Entscheidungsstichwort (Thema)
Handelsrecht Gesellschaftsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Für die Unterbrechung der Verjährungsfrist durch den Erlaß eines Haftungsbescheids kommt es auf den Zeitpunkt des Zugehens nicht an.
Normenkette
AO §§ 147, 149
Tatbestand
Der Bf. war Geschäftsführer einer inzwischen in Konkurs gegangenen GmbH. Streitig ist, ob das Finanzamt ihn wegen nicht abgeführter Lohnsteuer, Lohn-Kirchensteuer und Abgabe "Notopfer Berlin" für die Jahre 1949, 1950 von insgesamt 3.165,87 DM als Haftenden in Anspruch nehmen konnte.
Nachdem das Finanzamt im Konkursverfahren der GmbH mit seinen Ansprüchen auf die genannten Steuerabzugsbeträge ausgefallen war, erließ es mit Datum vom 28. Dezember 1955 gegenüber dem Bf. unter Hinweis auf § 109 Abs. 1 AO einen Haftungsbescheid. Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Berufung, mit der der Bf. die Voraussetzungen einer Haftung bestritt, in erster Linie aber sich darauf berief, daß die geltend gemachten Ansprüche ihm gegenüber verjährt seien, hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht bejahte die Voraussetzungen der Haftung gemäß §§ 103, 109 Abs. 1 AO und verneinte den Eintritt der Verjährung. Zwar laufe die Verjährung bei jedem zur Zahlung der Steuer Verpflichteten gesondert. Eine die Verjährung unterbrechende Handlung gegenüber dem Steuerschuldner wirke jedoch auch gegenüber dem für die Steuerschuld gemäß § 109 AO Haftenden, wenn dieser alleiniger gesetzlicher Vertreter des Steuerschuldners sei. Das Finanzamt habe sich wiederholt in den Jahren 1950, 1951, 1953 bis 1955 zunächst (im April 1950) an die GmbH und später an den Konkursverwalter wegen der Steuerrückstände gewandt. Hierdurch sei die Verjährung gegenüber der GmbH unterbrochen worden. Diese Unterbrechung wirke auch gegenüber dem alleinigen gesetzlichen Vertreter der GmbH, als welcher der Bf. haftbar gemacht worden sei.
Mit der Rb. wendet der Bf. weiterhin Verjährung ein. Die Verjährung gegen ihn als Haftungsschuldner laufe gesondert. Daß nach der Rechtsprechung ausnahmsweise die Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Steuerschuldner auch gegenüber dem Haftenden wirke, wenn dieser alleiniger gesetzlicher Vertreter des Steuerschuldners gewesen sei, sei nur gerechtfertigt, soweit der Haftende als gesetzlicher Vertreter des Schuldners von der Unterbrechungshandlung Kenntnis erlangt habe. Der Bf. habe jedoch in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer letztmalig am 18. Oktober 1950 an das Finanzamt geschrieben. Später habe sich das Finanzamt nur noch an den Konkursverwalter gewendet. Diese Unterbrechungshandlungen wirkten nicht gegen ihn als Haftenden, weil er mit Konkurseröffnung als Handlungsorgan der GmbH weggefallen sei. Der Haftungstatbestand sei somit im Jahre 1950 gesetzt worden und mangels einer Unterbrechung sei die Verjährung am 31. Dezember 1955 eingetreten. Erst nach Eintritt der Verjährung, nämlich Anfang 1956, sei ihm der Haftungsbescheid vom 28. Dezember 1955 zugegangen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zutreffend hat die Vorinstanz unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 319/52 U vom 19. Februar 1953 (BStBl 1953 III S. 161, Slg. Bd. 57 S. 412) die Voraussetzungen der Haftung des Bf. gemäß § 109 Abs. 1 in Verbindung mit § 103 AO für die nicht abgeführten Steuerabzugsbeträge bejaht. Der mit der Rb. allein noch erhobene Einwand der Verjährung ist nicht begründet. Es bedarf im Streitfalle entgegen der Auffassung des Bf. keiner Entscheidung darüber, ob der im Urteil des Reichsfinanzhofs I 345/38 vom 17. Januar 1939 (RStBl 1939 S. 325) aufgestellte, vom Schrifttum (vgl. Kühn, Reichsabgabenordnung, 5. Auflage, § 147 Anm. 5 am Ende; Berger, Die Reichsabgabenordnung nach ihren Schwerpunkten, § 147 Anm. b 2 b ff.; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, § 147 Anm. 6) überwiegend bejahte und auch vom erkennenden Senat anerkannte Grundsatz, daß eine Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Steuerschuldner auch gegenüber dem nach § 109 Abs. 1 AO haftenden alleinigen gesetzlichen Vertreter des Schuldners wirkt, auch dann gilt, wenn der gesetzliche Vertreter in der Geschäftsführung durch Konkurseröffnung eingeschränkt ist und die Unterbrechungshandlung gegenüber dem Konkursverwalter vorgenommen wird. Unstreitig hat im Jahre 1950, auch vor der Konkurseröffnung, das Finanzamt mit dem Bf. als Geschäftsführer der GmbH über die Steuerrückstände verhandelt. Damit wurde die Verjährungsfrist von fünf Jahren (ß 144 AO) gegenüber dem Bf. als Haftenden jedenfalls nicht vor Ablauf des Jahres 1950 (ß 145 Abs. 1 AO) in Lauf gesetzt. Es kann dahingestellt bleiben, ob weitere Unterbrechungshandlungen gegenüber der GmbH auch gegenüber dem Bf. als Haftenden wirksam waren oder ob gar, wie der Reichsfinanzhof in der Entscheidung vom 17. Januar 1939 (a. a. O.) angedeutet hat und wofür vieles zu sprechen scheint, davon ausgegangen werden muß, daß die Verjährung des Haftungsanspruchs nach § 109 AO nicht vor Verjährung des Steueranspruchs selbst eintreten kann, weil der nach § 109 AO Haftende vielfach, solange der Anspruch nur gegenüber dem (anderen) Verpflichteten zu verwirklichen ist, einwenden kann, daß seine Inanspruchnahme sich nach § 2 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes als Ermessensmißbrauch darstelle. Im Streitfalle ist die Verjährungsfrist, auch wenn sie, wie der Bf. annimmt, nur bis zum Ende des Jahres 1955 lief, durch den Haftungsbescheid vom 28. Dezember 1955 rechtzeitig unterbrochen worden. Der Bf. irrt, wenn er glaubt, daß die Verjährung nicht rechtzeitig unterbrochen worden sei, weil der Zeitpunkt der Ersatzzustellung nach § 17 des Verwaltungszustellungsgesetzes nach dem 31. Dezember 1955 liege. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Unterbrechung ist nicht, ob und wann der Verpflichtete von der Unterbrechungshandlung Kenntnis erlangt; maßgeblich ist vielmehr, wann das Finanzamt eine Handlung im Sinne von § 147 Abs. 1 AO vornimmt, die nicht nur eine innerdienstliche Maßnahme darstellt, sondern nach außen zu wirken bestimmt ist. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß der Erlaß eines Haftungsbescheides eine solche Handlung ist. Der Haftungsbescheid vom 28. Dezember 1955 ist aber nicht erst mit der Zustellung oder dem Zugang beim Bf. über den inneren Dienstbereich des Finanzamts hinausgelangt. Die Bestimmung, nach außen zu wirken, erhielt der Haftungsbescheid jedenfalls bereits mit der Aufgabe zur Post (vgl. auch Riewald, Reichsabgabenordnung, § 147 Anm. 3 am Ende, § 148 Anm. 2; Berger, a. a. O., § 147 Anm. b 2 b cc; weitergehend noch Urteil des Reichsfinanzhofs III A 489/31 vom 18. Februar 1932, RStBl 1932 S. 322). Aus den Akten, nämlich aus dem Vermerk auf dem Entwurf des Haftungsbescheids, ergibt sich, daß der Haftungsbescheid am 21. Dezember 1955 abgesandt wurde. Auch der Bf. geht in seinem Schriftsatz vom 26. Juni 1956 an das Finanzgericht davon aus, daß der Haftungsbescheid noch vor Ablauf des Jahres 1955 zur Post gegeben wurde. Durch die Absendung hat der Haftungsbescheid aber den inneren Dienstbereich verlassen und, da die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war, die Verjährung unterbrochen.
Fundstellen
Haufe-Index 409528 |
BStBl III 1960, 25 |
BFHE 1960, 65 |
BFHE 70, 65 |