Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der I. Senat des Bundesfinanzhofs schließt sich dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI a 92/37 vom 23. Juli 1938, Slg. Bd. 44 S. 277, RStBl. S. 913 an, daß das Totalisatorunternehmen eines gemeinnützigen Rennvereins einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bildet.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; GemV § 9 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist die Körperschaftsteuer 1940 bis 1945 eines Traber-, Zucht- und Rennvereins. Nach der Satzung bezweckt der Verein die Hebung und Förderung der Pferdezucht im Interesse der Allgemeinheit. Der Zweck soll erreicht werden durch die Abhaltung von Trabrennen und anderen Veranstaltungen, die geeignet sind, die Traberzucht wie überhaupt die Landespferdezucht anzuregen und zu fördern. Der Verein veranstaltet Trabrennen gegen Eintrittsgeld nach den Richtlinien der obersten Rennbehörde für Trabrennen. Außerdem unterhält er einen Totalisator (im folgenden: Toto), eine Gastwirtschaft, die verpachtet ist, und eine Wettannahmestelle. Abgesehen von den satzungsmäßigen Mitgliederbeiträgen hat der Verein Einnahmen aus:
1) Einsatz- und Reuegeldern, 2) Eintrittsgeldern und Programmverkauf, 3) Zinsen, 4) Staatsbeihilfen und Stiftungen, 5) fremden Veranstaltungen, 6) Mieten bzw. Pachten aus Boxen, Wohnungen und gewerblichen Räumen, 7) dem Betriebe eines Totalisators, 8) dem Betriebe einer Wettannahmestelle und 9) der Verpachtung einer Gastwirtschaft.Das Finanzamt hat den Verein wegen seines Zweckes als gemeinnützig im Sinne des § 17 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) in Verbindung mit der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 16. Dezember 1941 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1941 S. 937) anerkannt und ihm grundsätzlich die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zugesprochen. Es hat ihn aber wegen der Unterhaltung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe, die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehen, zur Körperschaftsteuer herangezogen. Solche Geschäftsbetriebe hat es in dem Totobetrieb, der Wettannahmestelle und der Verpachtung der Gastwirtschaft erblickt.
Zu den Einnahmen aus dem Totobetrieb hat das Finanzamt die Einnahmen aus Spitzen und nicht eingelösten Wettkarten, die Rückflüsse aus der Rennwettsteuer und die Einnahmen aus fremden Veranstaltungen gerechnet, sowie 75 % der Eintrittsgelder und Programmerlöse. Die beiden letzten Posten hat es deshalb als Einnahmen des Totobetriebs angesetzt, weil der größte Teil der Rennplatzbesucher nicht so sehr des Rennens als vielmehr des Totalisators wegen zur Befriedigung der Wettlust zum Rennplatz komme. Die auf den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entfallenden Ausgaben hat es zum Teil rechnerisch, zum Teil schätzungsweise ermittelt.
In der Anfechtungsentscheidung werden die Anerkennung der Gemeinnützigkeit, also der grundsätzlichen Körperschaftsteuerfreiheit des Vereins und die Steuerpflicht der wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe des Vereins einschließlich des Totobetriebs bestätigt. über die Steuerpflicht der Wettannahmestelle und der Verpachtung der Gastwirtschaft besteht kein Streit.
Die Gewinne aus dem Totobetrieb sind in der Anfechtungsentscheidung nach folgendem Schema entwickelt. A. Betriebseinnahmen aus:
1) Spitzen, 2) nicht eingelösten Wettkarten, 3) fremden Veranstaltungen, 4) 50 % der Eintrittsgelder, 5) 50 % der Programmverkäufe. B. Betriebsausgaben für: 1) Unterhaltung der Totogebäude und Totogebäudeeinrichtungen, 2) Löhne des Totopersonals, 3) Drucksachen etc., 4) 20 % der Kosten für Bahnunterhaltung und Geläuf, 5) 50 % der Programmdruckkosten, 6) 50 % der Vergnügungsteuer, 7) 50 % der Umsatzsteuer für Eintrittsgelder und Programmverkauf, 8) 75 % der Ausgaben für Musik und Radio, 9) 50 % der Ausgaben für Reklame, 10) 10 % der Ausgaben für Löhne, Gehälter, Licht, Heizung der allgemeinen Verwaltung, 11) Absetzung für Abnutzung der Einrichtung des Totobetriebs, 12) 50 % der Absetzung für Abnutzung der Lautsprecheranlage.Damit sind von der Anfechtungsbehörde die Rückflüsse aus der Rennwettsteuer dem sachlich steuerbefreiten gemeinnützigen Betrieb zugewiesen.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird wie in den Vorinstanzen die Steuerpflicht des Totobetriebs bestritten. Rennbetrieb und Totobetrieb seien wirtschaftlich und praktisch eine untrennbare Einheit, ein einziger, wegen des Rennzweckes steuerunschädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Wenn an der Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs festgehalten werde, beanspruche der Verein die Steuerunschädlichkeit des Totobetriebs auf Grund des § 9 Abs. 4 der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV). Für den Fall der Aufrechterhaltung der Steuerpflicht des Totobetriebs wird beanstandet, daß ein Teil der Eintrittsgelder und Programmerlöse sowie die Einnahmen aus fremden Veranstaltungen dem Totobetrieb als Einnahmen zugerechnet sind; außerdem wird die Ermittlung der anteiligen Betriebsausgaben angegriffen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Verweisung der Sache an das Finanzgericht.
Nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG sind Körperschaften - hier ein Verein -, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen, insoweit steuerpflichtig, als sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Daß beim Totobetrieb des steuerpflichtigen Vereins sämtliche Voraussetzungen für die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs vorliegen, wird nicht bestritten. Der Senat vermag nicht anzuerkennen, daß sich die Gemeinnützigkeit des Vereins, deren Anerkennung grundsätzlich nicht beanstandet wird, auf den Totobetrieb erstreckt. Wie der Reichsfinanzhof in dem Urteil VI a 92/37 vom 23. Juli 1938, Slg. Bd. 44 S. 277, RStBl S. 913 ausgeführt hat, ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur dann steuerunschädlich, wenn der gemeinnützige Zweck und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb gleichsam eine Einheit bilden, wenn sich also der Zweck mit der Unterhaltung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs deckt und in ihm unmittelbar seine Erfüllung findet. ähnlich sagt der Reichsfinanzhof in den Entscheidungen VIa A 1/35 vom 24. Juli 1937, RStBl S. 1103, Slg. Bd. 42 S. 64; VI a 27/36 vom 26. April 1938, RStBl S. 582, Slg. Bd. 44 S. 3, daß die gesamte Geschäftsführung des Betriebs ausschließlich durch den steuerbegünstigten Zweck bestimmt sein muß. Den einheitlichen, gemeinnützigen Zweck hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil VI a 92/37 lediglich in dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gesehen, der durch die Veranstaltung von Rennen gegen Eintrittsgelder dargestellt wird, nicht aber in dem Totobetrieb. Dieser bilde nur ein Mittel zum Zweck. Der erkennende Senat macht sich die Grundsätze dieses Urteils zu eigen. Damit lehnt er den Einwand des Vereins ab, daß diese Entscheidung, weil zur Vermögensteuer ergangen, auf die Körperschaftsteuer nicht anwendbar sei. § 4 Abs. 1 Ziff. 6 Satz 2 KStG stimmt wörtlich mit § 3 Abs. 1 Ziff. 6 Satz 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG) überein. Für die Auslegung beider Vorschriften gelten die gleichen Regeln.
Der Totobetrieb dient nicht unmittelbar der Verwirklichung des steuerbegünstigten Zweckes - Förderung der Landespferdezucht durch Abhaltung von Leistungsprüfungen - , sondern nur mittelbar dadurch, daß die Einnahmen (die Gewinne) des Vereins aus dem Totalisatorunternehmen der Förderung der Pferdezucht zugeführt werden. Wenn diese Beträge um die Steuern, die auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entfallen, gekürzt werden, so ist dies vom Gesetzgeber beabsichtigt. Die Einschränkung der Steuerbefreiung soll gerade die Fälle treffen, in denen sich gemeinnützige Körperschaften die Mittel zur Erfüllung ihrer Zwecke durch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe beschaffen.
Die Entstehungsgeschichte des Rennwett- und Lotteriegesetzes bestätigt im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers (Bf.) die Auffassung des Senats. Nach der Begründung zum allgemeinen Teil des Gesetzentwurfs (vgl. Mirre, Komm. zum Rennwett- und Lotteriegesetz, 2. Aufl. S. 2) beabsichtigt der erste Teil des Entwurfs, der die "Rennwetten" betrifft, "die sich bei Pferderennen betätigende Wettleidenschaft in geordnete Bahnen zu leiten und finanziell nutzbar zu machen". Die Hauptaufgabe des Totobetriebs und sein unmittelbarer Zweck besteht somit in der Befriedigung der Wettlust. Die Förderung der Pferdezucht geschieht durch Zuführung seiner Gewinne nur mittelbar.
Der Totobetrieb kann auch nicht als steuerunschädlicher unentbehrlicher Hilfsbetrieb im Sinne des § 9 Abs. 4 GemV anerkannt werden. Dafür fehlt es unter den drei Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 bereits an der der Ziff. 1. Danach muß der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung auf die Erfüllung der gemeinnützigen Zwecke eingestellt sein. Wie oben ausgeführt, besteht aber der Hauptzweck des Totobetriebs in der Befriedigung der Wettlust der Rennbahnbesucher. Unter diesen Umständen kommt es nach Auffassung des Senats gar nicht darauf an, ob ohne den Totalisator die Durchführung von Leistungsprüfungen für Pferde erschwert oder fast unmöglich ist. Der Totobetrieb mag für die Finanzierung des eigentlichen gemeinnützigen Zwecks nötig sein. Aus einer derartigen Erwägung ergibt sich aber nur der Schluß, daß es beim Totalisator an der Unmittelbarkeit der Erfüllung des gemeinnützigen Zweckes fehlt.
Die Unterhaltung eines Totobetriebs durch einen gemeinnützigen Rennverein wird daher als ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 6 Satz 2 KStG angesehen (vgl. auch Blümich-Klein-Steinbring, Komm. zum Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl. Anm. 32 Abs. 1a zu § 4 S. 154).
Die Aufteilung der Einnahmen und Ausgaben auf den Totobetrieb und den gemeinnützigen Betriebsteil hat nach dem Gesichtswinkel der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu erfolgen. Sie ist im einzelnen Falle regelmäßig das Ergebnis tatsächlicher Würdigung. Der Beschwerdeführer hat in den vorausgehenden Rechtszügen und in der mündlichen Verhandlung die Aufteilung durch die Vorbehörde beanstandet, Einwendungen gegen die Sätze vorgebracht und auf Schätzungen von anderen Finanzämtern verwiesen, zu denen die Anfechtungsbehörde keine Stellung genommen hat. Der Vertreter der Finanzverwaltung bezeichnete in der mündlichen Verhandlung ebenfalls eine nochmalige gerichtliche Prüfung der Verteilung der Einnahmen und Ausgaben auf Grund neuerlicher Unterlagen als zweckmäßig. Der Senat sieht keine Veranlassung, angesichts der Problematik des Falles sich den Anträgen der Beteiligten zu entziehen, weil nur durch Ergänzung der Unterlagen ein für die Bewertung geeignetes Gesamtbild gewonnen werden kann. Dabei ergibt sich für das Finanzgericht, an das zurückverwiesen wird, die weitere Frage, ob es nicht zweckdienlich ist, die Methoden der Aufteilung der Einnahmen und Ausgaben der wichtigsten Pferde-Rennwettvereine durch die Finanzämter festzustellen und aus ihnen das Aufteilungssystem zu bilden, das den Gesamtumständen am besten gerecht wird. Von hier aus einen Wegweiser zu geben, erscheint dem Senat angesichts des unzureichenden Tatsachenmaterials untunlich.
Fundstellen
Haufe-Index 407604 |
BStBl III 1953, 109 |
BFHE 1954, 277 |
BFHE 57, 277 |
DB 1953, 392 |