Leitsatz (amtlich)
Ein „Gesamtdarlehen” im Sinne des § 12 Abs. 3 KVStG 1959 liegt bereits dann vor, wenn eine Mehrheit von Darlehen dadurch aufeinander bezogen worden ist, daß die Konditionen der einzelnen Darlehen im wesentlichen gleich sind und für die Darlehen überdies eine sämtlichen Darlehen gemeinsame Sicherung (hier: Grundschuld) bestellt worden ist.
Normenkette
KVStG 1959 § 12 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin beabsichtigte die Errichtung und Instandsetzung von Fabrikgebäuden sowie die Anschauung von Maschinen für ihre Tochtergesellschaft. Ihr wurden von einem Finanzmakler 20 Mill. DM vermittelt. Der Betrag wurde im Jahr 1958 von 38 Versicherungsgesellschaften und Versorgungskassen aufgebracht. Die Darlehensgeber erhielten über die von ihnen zu jeweils gleichen Vertragsbedingungen –Gerichtsstand war allerdings der Sitz des betreuenden Darlehensgebers– gewährten Darlehensbeträge unter Hinweis auf das „Gesamtdarlehen” Schuldurkunden der Klägerin, die vom den Darlehensgebern nach Rückzahlung des Darlehens zurückzugeben waren.
Die Darlehen waren mit 6 ¾ v. H. zu verrinnen und nach Ablauf von zwei tilgungsfreien Jahren in 10 Jahresraten zurückzuzahlen. Die Klägerin sollte nach Ablauf von drei Jahren die Darlehensbeträge vorzeitig zurückzahlen dürfen; in einem solchen Fall sollte sie die Darlehensgeber unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten über ihre Absicht zuvor unterrichten. Eine etwaige Abtretung der Darlehensforderung hatte die jeweilige Darlehensgeber in der Klägerin mitzuteilen, der aber nicht das Recht zustand, hiergegen Einwendungen zu erheben.
Zur Sicherung aller sich aus dem „Gesamtdarlehen” in Höhe von 20 Mill. DM ergebenden Verpflichtungen hatte die Klägerin je eine erststellige Grundschuld auf dem Werksbesitz zu bestellen.
Die Klägerin hatte diese Grundschulden an die mit der treuhänderischen Verwaltung beauftragte Bank abzutreten. Die Grundschulden waren im ersten Rang in das Grundbuch einzutragen. Die hierüber gebildeten Grundschuldbriefe waren der mit der treuhänderischen Verwaltung beauftragten Bank mit notariell beglaubigter Abtretungserklärung zu übergeben und ihr die Grundschulden zum Zwecke der treuhänderischen Verwaltung zugunsten aller an der Darlehenshingabe beteiligten Darlehensgeber abzutreten. Die Treuhänderin hatte ihrerseits mit den Darlehensgebern einen Treuhandvertrag abzuschließen, der als Bestandteil der Schuldurkunde galt. Die Bedingungen des Treuhandvertrages wurden von der Klägerin, der beauftragten Treuhänderin und von den Darlehensgebern als bindend anerkannt.
Die Darlehensgeber erklärten sich bereit, zu einem späteren Zeitpunkt in eine „Gleichrangerweiterung um insgesamt 5 Mill. DM einzuwilligen”, vorausgesetzt, daß das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen dieser Gleichrangerweiterung zustimmen würde.
1961 wurde das „Gesamtdarlehen” um 5 Mill. DM aufgestockt. Den Aufstockungsbetrag brachten 14 Versicherungsgesellschaften und Versorgungskassen auf, die über die von ihnen gegebenen Darlehensbeträge (Auszahlungskurs 99 v. H.; Verzinsung 6 v. H.) Schuldurkunden nach dem Muster des Jahres 1958 erhielten. Nach fünf tilgungsfreien Jahren sollten die Darlehensbeträge in W Jahresraten zurückgezahlt werden.
Das Finanzamt (Beklagter) zog die Klägerin wegen des 1961 aufgenommenen „Gesamtdarlehens” von 5 Mill. DM zu einer Wertpapiersteuer von 125 000 DM heran.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hat das Finanzgericht die Einspruchsentscheidung und den ihr zugrunde liegenden Wertpapiersteuerbescheid aufgehoben. Das Finanzgericht meinte, nach § 12 Abs. 3 KVStG müßten die von den 14 Versicherungsgesellschaften und Versorgungskassen aufgenommenen Darlehen die Funktion von Teilschuldverschreibungen erfüllen. Dies täten die Darlehen nicht. Sie seien daher nicht den Wertpapieren gleichzusetzen. Selbst wenn man aber annähme, die Darlehenshingaben erfüllten den Begriff des „Gesamtdarlehens”, sei gleichwohl keine Steuerpflicht entstanden, da keine Anleihe ersetzt worden sei. Denn die Klägerin habe nicht den anonymen Kapitalmarkt aufgesucht, die Darlehensbeträge nicht in gleicher Höhe empfangen und sich nicht in allen Punkten zu gleichen „Bedingungen” verpflichtet; vor allem sei die Fungibilität der Schuldurkunden eingeschränkt gewesen, weil sie nicht geeignet gewesen seien, an der Börse gehandelt zu werden.
Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Revisionsverfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Der inzwischen aufgehobenen Wertpapiersteuer unterlag u. a. der Erwerb verzinslicher Forderungsrechte gegen einen inländischen Schuldner durch den ersten Erwerber, wenn die Forderungsrechte in Schuldverschreibungen verbrieft waren (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1959). Dabei galten als Schuldverschreibungen auch im Inland ausgestellte Schuldscheine, wenn sie über Teile eines Gesamtdarlehens ausgestellt waren (§ 12 Abs. 3 KVStG 1959). Sämtliche Merkmale des Besteuerungstatbestandes sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Daß die Merkmale des Erwerbs verzinslicher Forderungsrechte gegen einen inländischen Schuldner durch den ersten Erwerber erfüllt sind, bedarf keiner weiteren Darlegungen.
Die von den Darlehensgläubigern gewährten Darlehen bilden ein „Gesamtdarlehen” im Sinne von § 12 Abs. 3 KVStG.
Der Begriff des Gesamtdarlehens ist durch das Gesetz zur Änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften vom 25. Mai 1959 BGBl I 1959, 261, BStBl I 1959, 228) in das KVStG eingeführt worden. Die Vorschrift des § 12 Abs. 3 KVStG 1959 war in dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf (Drucksache 262 der Dritten Wahlperiode des Deutschen Bundestages) und auch in dem Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (Drucksache 794 der Dritten Wahlperiode) nicht vorgesehen. Erstmalig in der 29. Sitzung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 18. Februar 1959 ist der Wille zum Ausdruck gekommen, bestimmte Schuldscheine kapitalverkehrsteuerrechtlich den Schuldverschreibungen gleichzustellen. Wie der BdF in seinem Schreiben vom 4. Juli 1974 ausführte, hat der Ausschußvorsitzende nach dem Kurzprotokoll über diese Sitzung vor Eintritt in die Tagesordnung mitgeteilt, „daß die sich ständig vermehrende Aufnahme von Schuldscheindarlehen es ratsam erscheinen lasse, auch die Ausstellung von Schuldscheinen über Teildarlehen der Wertpapier- und der Börsenumsatzsteuer zu unterwerfen. Es sei im Interesse der Kapitalmarktpflege nicht zu verantworten, wenn die bisherige Kapitalverkehrsteuerfreiheit dieser Schuldscheindarlehen dazu führe, daß sie annähernd die Größenordnung der Obligationen erreichten”. Der Ausschuß beschloß, einen interfraktionellen Antrag zur Ergänzung des § 12 KVStG einzubringen. Der Änderungsantrag, der die später Gesetz gewordene Fassung des § 12 Abs. 3 KVStG 1959 enthielt, ist am selben Tage (18. Februar 1959) zur Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs in der 61. Sitzung des Deutschen Bundestages eingebracht und einstimmig angenommen worden. Zur Begründung und zur Sache hat dabei niemand das Wort ergriffen. Der Bundesrat hat in seiner 202. Sitzung am 27. Februar 1959 dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz die Zustimmung aus Gründen versagt, die nicht die Einfügung des § 12 Abs. 3 KVStG 1959 betrafen. Darauf hat die Bundesregierung den Vermittlungsausschuß angerufen und in ihrer Begründung (vgl. Bundestagsdrucksache 924, Dritte Wahlperiode) im Hinblick auf § 12 Abs. 3 KVStG ausgeführt: „Bei der Wertpapiersteuer ist die Besteuerung der Schuldscheindarlehen von besonderer Bedeutung. Dadurch soll Mißbräuchen vorgebeugt und die Abwanderung von der Obligation auf den Schuldschein verhindert werden.” Die Vorschrift ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht verändert worden.
Der Gesetzgeber hat den Begriff des „Gesamtdarlehens” im Sinne von § 12 Abs. 3 KVStG nicht definiert.
Der Ausdruck „Gesamtdarlehen” ist –soweit ersichtlich– zuvor weder im Steuerrecht noch im Zivilrecht verwendet worden, wohl aber in Wirtschaftskreisen, wie sich z. B. daraus ergibt, daß die Klägerin bereits 1958 diesen Ausdruck verwendet hat. Seine nähere Bestimmung obliegt daher der Rechtsprechung.
Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß aus dem von der Klägerin in der Schuldurkunde gewählten Ausdruck „Gesamtdarlehen” nicht auf das Vorliegen eines „Gesamtdarlehens” im Sinne des KVStG geschlossen werden könne. Denn es kommt nicht auf die Bezeichnung der Darlehen als Gesamtdarlehen an, sondern darauf, ob sie tatsächlich zusammen ein Gesamtdarlehen bilden.
Von einem Gesamtdarlehen im Sinne des § 12 Abs. 3 KVStG 1959 kann aber nicht nur dann gesprochen werden, wenn die für einen langfristigen Kredit benötigten Mittel auf dem Umweg über nacheinanderfolgende kurzfristige Darlehen zur Verfügung gestellt, d. h. wenn revolvierende Maßnahmen vorgenommen werden, wie das Finanzgericht meint.
Ein „Gesamtdarlehen” im Sinne des § 12 Abs. 3 KVStG 1959 liegt bereits dann vor, wenn eine Mehrheit von Darlehen dadurch aufeinander bezogen worden ist, daß die Konditionen der einzelnen Darlehen im wesentlichen gleich sind und für die Darlehen überdies eine sämtlichen Darlehen gemeinsame Sicherung (hier: Grundschuld) bestellt worden ist.
Der Begriff ist nicht in dem von der Klägerin behaupteten Sinne unbestimmt, daß ihm Aussagekraft fehlt, sondern er ist auslegbar.
Ein Gesamtdarlehen in diesem Sinne liegt hier auch vor.
Die Darlehen sind nebeneinander in zeitlichem Zusammenhang, zu gleichen Vertragsbedingungen und aufgrund von Umständen, die sie zu einem Gesamtdarlehen verbinden, gegeben worden.
Die Annahme der Klägerin, dem Gesetzgeber sei nicht daran gelegen gewesen, nebeneinander gewährte Darlehen zu erfassen, weil diese –soweit notwendig– bereits durch die Vorschriften über die Teilschuldverschreibungen berücksichtigt seien, ist durch nichts belegt. Das Gesetz ist damit begründet worden, „die Abwanderung von der Obligation auf den Schuldschein” zu verhindern (Bundestagsdrucksache III/924 vom 10. März 1959 S. 4; vgl. auch Haase, Gesetz zur Änderung verkehrssteuerrechtlicher Vorschriften, Der Betriebs-Berater 1959 S. 554 - BB 1959, 554 –). Es sollten –anders ausgedrückt– Finanzierungsmethoden mit Hilfe von „Schuldscheindarlehen” steuerlich erfaßt werden, mit denen der Besteuerung bis zur Gesetzesänderung ausgewichen werden konnte. Daraus ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, es sei nach dem Gesetz bei den Schuldscheindarlehen (zum Begriff vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank 1962 Heft 8 – August–, S. 3 „Die Ergebnisse der Sondererhebung über Schuldnergeschäfte der Kreditinstitute”) zwischen „fristkongruenten Schuldscheindarlehen” (vgl. hierzu Reinboth, Schuldscheindarlehen als Mittel der Unternehmungsfinanzierung, Wiesbaden 1965, S. 34) und „Schuldscheindarlehen des Revolvingsystems (vgl. hierzu ebenfalls Reinboth, S. 27 Anm. 26 und S. 34/35) zu unterscheiden, und es seien nur die letztgenannten zu erfassen. Wortlaut wie auch Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen nicht für eine solche Unterscheidung. Die Zielrichtung des Gesetzes ist, wie die Gesetzesbegründung eindeutig ergibt, vielmehr auf eine umfassende Erfassung der Finanzierungsmethoden gerichtet.
Die Vertragsbedingungen der Darlehen haben sich nur hinsichtlich des Gerichtsstandes unterschieden. Für ihn galt aber gleichartig für alle Darlehen der Sitz des Darlehensgebers als jeweiliger Gerichtsstand. Es kann dahingestellt bleiben, ob abweichende Vereinbarungen über unwesentliche Einzelheiten bei im übrigen – also in den wesentlichen Einzelheiten– einheitlichen Vertragsinhalten als für den Begriff des Gesamtdarlehens unerheblich angesehen werden müßten.
Unerheblich ist, daß die Teile des Gesamtdarlehens nach ihrer Hingabe z. B. durch außerordentliche Kündigung ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben könnten; denn die Kündigungsbestimmungen sind allen Darlehensgebern gegenüber gleich.
Ein Erfordernis, die Darlehensgeber müßten betragsmäßig gleich hohe Darlehen gewähren, hat der Gesetzgeber nicht aufgestellt.
Die Darlehen sind durch die einheitliche Sicherung, die erststellige Grundschuld auf Werksbesitz über insgesamt 25 Mill. DM, miteinander verbunden. Unter diesen Umständen braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob und ggf. welche weiteren Umstände (die einheitliche treuhänderische Verwaltung zugunsten der Darlehensgeber, der Finanzierungszweck) einzeln oder zusammen ebenfalls das Merkmal der Verbundenheit erfüllen.
Die Forderungsrechte sind auch in der erforderlichen Weise verbrieft. Denn es wurden für sie Schuldscheine ausgestellt. Schuldschein im Sinne des KVStG ist jede Urkunde, die eine Schuldverpflichtung begründet oder bestätigt und vom Schuldner zwecks Beweissicherung für das Bestehen der Schuld ausgestellt wurde (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 33. Aufl. 1974, § 952 Anm. 2 und § 371 Anm. 1; Ratz in Großkommentar HGB, 3. Aufl. 1968, 3. Bd., § 344 Anm. 8; Schlegelberger/Hefermehl, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. 1965, 3. Bd., § 344 Anm. 13; Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 20. Aufl. 1972, §§ 343/345 Anm. D; Urteil des Reichsgerichts vom 17. November 1930 IV 678/29, RGZ 131, 1 f. [3] und die dort zitierte Rechtsprechung des Reichsgerichts).
Es besteht keine Veranlassung, von einem vom bürgerlichen Recht abweichenden, engeren Begriff des „Schuldscheins” auszugehen. Denn § 12 Abs. 3 KVStG ist gerade zu dem Zweck geschaffen worden, bisher unerfaßt gebliebene Finanzierungsmethoden zu erfassen. Die weite Passung des Gesetzes bezweckte, wie bereits ausgeführt, die Abwanderung von der Obligation auf den Schuldschein zu verhindern. Eine einengende Auslegung würde also dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen; dafür sind keine Sachgründe erkennbar.
Unerheblich ist daher der Einwand der Klägerin, die Schuldurkunden seien nicht geeignet gewesen, durch ein Bankenkonsortium dem Publikum als marktfähige Wertpapiere vorgestellt zu werden, weil sie auf namentlich genannte Darlehensgeber lauteten. Schuldscheine verkörpern nicht das Recht des Darlehensgebers (vgl. Hueck, Recht der Wertpapiere, 10. Aufl. 1967 S. 2), haben also nicht die Eigenschaft von Wertpapieren (vgl. auch Rehfeldt-Zöllner, Wertpapierrecht, 10. Aufl. 1972 S. 12 unter § 3 IV 4). An die „Schuldscheine des Gesamtdarlehens” im Sinne von § 12 Abs. 3 KVStG darf daher gerade nicht die Anforderung gestellt werden, sie müßten Wertpapiere sein. Es kann auch nicht gefordert werden, die Schuldscheine müßten zu dem Zweck ausgestellt sein, dem Darlehensgeber die Abtretung zu erleichtern (vgl. Trippen, Versteuerung von Schuldscheindarlehen, BB 1959, 987). Denn ein solcher Zweck ließe sich nicht objektiv dem Inhalt der Urkunde entnehmen. Damit ist allerdings noch nicht die Frage beantwortet, ob alle Erwerbe von Schuldscheinen, die über Teile eines Gesamtdarlehens ausgestellt sind, nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes den Besteuerungstatbestand erfüllen.
Durch die Wertpapiersteuer sollte die Kapitalzusammenballung oder Kapitalbildung außerhalb des Bereichs des Gesellschaftsteuerrechts erfaßt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. Februar 1969 II 55/63, BFHE 95, 338, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK –, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 11 Rechtsspruch 3 und die dort aufgeführten Zitate). Das geschah bei dem ersten Erwerb von verzinslichen Schuldverschreibungen, Rentenverschreibungen usw. Denn mit Hilfe der Ausgabe der erwähnten Papiere werden größere Geldbeträge aufgebracht. Um als Schuldverschreibung gelten zu können, müssen auch die Schuldscheine sich auf ein Gesamtdarlehen beziehen, durch das Kapital zusammengeballt oder gebildet, also ein größerer Geldbetrag aufgebracht wird. Der Tatbestand des § 12 Abs. 3 KVStG hat als „Ersatz” tatbestand lediglich die Aufgabe, die gleiche Punktion zu erfüllen, wie der durch § 11 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und 2 KVStG beschriebene Besteuerungstatbestand. Ein Gesamtdarlehen von 5 Mill. DM erfüllt diese Voraussetzung der Kapitalzusammenballung.
Ob das Gesamtdarlehen, über dessen Teile die Schuldscheine ausgestellt sind, geeignet sein muß, auch auf dem Anleihewege gegeben zu werden, wie Kratz meint (Steuer und Wirtschaft 1959 Sp. 717 f., 727) und gegebenenfalls welche Kriterien dafür maßgebend zu sein hätten, kann dahingestellt bleiben. Denn die Klägerin hätte bei der Beschaffung des Kredits von 5 Mill. DM eine Anleihe aufnehmen können.
Das Gesamtdarlehen unterscheidet sich von einer Anleihe dadurch, daß der Darlehensnehmer sich einen oder mehrere bestimmte Geldgeber sucht und mit ihnen Darlehensverträge abschließt, während der Anleihennehmer sich an eine Vielzahl ihm zumeist unbekannter Geldgeber wendet. § 12 Abs. 3 KVStG stellt die Besteuerung nicht darauf ab, daß die Darlehensgeber ein für den Darlehensnehmer unbekannter Personenkreis sein müssen.
Der Gesetzgeber hat in § 12 Abs. 3 KVStG auch nicht das Merkmal eingefügt, das „Gesamtdarlehen” müsse auf dem anonymen Kapitalmarkt aufgebracht worden sein. Die Frage, ob dies gleichwohl nach Sinn und Zweck der Vorschrift der Fall sein müsse, braucht indes nicht entschieden zu werden. Denn die Klägerin hat das Gesamtdarlehen durch einen Makler von einem nicht beschränkten Kreise von Versicherungsgesellschaften und Versorgungskassen vermittelt erhalten und sich damit das Gesamtdarlehen tatsächlich auf dem anonymen Kapitalmarkt beschafft. Die Möglichkeit, daß der Darlehensgeber sein Teildarlehen kündigen kann, unterscheidet die beiden Kreditwege ebenfalls nicht. Denn auch die Anleihegläubiger von Obligationen erhalten in Deutschland regelmäßig die Möglichkeit einer Kündigung nach einer Sperrfrist (vgl. Mellerowicz im Enzyklopädischen Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 3. Aufl. Frankfurt 1967, Stichwort; Emissionsgeschäft, S. 474 r. Sp.).
Die Tatsache, daß die Teile des Gesamtdarlehens für die Darlehensgeber deckungsstockfähig waren, schließt den Besteuerungstatbestand nicht aus, der Deckungsstock (Prämienreservefond) muß nach § 68 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen (VAG) vom 6. Juni 1931 (RGBl I 1931, 315) in Vermögenswerten angelegt werden, die eine möglichst große Sicherung im Interesse der Versicherungsnehmer herbeiführen (vgl. Fromm/Goldberg, Versicherungsaufsichtsgesetz und Bundesaufsichtsgesetz, Kommentar 1966, § 68 VAG Anm. 2). Solche Werte sind u. a. mündelsichere Wertpapiere. Das Bundesaufsichtsamt kann nichtmündelsichere Industrieobligationen für deckungsfähig erklären, ebenso den Erwerb von Aktien und Investment-Zertifikaten; es darf für Schuldscheindarlehen unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahmegenehmigung erteilen (vgl. Oppermann, Wertpapiere, 3. Aufl. 1962 S. 60 f.). Die Tatsache, daß die Teile des Gesamtdarlehens als deckungsfähig behandelt wurden, spricht daher – sieht man von der gesetzlichen Subsumtion ab – eher für als gegen die Einordnung unter § 12 Abs. 3 KVStG. Denn sie zeigt, daß das Gesamtdarlehen wirtschaftlich in bezug auf seine Sicherheit sich nicht von den Schuldverschreibungen im Sinne von § 11 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und 2 KVStG unterscheidet.
Die Deckungsstockfähigkeit schließt andererseits nicht die Abtretbarkeit der Teildarlehen aus. Zu einer Auslegung, die den Besteuerungstatbestand des Erwerbs von Schuldscheinen, die über Teile eines Gesamtdarlehens ausgestellt sind, etwa in der Weise einschränkt, daß sie das weitere Merkmal fordert, solche Teildarlehen müßten leicht übertragbar oder am Kapitalmarkt handelbar sein, besteht kein Anlaß.
§ 12 Abs. 3 KVStG ist nicht verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 24. September 1965 (1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119), auf den sich die Klägerin beruft, u. a. geprüft, ob die gesetzliche Bestimmung (dort die Kuponsteuer) für den vom Gesetz verfolgten wirtschafts- und währungspolitischen Zweck schlechthin ungeeignet war, und dies im Ergebnis verneint. Es kann nicht davon ausgegangen werden, § 12 Abs. 3 KVStG sei schlechthin ungeeignet gewesen, der Abwendung von den Obligationen zu den Schuldscheinen entgegenzuwirken. Die Aufhebung der Wertpapiersteuer insgesamt beruhte auch nicht auf solchen Erwägungen (vgl. Bundestagsdrucksache IV/2345 vom 10. Juni 1964 S. 7, dort IV; Bericht über die 270. Sitzung des Bundesrates vom 5. Juni 1964 S. 93 unter D und die den Vorstellungen der übrigen Länder widersprechende Auffassung des Landes Hamburg, a. a. O., S. 96).
Fundstellen
Haufe-Index 510313 |
BFHE 1976, 379 |