Leitsatz (amtlich)
Der vom Mieter in fremdem Grundstück mit der Modernisierung einer Schaufensteranlage getragene Aufwand als immaterielles Wirtschaftsgut bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens.
Normenkette
BewG 1965 § 95 Abs. 1, § 10
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit dem 1. Januar 1960 eine Apotheke in gemieteten Räumen. Im Jahre 1974 ließ er auf seine Kosten die alte Schaufensteranlage durch eine neue ersetzen. Dabei wurden die bisher fünf rundbogigen Einzelfenster entfernt und eine einzige etwa 20 cm in den Bürgersteig hineinragende und etwa 9m lange Schaufensteranlage angebracht. Die zwischen den Einzelfenstern stehenden Sandsteinsäulen wurden verkleidet. Der Kostenaufwand betrug 34 617 DM. Nach dem Mietvertrag ist der Mieter berechtigt, die Einrichtungen, mit denen er die Räume versehen hat, wegzunehmen; er hat dann den früheren Zustand wieder herzustellen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) hat zunächst bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf die streitigen Stichtage 1. Januar 1975 (Wertfortschreibungsbescheid vom 21. März 1977) und 1. Januar 1977 (Hauptfeststellungsbescheid vom 8. Juni 1978) die Schaufensteranlage nicht berücksichtigt. Die Bescheide waren unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977-). Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, daß die Schaufensteranlage beim Kläger als selbständiges Wirtschaftsgut zu erfassen und mit dem Teilwert zu bewerten sei (Wertansatz zum 1. Januar 1975 31 155 DM und zum 1. Januar 1977 24 231 DM). Dies führte mangels Erreichens der Fortschreibungsgrenze zur ersatzlosen Aufhebung des Einheitswertbescheids auf den 1. Januar 1975 und zur geänderten Feststellung auf den 1. Januar 1977. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Im Klageverfahren hatte der Kläger vorgetragen: Die Aufwendungen für die Änderung des Schaufensters hätten nicht zu einem besonderen Wirtschaftsgut geführt; denn bei der Schaufensteranlage handle es sich weder um einen Scheinbestandteil noch um eine Betriebsvorrichtung. Die Aufwendungen müßten vielmehr bei der Grundstücksbewertung des Grundstückseigentümers erfaßt werden. Außerdem handle es sich bei den Aufwendungen um Erhaltungsaufwand, der nach der Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Februar 1978 VIII R 148/73, BFHE 124, 454, BStBl II 1978, 345 ) bei Einbauten und Umbauten eines Mieters nicht zur Annahme eines aktivierungspflichtigen immateriellen Wirtschaftsguts führe.
Das FA war der Meinung, die Aufwendungen seien kein Erhaltungs-, sondern Herstellungsaufwand. Dieser stehe in einem unmittelbaren Nutzungs- und Funktionszusammenhang nicht zum Gebäude, sondern zum Betrieb des Klägers; denn er diene der Werbung für seine Apotheke (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 I R 32/73, BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443 ).
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit folgender Begründung stattgegeben:
Entgegen der Auffassung des Klägers könne ein Mietereinbau und Mieterumbau trotz seiner Erfassung im Rahmen der Grundstücksbewertung auch beim gewerblichen Betriebsvermögen des Mieters zu berücksichtigen sein, wenn ein immaterielles Wirtschaftsgut vorliege (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1970 III R 119/67, BFHE 100, 122, BStBl II 1970, 842 ). Ein immaterielles Wirtschaftsgut sei hier aber nicht entstanden. Dem Kläger sei durch die neue Schaufensteranlage zwar ein wirtschaftlicher Vorteil entstanden. Aber nicht jeder Vorteil führe zu einem selbständig bewertungsfähigen immateriellen Wert, also zu einem selbständigen Wirtschaftsgut. Erforderlich sei vielmehr, daß er eine gewisse Selbständigkeit habe. Diese Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor. Die Aufwendungen des Klägers beträfen ausschließlich die Veränderung eines notwendigen Gebäudebestandteils. Sie gingen derart in einem selbständigen Wirtschaftsgut, nämlich dem Gebäude, auf, daß die Abspaltung eines weiteren selbständigen Wirtschaftsguts nicht möglich sei. Insofern unterscheide sich der Sachverhalt grundlegend von den Fällen, in denen der BFH in der Vergangenheit bei Mietereinbauten ein immaterielles Wirtschaftsgut angenommen oder dessen Entstehung für möglich gehalten habe (vgl. BFHE 100, 122, BStBl II 1970, 824 - vollständiger Umbau von Geschäftsräumen für andere geschäftliche Zwecke -; Urteile vom 18. Juni 1971 III R 10/69, BFHE 102, 298, BStBl II 1971, 618 - Umgestaltung eines Wohnhauses in ein Hotel -, und vom 9. November 1973 III R 12/72, BFHE 110, 541, BStBl II 1974, 81 - Ein-, Um- und Ausbauten in einer Pachtgaststätte -). In diesen entschiedenen Fällen seien die Baumaßnahmen weit über die bloße Umgestaltung eines notwendigen Gebäudebestandteils hinausgegangen.
Das FA rügt mit der Revision die Verletzung der §§ 95 Abs. 1 und 68 des Bewertungsgesetzes (BewG). Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Der vom Kläger für die Neugestaltung der Schaufensteranlage getragene finanzielle Aufwand ist bei der Einheitsbewertung seines Betriebsvermögens unter dem Gesichtspunkt eines immateriellen Wirtschaftsguts zu erfassen. Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei dem Aufwand möglicherweise um Erhaltungsaufwand handelt.
1. Nach § 95 Abs. 1 BewG 1965 sind bei der Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebsvermögens neben materiellen Wirtschaftsgütern auch immaterielle Werte zu erfassen, wenn und soweit sie Gegenstandseigenschaft erlangt haben und damit Wirtschaftsgüter geworden sind. Nach der Entscheidung des Senats vom 25. Mai 1984 III R 103/81 (BFHE 141, 289, BStBl II 1984, 617 ) können auch Einbauten und Umbauten eines Mieters, die er in einem fremden Grundstück vornimmt, immaterielle Wirtschaftsgüter in Gestalt von Gebrauchsvorteilen sein.
2. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß die vom Kläger errichtete Schaufensteranlage bürgerlich-rechtlich nach § 94 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wesentlicher Grundstücksbestandteil geworden ist. Auch bewertungsrechtlich gehört die Schaufensteranlage nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG als sonstiger Bestandteil zum Grundstück und ist deshalb in die Grundstücksbewertung beim Vermieter einzubeziehen. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Schaufensteranlage keine Betriebsvorrichtung ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 209/67, BFHE 92, 383, BStBl II 1968, 581 , und Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 13. Aufl., § 68 BewG Anm. 31). Die Annahme eines Scheinbestandteils (§ 95 Abs. 2 BGB) kommt nicht in Betracht, weil die Schaufensteranlage bei Zugrundelegung objektiver Umstände nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck in das Gebäude eingebaut worden ist. Sie ist vielmehr speziell für das gemietete Gebäude angefertigt worden und könnte nach einer Trennung nicht anderweitig vom Kläger verwendet werden. Mit einer Trennung ist nach Ablauf der Mietzeit auch ernstlich nicht zu rechnen, weil der Kläger nur mit Hilfe eines erheblichen Kostenaufwands den früheren Zustand wieder herstellen könnte.
3. Entgegen der Auffassung des FA kann die Schaufensteranlage im Betriebsvermögen des Klägers auch nicht unter dem Gesichtspunkt erfaßt werden, daß sie in einem besonderen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit seinem auf dem Grundstück betriebenen gewerblichen Betrieb (Apotheke) steht. Dieser Gesichtspunkt, der ertragsteuerlich zur Erfassung von Mietereinbauten und Mieterumbauten "wie Herstellungskosten von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens" führen kann (vgl. Urteil in BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443 , und neuerdings § 4b Abs. 2 Satz 6 des Investitionszulagengesetzes 1982), ist bewertungsrechtlich ohne Bedeutung. Aufgrund der besonderen Regelung für das Bewertungsrecht in § 68 BewG gehören Grundstücksbestandteile grundsätzlich zur Bewertungseinheit des Grundstücks. Für das Bewertungsrecht ist die Bewertungseinheit "Grundstück" gesetzlich umschrieben. Eine ähnliche Regelung gibt es im Einkommensteuerrecht nicht. Deshalb ist es dort möglich, Grundstücksbestandteile auch dann als selbständige Wirtschaftsgüter anzusehen (vgl. Abschn. 13b der Einkommensteuer-Richtlinien), wenn sie nicht Betriebsvorrichtungen oder Scheinbestandteile sind. Der Senat verweist zur näheren Begründung auf sein Urteil in BFHE 141, 289, BStBl II 1984, 617 ).
4. Der Umstand, daß die streitige Schaufensteranlage als sonstiger Bestandteil bei der Grundstücksbewertung des Vermieters zu berücksichtigen ist, schließt nicht aus, zusätzlich beim Kläger einen Nutzungsvorteil als immaterielles Wirtschaftsgut anzunehmen. Dem Kläger sind einmalige, größere Aufwendungen entstanden, die sich aus den laufenden Aufwendungen für den Betrieb deutlich herausheben (anders z. B. bei Schönheitsreparaturen). Durch diesen nicht unerheblichen Aufwand kann der Kläger die gemieteten Räume besser nutzen als zuvor. Durch die modernere Schaufensteranlage kann er das Publikum wirksamer auf seine Apotheke aufmerksam machen. Dieser wirtschaftliche Vorteil war es dem Kläger als Kaufmann wert, einmalig einen Betrag von rd. 35 000 DM aufzuwenden, der ihm für die Dauer seines Mietverhältnisses erhalten bleibt. Entgegen der Auffassung des FG wird die Annahme eines selbständigen immateriellen Wirtschaftsguts nicht dadurch ausgeschlossen, daß sich der Aufwand des Klägers lediglich auf einen einzigen Gebäudebestandteil (Schaufensteranlage) bezieht und die gewerblichen Räume nur in einem Teilbereich modernisiert worden sind. Auf diese Gesichtspunkte kommt es nicht an. Die Rechtsprechung unterscheidet im übrigen auch nicht zwischen Ein- und Umbauaufwand. Schließlich kann davon ausgegangen werden, daß ein Betriebserwerber den vom Kläger getragenen Aufwand bei der Kaufpreisbemessung angemessen berücksichtigen würde.
5. Bewertungsrechtlich ist es ohne Bedeutung, ob der vom Kläger getragene Aufwand Herstellungsaufwand oder Erhaltungsaufwand darstellt. Auch bei Erhaltungsaufwand kann ein Nutzungsvorteil und damit ein immaterielles Wirtschaftsgut vorliegen (vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 1968 IV 298/63, BFHE 93, 66, BStBl II 1968, 681 , und in BFHE 124, 454, BStBl II 1978, 345 ). Wenn in der zuletzt genannten Entscheidung ertragsteuerlich gleichwohl die Aktivierung eines immateriellen Wirtschaftsguts verneint worden ist, so deshalb, weil dieses nicht entgeltlich erworben worden war. Eine dem § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes entsprechende Vorschrift kennt das BewG jedoch nicht.
6. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 426035 |
BStBl II 1985, 40 |
BFHE 1985, 306 |