Leitsatz (amtlich)
Der sinngemäßen Anwendung von § 406 BGB im Recht der Ausfuhrerstattungen und des Währungsausgleichs entspricht es, daß die Kenntnis von der Vorausabtretung einer Erstattungsforderung nicht wie die Kenntnis von der Abtretung behandelt wird. Der Schuldner einer im voraus abgetretenen Erstattungsforderung (Finanzbehörde) kann gegenüber dem Abtretungsempfänger mit Rückforderungsansprüchen gegen den Abtretenden aufrechnen, die er vor oder spätestens bei Entstehen der Hauptforderung erwirbt und die nicht später als die Hauptforderung fällig werden.
Orientierungssatz
1. Für die Zahlungsklage dessen, dem der Erstattungsberechtigte Ansprüche auf Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich abgetreten hat, ist der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.1975 VII R 40/74).
2. Gegen die Abtretung bestimmter oder bestimmbarer künftiger Forderungen aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsverhältnis bestehen keine Bedenken (vgl. BFH-Urteil vom 25.4.1978 VII R 2/75). Die Möglichkeit der Abtretung von Rechten ist auch im Gemeinschaftsrecht anzuerkennen (vgl. EuGH-Urteil vom 13.11.1984 256, 257, 265 und 267/80, 5 und 51/81 und 282/82).
3. Für den "Erwerb" der Forderung i.S. von § 406 BGB ist es erforderlich und ausreichend, daß der Rechtsgrund der Gegenforderung spätestens bei Erlangen der Kenntnis von der Abtretung bestand (vgl. BFH-Rechtsprechung und BGH-Rechtsprechung). Eine Forderung kann schon erworben sein, wenn sie noch nicht vollwirksam und fällig, d.h. zur Aufrechnung geeignet ist, ein Anspruch auf Rückforderung von Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich schon, wenn ein Rückforderungsbescheid noch nicht ergangen und ein bereits begründeter Rückforderungsanspruch noch nicht im Rechtssinne entstanden ist.
Normenkette
AusfErstEWGV 1974 § 14 Abs. 1 Fassung: 1977-03-29; BGB § 406; AusfWAV § 10 Abs. 1; AusfErstEWGV 1980 § 19 Abs. 1; BGB § 398; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 16.12.1981; Aktenzeichen IV 118/80 H) |
Tatbestand
I. Die inzwischen aufgelöste Gesellschaft C, die sich mit dem Handel mit Getreideerzeugnissen befaßte, trat mit Erklärung vom 29.September 1978 ihre Ansprüche gegen den Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) auf Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich "aufgrund von Exporten in Drittländer" an die ...-Bank als Sicherheit für alle Bankansprüche ab. Die Bank zeigte die Abtretung dem HZA mit dem bei diesem am 3.November 1978 eingegangenen Schreiben vom 1.November 1978 an. Jetziger Gläubiger der Forderung ist aufgrund des mit der Bank am 17./23.Dezember 1980 geschlossenen Abtretungsvertrags der Kläger und Revisionskläger (Kläger).
Das HZA gewährte der C für Maisgrieß, den diese in der Zeit von Oktober 1978 bis September 1979 nach Mitgliedstaaten und Drittländern ausgeführt hatte, Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleich aufgrund von Erstattungsbescheiden, die vom 7.Dezember 1978 bis 2.November 1979 ergingen. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 31.Januar 1980 forderte das HZA von C Ausfuhrerstattung in Höhe von 2 486 117,28 DM und Währungsausgleich in Höhe von 223 375,75 DM zurück, weil von einer anderen als der angemeldeten Beschaffenheit der ausgeführten Waren auszugehen sei und daher zu hohe Ausfuhrvergünstigungen berechnet worden seien.
Für Maisgrieß, den C in der Zeit von April bis Juli und September bis Dezember 1979 nach Mitgliedstaaten und Drittländern ausgeführt hatte, setzte das HZA in dem Bescheid vom 31.Januar 1980 Ausfuhrerstattung in Höhe von 263 388,64 DM, Währungsausgleich (Mitgliedstaaten) in Höhe von 191 028,40 DM und Währungsausgleich (Drittländer) in Höhe von 161 191,86 DM fest. Gegen die Ansprüche auf Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich (Drittländer), zusammen 424 580,50 DM, rechnete das HZA mit Erklärung vom 31.Januar 1980, unter Angabe der einzelnen Aktiv- und Passivforderungen wiederholt mit Schreiben vom 6.Januar 1981, gegenüber der Bank Ansprüche auf Rückzahlung von Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich in gleicher Höhe auf.
Da die Bank die Aufrechnung für unwirksam hielt, erhob sie gegen das HZA Klage auf Zahlung von 424 580,50 DM. Durch das angefochtene Urteil vom 16.Dezember 1981 IV 118/80 H (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 1982, 311) wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab, weil das HZA wirksam aufgerechnet habe (§ 406 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--).
Mit seiner Revision rügt der Kläger, der als Abtretungsempfänger der Bank mit Einwilligung des HZA den Rechtsstreit übernommen hatte, Verletzung des § 406 BGB, der, auch bei sinngemäßer Anwendung im Ausfuhrerstattungsrecht, im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), nämlich dahin auszulegen sei, daß die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichstehe. Wisse der Schuldner von einer Vorausabtretung, so sei er nicht gutgläubig und könne --typischerweise-- nicht damit rechnen, Forderungen aufzurechnen, die er dann noch erwerbe. Daß im Ausfuhrerstattungsrecht Vertragsfreiheit nicht bestehe, sei kein Grund, Vorausabtretungen anders zu behandeln als andere Zessionen. Anderenfalls sei die im Sinne der Förderung der Ausfuhr von Marktordnungswaren liegende Finanzierung von Ausfuhrgeschäften durch Banken nicht möglich.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch durch Aufrechnung erloschen ist. Dies ergäbe sich, ohne daß es einer Anwendung von § 406 BGB bedürfte, ohne weiteres, wenn davon auszugehen wäre, daß das HZA Beträge an Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich in Höhe der Klageforderung --ohne Rechtsgrund-- an die Bank gezahlt hat, der die C sicherungshalber Forderungen im voraus abgetreten hatte, und daß das HZA Rückforderungsansprüche gegen die Bank dieser gegenüber aufgerechnet hat (§§ 387 bis 389 BGB sinngemäß). Es kann jedoch dahinstehen, ob sich den Feststellungen des FG entnehmen läßt, das HZA habe an die Bank gezahlt, ferner, ob in diesem Falle gegen die Bank Rückforderungsansprüche bestanden (vgl. dazu --für rechtsgrundlose Zahlungen auf Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis-- § 37 Abs.2 der Abgabenordnung --AO 1977--; s. ferner Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.Juni 1978 VI R 20/77, BFHE 125, 343, 346, BStBl II 1978, 608, 609). Denn wäre auf Grund der den Senat gemäß § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen der Vorinstanz von einer --rechtsgrundlosen-- Zahlung an die C (nicht die Bank) auszugehen, damit von einem Rückforderungsanspruch des HZA gegen C, so hätte das HZA trotz Kenntnis der Vorausabtretung durch C an die Bank seine vor Entstehung der Forderungen der C --Gegenstand der Klage-- erworbenen Rückforderungsansprüche gegen C in sinngemäßer Anwendung von § 406 BGB wirksam gegen die Bank --Einzelrechtsvorgängerin des Klägers-- aufgerechnet.
1. Mit Recht ist das FG --stillschweigend-- davon ausgegangen, daß für die Zahlungsklage dessen, dem der Erstattungsberechtigte Ansprüche auf Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich abgetreten hat, der Finanzrechtsweg gegeben ist (Senat, Urteil vom 14.Oktober 1975 VII R 40/74, BFHE 117, 23, 26 ff.) und daß gegen die Abtretung bestimmter oder --wie hier-- bestimmbarer künftiger Forderungen aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsverhältnis Bedenken nicht bestehen (Urteil des erkennenden Senats vom 25.April 1978 VII R 2/75, BFHE 125, 138, 141, BStBl II 1978, 464, 465 f.).
Die Möglichkeit der Abtretung von Rechten ist auch im Gemeinschaftsrecht anzuerkennen (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Urteil vom 13.November 1984 Rs. 256, 257, 265 und 267/80, 5 und 51/81 und 282/82, Abs.10 der Urteilsgründe - Produktionserstattungen).
2. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. Urteil vom 18.Dezember 1979 VII R 18/77, BFHE 129, 450, 451, 458), finden mangels besonderer Vorschriften über die Aufrechnung öffentlich-rechtlicher Forderungen die Vorschriften des BGB --damit auch § 406-- im Recht der Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträge sinngemäß Anwendung. Dies gelte auch für die Einschränkungen, die in dem mit "es sei denn" beginnenden Halbsatz des § 406 BGB zum Ausdruck kommen. Gegen diese beiläufig geäußerte und nicht näher begründete Auffassung --zu § 406 Halbsatz 2 BGB--, die für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche zutrifft (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., § 226 AO 1977 Tz.4, 10), könnte eingewandt werden, der Ausschluß der Aufrechnung einer nach Kenntnis der Abtretung erworbenen Forderung passe nicht für Fälle, in denen --wie in dem hier maßgebenden öffentlich-rechtlichen Bereich-- der Erwerb einer etwaigen Gegenforderung nicht im Belieben der Verwaltung steht (vgl. BFHE 129, 450, 459; s. auch nachstehend Nr.3, b, cc), diese sich auch nicht durch Vereinbarung eines Abtretungsverbots schützen kann. Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch bei sinngemäßer Anwendung von § 406 Halbsatz 2 BGB wäre die Aufrechnung durch das HZA nicht ausgeschlossen.
3. § 406 BGB gestattet dem Schuldner grundsätzlich die Aufrechnung einer ihm gegen den Abtretenden (Zedenten) zustehenden Forderung auch gegenüber dem Abtretungsempfänger (Zessionar). Diese im Interesse des Schuldnerschutzes gegebene Möglichkeit besteht nur dann nicht, wenn der Schuldner beim Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder wenn die Forderung erst nach Erlangen der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
Keiner dieser Fälle ("es sei denn") steht der Aufrechnung der Rückforderungsansprüche entgegen, die ihren Rechtsgrund in der bestandskräftig gewordenen Rückforderung gemäß § 14 Abs.1 der Verordnung Ausfuhrerstattung EWG 1974 in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.März 1977 (BGBl I, 525) und --für den Währungsausgleich-- in den in Abschn.VII der Bekanntmachung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 30.Mai 1973 (Bundesanzeiger Nr.103 vom 5.Juni 1973, Bundeszollblatt 1973, 654; s. dazu auch Senat, Urteil vom 2.November 1982 VII R 61/80, BFHE 137, 107, 109) zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsätzen haben (vgl. jetzt § 19 Abs.1 der Verordnung Ausfuhrerstattung EWG vom 19.März 1980, BGBl I, 323, und § 10 Abs.1 der Ausfuhr-Währungsausgleichs-Verordnung vom 9.Dezember 1980, BGBl I, 2242).
a) Allerdings hat der BGH in seinem vom FG angeführten Urteil vom 2.Juni 1976 VIII ZR 267/74 (BGHZ 66, 384, 387), auf das der Kläger sich beruft, entschieden, die Kenntnis der Vorausabtretung stehe der Kenntnis der Abtretung i.S. des § 406 BGB gleich, weil das Vertrauen des Schuldners auf die Aufrechnungslage, gleichgültig, wann der Abtretungstatbestand vollendet ist, nur schutzwürdig sei, wenn der Schuldner die Vorausabtretung zur Zeit des Erwerbs seiner Forderung nicht kannte. Überdies --so der BGH-- stehe es dem Schuldner bei Kenntnis einer Vorausabtretung ebenso wie bei Kenntnis einer Abtretung frei, eine Verbindlichkeit nicht einzugehen, wenn es ihm auf die Aufrechnungsmöglichkeit ankomme.
Gegen diese Auffassung sind im Schrifttum beachtliche Bedenken erhoben worden, so von Denck (Der Betrieb, 1977, 1493, 1494 f.), der darauf hinweist, die BGH-Entscheidung vernachlässige den neben dem Vertrauensschutz des Schuldners bestehenden "Einwendungsschutz" (§ 404 BGB), der dazu führe, daß dem Schuldner bei einer schon vor der Zession gegebenen Aufrechnungslage durch die Abtretung die Möglichkeit nachträglicher Aufrechnung nicht entzogen werden könne; daher dürfe für den Aufrechnungsschutz insoweit nicht die Kenntnis der Vorausabtretung, sondern allein der Zeitpunkt der Forderungsentstehung maßgebend sein (vgl. ferner die Kritik von Serick, Betriebs- Berater, 1982, 873, 875; zweifelnd --für kraft Gesetzes erworbene Gegenforderungen-- auch Roth in Münchener Kommentar zum BGB, 1.Aufl., § 406 Rdnr.21).
Wäre auch für das Recht der Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträge davon auszugehen, daß die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichsteht, so wäre die Klageforderung, je nachdem, welcher Zeitpunkt für den Erwerb der Rückforderungsansprüche anzunehmen wäre, entweder überhaupt nicht oder nur zu einem geringen Teil durch Aufrechnung erloschen.
b) Einer abschließenden Auseinandersetzung mit der Streitfrage bedarf es nicht. Denn im Recht der Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträge darf bei der hier gebotenen sinngemäßen Anwendung des § 406 BGB der Kenntnis einer Vorausabtretung nicht die Wirkung der Kenntnis einer Abtretung beigelegt werden, und zwar auch dann nicht, wenn --wie der BGH meint-- nach bürgerlichem Recht eine solche Gleichstellung besteht. Vielmehr ist für das Recht der Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträge davon auszugehen, daß der Schuldner einer vorauszedierten Erstattungsforderung bei sinngemäßer Anwendung des § 406 BGB Rückforderungsansprüche aufrechnen kann, die er zwar nach Kenntnis der Vorausabtretung, jedoch spätestens im Zeitpunkt des Entstehens der Hauptforderung (Passivforderung) erworben hat, vorausgesetzt, die Gegenforderung (Aktivforderung) ist nicht später als die Passivforderung fällig geworden. Damit entscheidet der Senat die in BFHE 129, 450, 459, 460 offengelassene Frage, ob die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis einer Abtretung gleichsteht oder ob nicht --jedenfalls für den öffentlich-rechtlichen Bereich, in dem der Erwerb einer etwaigen Gegenforderung nicht im Belieben der Verwaltung steht-- auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen ist, im Sinne der zweiten Alternative.
aa) Wenn der Kläger meint, § 406 BGB sei hier entweder gar nicht oder "ganz, wenngleich nur entsprechend" --d.h. so, wie vom BGH ausgelegt-- anzuwenden, so kann ihm nicht gefolgt werden. Denn die bloß sinngemäße Anwendung, wie sie z.B. § 226 AO 1977 für die Aufrechnungsvorschriften des bürgerlichen Rechts bei der Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis oder bei der Aufrechnung gegen solche Ansprüche vorsieht, bedeutet gerade die Übertragung des Regelungsgehalts einer Norm in einen anderen Normbereich nur insoweit, als dessen Sinn und Zweck nicht entgegenstehen. So verhält es sich hier, weil Sinn und Zweck des Rechts der Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträge es ausschließen, die öffentliche Hand als Schuldner der Erstattungen und des Währungsausgleichs nach Kenntnis von einer Vorausabtretung mit dem Risiko der Insolvenz des Zedenten zu belasten.
bb) Dieses Risiko ist --wird die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichgestellt-- bei Vorausabtretung größer als im Falle der Abtretung einer bestehenden Forderung. Allerdings riskiert der Schuldner auch bei Abtretung einer bestehenden Forderung, wenn er nach Kenntnis von der Abtretung eine Aktivforderung erwirbt, die er dem Zessionar gegenüber nicht aufrechnen kann, daß der Zedent zahlungsunfähig wird. Von dieser Risikoverteilung ist auch für das öffentliche Recht auszugehen, weil es insoweit --wie der Kläger zutreffend ausführt-- keinen Unterschied macht, ob Aktiv- und Passivforderungen bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art sind, ob sie durch Vertrag oder kraft Gesetzes entstehen. Im Falle der Abtretung einer bestehenden Forderung weiß der Schuldner indessen, wie hoch die abgetretene Forderung ist, während er bei Kenntnis einer Vorausabtretung nur weiß, daß der Zedent über die Forderung verfügt hat und daß sie bei Entstehen --in unbekannter Höhe-- dem Zessionar zustehen wird. Dieser Unterschied hat praktische Auswirkungen. Denn im ersten Falle (Abtretung einer bestehenden Forderung) braucht der Schuldner, der Kenntnis von der Abtretung hat, nur damit zu rechnen, daß er mit einer später erworbenen Aktivforderung gegen den Zedenten bei dessen Zahlungsunfähigkeit wegen der Nichtaufrechenbarkeit dem Zessionar gegenüber bis zur Höhe der Passivforderung ausfällt. Eine entsprechende Einschätzung ist dem Schuldner im zweiten Falle (Vorausabtretung) dagegen nicht möglich, weil er die Höhe der vorauszedierten Forderung nicht kennt; er muß, wenn er vor oder bei Entstehen der Passivforderung, aber nach Kenntnis von der Vorausabtretung, eine Aktivforderung erwirbt, ein durch die Nichtaufrechenbarkeit gegenüber dem Zessionar bedingtes Ausfallrisiko in unbekannter Höhe gewärtigen.
Dieses besondere Risiko steigert sich noch, wenn --wie hier-- nicht nur eine künftige Forderung, sondern eine Vielzahl noch nicht bestehender Forderungen abgetreten wird, deren Entstehungsgrund in ferner Zukunft liegen kann, bei Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträgen allein von Ausfuhren und Anträgen des Zedenten abhängig.
cc) Wie das FG rechtsfehlerfrei erkannt hat, entspricht es nicht dem gebotenen Interessenausgleich, wenn sich der Ausführer durch die Vorausabtretung von Erstattungsansprüchen über die Vorfinanzierung der Ausfuhrgeschäfte durch eine Bank höhere Erstattungen sichern könnte als sie ihm wirtschaftlich --nämlich bei Berücksichtigung spätestens gleichzeitig mit der Entstehung der Passivforderung vom Schuldner erworbener Rückforderungsansprüche-- insgesamt zustehen. Dies ergibt sich aus der Besonderheit der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen der Verwaltung als Gläubigerin der Rückforderungsansprüche und dem erstattungsberechtigten Schuldner solcher Forderungen. Die Beziehung ist dadurch gekennzeichnet, daß --typischerweise-- fortlaufend der Rechtsgrund von Rückforderungsansprüchen gelegt wird, soweit unter unberechtigter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleich Waren ausgeführt werden. Damit unterscheidet sich das Erstattungsrechtsverhältnis von anderen Rechtsbeziehungen, die nur gelegentlich kraft Gesetzes entstehende Ansprüche begründen. Schon bei diesen Ansprüchen ist es zweifelhaft, ob ihre Aufrechnung gegen den Zessionar einer vorauszedierten Forderung auszuschließen ist, wenn sie nach Kenntnis von einer Vorausabtretung erworben werden (vgl. Roth in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.). Für Rückforderungsansprüche aus dem Erstattungsrechtsverhältnis kann ein Aufrechnungsausschluß jedenfalls nicht gelten, weil sonst die Möglichkeit der Rückforderung, die auch Pflicht der Verwaltung ist, weitgehend ausgeschlossen würde. Denn durch eine Vorausabtretung würde bei Zahlungsunfähigkeit des Zedenten die Realisierung nicht nur eines vereinzelt später erworbenen Rückforderungsanspruchs, sondern in der Regel die einer unbestimmten Vielzahl von Rückforderungsansprüchen verhindert werden.
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß der BGH seine angeführte Entscheidung auch --"überdies"-- auf die Erwägung gestützt hat, daß es dem Schuldner, der die Vorausabtretung kenne, wie bei Kenntnis einer Abtretung freistehe, eine Verbindlichkeit nicht einzugehen, falls es ihm auf die Aufrechnungsmöglichkeit ankomme (auch insoweit kritisch Serick, a.a.O., S.876 f.). Der Verwaltung steht es indessen nicht frei, eine "Verbindlichkeit" --hier: das die Erstattungsforderungen und gegebenenfalls Rückforderungen begründende Erstattungsrechtsverhältnis-- einzugehen, denn sie ist gesetzlich verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen, die nicht von ihr geschaffen werden, Erstattungen zu gewähren und Rückforderungen geltend zu machen. In diesem Sinne ist der Hinweis des FG berechtigt, im Agrarverwaltungsrecht bestehe --anders als im bürgerlichen Recht-- keine "Vertragsfreiheit".
Dieses Ergebnis --kein Ausschluß der Aufrechnung von Rückforderungsansprüchen, die spätestens bei Entstehen der Passivforderung auf Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich erworben werden-- wird bestätigt durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Wiedereinziehung der zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts --hier: des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft-- rechtsgrundlos gezahlten Beträge. Nach Art.8 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.729/70 des Rates vom 21.April 1970 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 94/13 vom 28.April 1970) treffen die Mitgliedstaaten --wenn auch nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts-- die erforderlichen Maßnahmen, um die infolge von Unregelmäßigkeiten abgeflossenen Beträge wieder einzuziehen. Nach Art.3 und 5 der Verordnung (EWG) Nr. 283/72 des Rates betreffend die Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems vom 7.Februar 1972 (ABlEG L 36/1 vom 10.Februar 1972) unterrichten die Mitgliedstaaten die Kommission der Europäischen Gemeinschaften über amtlich oder gerichtlich festgestellte Unregelmäßigkeiten, deren finanzielle Auswirkungen sowie Möglichkeiten und Maßnahmen der Wiedereinziehung. Diesen Vorschriften, die auch für den Währungsausgleich gelten (Art.7 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 974/71 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2746/72 des Rates vom 19.Dezember 1972, ABlEG L 291/148 vom 28.Dezember 1972), liegt ersichtlich die Erwägung zugrunde, daß alle nach innerstaatlichem Recht bestehenden Möglichkeiten der "Wiedereinziehung" auszuschöpfen sind (vgl. auch das Urteil des EuGH vom 21.September 1983 Rs. 205-215/82, EuGHE 1983, 2633, 2666, Absatz 22 der Urteilsgründe).
Mit dieser Zielsetzung wäre es unvereinbar, der öffentlichen Hand durch die bloße Anzeige der Vorausabtretung von Erstattungsansprüchen ein für allemal die Möglichkeit einer Aufrechnung von Rückforderungsansprüchen zu nehmen, die vor oder spätestens bei Entstehen der Passivforderung erworben werden. Es widerspräche zudem dem Gebot der Gleichbehandlung, das auch das Gemeinschaftsrecht der Ausfuhrvergünstigungen beherrscht (vgl. EuGH-Urteil vom 5.März 1980 Rs. 265/78, EuGHE 1980, 617, 628), könnte ein künftiger Ausführer sich durch Vorfinanzierung Erstattungsbeträge voll sichern, während der Inhaber einer bereits bestehenden Erstattungsforderung --auch der Zessionar, soweit § 406 BGB nicht entgegensteht-- sich die Aufrechnung einer Aktivforderung der Verwaltung gefallen lassen müßte. Das wirtschaftliche Interesse der am Erstattungsrechtsverhältnis nicht beteiligten Bank, als Zessionar vorauszedierter Erstattungsansprüche gegen die Aufrechnung von Rückforderungsansprüchen geschützt zu sein, die der Schuldner nach Kenntnis der Vorausabtretung, aber vor oder bei Entstehen der Passivforderung erwirbt, muß dabei unberücksichtigt bleiben oder jedenfalls hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst vollständigen "Wiedereinziehung" zu Unrecht gezahlter Erstattungen zurücktreten.
c) Die Aufrechnungsvoraussetzungen liegen im Streitfalle vor.
Für den "Erwerb" der Forderung i.S. von § 406 BGB ist es, wie der Senat in BFHE 129, 450, 458 näher ausgeführt hat, erforderlich und ausreichend, daß der Rechtsgrund der Gegenforderung spätestens bei Erlangen der Kenntnis von der Abtretung bestand (vgl. auch BGH, Urteil vom 22.November 1979 VII ZR 322/78, Neue Juristische Wochenschrift 1980, 584, 585). Eine Forderung kann schon erworben sein, wenn sie noch nicht vollwirksam und fällig, d.h. zur Aufrechnung geeignet ist (vgl. §§ 389, 387 BGB), ein Anspruch auf Rückforderung von Ausfuhrerstattung und Währungsausgleich schon, wenn ein Rückforderungsbescheid noch nicht ergangen und ein bereits begründeter Rückforderungsanspruch noch nicht im Rechtssinne entstanden ist. Nur über die Entstehung eines zur Aufrechnung geeigneten Rückforderungsanspruchs hat der Senat in seinem Urteil vom 6.März 1979 VII R 112/75 (BFHE 127, 457, 460) entschieden, nicht dagegen --wie das FG zu vermuten scheint--, Rückforderungsansprüche würden erst mit dem Erlaß des Rückforderungsbescheids erworben.
Der Rechtsgrund der Rückforderungsansprüche liegt in dem Erstattungsrechtsverhältnis, das entweder schon mit dem Antrag auf Erteilung des Ausfuhrkontrollexemplars durch die Versandzollstelle für die jeweils betroffenen Erstattungswaren oder spätestens mit Stellen des Erstattungsantrags durch den Zedenten entstand (BFHE 129, 450, 459). Der Senat kann auch im Streitfalle unentschieden lassen, von welchem dieser beiden Zeitpunkte auszugehen ist. Denn den mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen, die jedenfalls nicht vor Begründung des Erstattungsrechtsverhältnisses (frühestens April 1979) entstanden waren, stehen, wie vom FG festgestellt, ältere Rückforderungsansprüche aus dem Jahre 1978 gegenüber, deren Höhe mindestens der der Klageforderung entspricht. Daß das FG diese Gegenforderungen als erst mit den rechtsgrundlosen Zahlungen erworben ansieht, wirkt sich in diesem Zusammenhang nicht aus, weil der Gesamtbetrag an Gegenforderungen bei Zugrundelegung der Auffassung des Senats, nach der es auf die Begründung des Erstattungsrechtsverhältnisses ankommt, nur höher, jedenfalls nicht niedriger sein kann.
4. Der Aufrechnung durch das HZA stand auch der weitere Aufrechnungsausschlußgrund aus § 406 BGB --Fälligwerden der Rückforderung erst nach Erlangen der Kenntnis "und später als die abgetretene Forderung"-- nicht entgegen. Denn der Rückforderungsanspruch ist, wie das FG zutreffend entschieden hat, zugleich mit dem Erstattungsanspruch mit Zugang des Bescheides vom 31.Januar 1980 fällig geworden (vgl. auch insoweit BFHE 129, 450, 460).
Fundstellen
Haufe-Index 60682 |
BFHE 144, 92 |
BFHE 1986, 92 |
HFR 1985, 448-449 (ST) |