Leitsatz (amtlich)
Der Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen einer OHG und dem Ehegatten eines Gesellschafters steht nicht entgegen, daß der Arbeitslohn auf ein gemeinschaftliches Konto der Eheleute überwiesen wird, über das jeder der Ehegatten ohne Mitwirkung des anderen verfügen kann (sog. Oder- Konto).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine OHG. Gesellschafter sind der Kaufmann H mit einer Beteiligung von 90 v. H. und dessen Mutter mit einer Beteiligung von 10 v. H. Die Ehefrau des H (Frau H) ist seit dem 1. Januar 1958 als kaufmännische Angestellte im Betrieb der Klägerin tätig. Der zugrunde liegende Arbeitsvertrag wurde zunächst mündlich geschlossen. Das entsprach einer betrieblichen Übung der Klägerin. Nach ihrem Beitritt zum Arbeitgeberverband der Metallindustrie Ende 1974 legte die Klägerin die Arbeitsverträge mit ihren Beschäftigten, so auch mit Frau H, am 2. Dezember 1974 schriftlich nieder. In den Streitjahren 1974 bis 1976 überwies die Klägerin das Gehalt der Frau H nach Abzug des Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen Sozialversicherung und der Lohnsteuer auf ein gemeinschaftliches Konto der beiden Eheleute, über das jeder Ehegatte ohne Mitwirkung des anderen verfügungsberechtigt war (sog. Oder-Konto).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ließ die genannten Beträge nicht als Betriebsausgaben der Klägerin zum Abzug zu, weil Inhaber des Gehaltskontos auch H sei.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1981, 118 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Es sei unschädlich, daß der Arbeitsvertrag erst im Dezember 1974 schriftlich niedergelegt worden sei, weil er unstreitig bereits im Jahre 1958 geschlossen worden sei. Auch die Überweisung des Nettogehalts der Frau H auf ein Ehegatten-Oder-Konto stehe der steuerrechtlichen Anerkennung nicht entgegen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das FG entschieden, daß die streitigen Beträge nach § 4 Abs. 4 EStG als Betriebsausgaben abgezogen werden können.
1. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung die steuerrechtliche Anerkennung von Verträgen zwischen Ehegatten und anderen nahen Angehörigen wegen des möglichen Einflusses familiärer Motive davon abhängig gemacht, daß nachweislich vor dem Beginn des Leistungsaustausches klare und eindeutige Vereinbarungen getroffen sind und daß die tatsächliche Durchführung dem Vereinbarten entspricht (Urteile vom 22. März 1972 I R 152/70, BFHE 105, 351, BStBl II 1972, 614; vom 16. Januar 1974 I R 176/72, BFHE 111, 319, BStBl II 1974, 294; vom 12. April 1979 IV R 14/76, BFHE 128, 207, BStBl II 1979, 622; vom 15. Januar 1980 VIII R 154/78, BFHE 130, 149, BStBl II 1980, 350). Vertragsgestaltung und -durchführung sind daraufhin zu überprüfen, ob sie auch zwischen Fremden üblich sind (BFH-Urteile vom 23. April 1975 I R 208/72, BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579; vom 14. Oktober 1981 I R 34/80, BFHE 134, 293, BStBl II 1982, 119). Hierin hat das BFH-Urteil vom 10. November 1982 I R 135/80 (BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173) keine Änderung gebracht. In dieser Entscheidung ist ausgesprochen, daß Aufwendungen für eine Arbeitnehmer-Direktversicherung von Angehörigen auch dann betrieblich veranlaßt sein können, wenn diese Form der betrieblichen Altersversorgung in vergleichbaren Unternehmen (noch) nicht üblich ist. Gleichwohl kommt es darauf an, ob eine entsprechende Versorgung auch einem familienfremden Arbeitnehmer gewährt worden wäre (BFH-Urteil vom 24. November 1982 I R 42/80, BFHE 138, 26, BStBl II 1983, 405). Diese Grundsätze sind auch bei der Beurteilung der Beziehung zwischen einem der Ehegatten und einer von dem anderen Ehegatten beherrschten Personengesellschaft zugrunde zu legen (BFHE 128, 207, BStBl II 1979, 622). Auch hierbei können Zuwendungen unter den Ehegatten vorliegen, die das steuerliche Ergebnis nicht beeinflussen dürfen.
2. Nach den Feststellungen des FG hat H eine Beteiligung von 90 v. H. an der Klägerin inne. Damit liegt die Möglichkeit, daß der streitige Arbeitsvertrag durch die Beteiligung dieses Gesellschafters und damit durch private Beziehungen beeinflußt worden ist, ähnlich nahe wie bei einem reinen Ehegatten-Arbeitsverhältnis.
Die Gestaltung des streitigen Arbeitsverhältnisses genügt jedoch den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Anforderungen.
a) Der Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und Frau H wurde nachweislich ernstlich vereinbart. Zwar hat das FG festgestellt, daß die schriftliche Niederlegung des Vertrages erst im Dezember 1974 erfolgte. Auch hat sich die Rechtsprechung bisher auf den Standpunkt gestellt, daß im Hinblick auf das Erfordernis der Klarheit und Eindeutigkeit des Vertragsabschlusses formlos geschlossenen Verträgen die Anerkennung versagt bleiben kann (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1962 IV 168/60 U, BFHE 74, 587, BStBl III 1962, 218). Indes gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Der BFH hat bereits mit Urteil vom 8. März 1962 IV 165/60 U (BFHE 74, 584, BStBl III 1962, 217) entschieden, daß ein steuerrechtlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten dann nicht der Schriftform bedürfe, wenn die übrigen Umstände auf eine klare und eindeutige, mündliche oder stillschweigend geschlossene Vereinbarung schließen lassen. So liegen die Verhältnisse des Streitfalles. Das FG hat festgestellt, daß Frau H bereits im Jahre 1958, also 16 Jahre vor der schriftlichen Fixierung des Arbeitsvertrages, in die Dienste der Klägerin getreten ist und daß darüber hinaus die Klägerin auch die Arbeitsverträge mit ihren übrigen Arbeitnehmern bis zum Dezember 1974 nur mündlich geschlossen hatte. Daraus hat das FG gefolgert, daß am Abschluß des Vertrages bereits im Jahre 1958 kein Zweifel bestehe. Gegen diese mögliche Würdigung hat das FA begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht, so daß der Senat hieran gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
b) Mit dem FG ist auch davon auszugehen, daß das Arbeitsverhältnis tatsächlich durchgeführt wurde. Zur tatsächlichen Durchführung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses gehört auch, daß die vereinbarten Entgelte in den Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmer-Ehegatten gelangen, der vom Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitgeber-Ehegatten klar und eindeutig getrennt ist. Dafür genügt nicht, daß die Vergütung auf ein Bankkonto des Arbeitgeber-Ehegatten überwiesen wird, an welchem dem Arbeitnehmer-Ehegatten nur ein Mitverfügungsrecht eingeräumt ist (Urteil in BFHE 130, 149, BStBl II 1980, 350), oder daß die Vergütung auf ein Bankkonto fließt, das -- als Oder-Konto -- für den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeber-Ehegatten gemeinsam geführt wird (Urteil in BFHE 105, 351, BStBl II 1972, 614).
Diese Grundsätze lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf den Streitfall übertragen. Das Vermögen der Klägerin, dem im Rahmen der streitigen Gewinnermittlung eine eigenständige Bedeutung zukommt (BFH-Entscheidung vom 10. Juli 1980 IV R 136/77, BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84, m. w. N.), kann nicht als Vermögen des Gesellschafter-Ehegatten angesehen werden. Die Überweisung auf das Oder-Konto der Eheleute bedeutete daher einen Vermögensabgang bei der Klägerin und einen Vermögenszugang (auch) bei der Arbeitnehmerin. In einem Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten läßt sich demgegenüber ein Vermögensabgang beim Arbeitgeber-Ehegatten nicht feststellen, wenn dieser das Arbeitsentgelt auf ein beiden Ehegatten als gemeinsames Vermögen zustehendes Bankkonto überweist. Dieser Unterschied rechtfertigt es, die Überweisung der Klägerin auf das Oder-Konto der Eheleute als Vollziehung des Arbeitsvertrages anzusehen.
Dem steht auch der Umstand nicht entgegen, daß die Gläubiger der Klägerin u. U. auf den überwiesenen Betrag Zugriff nehmen können, da der Gesellschafter-Ehegatte nach § 128 des Handelsgesetzbuches (HGB) für die Schulden der Gesellschaft haftet. An der Vermögenszuständigkeit wird hieran im Streitfall ebensowenig geändert wie sonst in den Fällen einer gesetzlichen oder vertraglichen Haftung für fremde Schuld; das wird auch dadurch deutlich, daß die Gläubiger der Klägerin aus einem gegen sie gerichteten Schuldtitel nicht gegen den Gesellschafter-Ehegatten vorgehen könnten (§ 129 Abs. 4 HGB). Die Rechtsprechung geht davon aus, daß Geschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter auch steuerlich wie Geschäfte unter Dritten beurteilt werden können (vgl. BFHE 131, 313, BStBl II 1981, 84); dies beinhaltet, daß zwischen Gesellschaft und Gesellschafter unterschiedliche Vermögenszuständigkeiten bestehen und daß die Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft darauf keinen Einfluß hat. Das gilt auch für die Verhältnisse im Streitfall.
Der Senat hat im Urteil in BFHE 128, 207, BStBl II 1979, 622 entschieden, daß ein Arbeitsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Ehegatten des beherrschenden Gesellschafters nicht durchgeführt ist, wenn die Vergütung einem Unterkonto des Kapitalkontos des Gesellschafter-Ehegatten gutgeschrieben wird. Soweit sich aus diesem Urteil auch ergibt, daß die Überweisung der Gesellschaft auf ein Gemeinschaftskonto der Ehegatten nicht als Durchführung des Arbeitsverhältnisses angesehen werden kann, hält der Senat daran nicht fest.
Das FA hat die angefochtenen Gewinnfeststellungsund Gewerbesteuermeßbescheide demnach zu Recht abgeändert; seine Berechnung ist von der Revision nicht angegriffen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 74715 |
BStBl II 1983, 663 |
BFHE 1983, 427 |