Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff "vorweggenommene Werbungskosten". 2. Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger nach Ablegung des Assessorexamens für die Teilnahme an einem Sprachkursus in England macht, können auch dann Werbungskosten (Fortbildungskosten) sein, wenn der Steuerpflichtige an dem Kursus vor Aufnahme seiner Berufstätigkeit als Rechtsanwalt teilnimmt.
Normenkette
EStG § 9; LStDV § 20/2
Tatbestand
Der Bf. besuchte alsbald nach Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung in der Zeit vom 5. Januar bis 20. März 1958 eine Sprachschule in England. Ab 1. April 1958 war er angestellter Anwaltsassessor bei zwei Rechtsanwälten und trat dann im Oktober 1959 als Sozius in deren Sozietät ein.
Das Finanzamt und das Finanzgericht haben die Aufwendungen für den Sprachkursus in England von 1.450 DM nicht als Werbungskosten anerkannt. Das Finanzgericht betrachtet diese Kosten als Ausbildungskosten, da sie vor der Aufnahme der eigentlichen Berufstätigkeit als Rechtsanwalt angefallen seien. Nur wenn der Bf. schon vorher als Anwaltsassessor oder in einer ähnlichen Stellung tätig gewesen sein würde, könnten die Kosten als Fortbildungskosten in dem ausgeübten Beruf steuerlich abzugsfähig sein.
Der Bf. rügt unrichtige Anwendung von § 9 EStG. Seine Berufsausbildung sei mit der Ablegung der zweiten Staatsprüfung abgeschlossen gewesen. Die streitigen Kosten seien vorweggenommene Fortbildungskosten. Er habe den Sprachkursus besucht, da die Anwälte, mit denen er sich habe zusammenschließen wollen, vor allem auf dem Gebiete des Seerechts tätig seien und englische Sprachkenntnisse daher unumgänglich notwendig seien. Er habe den Sprachkursus vor Aufnahme seiner Berufstätigkeit besucht, um nicht später die Berufsarbeit unterbrechen zu müssen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat hat mehrfach zur Abgrenzung von Ausbildungskosten und Fortbildungskosten Stellung genommen (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 7/56 U vom 20. September 1957, BStBl 1957 III S. 424, Slg. Bd. 65 S. 498, betreffend Aufwendungen für das Doktorexamen; VI 162/59 U vom 4. August 1961, BStBl 1962 III S. 5, betreffend Aufwendungen eines Referendars für Examenskurse; VI 110/62 U vom 24. August 1962, BStBl 1962 III S. 488, betreffend Weiterstudium eines Beamten). Ausbildungskosten gehören zu den nicht abzugsfähigen Lebenshaltungskosten im Sinne des § 12 Ziff. 1 EStG. Sie sind nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Sinne von § 4 Abs. 4 und § 9 EStG. Die Abgrenzung zwischen Werbungskosten und Betriebsausgaben einerseits und Lebenshaltungskosten andererseits muß grundsätzlich nach den gleichen Gesichtspunkten durchgeführt werden, weil Werbungskosten und Betriebsausgaben einen im Grunde gleichen Aufwand erfassen (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 166/60 U vom 16. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 63, Slg. Bd. 72 S. 169, betreffend Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten, und VI 79/60 S vom 2. März 1962, BStBl 1962 III S. 192, betreffend Unfallkosten als Werbungskosten). Die Gleichstellung von Werbungskosten und Betriebsausgaben führt dazu, vorweggenommene Werbungskosten und vorweggenommene Betriebsausgaben auch nach den gleichen Gesichtspunkten zu behandeln. Der Senat hat in dem Urteil VI 196/60 U vom 3. November 1961 (BStBl 1962 III S. 123) Planungskosten für ein später nicht eröffnetes gewerbliches Unternehmen nicht als abzugsfähig anerkannt, weil ein klarer und konkreter Zusammenhang mit einer bestimmten Einkommensart nicht bestand. Ein solcher Zusammenhang kann aber bei Aufwendungen zur Vorbereitung einer beruflichen oder geschäftlichen Tätigkeit gegeben sein, sofern eine ausreichende Konkretisierung festzustellen ist.
Im Streitfall stehen die Kosten des Sprachkursus in einem eindeutigen und konkreten Zusammenhang mit späteren Einkünften des Bf. als Rechtsanwalt. Dafür spricht schon der enge zeitliche Zusammenhang. Mit Recht führt der Bf. aus, daß mit der Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung die Ausbildung eines Juristen grundsätzlich abgeschlossen ist. Den Entschluß eines Assessors, vor Antritt seiner ersten Stelle mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Berufs noch an einem Sprachkursus im Ausland teilzunehmen, kann man nicht mit dem Finanzgericht als Verlängerung der Ausbildung betrachten. Es werden damit vielmehr künftige berufliche Auslagen zeitlich vorweggenommen. Es wäre mit einer vernünftigen wirtschaftlichen Betrachtung unvereinbar, den Fall verschieden zu beurteilen, je nachdem, ob der Bf. den Sprachkursus kurze Zeit vor oder kurze Zeit nach der Aufnahme der Anwaltstätigkeit besuchte. Der Zweck wäre in beiden Fällen derselbe. Die Aufwendungen für den Sprachkursus hat das Finanzgericht daher zu Unrecht nicht als Werbungskosten anerkannt.
Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das die Steuer unter Zugrundelegung der vorstehenden Rechtsausführungen anderweit zu berechnen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 410572 |
BStBl III 1962, 467 |
BFHE 1963, 545 |
BFHE 75, 545 |