Leitsatz (amtlich)
1. In der unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern einer Personenhandelsgesellschaft auf ihre Gesellschafter liegt grundsätzlich eine gewinnrealisierende Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen. Gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen kann nur angenommen werden, wenn die Gesellschafter durch eindeutige Handlungen erkennen lassen, daß die Wirtschaftsgüter ihrer Gesellschaftsbeteiligung dienen sollen.
2. Die Entnahme einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist nach § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG als Aufgabe eines Teilbetriebs anzusehen; das gilt auch für die Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen einer Personenhandelsgesellschaft.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 15 (Abs. 1) Nr. 2, § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Die klagende Kommanditgesellschaft (Klägerin und Revisionsbeklagte - Klägerin -) betreibt eine ...fabrik. Persönlich haftende Gesellschafter waren im Streitjahr 1967 drei natürliche Personen, die Beigeladenen zu 1 bis 3; am Festkapital der Klägerin waren sie mit jeweils 31,47 v. H. beteiligt. Einzige Kommanditistin mit einem Anteil von 5,59 v. H. am Festkapital war eine GmbH, deren Tätigkeit sich auf die Wahrnehmung der Gesellschafterstellung beschränkte; einzige Gesellschafterin der GmbH war die Klägerin.
Im November 1967 erhöhte die Klägerin zunächst das Kapital der GmbH von 20 000 DM auf 20 700 DM und verkaufte die Anteile alsdann zum Buchwert von jeweils 6 900 DM an ihre Komplementäre. Zum 31. Dezember 1968 veräußerten die Komplementäre das Unternehmen. Zu diesem Zweck traten sie als Gesellschafter aus und verkauften die GmbH-Anteile. Die Gegenleistung betrug 6 750 000 DM; hiervon sollten 377 325 DM auf die GmbH-Anteile entfallen.
Nach einer Betriebsprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) davon aus, daß die GmbH-Anteile mit der Übertragung auf die Komplementäre entnommen worden seien. Er führte dafür an, daß die GmbH-Anteile bei der Klägerin ausgebucht worden seien und weder in ihre Steuerbilanz zum 31. Dezember 1967 noch in die Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1968 Eingang gefunden hätten und daß auch der Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile in der Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung 1968 nicht berücksichtigt worden sei. Die Komplementäre hätten die Anteile als Privatvermögen behandelt und deshalb in ihren Vermögenserklärungen zum 1. Januar 1968 als sonstiges Vermögen ausgewiesen sowie auch den im Jahre 1978 erzielten Veräußerungsgewinn als Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung (§ 17 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) erklärt. Demgegenüber legte das FA einem Aktenvermerk der Steuerberatungsgesellschaft der Klägerin kein Gewicht bei, der vor der Übertragung der GmbH-Anteile auf die Komplementäre angefertigt und dem beurkundenden Notar als Grundlage für den Vertragsentwurf übersandt worden war. Darin wird ausgeführt, daß die GmbH-Anteile weiterhin Betriebsvermögen blieben; es handle sich nicht um eine Entnahme, sondern um eine Vermögensumschichtung, weil zu unterstellen sei, daß die Gesellschafter die erworbenen Geschäftsanteile wieder in die KG einlegen würden. Als Teilwert der entnommenen GmbH-Anteile setzte das FA den später von den Komplementären erzielten Kaufpreis an; die Differenz zum Buchwert behandelte es als tarifbesteuerten Entnahmegewinn der Klägerin.
Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Das FG ging davon aus, daß die GmbH-Anteile gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter geworden und nicht entnommen worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die tatsächlichen Feststellungen des FG ergeben, daß die GmbH-Anteile nicht Sonderbetriebsvermögen der Komplementäre geworden sind und deshalb auf die Aufdeckung von stillen Reserven in der übertragenen Beteiligung nicht verzichtet werden konnte.
1. Überläßt eine gewerblich tätige Personengesellschaft ihren Gesellschaftern Wirtschaftsgüter unter ihrem wahren Wert, so liegt darin regelmäßig eine Entnahme i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. Sie führt dazu, daß in der Gewinnermittlung der Personengesellschaft für die übertragenen Wirtschaftsgüter ihre Teilwerte angesetzt und damit die durch die Gegenleistung der Gesellschafter nicht abgegoltenen stillen Reserven aufgedeckt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG).
Das FG ist demgegenüber davon ausgegangen, daß die Umwandlung von Gesamthandseigentum der Gesellschaft in Alleineigentum des Gesellschafters die Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen der Gesellschaft unberührt lasse und daß diese Beziehung erst durch eine zusätzliche Entnahmehandlung des Gesellschafters gelöst werde. Dem ist nicht zu folgen. Die Beziehung zum Betriebsvermögen der Gesellschaft wird bereits durch die Übertragung des Wirtschaftsguts auf den Gesellschafter gelöst; sofern dies unentgeltlich geschieht, liegt hierin grundsätzlich eine gewinnrealisierende Entnahme aus dem Vermögen der Gesellschaft. Von der Gewinnrealisierung kann möglicherweise abgesehen werden, wenn das Wirtschaftsgut gleichzeitig in das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters übergeht. Dafür spricht, daß bei der Einbringung von Wirtschaftsgütern aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft eine Gewinnrealisierung vermieden wird, wenn die Gesellschaft die Buchwerte des Gesellschafters fortführt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Juli 1976 I R 17/74, BFHE 119, 285, BStBl II 1976, 748; vom 31. März 1977 IV R 54/72, BFHE 121, 470, BStBl II 1977, 415). Es liegt nahe, diese Grundsätze auch bei der Überführung von Gesamthandsvermögen der Gesellschaft in Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters anzuwenden. Hierauf kann jedoch nicht eingegangen werden, weil die GmbH-Anteile nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils im Streitfall nicht Sonderbetriebsvermögen der Komplementäre geworden sind.
Um notwendiges Sonderbetriebsvermögen handelte es sich, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, deshalb nicht, weil die Anteile an der als Kommanditistin fungierenden GmbH weder dem Unternehmen der Klägerin dienlich waren noch der Verstärkung der Rechtsstellung der Komplementäre innerhalb der Gesellschaft dienten (vgl. BFH-Urteile vom 24. September 1976 I R 149/74, BFHE 120, 208, BStBl II 1977, 69; vom 5. Dezember 1979 I R 184/76, BFHE 129, 169, BStBl II 1980, 119; vom 15. Januar 1981 IV R 76/77, BFHE 132, 289, BStBl II 1981, 314).
Allerdings kann der Gesellschafter einer gewerblich tätigen Personengesellschaft auch gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen unterhalten (BFH-Urteile vom 23. Juli 1975 I R 210/73, BFHE 117, 144, BStBl II 1976, 180; vom 21. Oktober 1976 IV R 71/73, BFHE 120, 374, BStBl II 1977, 150; vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40). Die GmbH-Anteile mögen hierzu tauglich gewesen sein, wie das FG angenommen hat. Die Gesellschafter haben jedoch nicht erkennen lassen, daß die GmbH-Anteile bei ihnen Betriebsvermögen sein sollen. Das muß mit der gleichen Eindeutigkeit wie bei der Einlage in das Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens geschehen.
Im Streitfall sind die GmbH-Anteile weder in steuerliche Sonderbilanzen der Gesellschafter aufgenommen noch im steuerlichen Betriebsvermögen der Gesellschaft geführt worden, wie es seinerzeit für Sonderbetriebsvermögen weithin üblich war (vgl. BFHE 117, 144, BStBl II 1976, 180). Vielmehr haben die Gesellschafter in ihren Vermögenserklärungen zum 1. Januar 1968 die Beteiligungen als sonstiges Vermögen ausgewiesen und den 1968 entstandenen Veräußerungsgewinn in ihren Einkommensteuererklärungen als Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung (§ 17 EStG) erklärt, während ein Gewinn aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen zur einheitlichen Gewinnfeststellung der Klägerin hätte erklärt werden müssen. Aus dem Aktenvermerk der steuerlichen Beraterin der Klägerin, der vor der Veräußerung der GmbH-Anteile an die Komplementäre gefertigt wurde, ergibt sich zwar die Absicht, daß die GmbH-Anteile weiterhin Betriebsvermögen sein sollten. Diese Absicht haben die Beteiligten, möglicherweise wegen einer geänderten steuerlichen Beurteilung, aber nicht verwirklicht. Das FG hat das steuerliche Verhalten der Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt der Entnahme gewürdigt und ist zu der Auffassung gelangt, daß es angesichts der Widersprüche zwischen den Absichten der Beteiligten nach dem Aktenvermerk und ihren Steuererklärungen an einer eindeutigen Entnahmehandlung fehle. Ausschlaggebend ist jedoch, ob die GmbH-Anteile nach dem unzweideutigen Willen der Gesellschafter Sonderbetriebsvermögen sein sollten. Da das Verhalten der Beteiligten auch nach den Feststellungen des FG eine solche Würdigung nicht zuläßt, sind die Anteile mit der Veräußerung an die Gesellschafter in das Privatvermögen übernommen worden.
2. Für entnommene Wirtschaftsgüter ist grundsätzlich ihr Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG). Abweichendes gilt jedoch für eine Beteiligung, die das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaft umfaßt. Die (entgeltliche) Veräußerung einer solchen Beteiligung gilt nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Veräußerung eines Teilbetriebs. Da § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG die Aufgabe des Gewerbebetriebs seiner Veräußerung gleichstellt, ist die Überführung einer solchen Beteiligung in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen wie die Überführung eines Teilbetriebs, mithin als Aufgabe des Teilbetriebs anzusehen. Diese Auffassung wird auch in der Literatur vertreten (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 16 EStG Anm. 385; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 16, S. 59); der Senat schließt sich ihr an. Die Aufgabe eines Teilbetriebs ist aber wie die Aufgabe eines Gewerbebetriebs zu behandeln (Senatsurteil vom 20. August 1964 IV 40/62 U, BFHE 80, 83, BStBl III 1964, 504).
Von dieser Beurteilung ist auch auszugehen, wenn eine 100 %ige Kapitalbeteiligung aus dem Gesamthandsvermögen einer Personenhandelsgesellschaft in das Privatvermögen der Gesellschafter übertragen wird. Wie die Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs durch eine solche Gesellschaft nicht als Veräußerung von Mitunternehmeranteilen der Gesellschafter oder von Anteilen am übertragenen Betriebsvermögen angesehen werden kann (vgl. die BFH-Urteile vom 1. Juni 1967 IV R 47/66, BFHE 89, 534, BStBl II 1967, 730; vom 17. April 1980 IV R 58/78, BFHE 131, 34, BStBl II 1980, 721; vom 19. Januar 1982 VIII R 21/77, BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456), so liegt auch in der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung durch die Gesellschaft nicht die Übertragung von Vermögensanteilen durch die Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 1976 I R 75/73, BFHE 119, 146, BStBl II 1976, 557). Dementsprechend muß die Übertragung einer 100 %igen Kapitalbeteiligung in das Privatvermögen der Gesellschafter wie die Aufgabe eines Teilbetriebs durch die Gesellschaft behandelt werden. Ob die Beteiligung auf einen oder mehrere Gesellschafter übertragen wird, hat dabei keine Bedeutung; auf die Zahl der Erwerber kommt es auch bei der Veräußerung einer 100 %igen Kapitalbeteiligung nicht an.
Da die Überführung der Beteiligung in das Privatvermögen als Aufgabe eines Teilbetriebs gilt, muß der Aufgabegewinn in der in § 16 Abs. 3 EStG vorgesehenen Weise ermittelt werden. Es ist daher im Streitfall der gemeine Wert der übertragenen Anteile festzustellen. Hierfür kann nicht ohne weiteres der im Jahre 1968 für die Anteilsveräußerung erzielte Betrag zugrunde gelegt werden. Diese Veräußerung liegt geraume Zeit nach der Übertragung der Anteile auf die Komplementäre; sie ist auch dadurch gekennzeichnet, daß die Gesellschafter gleichzeitig ihre Beteiligungen an der Klägerin und damit im Ergebnis das gesamte Unternehmen veräußerten. Als gemeiner Wert der GmbH-Anteile (§§ 1, 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1965) ist regelmäßig der Preis anzusetzen, den ein Außenstehender für die Anteile gezahlt haben würde, wenn er sie unter üblichen Bedingungen gekauft hätte (BFH-Urteil vom 16. Juli 1965 VI 71/64 U, BFHE 83, 325, BStBl III 1965, 618). Der so ermittelte Aufgabegewinn ist ermäßigt zu versteuern (§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG). Die hierfür erforderlichen Feststellungen müssen vom FG nachgeholt werden.
Ob ein im Jahre 1968 gegenüber dem Übernahmewert für die Anteile erzielter Mehrpreis von den Gesellschaftern als Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung zu versteuern ist (§ 17 EStG) und ob zu diesem Zweck die Einkommensteuerveranlagungen der Gesellschafter gemäß § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung, Art. 97 § 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung noch geändert werden können, kann im anhängigen Verfahren nicht geprüft werden.
Fundstellen
Haufe-Index 74388 |
BStBl II 1982, 751 |
BFHE 1983, 375 |