Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Mehraufwendungen, die einem Steuerpflichtigen durch das Getrenntleben von seiner Ehefrau entstehen, sind nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG, wenn der Steuerpflichtige die Trennung selbst wollte und hierfür kein zwingender Grund vorlag.
Die Kosten der Ehescheidung sind bei einem Steuerpflichtigen, dessen Ehe aus einem in seiner Person liegenden Grunde geschieden wird, keine zwangsläufige Belastung gemäß § 33 EStG, und zwar auch dann nicht, wenn ihm diese Kosten durch das Ehescheidungsurteil auferlegt wurden.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a; LStDV §§ 25, 25a
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) lebte seit März 1951 von seiner Ehefrau getrennt und wurde am 30. Oktober 1952 geschieden. Sein Antrag auf Gewährung eines Lohnsteuerfreibetrags für 1952 wegen der Unterhaltszahlungen an seine getrennt lebende Ehefrau wurde vom Finanzamt abgelehnt. Die beantragte Steuerermäßigung gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) (ß 25 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung) wegen Krankheitskosten führte, da diese Aufwendungen für sich allein unter der Mehrbelastungsgrenze blieben, ebenfalls nicht zur Gewährung eines Freibetrags wegen außergewöhnlicher Belastung. Es wurde nur wegen erhöhter Werbungskosten und Sonderausgaben ein Jahresfreibetrag von 909 DM auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Der Einspruch des Bf. gegen die Ablehnung einer Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG wurde zurückgewiesen; lediglich die nachträglich geltend gemachten Sterbeversicherungsbeiträge für die Ehefrau wurden für drei Monate als Sonderausgaben anerkannt und führten zur Erhöhung des Jahresfreibetrags auf 930 DM.
Die Berufung des Bf. mit der er zusätzlich für die Kosten der am 30. Oktober 1952 erfolgten Ehescheidung in Höhe von 970,92 DM eine Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG beantragte, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht führte aus: Die für die Unterhaltsgewährung an geschiedene Ehefrauen geltenden Grundsätze kämen bei getrennt lebenden Eheleuten nicht zur Anwendung, weil die Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit der Aufwendungen in beiden Fällen verschieden zu beurteilen seien. Es sei möglich, daß dem Bf. Mehrkosten durch das Getrenntleben entständen. Dies rechtfertige jedoch nicht die Anerkennung der Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung. Die für den Unterhalt der Ehefrau aufgewendeten Unterhaltszahlungen seien steuerlich dadurch berücksichtigt, daß der Bf. während der Dauer des Getrenntlebens nach Steuerklasse II besteuert werde, also die Familienermäßigung für die Ehefrau erhalte. Die Belastung durch den überschießenden und möglicherweise über das übliche Maß hinausgehenden Unterhaltsbetrag sei bei Zuwendungen von monatlich 287,45 DM an die Ehefrau bei einem monatlichen Arbeitseinkommen de Bf. von 1.400 DM nur unerheblich. Die Berücksichtigung etwaiger Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung sei nicht angängig; denn darin würde eine nicht gerechtfertigte steuerliche Begünstigung für getrennt lebende Eheleute liegen. Hinsichtlich der für die Anwendung des § 33 EStG notwendigen Zwangsläufigkeit der Aufwendungen könne der Fall des Getrenntlebens mit einer Scheidung nicht gleichgestellt werden. Im Gegensatz zur Ehescheidung, bei der für die Unterhaltszahlungen die Grundsätze der Steuerermäßigung für mittellose Angehörige angewendet werden könnten, sei dies bei Getrenntleben nicht möglich, weil hierzu sowohl dem Grunde als auch der Höhe der Unterhaltszahlungen nach ein Eindringen der Finanzbehörde in die nur schwer nachprüfbaren persönlichen Verhältnisse und Entschließungen der Eheleute notwendig wäre. Es sei davon auszugehen, daß das EStG verheirateten Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens, die steuerliche Leistungsfähigkeit und die sonstigen Verhältnisse eine Tarifermäßigung für die Ehefrau gewähre. Darüber hinaus verbiete § 12 EStG jeglichen Abzug für den Unterhalt der Ehefrau. Auch die hilfsweise geltend gemachten Mehraufwendungen für die eigene Lebenshaltung (Mehraufwand für Miete, Wäsche, Heizung und Verpflegung) könnten nicht im Rahmen des § 33 EStG berücksichtigt werden, da sie aus Anlaß des Getrenntlebens entstanden seien und deshalb aus den gleichen Gründen wie die für die Ehefrau gemachten Mehraufwendungen nicht berücksichtigt werden könnten. Auch wegen der Scheidungskosten könne eine Steuerermäßigung nicht gewährt werden. Diese Aufwendungen seien zwar außergewöhnlich, aber nicht zwangsläufig. Das Vorliegen eines zur Zahlung verpflichtenden Rechtstitels sei zur Annahme der Zwangsläufigkeit nicht ausreichend. Es komme vielmehr darauf an, welche Gründe für die Entstehung der Verpflichtung maßgebend gewesen seien. Da der Bf. zugebe, daß die Gründe für die Trennung in seiner Person lagen und er die Entscheidung gewollt habe, könne von einer Zwangsläufigkeit im Sinne des § 33 EStG nicht gesprochen werden.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) beantragt der Bf. die Anerkennung folgender Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung:
1. Krankheitskosten ----------------------- 898,75 DM 2. Kosten der Ehescheidung ---------------- 970,92 DM 3. Unterhaltsaufwendungen an die getrennt lebende Ehefrau ------------------------- 2.400,00 DM insgesamt ------------------------------- 4.269,67 DM Zur Begründung der Rb. trägt der Bf. vor: Der Umstand, daß § 12 EStG den Abzug von Zahlungen ausschließe, die auf einer gesetzlichen Unterhaltspflicht beruhen, stehe einer Berücksichtigung dieser Aufwendungen im Rahmen des § 33 EStG nicht entgegen. Bei der Anwendung dieser Vorschrift könne es keinen Unterschied machen, ob die Unterhaltszahlungen an eine geschiedene oder an eine getrennt lebende Ehefrau zu leisten seien. Bei dauernden Getrenntleben von Ehegatten liege eine zwangsläufige Belastung gemäß § 33 EStG vor, ohne daß es darauf ankomme, welcher der Ehegatten die Schuld an der Trennung trage. Mindestens aber müßten die Mehraufwendungen bei getrennt lebenden Ehegatten dann als außergewöhnliche Belastung behandelt werden, wenn die Trennung - wie im vorliegenden Falle - zur Ehescheidung geführt habe. Nach der Praxis des Finanzgerichts kämen bei seinen Einkommensverhältnissen 200 DM monatlich, also 2.400 DM im Jahr als berücksichtigungsfähiger Unterhaltsbetrag gemäß § 33 EStG für die geschiedene Ehefrau in Betracht; dieser Betrag sei auch im Falle des Getrenntlebens angemessen. Da eine Ehescheidung nur im Wege eines Prozesses durchgeführt werden könne, entständen bei jeder Scheidung zwangsläufig Prozeß- und Anwaltskosten, deren Berücksichtigung im Rahmen des § 33 EStG ohne weitere Prüfung gerechtfertigt sei. Bei der Entscheidung über die Anwendbarkeit des § 33 EStG sei es daher nicht angängig, die Ursache der Ehescheidung und das Verschulden der Eheleute zu untersuchen, zumal dies sehr oft kaum möglich sein werde. Für die Finanzverwaltung ergebe sich vielmehr hinsichtlich der Scheidungskosten aus der Tatsache der Scheidung die für die Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Rüge des Bf., daß die Ablehnung einer Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG wegen der Unterhaltsaufwendungen für seine getrennt lebende Ehefrau das geltende Recht verletze, ist nicht begründet. Diese zur privaten Lebenshaltung gehörenden Aufwendungen können nur dann zu einer Steuerermäßigung führen, wenn ein Steuerpflichtiger zwangsläufig größere Aufwendungen hierfür zu machen hat als die Mehrzahl der nach Familienstand, Einkommen und Vermögen vergleichbaren Steuerpflichtigen. Es ist dem Bf. zwar zuzugeben, daß ihm durch das Getrenntleben von seiner Ehefrau höhere Aufwendungen für seinen eigenen Unterhalt und den seiner Ehefrau erwachsen sind als bei der Führung eines gemeinsamen Haushalts. Eine Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG setzt jedoch voraus, daß diese Mehraufwendungen zwangsläufig waren. Im Hinblick auf die soziale Zweckbestimmung des § 33 EStG kann die Zwangsläufigkeit derartiger Aufwendungen nur dann bejaht werden, wenn im Einzelfall das Getrenntleben auf zwingende Gründe zurückzuführen ist. Wenn das Getrenntleben dagegen auf einer freien Willensentschließung des Steuerpflichtigen beruht, liegt diese Voraussetzung nicht vor. Im vorliegenden Falle hat der Bf. von seiner Ehefrau getrennt gelebt, um sich scheiden zu lassen. Er hat damit die durch das Getrenntleben anfallenden Mehraufwendungen zur Erreichung eines persönlichen Zieles bewußt in Kauf genommen. Seine Ausführungen in der Rb. sind nicht geeignet, die Feststellungen der Vorinstanzen zu widerlegen, daß die Trennung von seiner Ehefrau und die Ehescheidung auf seine Initiative zurückzuführen sind. Bei dieser Sachlage können die durch das Getrenntleben entstandenen Mehraufwendungen nicht als zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG angesehen werden, so daß eine Steuerermäßigung auf Grund dieser Vorschrift nicht in Betracht kommen kann.
Der Bf. macht die Aufwendungen für seine getrennt lebende Ehefrau für zwölf Monate geltend, obwohl seine Ehe nach der bei den Akten befindlichen Urteilsabschrift am 30. Oktober 1952 geschieden wurde und das Urteil an diesem Tage auch rechtskräftig geworden ist. Aufwendungen an die getrennt lebende Ehefrau können daher nur für zehn Monate in Betracht kommen. Ob und in welchem Umfange der Bf. im November und Dezember 1952 Zahlungen an seine geschiedene Ehefrau geleistet hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Das Finanzgericht hat nicht untersucht, ob und für welche Zeit der Bf. Unterhaltszahlungen an sie geleistet hat, die nach den hierfür geltenden Grundsätzen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG in Betracht kommen können. Insoweit ist die Möglichkeit eines Rechtsirrtums in der Vorentscheidung gegeben. Da der Akteninhalt keinen zuverlässigen Aufschluß gibt, kann nach den vorliegenden Unterlagen hierüber nicht endgültig entschieden werden. Die Vorentscheidung muß deshalb wegen dieses Punktes aufgehoben und der Rechtsstreit zur Prüfung dieser auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegenden Frage an das Finanzgericht zurückverwiesen werden.
Hinsichtlich der Kosten des Ehescheidungsprozesses ist die Rb. ebenfalls unbegründet. Diese Aufwendungen sind zwar außergewöhnlich, aber ebenso wie die durch das Getrenntleben entstandenen Mehraufwendungen im vorliegenden Falle nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG. Daß der Bf. durch das Ehescheidungsurteil zur Tragung der Kosten verpflichtet wurde, genügt nicht zur Annahme einer Zwangsläufigkeit gemäß § 33 EStG. Eine Steuerermäßigung auf Grund dieser Vorschrift ist nur angängig, wenn ein Steuerpflichtiger die als außergewöhnlich anzusehende Belastung nicht durch sein Verhalten bewußt herbeigeführt hat. Die Vorinstanzen haben ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß der Bf. die Trennung von seiner ersten Ehefrau und die Ehescheidung betrieben hat. Er ist in dem Ehescheidungsurteil auch für allein schuldig erklärt worden. Er hat also ebenso wie bei den Mehraufwendungen für das Getrenntleben auch die Kosten der Ehescheidung zur Erreichung eines persönlichen Zieles bewußt auf sich genommen. § 33 EStG hat den Zweck, unbillige Härten zu beseitigen oder zu mildern, die bei der Besteuerung dadurch eintreten können, daß ein Steuerpflichtiger ohne sein Zutun gezwungen war, Geldbeträge aufzuwenden, die er bei seiner Einkommensermittlung nicht abziehen kann und die ihn wirtschaftlich erheblich belasten. Eine solche Härte ist aber bei dem vom Finanzgericht festgestellten Sachverhalt nicht anzunehmen, da nach den eigenen Angaben des Bf. die Gründe der Ehescheidung in seiner Person lagen.
Fundstellen
Haufe-Index 408280 |
BStBl III 1955, 347 |
BFHE 1956, 382 |
BFHE 61, 382 |