Leitsatz (amtlich)
Der zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft vereinbarte Gewinnverteilungsschlüssel bezieht sich grundsätzlich auf den Handelsbilanzgewinn. Weicht dieser vom Steuerbilanzgewinn deshalb ab, weil er durch die Auflösung von Bilanzierungshilfen geringer ist als der Steuerbilanzgewinn, müssen bei Anwendung des Gewinnverteilungsschlüssels auf den Steuerbilanzgewinn Korrekturen hinsichtlich der Gesellschafter angebracht werden, die bei der Bildung der Bilanzierungshilfe an dem Unternehmen noch nicht beteiligt waren.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine 1976 gegründete GmbH. Gesellschafter sind die Beigeladenen. Im ersten Wirtschaftsjahr der Klägerin entstand durch Gründungs- und Anlaufaufwendungen ein Verlust von rd. 50 000 DM. Die Klägerin aktivierte diesen Verlust zulässigerweise in ihrer Handelsbilanz. Der Aktivposten sollte innerhalb von fünf Jahren gewinnmindernd aufgelöst werden.
Im zweiten Wirtschaftsjahr der werbenden Tätigkeit der Klägerin wurde zwischen der Klägerin und den beiden Beigeladenen durch Vertrag vom 10.Juli 1977 eine atypisch stille Gesellschaft gegründet. Als Gewinnverteilung wurde vereinbart, daß nach Abzug der Tätigkeitsvergütungen für die Beigeladenen die GmbH 50 v.H., die Beigeladene zu 1. 12,5 v.H. und der Beigeladene zu 2. 37,5 v.H. des Gewinns oder Verlusts erhalten sollten.
Die stille Gesellschaft erzielte im Streitjahr 1980 unstreitig einen steuerlichen Gesamtgewinn von 17 645 DM. Dieser bestand aus einem Steuerbilanzverlust von 12 966 DM, einer Tätigkeitsvergütung der Beigeladenen zu 1. in Höhe von 2 333 DM und einer Tätigkeitsvergütung des Beigeladenen zu 2. in Höhe von 28 278 DM.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde in der Steuererklärung der stillen Gesellschaft für das Streitjahr von dem erzielten Jahresergebnis den Beigeladenen neben den unstreitigen Zurechnungen ihrer Tätigkeitsvergütungen von der Differenz zwischen Handelsbilanz- und Steuerbilanzgewinn hinsichtlich des Abschreibungsbetrags auf die Anlaufkosten kein Zurechnungsbetrag zugewiesen, der gesamte Abschreibungsbetrag vielmehr der Klägerin allein hinzugerechnet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte diese Gewinnverteilung nicht an. Er berücksichtigte die Korrekturen durch die Verrechnungsbeträge nicht.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Im Streitfall liegt keine rückwirkende Gewinnverteilungsabrede vor; denn die Klägerin und die Beigeladenen haben von Beginn der stillen Gesellschaft an eine Gewinn- und Verlustverteilung von 50 : 12,5 : 37,5 v.H. vereinbart.
2. Diese Gewinnverteilungsvereinbarung bezieht sich auf den Handelsbilanzgewinn; denn jede gesellschaftsrechtliche Gewinnverteilungsabrede bezieht sich ―soweit die Beteiligten nichts anderes bestimmt haben― auf den Handelsbilanzgewinn.
In dem Handelsbilanzgewinn bzw. Handelsbilanzverlust des Streitjahres ist aber ―abweichend von dem Steuerbilanzverlust des Streitjahres― als Auflösungsbetrag 1/5 des am Ende des Wirtschaftsjahres 1976 gebildeten Aktivpostens "Anlaufverlust" enthalten. Dadurch kommt ―wovon das FG im Ergebnis zutreffend ausgegangen ist― mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß die Beigeladenen handelsrechtlich auch an dem Anlaufverlust beteiligt werden sollten.
3. Diese handelsrechtliche Gewinnverteilung ist auch steuerrechtlich zu beachten, wobei allerdings berücksichtigt werden muß, daß die steuerrechtlichen Gewinne bzw. Verluste der Wirtschaftsjahre, in denen der Aktivposten "Anlaufverlust" gewinnmindernd (verlusterhöhend) mit je 1/5 aufgelöst werden, jeweils um diese Auflösungsbeträge niedriger sind als die entsprechenden Handelsbilanzgewinne. Diese Differenz ist im Streitfall allein bei der Klägerin zu berücksichtigen, weil in der Steuerbilanz die Bildung eines Aktivpostens "Anlaufverluste" nicht zulässig war und demzufolge der gesamte Anlaufverlust von rd. 50 000 DM der Klägerin im Wirtschaftsjahr 1976 zugerechnet worden ist, so daß bei ihr in den Folgejahren der handelsrechtliche, nach dem Gewinnverteilungsschlüssel anteilig auf sie entfallende Auflösungsbetrag steuerrechtlich nicht noch einmal berücksichtigt werden darf.
Zahlenmäßig ausgedrückt bedeutet dies: Der Handelsbilanzverlust des Streitjahres belief sich auf 23 090 DM. Nach dem vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssel entfallen davon auf die Klägerin 11 545 DM (50 v.H.), auf die Beigeladene zu 1. 2 886,25 DM (12,5 v.H.) und auf den Beigeladenen zu 2. 8 658,75 DM (37,5 v.H.). Zur Ermittlung des Anteils der Klägerin am Steuerbilanzverlust ist deren Handelsbilanzverlust um den Auflösungsbetrag von 10 124 DM zu erhöhen. Das ergibt einen Anteil der Klägerin am Steuerbilanzverlust von 1 421 DM. Den Anteilen der Beigeladenen am Handelsbilanzverlust (2 886,25 DM und 8 658,75 DM) sind zur Ermittlung ihres steuerlichen Gewinns aus der atypisch stillen Gesellschaft die Tätigkeitsvergütungen hinzuzurechnen (2 333 DM und 28 278 DM), so daß sich für die Beigeladene zu 1. ein Verlust von 553,25 DM und für den Beigeladenen zu 2. ein Gewinn von 19 619,25 DM ergibt. Der steuerliche Gesamtgewinn der atypisch stillen Gesellschaft beträgt mithin ./. 1 421 DM (GmbH) ./. 553,25 DM (Beigeladene zu 1.) + 19 619,25 DM (Beigeladener zu 2.) = 17 645 DM.
Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man von einem Steuerbilanzverlust von 12 966 DM (Handelsbilanzverlust 23 090 DM + 10 124 DM Auflösungsbetrag) ausgeht. Wendet man auf den Steuerbilanzverlust von 12 966 DM den Gewinnverteilungsschlüssel von 50 : 12,5 : 37,5 an, so ergeben sich folgende Verlustanteile: GmbH: 6 483 DM, Beigeladene zu 1.: 1 620,75 DM und Beigeladener zu 2.: 4 862,25 DM. Diese Gewinnverteilung entspricht jedoch nicht der vereinbarten, weil die Beteiligung der Beigeladenen an den Anlaufverlusten deshalb nicht berücksichtigt ist, weil Anlaufverluste in dem Steuerbilanzverlust von 12 966 DM auch nicht anteilig enthalten sind. Folglich müssen die Verlustanteile in der Weise korrigiert werden, daß der Anteil der Klägerin am Steuerbilanzverlust (6 483 DM) um die Hälfte des handelsrechtlichen Auflösungsbetrags (5 062 DM) vermindert wird (*= 1 421 DM Verlust). Gleichzeitig müssen die Anteile der Beigeladenen am Steuerbilanzverlust entsprechend erhöht werden. Für die Beigeladene zu 1. ergibt sich mithin: 12,5 v.H. von ./. 12 966 DM = ./. 1 620,75 DM ./. 1 265,50 DM Korrekturposten (*= 12,5 v.H. von dem handelsrechtlichen Abzugsbetrag von 10 124 DM) + 2 333 DM Tätigkeitsvergütung = 553,25 DM Verlustanteil. Für den Beigeladenen zu 2. ergibt sich: 37,5 v.H. von ./. 12 966 DM = ./. 4 862,25 DM ./. 3 796,50 DM Korrekturposten (*= 37,5 v.H. von dem handelsrechtlichen Abzugsbetrag von 10 124 DM) + 28 278 DM Tätigkeitsvergütung = 19 619,25 DM Gewinn.
4. Im Streitfall wird lediglich der im Streitjahr entstandene Verlust verteilt. Allerdings werden durch die Art der Verlustverteilung die Beigeladenen im Ergebnis so gestellt, daß sie auch an dem Verlust beteiligt werden, der in dem Wirtschaftsjahr entstanden ist, in dem sie noch keine Gesellschafter waren. Das jedoch ist entgegen der Ansicht des FA unschädlich. Eine solche Art der Gewinnverteilung ist dem Fall ähnlich, der dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.März 1987 VIII R 293/82 (BFHE 149, 454, BStBl II 1987, 558) zugrunde lag. Bei der Gründung einer KG war vereinbart worden, daß für die ersten beiden Geschäftsjahre die Gewinn- und Verlustverteilung in der Weise erfolgen sollte, daß sämtliche in diesen beiden Geschäftsjahren eintretenden Kommanditisten gleichzustellen seien und demzufolge die erst im zweiten Geschäftsjahr der KG beitretenden Kommanditisten einen höheren Anteil am Verlust dieses Geschäftsjahres als die bereits im ersten Geschäftsjahr beigetretenen erhalten sollten. Der BFH hat eine solche Gewinn- und Verlustverteilungsabrede steuerlich anerkannt, wenn sie betrieblich veranlaßt ist und der nach dem Beitritt eines jeden Kommanditisten im Geschäftsjahr erwirtschaftete Verlust hoch genug ist, um die diesen Kommanditisten zugerechneten Verluste abzudecken.
Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, weil es sich lediglich um die Anwendung der handelsrechtlich maßgeblichen Gewinnverteilung auf den Steuerbilanzgewinn der stillen Gesellschafter handelt.
Fundstellen
Haufe-Index 63249 |
BStBl II 1990, 965 |
BFHE 161, 456 |
BFHE 1991, 456 |
BB 1990, 2015 |
BB 1990, 2015-2016 (LT) |
HFR 1991, 24 (LT) |
StE 1990, 383 (K) |