Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliche Einheit bei zwei Eigentumswohnungen in demselben Gebäude
Leitsatz (amtlich)
Gehören zu einem Wohnungseigentum zwei Wohnungen in demselben Haus, bei denen die eine nicht an die andere, sondern an die unter dieser gelegene Wohnung angrenzt --die zwei zu dem Wohnungseigentum gehörenden Wohnungen sich also nur an einer Kante berühren--, so liegen zwei jeweils als Einfamilienhaus zu bewertende wirtschaftliche Einheiten vor.
Orientierungssatz
Ausführungen und Rechtsprechung zur Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit bei Wohnungseigentum sowie zum Sinn und Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 1 BewG.
Normenkette
BewG 1974 § 2 Abs. 1, § 93 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I. Der Kläger ist Miteigentümer eines Wohnungseigentums. Zu dem (rechtlich einheitlichen) Wohnungseigentum gehören zwei Wohnungen in demselben Gebäude. Das Gebäude besteht aus insgesamt drei Wohnungen. Eine Wohnung befindet sich im Erdgeschoß des Gebäudes; über dieser liegt im Dachgeschoß des Gebäudes eine zweite Wohnung. An das Gebäude schließt sich ein etwas niedrigerer Anbau an. Dieser enthält im Erdgeschoß eine (kleinere Appartement-)Wohnung. Das Wohnungseigentum des Klägers erstreckt sich --abgesehen von Nebenräumen (Keller, Garage usw.)-- auf die Wohnung im Dachgeschoß und auf die Wohnung und Räume des Anbaus.
Das Finanzamt (FA) sah das Wohnungseigentum als zwei wirtschaftliche Einheiten an, die es jeweils als Einfamilienhaus bewertete.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machte der Kläger geltend, daß das Wohnungseigentum eine wirtschaftliche Einheit sei, die als Zweifamilienhaus zu bewerten sei.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung auf den 1.Januar 1983 die Grundstücksart Zweifamilienhaus festzustellen.
Das beklagte FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß zwei wirtschaftliche Einheiten vorliegen, die jeweils als Einfamilienhaus zu bewerten sind.
1. Das grundsätzlich zum Grundvermögen gehörende Wohnungseigentum (vgl. § 68 Abs.1 Nr.3 des Bewertungsgesetzes --BewG--) bildet nach § 93 Abs.1 Satz 1 BewG eine wirtschaftliche Einheit und gilt damit als ein Grundstück i.S. des BewG (§ 70 Abs.1 BewG). Sinn und Zweck des § 93 Abs.1 Satz 1 BewG besteht zum einen darin, den Besonderheiten der Rechtsfigur des Wohnungseigentums bewertungsrechtlich Rechnung zu tragen, indem das Wohnungseigentum aus der Einheit des bebauten Grundstücks herausgenommen und diesem gegenüber verselbständigt wird. Zum anderen wird klargestellt, daß das Sondereigentum an der Wohnung (vgl. § 5 Abs.1 des Wohnungseigentumsgesetzes --WEG--) und der Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs.5, § 5 Abs.2, 3 WEG) nicht getrennt, sondern als Einheit zu bewerten sind (vgl. Senats-Urteile vom 1.April 1987 II R 79/86, BFHE 150, 274, BStBl II 1987, 840, und II R 251/84, BFHE 150, 277, BStBl II 1987, 838, m.w.N.). § 93 Abs.1 Satz 1 BewG schließt jedoch die allgemeinen Abgrenzungsregeln für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit als Bewertungsgegenstand nicht aus. Nach § 2 Abs.1 BewG ist die Entscheidung darüber, was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, nach den Anschauungen des Verkehrs zu treffen. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Maßgebend sind demnach neben objektiven Merkmalen auch subjektive, die allerdings außer Betracht bleiben müssen, wenn sie im Widerspruch zu objektiven Merkmalen stehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15.Juni 1983 III R 40/82, BFHE 139, 201, BStBl II 1983, 752, und vom 23.Januar 1985 II R 35/82, BFHE 143, 152, BStBl II 1985, 336).
Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 150, 277, BStBl II 1987, 838 dargelegt hat, sind diese Maßstäbe grundsätzlich auch für die Bestimmung des Bewertungsgegenstands bei den nach dem WEG möglichen Rechtsfiguren anwendbar. Dabei können allerdings objektive Merkmale tatsächlicher Art mit solchen Merkmalen, die ihre Wurzel in der Rechtskonstruktion haben, in Widerspruch stehen.
Ein (rechtlich einheitliches) Wohnungseigentum bildet danach grundsätzlich auch dann eine wirtschaftliche Einheit, wenn zu ihm mehrere Wohnungen gehören. Dies gilt jedoch dann nicht mehr, wenn die mehreren Wohnungen zusammen keine geschlossene Einheit bilden. Liegen die Wohnungen in demselben Haus unmittelbar übereinander oder nebeneinander und sind sie nach den tatsächlichen Gegebenheiten baulich (bautechnisch) so miteinander verbunden, daß sie sich --gedanklich aus dem Gesamtbauwerk herausgelöst-- als ein Raumkörper darstellen, so können sie zu einer einzigen wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt werden. Besteht keine derartige Verbindung, muß die lediglich rechtstechnische Zusammenfassung zu einem mit einem Miteigentumsanteil am Grundstück verbundenen Sondereigentum gegenüber dem tatsächlichen Befund zurücktreten. Denn der nach § 2 Abs.1 BewG gebotene Maßstab für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit verbietet es, solche unverbundenen Teile eines Gebäudes als nur ein Grundstück i.S. des BewG anzusehen (vgl. BFHE 150, 277, BStBl II 1987, 838).
Zwei Wohnungen im selben Haus, bei denen die eine nicht an die andere, sondern an die unter dieser gelegenen Wohnung angrenzt, liegen weder unmittelbar über- noch nebeneinander. Bei dieser Lage zueinander berühren sie sich nur an einer Kante. Dies führt nicht dazu, daß sie sich --gedanklich aus dem Gesamtbauwerk herausgelöst-- als ein Raumkörper darstellen. Selbst wenn in einem derartigen Fall die untere Wohnung mit einer Seitenfläche von nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen in die Seitenfläche der oberen Wohnung "hineinragt", führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Auch bei einer solchen Lage zueinander bilden beide Wohnungen zusammen keine geschlossene Einheit.
Die Sache ist spruchreif. Der Senat ist an die in der Revision mit keiner Verfahrensrüge angegriffenen Sachverhaltsfeststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Danach liegen die beiden Wohnungen weder neben- noch übereinander. Ein nach dem klägerischen Vorbringen allenfalls möglich erscheinendes Hineinragen der unteren Wohnung mit der Seitenfläche des Dachgeschosses in die Seitenfläche der oberen Wohnung wäre im übrigen nach den dargelegten Grundsätzen nicht entscheidungserheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 63436 |
BFH/NV 1991, 1 |
BStBl II 1991, 503 |
BFHE 162, 372 |
BFHE 1991, 372 |
BB 1991, 58 (L) |
DStZ 1991, 88 (KT) |
HFR 1991, 194 (LT) |
StE 1990, 467 (K) |