grundlage schätzte das Finanzamt die Anschaffungskosten für die Geräte auf (11 x ... DM + ... DM Selbstverbrauchsteuer =) ... DM und gewährte hierauf eine Zulage von 10 v. H.
Die Klägerin machte demgegenüber geltend sie habe kein Know-how, sondern in Sonderanfertigung hergestellte Geräte erworben. Solche Geräte habe die Firma C auch an gruppenfremde Unternehmen zum Preis von über ... DM verkauft.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vernahm den Prokuristen V als Zeugen. Dieser sagte aus, daß er am ... Dezember 1968 für die Klägerin die streitigen Geräte in Empfang genommen und den Erwerbspreis für angemessen gehalten habe.
Das FG führte aus: Den Vertragsparteien sei es ersichtlich auf die Veräußerung des in den Prototypen verkörperten Entwicklungsstandes angekommen. Dieser sollte von der A bis zur Serienreife weiterentwickelt werden. Die Klägerin habe somit das in den Prototypen verkörperte Know-how erworben. Die Geräte selbst hätten nur die Bedeutung eines Modells (Fertigungsmusters) gehabt. Gegenstand des Kaufvertrages sei somit ein immaterielles Wirtschaftsgut gewesen, für das nach § 19 BHG eine Investitionszulage nicht zu gewähren sei. Alle anderen Fragen ließ das FG offen.
Im Revisionsverfahren bleibt die Klägerin dabei, daß sie kein Know-how, sondern Meßgeräte in Sonderanfertigung erworben habe. Daß die Veräußerin dabei ihre Entwicklungskosten mit in Rechnung gestellt habe, sei ein normaler Vorgang. Im übrigen hält sie die Auffassung des BFH in seinem Urteil IV 215/62 U, wonach immaterielle Wirtschaftsgüter keine beweglichen Wirschaftsgüter seien, für unrichtig.
Die Klägerin beantragt, die Investitionszulage 1968 um einen Betrag von ... DM höher festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Dem Verfahren ist der Bundesminister der Finanzen (BdF) beigetreten. Er hält das BFH-Urteil IV 215/62 U für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 19 Abs. 1 BHG 1968 können Unternehmer in Berlin für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionszulage erhalten, die im Regelfall 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der im Kalenderjahr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter beträgt. Sie erhöht sich auf 30 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, wenn die Wirtschaftsgüter ausschließlich der Forschung oder Entwicklung i. S. des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u. Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dienen. Aus § 19 Abs. 2 BHG 1968 ergibt sich außerdem, daß die Wirtschaftsgüter neu sein müssen und daß sie mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem Betrieb (einer Betriebstätte) in Berlin verbleiben müssen. Streitig ist im vorliegenden Fall, welches Wirtschaftsgut die Klägerin mit dem Vertrag vom ... Dezember 1968 erworben hat und ob dieses Wirtschaftsgut beweglich i. S. der genannten Bestimmung ist.
1. Das FG hat den Vertrag vom ... Dezember 1968 dahin gewürdigt, daß die Klägerin damit das Erfahrungswissen ihrer Vorgängerin auf dem Gebiet der ... geräte erworben habe und daß demgegenüber die ... geräte selbst nur die Zugabe von Modellen bedeuteten. Der Senat hält diese Würdigung für zutreffend. Sie ergibt sich aus der unstreitigen Tatsache, daß die technische Entwicklung der ... geräte im Zeitpunkt des Kaufabschlusses noch nicht abgeschlossen war, daß die Klägerin die Geräte vielmehr fertigentwickeln sollte. Damit stimmt überein, daß die Veräußerin der Klägerin die Schaltpläne mitgeliefert hat und daß die übergebenen ... geräte in dem Kaufvertrag als "Prototypen" - die Klägerin spricht auch von "Fertigungsmuster" - bezeichnet wurden. Zwischen den Vertragsparteien wurde außerdem vereinbart, daß eine nach Abschluß der technischen Entwicklung von der Klägerin beabsichtigte Aufnahme der Serienproduktion der ...geräte der Einwilligung der Verkäuferin bedarf. Dieser Sachverhalt spricht nach Auffassung des Senats eindeutig dafür, daß es der Klägerin auf den Erwerb des technischen Wissens ihrer Vorgängerin ankam. Die Auffassung der Klägerin, daß sie Sonderanfertigungen von ...geräten und damit körperliche Wirtschaftsgüter erworben habe, findet im Sachverhalt keine Stütze.
Der Kaufpreis konnte auch nicht auf das erworbene Know-how einerseits und die mitgelieferten ... geräte andererseits aufgeteilt werden. Das FA hat seine gegenteilige Auffassung inzwischen auch aufgegeben. Die Prototypen waren vielmehr unselbständiger Teil des erworbenen Know-how. Sie verkörperten das bis dahin angesammelte Erfahrungswissen der Veräußerin.
2. Hat die Klägerin das Know-how ihrer Vorgängerin erworben, um dieses technisch zur Produktionsreife weiterzuentwickeln, so erscheint es dem Senat fraglich, ob dieser Sachverhalt überhaupt unter die Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BHG 1968 i. V. m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. u. Satz 4 EStG fällt. Denn nach diesen Bestimmungen gilt die Vergünstigung nur für Wirtschaftsgüter, die der Forschung oder Entwicklung "dienen". Das ist nach § 51 EStG nur der Fall, wenn die Wirtschaftsgüter zur Grundlagenforschung oder Entwicklung "verwendet werden" (vgl. auch § 82 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -). Mit anderen Worten, das Wirtschaftsgut muß bei der Forschung und Entwicklung ein Hilfsmittel sein. Das Forschungsobjekt selbst ist dagegen nicht begünstigt (vgl. bereits die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 30. April 1976 III R 132/74, BFHE 119, 97, BStBl II 1976, 527). Es spricht viel dafür, daß der Klägerin das erworbene Erfahrungswissen aber nicht als Hilfsmittel (wie Werkzeuge, Maschinen oder Testgeräte) gedient hat, sondern daß es sich um das (noch nicht abgeschlossene) Forschungsobjekt selbst gehandelt hat. Diese Frage braucht aber nicht abschließend geklärt zu werden; denn die Revision erweist sich aus einem anderen Grund als unbegründet.
3. Der Senat hält immaterielle Wirtschaftsgüter nicht für bewegliche Wirtschaftsgüter i. S. des § 19 BHG 1968. Diese Auffassung hat die Rechtsprechung schon bisher für die insoweit vergleichbaren Vorschriften des § 14 BHG (BFH-Urteil IV 215/62 U) und des § 19 BHG 1964 (BFH-Urteil vom 20. November 1970 VI R 44/69, BFHE 100, 555, BStBl II 1971, 186) vertreten. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei. Der BFH hat in seinem Urteil IV 215/62 U im einzelnen dargelegt, daß die Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern erst nach dem 2. Weltkrieg, und zwar im Zusammenhang mit der Gewährung erhöhter Absetzungsmöglichkeiten (vgl. §§ 7 Abs. 2, 7 a, 7 b EStG, §§ 75 bis 79, 81, 82 EStDV, § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft - IHG -) als gezielte politische Maßnahmen in das Einkommensteuerrecht gekommen sei. Diese Bestimmungen hätten das gemeinsame Ziel gehabt, Sach verluste zu mildern und Sach investitionen anzuregen. Daraus müsse geschlossen werden, daß es dem Gesetzgeber darum gegangen sei, nur körperliche Gegenstände zu begünstigen. Der BdF hat diesen Gedanken in dem vorliegenden Verfahren noch näher verdeutlicht. Demgegenüber macht die Klägerin geltend, es sei unrichtig, daß die Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern erst nach dem 2. Weltkrieg in das Einkommensteuerrecht gekommen sei. Bereits § 12 Abs. 1 EStG 1925 habe das Anlagevermögen aufgeteilt in die beweglichen Wirtschaftsgüter einerseits und in Gebäude, Grund und Boden andererseits. Da immaterielle Wirtschaftsgüter zu letzteren nicht gerechnet werden könnten, hätten bereits nach dem Einkommensteuergesetz 1925 die beweglichen Wirtschaftsgüter sowohl die körperlichen Gegenstände (Sachen i. S. des § 90 BGB) als auch die immateriellen Wirtschaftsgüter mitumfaßt. Es bestehe kein Grund zu der Annahme, daß dies nach dem Einkommensteuergesetz 1934 anders sein solle. Die Klägerin gibt allerdings zu, daß sich diese Aufteilung aus dem Einkommensteuergesetz 1934 nicht mehr mit der gleichen Deutlichkeit wie nach dem Einkommensteuergesetz 1925 ergibt. Demgegenüber ist unverkennbar, daß sich der Gesetzgeber der Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern in einer Reihe von Vorschriften über Bewertungsfreiheiten, Sonderabschreibungen, erhöhten Absetzungen und neuerdings auch über Investitionszulagen bedient, um daran unterschiedliche Rechtsfolgen anzuknüpfen. War damit ursprünglich nach dem 2. Weltkrieg beabsichtigt, nur Sach verluste zu mildern und zu Sach investitionen anzuregen, so ist die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber auch in der Folgezeit den immateriellen Werten nicht die gleiche Förderung zuteil werden lassen wollte wie den körperlichen beweglichen Sachen. Der erkennende Senat ist auch der Auffassung, daß sich viele immaterielle Wirtschaftsgüter für eine Förderung nach dem Zweck der jeweiligen Begünstigungsvorschrift nicht eignen, weshalb Vertreter einer Gleichstellung der immateriellen Werte mit den körperlichen beweglichen Wirtschaftsgütern in der Regel auch nur Patente und technisches Know-how im Auge haben.
4. Daß die Gesetzesauslegung in dem BFH-Urteil IV 215/62 U richtig war, zeigt auch die Entwicklung, welche die Gesetzgebung inzwischen genommen hat. So werden in § 7 d Abs. 7 EStG 1975 erhöhte Absetzungen bei durch Zuschüsse erworbenen Rechten auf Mitbenutzung von dem Umweltschutz dienenden Wirtschaftsgütern zugelassen. Bei diesen begünstigten Mitbenutzungsrechten handelt es sich um immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn die immateriellen Wirtschaftsgüter zu den beweglichen Wirtschaftsgütern gehörten. Denn dann ergäbe sich die Begünstigung bereits aus § 7 d Abs. 1 EStG 1975. Insbesondere sind nunmehr seit dem Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze vom 30. Oktober 1978 (vgl. § 4 Ab. 2 der Neufassung des Investitionszulagengesetzes vom 2. Januar 1979, BGBl I 1979, 24, BStBl I 1979, 29) im Rahmen der Begünstigung von Forschungen und Entwicklungen neben den beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern unter bestimmten Voraussetzungen auch immaterielle Wirtschaftsgüter ausdrücklich in das Investitionszulagengesetz aufgenommen worden. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (Bundestags-Durcksache 8/1409) handelt es sich dabei um eine Ausdehnung der Begünstigung auf bestimmte immaterielle Wirtschaftsgüter, die der Forschung und Entwicklung dienen. Daraus kann nur geschlossen werden, daß nach Auffassung des Gesetzgebers immaterielle Wirtschaftsgüter bisher nicht zulagebegünstigt waren.
Fundstellen
BStBl II 1979, 634 |
BFHE 1979, 289 |