Leitsatz (amtlich)
Werden von dem Liquidator einer GmbH in einem auf §§ 106, 109 AO gestützten Haftungsbescheid Körperschaftsteuern für mehrere Veranlagungszeiträume angefordert, muß aus dem Bescheid hervorgehen, welche Steuerbeträge für jeden einzelnen Veranlagungszeitraum von dem Haftungsschuldner verlangt werden.
Normenkette
AO § 97 Abs. 2, §§ 106, 109, 118 S. 1, § 210b Abs. 1, § 211 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Anfang 1969 zum Liquidator einer GmbH bestellt worden. Durch Vereinbarung vom 12. März 1969 übertrug er die Aktiva und Passiva auf den Hauptgesellschafter, der zugleich der Hauptgläubiger der Gesellschaft war. Die der GmbH noch verbliebenen 10 000 DM, die zur Deckung der Liquidationskosten bestimmt waren, überwies der Kläger dem Hauptgesellschafter am 19. Juni 1969. An diesem Tage wurde die GmbH im Handelsregister gelöscht. Ende Mai/Anfang Juni 1969 fand bei der GmbH eine Betriebsprüfung statt, die nach Auffassung des Beklagten und Revisionsklägers (FA) zu erheblichen Körperschaftsteuernachforderungen für 1965 und 1966 geführt hätte. Berichtigungsbescheide aufgrund der Betriebsprüfung sind gegen die GmbH nicht mehr ergangen.
Unter dem 11. Februar 1974 erließ das FA gegen den Kläger als den Liquidator der GmbH einen Haftungsbescheid des Inhalts, daß er seine Pflichten, Mittel zur Bezahlung der Steuerschulden der GmbH zurückzubehulten, schuldhaft verletzt habe. Dadurch seien Steueransprüche verkürzt worden. Die bei Beginn der Betriebsprüfung auf dem Liquidationskonto zur Verfügung stehenden freiverfügbaren Gelder hätten schätzungsweise 5 000 DM betragen. In Höhe dieses Betrages werde er - der Liquidator - als Haftender in Anspruch genommen und gebeten, innerhalb eines Monats 5 000 DM Körperschaftsteuer 1965 bis 1966 bei der Finanzkasse einzuzahlen.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, den Haftungsbescheid aufzuheben. Er machte geltend, er habe mit Körperschaftsteuernachforderungen nicht zu rechnen brauchen.
Das FG hob den Haftungsbescheid auf. Es führte aus, die eine Haftung des Klägers begründenden Tatsachen brauchten schon deshalb nicht geprüft zu werden, weil Haftungsansprüche gegen den Kläger inzwischen verjährt seien.
In seiner Revision trägt das FA vor, entgegen der Auffassung der Vorinstanz habe der Haftungsanspruch gegen den Kläger noch geltend gemacht werden können.
Das FA beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Der gegen den Kläger ergangene Haftungsbescheid war schon aus anderen als den vom FG angeführten Gründen aufzuheben.
Für Form und Inhalt eines auf §§ 106, 109 AO gestützten Haftungsbescheids gelten sinngemäß die Bestimmungen über Steuerbescheide (§ 97 Abs. 2, § 118 AO). In entsprechender Anwendung des § 210 b Abs. 1 AO ist ein auf Körperschaftsteuer lautender Haftungsbescheid schriftlich zu erteilen. Die Körperschaftsteuer gehört zu den dort erwähnten Steuern vom Einkommen. Zum notwendigen Inhalt des Haftungsbescheids, mit dem gegenüber dem Kläger eine Haftungsschuld und die Zulässigkeit ihrer Geltendmachung festgestellt worden sind, gehört die Angabe der genauen Höhe der geforderten Steuer (§ 97 Abs. 2 i. V. m. § 211 Abs. 1 Satz 1 AO). Das Gesetz verlangt, daß Haftungsbescheide, die nach den Steuergesetzen schriftlich zu erteilen sind, die Höhe der Steuer enthalten müssen (Beschluß des BFH vom 22. Oktober 1971 III B 12/71, BFHE 104, 37, BStBl II 1972, 181).
"Steuer" in diesem Sinne ist jeweils die einzelne Steuerschuld, nicht die Zusammenfassung mehrerer steuerlicher Verpflichtungen (BFH-Urteil vom 7. November 1973 II 201/65, BFHE 111, 548, BStBl II 1974, 386). Bei Sammelbescheiden müssen die auf die einzelnen Veranlagungszeiträume entfallenden Steuern betragsmäßig gesondert ausgewiesen werden (BFH-Beschluß vom 26. April 1967 IV B 7/67, BFHE 88, 234, BStBl III 1967, 344). Die Angabe der genauen Höhe jeder Steuerschuld ist unerläßlich (BFH-Beschluß vom 29. September 1976 I B 113/75, BFHE 120, 134, BStBl II 1977, 83).
Der vom FA gegen den Kläger erlassene Haftungsbescheid entspricht nicht diesen Voraussetzungen. Mit ihm werden in einer unaufgegliederten Summe - 5 000 DM - Körperschaftsteuern für zwei Veranlagungszeiträume (für 1965 und 1966) vom Kläger angefordert. Demzufolge ist ungewiß, welcher Teil der geschuldeten Gesamtsumme auf jeden Veranlagungszeitraum und damit auf jede einzelne zweier selbständiger Verbindlichkeiten (Körperschaftsteuer 1965 und Körperschaftsteuer 1966) entfällt, Das zu ermitteln darf nicht dem in Anspruch genommenen Haftungsschuldner überlassen werden. Das FA hätte die geforderte Gesamtsumme auf die beiden Veranlagungszeiträume aufteilen müssen. Zahlt ein Haftungsschuldner freiwillig oder zwangsweise nur einen Teil des von ihm geforderten Betrages, muß feststellbar sein, welche Verbindlichkeiten des Erstschuldners erloschen und welche von diesem noch zu erfüllen sind.
Da der angefochtene Haftungsbescheid schon aus formellen Gründen aufzuheben ist, kann der Senat nicht darauf eingehen, ob die materiellen Voraussetzungen der Haftung des Klägers gegeben sind oder ob die Ansprüche schon verjährt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 72260 |
BStBl II 1977, 366 |
BFHE 1977, 307 |