Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft, wenn die Satzung kein Bekenntnis voraussetzt
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 4 Abs. 1 GG verbietet, als Grundlage für die Kirchensteuerpflicht eine kirchliche Mitgliedschaftsregelung heranzuziehen, die eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterwirft.
2. Wird die Mitgliedschaft nach innerkirchlichem Recht allein durch Abstammung und Wohnsitz begründet, so ist der in den staatlichen Kirchensteuergesetzen verwendete Begriff "Kirchenangehöriger" (hier: § 3 Abs. 1 KiStG NW) verfassungskonform dahin zu interpretieren, daß kirchensteuerpflichtiges Kirchenmitglied nur sein kann, wer sich --sei es persönlich oder durch den gesetzlichen Vertreter-- durch eine nach außen hin erkennbare Willensäußerung als der Religionsgemeinschaft zugehörig bekannt hat (Abgrenzung zu BVerwG-Urteil vom 9. Juli 1965 VII C 16.62, BVerwGE 21, 330).
Orientierungssatz
1. Diese verfassungskonforme Auslegung hat Vorrang vor einer Nichtanwendung bzw. Unwirksamkeitserklärung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Norm. Der sich in ständiger Rechtsprechung wiederfindende Ausspruch, die Mitgliedschaft in einer Kirche richte sich nach innerkirchlichem Recht, besagt letztlich nur, daß der Staat niemanden als Kirchenangehörigen behandeln darf, der dies nach innerkirchlichem Recht nicht ist, schließt aber eine verfassungskonforme Auslegung staatlicher Kirchensteuergesetze nicht aus.
2. Unter welchen Voraussetzungen eine Person Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist, bestimmt sich grundsätzlich nach innerkirchlichem Recht.
3. Art. 4 Abs. 1 GG schützt u.a. das Recht, keinem Glauben angehören zu wollen und damit den Eintritt und Austritt aus einer Religionsgemeinschaft. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen der sog. negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ist durch die bloße Möglichkeit des Kirchenaustritts allein nicht genügt.
4. Die durch Bekenntnis dokumentierte Glaubenszugehörigkeit bleibt bis zum Kirchenaustritt, Kirchenausschluß oder Tod bestehen. Es ist nicht erforderlich, daß der Steuerpflichtige sich für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu einer Religionsgemeinschaft bekennt. Das Bekenntnis muß auch nicht gegenüber den Finanzbehörden erklärt werden.
5. Eine Verpflichtung des BFH die Sache wegen Abweichung von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 9.7.1965 VII C 16.62 (BVerwGE 21, 330) dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen, besteht nicht, da das Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.6.1968 (BGBl I 1968, 661) nach Ergehen der Entscheidung des BVerwG in Kraft getreten ist.
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1; KiStG NW § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Köln (Dok.-Nr. 0144620; EFG 1998, 230) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wohnte mit ihrem am 19. April 1993 verstorbenen Ehemann im Streitjahr 1989 in Köln. Sie wurden 1989 zusammen veranlagt. Beide stammen bzw. stammten von jüdischen Müttern ab.
Nach § 4 der Satzung der Beklagten und Revisionsklägerin (Beklagte) waren Gemeindemitglieder alle in ihrem Gemeindegebiet wohnhaften Personen, die Juden sind. Das für die Einkommensteuerveranlagung der Eheleute zuständige Finanzamt (FA) setzte in dem an beide Ehegatten gerichteten Einkommensteuerbescheid für 1989 israelitische Kultussteuer fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die Klage der Klägerin, zugleich als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes, hob das Finanzgericht (FG) den Kirchensteuerfestsetzungsbescheid auf (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 230).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte Verletzung des Art. 140 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 136 ff. der Weimarer Reichsverfassung (WRV) und Nichtbeachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (Urteil vom 31. März 1971 1 BvR 744/67, BVerfGE 30, 415 ff.) und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Auf die Revision der Beklagten ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat teilt zwar die Auffassung der Vorinstanz, daß eine die Kirchensteuerpflicht begründende Kirchenmitgliedschaft nicht ohne bzw. gegen den Willen des Betroffenen begründet werden kann und daher ein Bekenntnis (hier) zum jüdischen Glauben voraussetzt. Ein derartiges Bekenntnis muß allerdings nicht in Steuererklärungen seinen Ausdruck finden oder in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem streitigen Veranlagungszeitraum stehen.
A. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Ein Antrag, die in der ersten Instanz Beigeladenen im Revisionsverfahren hinzuzuziehen, ist zur Statthaftigkeit der Revision nicht notwendig. Die in der ersten Instanz Beigeladenen werden von Gesetzes wegen Beteiligte des Revisionsverfahrens (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 122 Rdnr. 1, m.w.N.; vgl. auch § 57 Nr. 3 FGO).
B. Nach § 15 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KiStG NW) sind kirchensteuerpflichtig alle Angehörigen einer Religionsgemeinschaft, die die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben (§ 15 Abs. 1 KiStG NW).
1. Unter welchen Voraussetzungen eine Person Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist, bestimmt sich grundsätzlich nach innerkirchlichem Recht (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Januar 1995 I R 89/94, BFHE 177, 194, BStBl II 1995, 475; vom 6. Oktober 1993 I R 28/93, BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253; vom 11. Dezember 1985 I R 207/84, BFHE 146, 315, BStBl II 1986, 569). Nach den Feststellungen des FG sind nach § 4 Abs. 1 der Satzung der Beklagten alle Personen Gemeindemitglieder, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit, wenn sie im Gemeindegebiet wohnhaft und Juden sind. Da nach jüdischem Recht Jude/Jüdin ist, wer von einer jüdischen Mutter abstammt oder zum Judentum konvertiert ist (vgl. BFH in BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253, m.w.N.), und die Klägerin und ihr verstorbener Mann im Gemeindegebiet der Beklagten wohnten, sind sie nach innerkirchlichem Recht mit ihrem Zuzug nach Köln Mitglied der Beklagten geworden.
An die vom FG festgestellten Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. BFH in BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253). Revisionsrechtlich kann daher dem Vortrag der Klägerin nicht nachgegangen werden, zur Begründung der Gemeindemitgliedschaft müsse zusätzlich ein formalisiertes Aufnahmeverfahren durchlaufen werden (siehe aber unten Nr. 5).
2. Das Recht der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten und damit auch die Mitgliedschaft ihrer Angehörigen selbständig zu regeln, findet jedoch gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ihre Schranken in den für alle geltenden Gesetzen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 30, 415).
a) Zu diesen Gesetzen gehören insbesondere die Grundrechte, hier insbesondere Art. 4 Abs. 1 GG. Die durch Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistete Glaubens- und Bekenntnisfreiheit sichert einen von staatlicher Einflußnahme freien Rechtsraum, in dem jeder sich eine Lebensform geben kann, die seiner religiösen und weltanschaulichen Überzeugung entspricht. Jeder darf danach über sein Bekenntnis und seine Zugehörigkeit zu einer Kirche selbst und frei von staatlichem Zwang entscheiden. Das schließt die Freiheit, einer Kirche fernzubleiben, ebenso ein wie die Freiheit, sich jederzeit von der kirchlichen Mitgliedschaft mit Wirkung für das staatliche Recht durch Austritt zu befreien (BVerfG-Beschluß vom 8. Februar 1977 1 BvR 329/71 u.a., BVerfGE 44, 37, 49, BStBl II 1977, 451). Art. 4 Abs. 1 GG schützt u.a. das Recht, keinem Glauben angehören zu wollen und damit den Ein- und Austritt aus einer Religionsgemeinschaft (vgl. Herzog in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 4 Rdnr. 55; Morlok in Dreier, Grundgesetz, Art. 4 Rdnr. 54; Scheuner, Die öffentliche Verwaltung 1967, 585).
Unabhängig von dem Recht der Kirchen zur selbständigen Ordnung der Kirchenmitgliedschaft nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV verbietet daher Art. 4 Abs. 1 GG, als Grundlage für die Kirchensteuerpflicht eine kirchliche Mitgliedschaftsregelung heranzuziehen, die eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterwirft (BVerfG in BVerfGE 30, 415, 423; vgl. auch BVerfG-Entscheidung vom 30. November 1983 1 BvR 1016/83, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1984, 73; BFH-Beschluß vom 26. Oktober 1995 I B 49/95, BFH/NV 1996, 436). Hiervon ausgehend kann eine allein an die Abstammung/Geburt und Wohnsitznahme anknüpfende Mitgliedschaft im Rahmen der staatlichen Kirchensteuergesetze nicht anerkannt werden (vgl. z.B. von Campenhausen, Handbuch des Staatskirchenrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 1995, Bd. 1, S. 771; ders. Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 141, m.w.N.; Engelhardt, Die Kirchensteuer, 1968, S. 63; Wagner, Finanz-Rundschau --FR-- 1996, 10, 15).
b) Die Möglichkeit des Kirchenaustritts allein genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen der sog. negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nicht. Der Kirchenaustritt beseitigt die Kirchenmitgliedschaft und damit die daraus resultierende Kirchensteuerpflicht nicht für die Vergangenheit (vgl. z.B. § 3 Abs. 2 KiStG NW; Engelhardt, Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern, 1991, S. 79; von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 172, m.w.N.; Wagner, FR 1996, 10, 16). Auch nach der Erklärung des Kirchenaustritts bleibt die Mitgliedschaft bis zum Wirksamwerden des Austritts bestehen. Für die Zeit bis zum Kirchenaustritt verbleibt es aus verfassungsrechtlicher Sicht, sofern die Mitgliedschaft nicht vom Willen des einzelnen getragen war, bei einer verbotenen Zwangsmitgliedschaft.
Im übrigen bleibt auf entsprechenden Einwand der Klägerin darauf hinzuweisen, daß eine denkbare Unkenntnis von einer bestehenden Kirchenmitgliedschaft die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Kirchensteuergesetze nicht berührt (BFH in BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253).
c) Der Wille, einer Religionsgemeinschaft angehören zu wollen, muß sich demgemäß in einem positiven Bekenntnis (hier) zum jüdischen Glauben manifestieren. Eines formalisierten Eintrittsaktes bedarf es hierzu allerdings nicht (a.A. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 172). Sieht das innerkirchliche Recht einen formalisierten Eintrittsakt nicht vor, so ist es grundsätzlich nicht Angelegenheit des Staates, einen solchen zur Begründung der innerkirchlichen Mitgliedschaft vorzuschreiben. Dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß der von einer jüdischen Mutter Abstammende in anderer Form seine Bekenntniszugehörigkeit willentlich dokumentiert. In diesem Sinne hat der erkennende Senat in BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253 (s. auch BFH/NV 1996, 436) eine kirchenrechtliche Regelung für verfassungsgemäß gehalten, obgleich sie ein formalisiertes Bekenntnis gegenüber der Religionsgemeinschaft nicht vorsah.
d) Setzt --wie im Streitfall-- die innerkirchliche Regelung ein formalisiertes Bekenntnis zur Begründung der Mitgliedschaft nicht voraus, so ist der in den staatlichen Kirchensteuergesetzen verwandte Begriff "Kirchenangehöriger" verfassungskonform dahin zu interpretieren, daß als kirchensteuerpflichtiger Angehöriger einer Kirche bzw. Religionsgemeinschaft nur eine solche Person behandelt wird, die sich --sei es persönlich oder ihre gesetzlichen Vertreter-- durch nach außen hin erkennbare und zurechenbare Willensäußerung als der Religionsgemeinschaft zugehörig bekannt hat. Der Senat ist der Auffassung, daß eine verfassungskonforme Interpretation des in den staatlichen Kirchensteuergesetzen verwendeten Begriffs des "Kirchenangehörigen" sowohl der Glaubens- und Gewissensfreiheit des einzelnen als auch dem Recht der Religionsgemeinschaften, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln, am besten entspricht. Damit wird auch den Bedenken Rechnung getragen, die eine Ergänzung der innerkirchlichen Mitgliedschaftsregelung durch staatliche Gerichte für unzulässig halten (vgl. z.B. Engelhardt, Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern, 1991, S. 32). Die verfassungskonforme Auslegung hat auch Vorrang vor einer Nichtanwendung bzw. Unwirksamkeitserklärung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Norm (BVerfG-Beschluß vom 30. März 1993 1 BvR 1045/89 u.a., BVerfGE 88, 145, 166, m.w.N.). Der sich in ständiger Rechtsprechung wiederfindende Ausspruch, die Mitgliedschaft in einer Kirche richte sich nach innerkirchlichem Recht, besagt letztlich nur, daß der Staat niemanden als Kirchenangehörigen behandeln darf, der dies nach innerkirchlichem Recht nicht ist, schließt aber eine verfassungskonforme Auslegung staatlicher Kirchensteuergesetze nicht aus.
In diesem Sinn haben auch die für Kirchensteuersachen zuständigen Gerichte wiederholt entschieden. So betraf die eine Kirchensteuerpflicht bejahende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 9. Juli 1965 VII C 16.62 (BVerwGE 21, 330) einen Kläger, der seine Zugehörigkeit zur jüdischen Konfession wiederholt gegenüber staatlichen Stellen erklärt hatte (vgl. ähnlich Verwaltungsgericht --VG-- Frankfurt, Urteil vom 12. August 1982 I/3 E 739/81, Kirchenentscheidungen, Bd. 20, 97; vgl. hierzu auch von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 171; List, Betriebs-Berater 1997, 17, 20; Wagner, FR 1996, 10). In ähnlicher Weise hat das FG München rituelle Handlungen als Ausdruck des Bekenntnisses und damit zur Begründung der Kirchenmitgliedschaft als ausreichend angesehen, auch wenn die innerkirchlichen Regelungen diese Handlungen nicht zur Voraussetzung für die Mitgliedschaft machten (vgl. FG München, Urteile vom 10. April 1989 XIII 314/87 Ki, EFG 1989, 593; vom 10. Dezember 1996 13 K 3508/96, EFG 1997, 1042).
3. Der Senat ist nicht verpflichtet, die Sache wegen Abweichung von der Entscheidung des BVerwG in BVerwGE 21, 330 dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen, da das Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I 1968, 661) nach Ergehen der Entscheidung des BVerwG in Kraft getreten ist (Gräber/Ruban/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 11 Rdnr. 17, m.w.N.). Im übrigen lag der Entscheidung des BVerwG ein Sachverhalt zugrunde, in dem sich der Steuerpflichtige (gegenüber staatlichen Behörden) zum Judentum bekannt hatte.
4. Wenngleich der Senat damit im Grundsatz die Auffassung der Vorinstanz teilt, ist das Urteil des FG aufzuheben. Die Feststellungen des FG reichen für eine abschließende Beantwortung der Frage, ob die Klägerin und ihr Ehemann sich bis zum Ende des Streitjahres zum Judentum bekannt hatten, nicht aus.
a) Es ist nicht erforderlich, daß der Steuerpflichtige sich für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu einer Religionsgemeinschaft bekennt. Die durch Bekenntnis dokumentierte Glaubenszugehörigkeit bleibt bis zum Kirchenaustritt, -ausschluß oder Tod bestehen. Das Bekenntnis muß auch nicht gegenüber den Finanzbehörden erklärt werden (BFH in BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253). Jede nach außen hin und als solche deutlich gewordene Bekenntniserklärung trägt die Kirchensteuerpflicht, auch wenn sie Jahrzehnte zurückliegt.
Diesen Überlegungen tragen die Ermittlungen des FG insoweit nicht Rechnung, als sie sich auf die Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes in ihren Steuererklärungen für die Jahre ab 1984 und die Angaben in den entsprechenden Lohnsteuerkarten beschränken. Die Klägerin und ihr Ehemann hielten sich seit 1978 im Bundesgebiet auf. Ihren damaligen Angaben bei den Meldebehörden ist nachzugehen. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin und ihr Ehemann seinerzeit offensichtlich Angaben zur Religionsgemeinschaft machten, wie den Eintragungen in den Lohnsteuerkarten zu entnehmen ist. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden nach eigenem Vortrag bei ihrer Einreise aus der damaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland mit Informationen jüdischer Organisationen versorgt, was eine Kontaktaufnahme zu den im Inland agierenden jüdischen Organisationen nahelegt. Auch die Angaben in den Einreiseanträgen o.ä. können Aussage über die Zugehörigkeit zum Judentum machen.
b) Sollte ein Ehegatte mangels Bekenntnisses nicht Kirchenangehöriger geworden sein, so richtet sich die Kirchensteuererhebung nach § 7 Abs. 2 KiStG NW. Sollten beide Ehegatten kirchensteuerpflichtig sein, so ist die Kirchensteuer nach § 4 KiStG NW zu bemessen, und zwar unabhängig davon, welcher Ehegatte die besteuerten Einkünfte tatsächlich erzielte.
c) Sollten die weiteren Ermittlungen das FG nicht davon überzeugen, daß die Klägerin und/oder ihr Ehemann sich zum jüdischen Glauben bekannt haben, so trägt insoweit die Beklagte die Feststellungslast, wie das FG in seiner Vorentscheidung zutreffend ausgeführt hat.
5. Im 2. Rechtsgang wird das FG auch dem Vortrag der Klägerin nachgehen müssen, daß nach dem Satzungsrecht der Beklagten nur der im Gemeindegebiet der Beklagten wohnhafte Jude Mitglied wird, der mit Erfolg ein Anmelde- und Aufnahmeverfahren durchlaufen hat. Auf das im Streitfall am 6. Mai 1993 ausgefüllte Mitgliedsanmeldeformular wird hingewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 56170 |
BFH/NV 1999, 1291 |
BStBl II 1999, 499 |
BFHE 188, 245 |
BFHE 1999, 245 |
BB 1999, 1205 |
DB 1999, 1197 |
DStR 1999, 931 |
DStRE 1999, 510 |
DStRE 1999, 510 (Leitsatz) |
DStZ 1999, 621 |
DStZ 1999, 621-622 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1999, 735 |
StE 1999, 338 |