Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Tagessatz von 1,50 DM für Mehraufwand für Verpflegung bei mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung (Abschn. 24 Abs. 5 LStR 1963) ist ein geschätzter Durchschnittsbetrag. Auch wenn der Steuerpflichtige nachweist, daß er an einigen Tagen einen höheren Aufwand für Verpflegung gehabt hat, ist der Satz nicht zu erhöhen. Ebensowenig berechtigt die Erhöhung der Lebenshaltungskosten die Steuergerichte dazu, von sich aus allgemein oder für einzelne Fälle den Satz von 1,50 DM zu erhöhen.
Normenkette
EStG §§ 9, 12 Nr. 1; LStDV § 20; LStR Abschn. 24 Abs. 5
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) ist Steuerinspektor im Betriebsprüfungsdienst eines Finanzamts (FA). Die Familie wohnt in einem eigenen Einfamilienhaus, 34 km vom Dienstort des Stpfl. entfernt; der Stpfl. kehrt täglich zu seiner Familie zurück. Die Ehefrau betreibt am Wohnort ein Lebensmittelgeschäft. Der Stpfl. bat, auf der Lohnsteuerkarte 1963 Freibeträge wegen erhöhter Werbungskosten einzutragen. Das FA entsprach dem Antrag nur zum Teil. Im Revisionsverfahren ist streitig, ob der Stpfl. als Mehraufwendungen für Verpflegung wegen langer Abwesenheit von der Wohnung 1,50 DM oder 3 DM täglich absetzen kann.
Der Stpfl. meint, jeder Arbeitnehmer, der mehr als sechs Stunden von seiner Wohnung abwesend sei und sein Mittagessen am auswärtigen Dienstort einnehme, habe einen Anspruch auf Anerkennung eines Verpflegungsmehraufwands von 3 DM täglich. Ihm selbst stünden darum im Streitjahr 1963 zusätzliche Werbungskosten von (120 x 3 DM =) 360 DM zu.
Das FA berücksichtigte diesen Posten nicht, weil Ausgaben eines Steuerpflichtigen für Essen und Trinken zur allgemeinen Lebensführung gehörten und gemäß § 12 Ziff. 1 EStG das Einkommen nicht mindern dürften.
Die Sprungberufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erkannte für das Streitjahr 1963 einen dienstlich veranlaßten Verpflegungsmehraufwand von (120 x 1,50 DM =) 180 DM an, weil der Stpfl. an 120 Tagen im Jahr mehr als 12 Stunden vom Hause abwesend gewesen sei. Es stellte fest, daß der Stpfl. seinen Dienst um 7.30 Uhr früh beginne und um 18 Uhr beende. Für die Fahrten zwischen Wohnungs- und Arbeitsstätte benötige der Stpfl. regelmäßig mehr als 45 Minuten, vor allem, weil die Fahrten in die Zeit des Hauptberufsverkehrs fielen und die Straßen sich in einem schlechten Zustand befänden.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Kosten für Verpflegung sind, wie das FG zutreffend annimmt, in aller Regel Kosten der allgemeinen Lebenshaltung und gemäß § 12 Ziff. 1 EStG bei der Ermittlung des Einkommens nicht abzugsfähig. Anders ist es beim Mehraufwand für Verpflegung auf Geschäfts- oder Dienstreisen, weil in diesen Fällen die berufliche Veranlassung des Mehraufwands offensichtlich im Vordergrund steht. Entstehen Steuerpflichtigen - gleichviel, ob sie selbständig oder unselbständig sind - Mehraufwendungen für Verpflegung dadurch, daß sie während einer Arbeitspause in einer Gaststätte oder Kantine essen, weil sie keine Verpflegung für den Tag mitgenommen haben oder den Heimgang zur Einnahme der Mahlzeit ersparen wollen, so sind die durch die auswärtige Verpflegung entstehenden Mehraufwendungen Kosten der allgemeinen Lebensführung, weil sie durch die individuelle Lebensgestaltung der Steuerpflichtigen verursacht werden (Urteile des Senats VI 196/57 U vom 22. August 1958, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 67 S. 419 - BFH 67, 419 -, BStBl III 1958, 433; VI 197/62 vom 19. Oktober 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 9 Sätze 1 und 2, Rechtsspruch 2094).
Auch wenn einem Steuerpflichtigen Mehrkosten für Ernährung dadurch entstehen, daß er infolge seiner beruflichen Tätigkeit länger als üblich von der Wohnung abwesend ist, so sind die dadurch bedingten Mehrkosten ebenfalls im allgemeinen Kosten der Lebenshaltung. Nur für Arbeitnehmer, die aus beruflichen Gründen regelmäßig mehr als 12 Stunden von zu Hause abwesend sind, hat die Rechtsprechung eine Ausnahme anerkannt und berücksichtigt den dabei in der Regel entstehenden Verpflegungsmehraufwand mit einem pauschalen Betrag als Werbungskosten (vgl. Urteile des BFH IV 119/53 U vom 17. September 1953, BFH 58, 81, BStBl III 1953, 322; IV 393/54 U vom 3. Februar 1955, BFH 60, 283, BStBl III 1955, 109; IV 589/54 U vom 10. Februar 1955, BFH 60, 287, BStBl III 1955, 110; VI 44/55 U vom 12. Dezember 1956, BFH 64, 78, BStBl III 1957, 29, und I 205/60 S vom 11. April 1961, BFH 73, 535, BStBl III 1961, 461). Es ist bestritten, ob diese Rechtsprechung und die Verwaltungsbehörden einen solchen Pauschbetrag bei mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung ohne gesetzliche Grundlage zulassen durften (vgl. "Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht - Bericht der Einkommensteuer-Kommission -" in der Schriftreihe des Bundesministers der Finanzen Heft 7 S. 63 ff.). Jedenfalls sieht der Senat keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung zu erweitern und - wie der Stpfl. will - zusätzliche Werbungskosten schon bei einer Abwesenheit von mehr als sechs Stunden anzuerkennen.
Nach diesen Grundsätzen konnte das FG ohne Rechtsverstoß einen Mehraufwand des Stpfl. für Verpflegung anerkennen, weil der Stpfl. an 120 Tagen im Jahr über zwölf Stunden von zu Hause abwesend war. Eine regelmäßige und nicht nur gelegentliche Abwesenheit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer mindestens zweimal wöchentlich oder zehnmal monatlich mehr als zwölf Stunden von zu Hause abwesend ist (Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Beköstigungskosten am Dienstort"). Ohne Rechtsverstoß hat das FG zur Berechnung der Dauer der Abwesenheit auch die Fahrtzeiten mit einbezogen (Hartz-Over, a. a. O.).
Zutreffend hat das FG auch die Mehraufwendungen entsprechend Abschn. 24 Abs. 5 LStR 1963 nur mit 1,50 DM täglich angesetzt. Der Einwand des Stpfl., wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten seien mindestens 3 DM täglich anzusetzen, greift nicht durch. Der Satz von 1,50 DM beruht auf einer Schätzung. Es ist ein Durchschnittsbetrag für das ganze Jahr und für alle Steuerpflichtigen, den die Finanzverwaltung in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH zur Vereinfachung der Besteuerung festgesetzt hat. Es mag sein, daß ein Steuerpflichtiger gelegentlich mehr als 1,50 DM am Tag aufwendet. An anderen Tagen wird er dagegen zuweilen weniger aufwenden. überdies liegen die Verhältnisse bei den einzelnen Steuerpflichtigen sehr verschieden. Den tatsächlichen Mehraufwand in jedem Einzelfall einwandfrei festzustellen, ist technisch unmöglich. Entsprechende Versuche könnten nur zu einer unvertretbaren Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer führen. In solchen Fällen kann nur eine typisierende Durchschnittsschätzung zu einem brauchbaren und einigermaßen gleichmäßigen Ergebnis führen.
Die vom Stpfl. angeführte und zweifellos eingetretene Steigerung der Lebenshaltungskosten hat die Finanzverwaltung im übrigen seit dem Jahre 1965 durch die Erhöhung des Tagessatzes auf 2,50 DM berücksichtigt (Abschn. 24 Abs. 5 LStR 1965).
Wenn der Stpfl. darauf hinweist, daß die Pauschsätze für Steuerpflichtige mit doppeltem Hausstand in Abschn. 26 LStR 1963 höher seien, so greift auch dieser Einwand nicht durch, weil der Stpfl. keinen doppelten Hausstand führt, sondern bei seiner Familie wohnt. Die mehr als zwölfstündige Abwesenheit von der Wohnung und die Führung eines doppelten Hausstandes sind wirtschaftlich verschiedene Sachverhalte, die auch steuerlich verschieden beurteilt werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 412170 |
BStBl III 1966, 608 |
BFHE 1966, 574 |
BFHE 86, 574 |