Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich gehört bei Kontokorrentverhältnissen die während eines längeren Zeitraums bestehende Mindestschuld zu den Dauerschulden. Eine Ausnahme gilt für Warenschulden in der Regel nur dann, wenn der Zusammenhang zwischen den einzelnen Krediten und bestimmten Warengeschäften von den Kreditaufnahmen bis zum Ende der Abwicklungen jedes einzelnen Warengeschäfts eindeutig nachgewiesen wird.
Der Steuerpflichtige hat diese Zusammenhänge zwischen einzelnen Krediten und bestimmten Warengeschäften leicht prüfbar nachzuweisen.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Zu entscheiden ist bei den Gewerbesteuerveranlagungen 1953 bis 1955, ob und in welcher Höhe laufend in Anspruch genommene Bankkredite als Dauerschulden anzusehen sind. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Revisionsklägerin (KG) betrieb ein Importgeschäft. Sie bezahlte die eingeführten Waren durch Akkreditive. Finanziert wurden die Akkreditive durch einen laufenden Bankkredit. Die Bank räumt der KG eine Kreditlinie ein. Jeweils bei Finanzierung eines Akkreditivs belastete sie innerhalb der Kreditlinie das Kontokorrentkonto in Höhe des Einkaufspreises eines bestimmten Warengeschäfts. Für die auf besonderen Antrag gewährten Einzelkredite innerhalb der Kreditlinie bedurfte es keiner besonderen Kreditzusage mehr. Ausgeglichen wurden die Kredite durch die ebenfalls auf dem Kontokorrentkonto eingehenden Erlöse aus dem Verkauf der importierten Waren. über das Kontokorrentkonto wurden neben den Warengeschäften auch andere Geschäftsvorfälle in Höhe von etwa 10 % des Kreditumsatzes abgewickelt (z. B. sonstige Betriebsausgaben und private Aufwendungen der Gesellschafter).
Zur Sicherung der zugunsten der Bank bestehenden Kontokorrentsalden trat die KG der Bank durch einen "Sicherungs- Stammvertrag für Warenfinanzierungskredite" ihre Forderungen aus den Verkäufen im voraus ab und übereignet die jeweiligen Warenbestände im voraus zur Sicherung. Einzelne Verkaufsforderungen wurden nicht besonders abgetreten. über die sicherungsübereigneten Waren erhielt die Bank in monatlichen Abständen sogenannte "Bestandsmeldungen".
Die Vorinstanz bejahte den Dauerschuldcharakter eines Mindestschuldbestandes (§ 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) mit folgender Begründung. Ein Bankkredit sei nach den Grundsätzen des BFH-Urteils VI 173/63 U vom 6. November 1964 (BFH 81, 539, BStBl III 1965, 195) mit einem einzelnen Warengeschäft eng verbunden, wenn die Bank nur einen Kredit in Höhe eines einzelnen durchgeführten Warengeschäfts gewähre, als Sicherung des Kredits die übereignung der mit dem Kredit erworbenen Ware entgegennehme und zur Abwicklung dieses Kredits ein Konto bilde, auf das der Verkaufserlös überwiesen werde. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Zu Recht habe es der beauftragte Prüfer abgelehnt, die Warenbelege in einem unzumutbaren Zeitaufwand von Wochen daraufhin zu prüfen, ob ein enger Zusammenhang zwischen Warenimporten und Kreditgewährungen festgestellt werden könne. Die übereignung der Warenbestände habe nur der Sicherung eines globalen, laufenden Bankkredits (Kontokorrentkredit) gedient. Die Dauerschuldzinsen errechnete die Vorinstanz in übereinstimmung mit der KG auf Grund eines Zinssatzes von 8 v. H.
Entscheidungsgründe
Die Revision der KG hat keinen Erfolg. Die Rüge einer unzureichenden Sachaufklärung durch die Vorinstanz ist unbegründet. Die Ausführungen der Vorinstanz, der Prüfer habe es zu Recht abgelehnt, die Warenbelege in einem unzumutbaren Zeitaufwand von Wochen daraufhin zu prüfen, ob ein enger Zusammenhang zwischen den einzelnen Warenimporten und Kreditgewährungen bestehe, sind nicht zu beanstanden. Die hierin enthaltene tatsächliche Feststellung, die Prüfung der Warenbelege und die Ermittlung des bezeichneten Zusammenhangs würden Wochen erfordern, bindet den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie findet ihre Grundlage in dem Satz des Prüfungsberichts, "weitere Feststellungen" könnten "nur unter erheblichem, nicht mehr vertretbarem Zeitaufwand getroffen werden". Sie wird bestätigt durch die Ausführungen der KG, wenn von ihr verlangt werde, Personal wochenlang zu Verhandlungen mit dem Prüfer und zum Heraussuchen von Unterlagen aus den vielen Tausenden, schon im Keller abgelegten Belegen zur Verfügung zu halten, so sei eine weitere Prüfung und Ermittlung zu ihren Gunsten auch für den Prüfer zumutbar gewesen. Es ist einem vom Gericht eingesetzten Sachverständigen ebensowenig wie einem Betriebsprüfer des FA zuzumuten, wochenlang steuererhebliche Belege selbst aus den Unterlagen herauszusuchen, da damit solche Prüfungen in einer für alle Beteiligten unzumutbaren Weise verlängert würden. In Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht obliegt es dem Steuerpflichtigen, alle Unterlagen vorzulegen und Umfang, Art und Zusammenhang einzelner Geschäftsvorgänge leicht und eindeutig überprüfbar nachzuweisen, wenn das für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erforderlich ist, besonders wenn er eine für ihn günstige steuerliche Behandlung erreichen will. Das muß auch deshalb verlangt werden, weil der Steuerpflichtige die Verhältnisse seines Betriebes am besten kennt. Im Streitfall durften deshalb der Prüfer und die Vorinstanz zunächst davon ausgehen, daß die ständig vorhandenen Bankschulden einer dauernden Verstärkung des Kapitals dienten, also Eigenkapital ersetzen sollten. Es war Aufgabe der KG, diesen Anschein durch den leicht prüfbaren Nachweis zu widerlegen, daß es sich um eine Vielzahl von einzelnen, jeweils mit bestimmten Warengeschäften zusammenhängenden Krediten handelte.
Die Rüge einer unrichtigen Anwendung des geltenden Rechts ist gleichfalls unbegründet.
Zu Unrecht meint die KG, es widerspreche den seinerzeit gültigen Einfuhrbestimmungen und der Lebenserfahrung, bei Importen mit Akkreditiven enge wirtschaftliche Zusammenhänge zwischen Krediten und Warengeschäften zu verneinen. Das Akkreditiv ist rechtlich ein Auftrag (meist an eine Bank), an einen Dritten nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (meist übergabe der Warendokumente) eine Zahlung zu leisten. Nicht dieses Auftragsverhältnis, sondern allein ein etwa zur Finanzierung der Zahlung an den Dritten nach Stellung des Akkreditivs eingegangenes Kreditverhältnis unterliegt der gewerbesteuerlichen Beurteilung. Dieses Kreditverhältnis wurde als devisenrechtlich unerheblicher Inlandsvorgang nicht von den Einfuhrbestimmungen betroffen. Aus den für die Streitjahre geltenden devisenrechtlichen Bestimmungen kann deshalb für die Entscheidung nichts entnommen werden.
Wenn das Akkreditiv durch einen Kredit finanziert wird, hängt die gewerbesteuerliche Beurteilung dieses Kredits davon ab, ob er als allgemeiner Geschäftskredit oder für das einzelne Warenimportgeschäft gewährt wurde. Die Vorinstanz sah nach den tatsächlichen Feststellungen zutreffend bei den zur Finanzierung der Akkreditive aufgenommenen Bankkrediten einen Zusammenhang zwischen bestimmten Krediten und einzelnen Warenimportgeschäften - mit Ausnahme der nicht als Dauerschulden beurteilten Sonderkredite - nicht als erwiesen an. Grundsätzlich gehört nach ständiger Rechtsprechung bei Kontokorrentverhältnissen der während eines längeren Zeitraumes feststellbare Mindestkredit zu den Dauerschulden. Von dieser grundsätzlichen Beurteilung machte schon der Reichsfinanzhof (siehe Urteil I 132/39 vom 5. Dezember 1939, RStBl 1940, 27) eine Ausnahme, wenn die einzelne Bankschuld derart eng mit einem bestimmten Warengeschäft verknüpft war, daß sie trotz ihrer Zusammenfassung mit anderen Schulden im Schuldensaldo als selbständiges Kreditgeschäft erschien. Der RFH meinte, letzteres werde besonders dann angenommen werden können, wenn eine Bank die einzelne Warenlieferung gegen übertragung der Einziehung der Warenforderung bevorschusse und in der Folge die eingehende Forderung auf diesen Vorschuß verrechne. Der RFH forderte also in der Regel einen engen Zusammenhang zwischen den einzelnen Krediten und Warengeschäften bei Kreditaufnahme und Abwicklung des Warengeschäfts, wenn der Mindestschuldsaldo ausnahmsweise nicht eine Dauerschuld sein sollte.
Dieser Rechtsprechung des RFH folgte auch der BFH. Mit der Beurteilung von Kontokorrentkrediten befaßten sich von den im BStBl veröffentlichten Entscheidungen besonders die Urteile des BFH I 172/58 U vom 1. Dezember 1959 (BFH 70, 137, BStBl III 1960, 51, Edeka-Urteil) und I 54/60 U vom 25. Juli 1961 (BFH 73, 427, BStBl III 1961, 422). Danach sollte eine Auflösung der laufenden Kreditgewährungen in einzelne, steuerlich für sich zu beurteilende Kreditgeschäfte nur zulässig sein, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kreditgewährungen, den einzelnen Warengeschäften und deren Abwicklung festgestellt werden kann. Hierzu führte das Urteil des BFH I 172/58 U aus, dieser Zusammenhang müsse von den Beteiligten vertraglich begründet und bei der Abwicklung der Geschäfte auch tatsächlich gewährt worden sein. Das sei z. B. in der Regel der Fall, wenn der Kredit jeweils nach dem Umfang der Warengeschäfte bemessen werde und zur Abdeckung des Kredits die Forderungen aus den Warengeschäften an die Bank abgetreten und von dieser oder von dem Unternehmen für die Bank eingezogen würden. Ein allgemeiner Geschäftskredit, den eine Bank für eine längere Zeit als Kontokorrentkredit bis zu einer bestimmten Höchstgrenze einräume, sei kein mit laufenden Warengeschäften zusammenhängender Kredit. Das gelte auch, wenn die Beteiligten den Kredit zur Finanzierung von Warengeschäften gewährt und aufgenommen hätten: denn bei einem solchen Kredit fehle die Verknüpfung mit einzelnen laufenden Geschäftsvorgängen (vgl. auch Urteile I 206/62 vom 4. November 1964, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 12, Rechtsspruch 57, und I 173/62 vom 10. Dezember 1964, HFR 1965 S. 223). Im Urteil I 206/62 forderte der BFH, daß die Erfüllung dieser Voraussetzungen "nachprüfbar sichergestellt" sein müsse. Für einen Sonderfall der Warenfinanzierung, nämlich die Absatzfinanzierung durch Darlehnsgewährung an Kunden mit Hilfe eines dem Verkäufer von einer Bank gewährten Kontokorrentkredits, sagte der VI. Senat im Urteil VI 173/63 U, daß die Forderungen auf Darlehnsrückzahlungen der kreditgewährenden Bank abgetreten werden müßten.
Erstmals stellte ohne nähere Ausführungen zur bisherigen Rechtsprechung der I. Senat im Urteil I 202/64 U vom 22. Juni 1965 (BFH 82, 657, BStBl III 1965, 484) zum Wechsel-Scheckverfahren geringere Anforderungen an den Zusammenhang zwischen dem einzelnen Kredit und der Abwicklung des Warengeschäfts. Zwar sagt das Urteil eingangs, ein Mindestkredit müsse als Dauerschuld angesehen werden, wenn nicht nachgeprüft werden könne, daß der für einen ganz bestimmten Wareneinkauf aufgenommene Einzelkredit innerhalb einer bestimmten Zeit tatsächlich abgedeckt worden sei. Der Zusammenhang von Wechselkredit und Warengeschäft bestand aber in dem vom I. Senat entschiedenen Fall nur noch bei der Kreditaufnahme (der Bank mußte das dem Wechsel zugrunde liegende Warengeschäft nachgewiesen werden). Darüber, inwieweit die Abwicklung des Wechselkredits von der kreditgebenden Bank weiterverfolgt wurde oder weiterverfolgt werden konnte, sagte das Urteil nichts. Man kann aber davon ausgehen, daß die kreditgebende Bank der Eingang der Erlöse aus dem Weiterverkauf der Ware bei pünktlicher Einlösung des Wechsels nicht interessierte.
Die hierin liegende Verminderung der Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Kredit und Abwicklung des Warengeschäfts ist nicht unbedenklich. Dem Kreditnehmer ist es nunmehr möglich, nach Eingang des Erlöses aus dem Weiterverkauf der Ware vor Fälligkeit des Wechsels mit der Wechselsumme andere Vorhaben als das Warengeschäft zu finanzieren. Damit ändert sich nicht nur nach rechtlicher, sondern auch nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Charakter der Schuld. Deshalb muß zumindest gefordert werden, daß ein zur Warenfinanzierung gewährter laufender Wechselkredit (durch Wechsel gesicherter Kontokorrentkredit) mit der Auflage verbunden wird, ihn mit dem Erlös der Waren abzudecken. Andernfalls können bei laufenden, durch Annahme von Wechseln gewährten Bankkrediten erhebliche Beträge zur Warenfinanzierung aufgenommen und bei vorzeitigem Eingang des Verkaufserlöses für die Restlaufzeit ohne gewerbesteuerliche Belastung für allgemeine Finanzierungen verwendet werden. Wenn man das zuließe, wäre es dem Geschick des Kaufmanns überlassen, der gewerbesteuerlichen Belastung des Mindestsaldos eines Kontokorrentkredits weitgehend auszuweichen.
Trotz dieser Bedenken stimmte der IV. Senat dem Urteil I 202/64 U zu, weil wenigstens die Lieferanten die Wechsel als Aussteller unterschrieben und mit einem Indossament versahen. Es ist unwahrscheinlich, daß ein Lieferant über die reine Warenfinanzierung hinaus für seine Abnehmer eine wechselmäßige Haftung übernimmt. Eine noch weitere Einschränkung der Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Einzelkredit und Warengeschäft hält der Senat in übereinstimmung mit dem VI. Senat des BFH für nicht mehr vereinbar mit dem GewStG. Er kann sich insbesondere dem Urteil I 33/65 vom 2. März 1966 (BFH 85, 192, BStBl III 1966, 280) nicht anschließen, das zwar einen anderen Sachverhalt als den des Streitfalls betrifft und deshalb den Senat nicht bindet, jedoch die Anforderungen an den Zusammenhang von Kredit und Warengeschäft weiter mindert. Der I. Senat hatte zu entscheiden, ob eine Dauerschuld in Höhe der Mindestschuld eines Kontokorrentkontos vorliege, wenn ein Dritter, z. B. auch eine Bank, laufend kurzfristige Wechselkredite für Wareneinkäufe des Steuerpflichtigen gewähre. Die Wechsel wurden in dem vom I. Senat entschiedenen Fall zum Fälligkeitstage bei Banken als Zahlstellen eingelöst. Die Lieferanten waren am Wechselkreditverhältnis nicht beteiligt. Werden die Lieferanten nicht mehr in die wechselmäßige Haftung einbezogen und besteht schließlich der Zusammenhang der Kreditgewährung mit einzelnen Warengeschäften nur in der wirtschaftlich und rechtlich bedeutungslosen Bezahlung der einzelnen Warenrechnungen durch den Kreditgeber zu Lasten des Kreditnehmers, fehlt jede Gewähr dafür, daß der Wechselkredit über die Warenfinanzierung hinaus nicht für die Finanzierung anderer Betriebsausgaben eingesetzt wird.
Wie das angefochtene Urteil für den Senat bindend feststellte, waren die Kontokorrentkonten der KG bei ihren Hausbanken keine reinen Kreditkonten zur Durchführung einzelner Warengeschäfte. Vielmehr wurden über diese Konten mehrere Kreditgeschäfte im Rahmen eines jeweils im voraus festgelegten Kreditvolumens durchgeführt. Die Kontokorrentkredite waren tatsächlich allgemeine Geschäftskredite, die in Höhe der Mindestsalden zu den Dauerschulden gehörten. Sie wurden nicht dadurch zu Krediten für einzelne Warengeschäfte, daß der Kreditnehmer dem Kreditgeber zur Sicherung laufend Forderungen aus Warenlieferungen abtrat oder eingekaufte Waren übereignete. Die Form der Sicherung sagt über den Charakter der Schuld als kurzfristige oder dauernde nichts aus. Hinzu kommt im vorliegenden Falle, daß die Sicherungsabtretungen nicht einmal immer vereinbart und, wenn sie vereinbart waren, nicht immer durchgeführt wurden.
Der Nachweis der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Krediten und Warengeschäften wird im vorliegenden Falle auch nicht ersetzt durch die für bestimmte Zeitabschnitte vorgenommene Aufgliederung der Konten in mit Warenbezahlungen zusammenhängenden und sonstigen Geldverkehr. Hieraus läßt sich nichts über den Zusammenhang zwischen einzelnen Warengeschäften und Kreditgewährungen und deren Abwicklung entnehmen. Sie zeigt nur, in welchem Umfang die allgemeinen Geschäftskredite der Finanzierung von Warenimporten dienten.
Fundstellen
Haufe-Index 412490 |
BStBl III 1967, 322 |
BFHE 1967, 134 |
BFHE 88, 134 |