Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte Haushaltsführung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach Geburt eines gemeinsamen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, bei der ein Partner am Wohnort und der andere Partner auswärts beschäftigt ist, kann im Hinblick auf den in Art.6 Abs.1 GG garantierten Schutz der Familie ein Familienhaushalt und damit eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung ab dem Zeitpunkt zu bejahen sein, in dem ein gemeinsames Kind geboren wird, das in die gemeinschaftliche Wohnung aufgenommen wird.
Orientierungssatz
1. Eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG ist bei einem ledigen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht gegeben. Besitzt der Ledige außerhalb des Beschäftigungsorts noch eine Wohnung mit eigenen Möbeln, so hat er dort nicht zugleich einen zweiten Haushalt. In einem solchen Falle ruht der Haushalt am anderen Ort in der Zeit, in der sich der Ledige am Beschäftigungsort aufhält. Der BFH hat allerdings nichtverheiratete Arbeitnehmer u.a. bezüglich der Kosten für Heimfahrten und der Unterkunftskosten steuerrechtlich verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, gleichgestellt, wenn sie bei einem vorübergehenden auswärtigen Aufenthalt ihre Wohnung und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen am bisherigen Wohnort beibehalten, nach Beendigung der auswärtigen Tätigkeit voraussichtlich wieder an diesen Ort zurückkehren und ihnen deshalb die Aufgabe ihrer Wohnung nicht zuzumuten ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Für die Frage des Unterhaltens eines eigenen Hausstandes ist nur darauf abzustellen, ob der Steuerpflichtige eine eigene Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem er sich sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligt. Das Recht und die Pflicht der Eltern bzw. der Mutter, für ein nichteheliches minderjähriges Kind zu sorgen, haben mit dem Unterhalten eines Familienhaushalts i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG nichts zu tun (vgl. BFH-Urteil vom 9.11.1971 VI R 285/70).
3. "Familie" i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG ist die Lebensgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern, soweit sie in der Beziehung der Eltern mit ihren Kindern als engere Familie in einer Hausgemeinschaft geeint ist. Eine Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG bilden auch ein nichteheliches Kind und seine leiblichen Eltern, wenn sie in einer Wohnung ständig zusammenleben. Nicht nur die Gemeinschaft der Mutter zu ihrem nichtehelichen Kind, sondern auch die des nichtehelichen Kindes zu seinem Vater ist jeweils als "Familie" i.S. des Art. 6 Abs. 1 GG zu werten. Auch das Verhältnis dieser drei Personen insgesamt ist beim ständigen Zusammenleben eine "Familie" i.S. dieser Vorschrift (vgl. Rechtsprechung des BVerfG, Literatur).
Normenkette
EStG 1983 § 9 Abs. 1 Nr. 5; GG Art. 6 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1984 unverheiratet. Er arbeitet seit dem 1.April 1980 als nichtselbständiger Arzt in A, wo er ein 40 qm großes möbliertes Appartement bewohnt. In seiner Einkommensteuererklärung 1984 machte er Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 15 393 DM geltend. Er wies darauf hin, daß er bei Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit in A zum 1.April 1980 in seiner Wohnung in H seine Lebensgefährtin, Frau B, zurückgelassen habe, mit der er seit 1976 in einem gemeinsamen Haushalt lebe und seit 1979 verlobt sei. Im Mai 1981 sei eine gemeinsame Tochter geboren worden, die mit der Mutter in der vorgenannten Wohnung in H lebe.
Der Kläger hat seine Verlobte am 30.Dezember 1985 geheiratet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung für das Streitjahr 1984 nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es führte aus:
Das Gericht lehne mit der überwiegenden Rechtsprechung der FG die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung von Personen ab, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebten. Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn die zusammenlebenden Partner miteinander verlobt seien. Es könne offen bleiben, ob in besonderen Fällen eine doppelte Haushaltsführung zwischen Verlobten anerkannt werden könne. Das wäre insbesondere denkbar, wenn die durch den Arbeitsplatzwechsel bedingte Anmietung einer zweiten Wohnung kurz vor der Eheschließung stattgefunden habe. Ein solcher Sachverhalt sei im Streitfall nicht gegeben.
Die Kosten einer doppelten Haushaltsführung könnten auch nicht mit der Begründung steuerlich anerkannt werden, daß vom Jahre 1981 an die Tochter des Klägers mit ihrer Mutter in der Wohnung in H gelebt habe. Einerseits sei es zweifelhaft, ob ein Steuerpflichtiger überhaupt einen gemeinsamen Hausstand mit einem Kind führen könne, für das ihm das Personensorgerecht nicht zustehe. Zum anderen müsse der doppelte Haushalt durch den Wegzug vom bisherigen Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort begründet worden sein. Denn nur in einem solchen Falle könnten die Kosten der doppelten Haushaltsführung durch den Beruf veranlaßt sein. Eine berufliche Veranlassung sei hingegen zu verneinen, wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Familienwohnung erst nach dem Wegzug des Steuerpflichtigen vom bisherigen Wohnort entständen.
Der Kläger könne jedoch die Aufwendungen für seine Fahrten zwischen H und A als Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend machen. Dementsprechend seien im Streitfall 5 573 DM als Werbungskosten im Sinne dieser Vorschrift zum Abzug zuzulassen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG. Er bringt im einzelnen vor:
Die Kosten einer doppelten Haushaltsführung seien bei einem Ledigen für eine gewisse Übergangszeit abziehbar. Als er am 1.April 1980 eine Stelle an der Klinik in A angenommen habe, sei seine Tätigkeit damals auf maximal zwei Jahre ausgerichtet gewesen. Durch die während seiner Tätigkeit in A auftretenden beruflichen Veränderungen sei aus der vorübergehend angetretenen Arbeitsstelle eine Dauerstelle geworden. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sei weiterhin in H geblieben. Er habe regelmäßig Heimfahrten nach dort unternommen und sei überwiegend für den gemeinsamen Haushalt mit seiner Verlobten aufgekommen. Seine Verlobte habe in H eine Arbeitsstelle gehabt, die sie bis zum Jahr 1987 beibehalten habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, neben den bereits berücksichtigten Kosten für Familienheimfahrten auch die Kosten des Mehraufwands für Verpflegung und der notwendigen Unterkunft am Beschäftigungsort als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Denn das FG hat möglicherweise zu Unrecht die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung für das Streitjahr 1984 dem Grunde nach verneint.
1. Nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG gehören zu den bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbaren Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach Satz 2 dieser Vorschrift liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und am Beschäftigungsort wohnt. Es muß mithin aus beruflichem Anlaß zu einer Aufsplitterung einer bisher einheitlichen Haushaltsführung auf zwei getrennte Haushalte kommen, nämlich auf einen Haushalt in der bisherigen Wohnung und einen "Hausstand" in der Wohnung bzw. Unterkunft am Beschäftigungsort (vgl. z.B. Urteil des Senats vom 25.März 1988 VI R 32/85, BFHE 152, 533, BStBl II 1988, 582, und die dort erwähnte Rechtsprechung).
2. Eine doppelte Haushaltsführung in diesem Sinne ist bei einem ledigen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht gegeben.
Ein doppelter Haushalt wird "unterhalten", wenn in der außerhalb des Beschäftigungsorts befindlichen Wohnung auch während der Abwesenheit des Steuerpflichtigen hauswirtschaftliches Leben herrscht, das dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden kann. Bei einem ledigen Arbeitnehmer, der in einem möblierten Zimmer am Beschäftigungsort wohnt, hat der Senat grundsätzlich die Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung verneint. Besitzt der Ledige noch eine Wohnung mit eigenen Möbeln an einem anderen Ort, so hat er dort nicht zugleich einen zweiten Haushalt, da er sich nicht gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten aufhalten kann. In einem solchen Falle ruht der Haushalt am anderen Ort in der Zeit, in der sich der Ledige am Beschäftigungsort aufhält.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat allerdings nichtverheiratete Arbeitnehmer u.a. bezüglich der Kosten für Heimfahrten und der Unterkunftskosten steuerrechtlich verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, gleichgestellt, wenn sie bei einem vorübergehenden auswärtigen Aufenthalt ihre Wohnung und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen am bisherigen Wohnort beibehalten, nach Beendigung der auswärtigen Tätigkeit voraussichtlich wieder an diesen Ort zurückkehren und ihnen deshalb die Aufgabe ihrer Wohnung nicht zuzumuten ist (vgl. z.B. Urteile vom 3.Dezember 1974 VI R 159/74, BFHE 114, 428, BStBl II 1975, 356; vom 10.November 1978 VI R 13-14/76, BFHE 126, 420, BStBl II 1979, 157, und vom 20.Dezember 1982 VI R 123/81, BFHE 137, 474, BStBl II 1983, 269).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil der Kläger schon seit dem 1.April 1980, also im Streitjahr 1984 nicht mehr "vorübergehend" in A tätig war.
3. Der Senat tritt dem FG darin bei, daß eine doppelte Haushaltsführung grundsätzlich auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht anerkannt werden kann.
Nach dem Urteil des Senats vom 22.September 1988 VI R 53/85 (BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293) setzt eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG u.a. einen "Familienhausstand" voraus. In der Legaldefinition des § 9 Abs.1 Nr.5 Satz 2 EStG wird zwar nicht erläutert, wann ein eigener Hausstand des Arbeitnehmers von diesem unterhalten wird. Nach der vorgenannten Entscheidung ist jedoch dem dort in Satz 3 verwendeten Begriff der "Familienheimfahrt" zu entnehmen, was der Gesetzgeber sich unter dem hauswirtschaftlichen Leben an dem außerhalb des Beschäftigungsortes gelegenen "Hausstand" vorstellt. Denn der Klammerzusatz "Familienheimfahrt" bei Regelung der Fahrtkosten im § 9 Abs.1 Nr.5 Satz 3 EStG enthält eine Kurzdefinition des in Satz 2 dieser Vorschrift beschriebenen Begriffs der doppelten Haushaltsführung. Aufgrund dieser Erwägungen hat der Senat im vorgenannten Urteil in BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293 und im Urteil vom 21.Oktober 1988 VI R 147/86 (BFHE 155, 518, BStBl II 1989, 561) entschieden, daß ein Familienhausstand im vorbezeichneten Sinne eine eheliche oder eine sonstige enge familiäre Verbindung des Steuerpflichtigen mit der in seinem Haushalt lebenden Person voraussetzt. Hieran fehlt es bei den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ebenso wie bei Verlobten.
Von diesen Grundsätzen hat sich das FG auch im Streitfall leiten lassen. Es ist ebenfalls ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß nichts anderes für solche Fälle gilt, in denen die zusammenlebenden Partner miteinander verlobt sind. Auch dies entspricht der zitierten Rechtsprechung des Senats.
4. Eine doppelte Haushaltsführung kann allerdings bejaht werden, wenn Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor Aufnahme der auswärtigen Beschäftigung durch einen der Partner mit einem gemeinsamen Kind in einer Wohnung auf Dauer zusammenleben, falls in der Wohnung bei auswärtiger Tätigkeit eines Partners weiterhin hauswirtschaftliches Leben herrscht. Nach dem Urteil des Senats in 152, 533, BStBl II 1988, 582 ist in einem solchen Fall ein "Familienhaushalt" i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG gegeben, weil insoweit eine "sonstige familiäre Bindung" im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung besteht. An diesem Grundsatz hat der Senat in dem Urteil in BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293 festgehalten. Dem hat sich auch die Verwaltung angeschlossen (Abschn.43 Abs.3 Satz 11 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 1990).
Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob dem Steuerpflichtigen für sein nichteheliches Kind das Personensorgerecht zusteht. Denn für die Frage des Unterhaltens eines eigenen Hausstandes ist entsprechend dem BFH-Urteil vom 9.November 1971 VI R 285/70 (BFHE 103, 498, BStBl II 1972, 148) nur darauf abzustellen, ob der Steuerpflichtige eine eigene Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem er sich sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligt. Das Recht und die Pflicht der Eltern bzw. der Mutter, für ein nichteheliches minderjähriges Kind zu sorgen (vgl. § 1705 ff. i.V.m. § 1626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--), haben mit dem Unterhalten eines Familienhaushalts i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG nichts zu tun.
5. Entgegen der Ansicht des FG können Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung im Streitfall nicht allein deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Familienwohnung durch die Geburt der Tochter erst nach Begründung des Haushalts am Beschäftigungsort A gegeben waren.
a) Der Senat tritt dem FG darin bei, daß eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung grundsätzlich durch den Wegzug vom bisherigen Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort begründet sein muß. Der Senat hat von diesem Grundsatz jedoch eine Ausnahme gemacht, wenn die Gründung eines doppelten Haushalts deshalb beruflich veranlaßt war, weil beide Ehegatten vor ihrer Heirat an verschiedenen Orten berufstätig waren, an ihren Beschäftigungsorten wohnten und nach der Eheschließung eine der beiden Wohnungen zur Familienwohnung gemacht haben (vgl. Urteile des Senats vom 13.Juli 1976 VI R 172/74, BFHE 119, 281, BStBl II 1976, 654; vom 2.Dezember 1981 VI R 167/79, BFHE 135, 37, BStBl II 1982, 297; vom 2.Oktober 1987 VI R 149/84, BFHE 151, 78, BStBl II 1987, 852, und vom 22.September 1988 VI R 184/85, BFH/NV 1989, 220). Der Senat hat dies im Hinblick auf Art.6 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) unter verfassungskonformer Auslegung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG damit begründet, daß sonst ein Arbeitnehmer und eine Arbeitnehmerin, die bereits vor ihrer Eheschließung berufstätig waren und noch keinen doppelten Haushalt begründen konnten, von einem entsprechenden Werbungskostenabzug ausgeschlossen wären.
Der Senat hat in dem Urteil vom 4.Oktober 1989 VI R 44/88 (BFHE 158, 527) an dieser Rechtsprechung festgehalten und darüber hinaus die berufliche Begründung einer doppelten Haushaltsführung auch dann bejaht, wenn die Ehegatten schon vor der Eheschließung zusammengelebt und die spätere Familienwohnung an einem der beiden Beschäftigungsorte gemeinsam bewohnt haben. Der Senat hat sich dort von der Erwägung leiten lassen, daß es für die Beurteilung des Werbungskostenabzugs ab dem Zeitpunkt der Eheschließung keinen Unterschied machen kann, ob die späteren Ehegatten vor ihrer Eheschließung bereits am Beschäftigungsort des Partners zusammengelebt und erst nach der Heirat an einem der beiden Beschäftigungsorte einen gemeinsamen Hausstand begründet haben. Denn auch im letzteren Fall kann der Werbungskostenabzug in verfassungskonformer Auslegung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG (Art.6 Abs.1 GG) nicht versagt werden, da die Partner trotz ihrer beiderseitigen Berufstätigkeit vor ihrer Eheschließung keine doppelte Haushaltsführung begründen konnten.
b) Nach Auffassung des Senats sind die vorstehenden Grundsätze entsprechend anwendbar, wenn ein Familienhaushalt i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG dadurch entsteht, daß Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die beide berufstätig sind, mit ihrem gemeinsamen Kind eine Familienwohnung beziehen bzw. wenn den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Kind geboren wird, das in die Wohnung mitaufgenommen wird. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG ist auch insoweit im Hinblick auf Art.6 Abs.1 GG geboten, da nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht. "Familie" in diesem Sinne ist die Lebensgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern (Leibholz/Rinck/Hesselberger, Kommentar zum Grundgesetz, 6.Aufl., Bd.I, Art.6 Rdnr.61), soweit sie in der Beziehung der Eltern mit ihren Kindern als engere Familie in einer Hausgemeinschaft geeint ist (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 31.Mai 1978 1 BvR 683/77, BVerfGE 48, 327, 339). Eine Familie nach Art.6 Abs.1 GG bilden auch ein nichteheliches Kind und seine leiblichen Eltern, wenn sie in einer Wohnung ständig zusammenleben (so auch v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, 3.Aufl., 1985, Art.6 Rdnr.4a; v. Camphausen in Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtler, Heft 45 S.23; Richter in Kommentar zum Grundgesetz in der von Wassermann herausgegebenen Reihe Alternativkommentare Bd.1, 2.Aufl. 1989, Art.6 Rdnr.15a). In der Rechtsprechung des BVerfG ist ohnehin anerkannt, daß nicht nur die Gemeinschaft der Mutter zu ihrem nichtehelichen Kind, sondern nach Wegfall des § 1589 Abs.2 BGB auch die des nichtehelichen Kindes zu seinem Vater jeweils als "Familie" i.S. des Art.6 Abs.1 GG zu werten ist (Beschluß vom 8.Juni 1977 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 105, 123). Ist aber das Verhältnis des nichtehelichen Kindes zu seiner Mutter und zu seinem Vater jeweils als "Familie" i.S. des Art.6 Abs.1 GG anzusehen, so ist auch das Verhältnis dieser drei Personen insgesamt beim ständigen Zusammenleben eine "Familie" im Sinne dieser Vorschrift (vgl. auch Maunz in Maunz/Maunz, Kommentar zum Grundgesetz, Bd.I 1989, Art.6 Rdnr.16a).
Entsprechend anwendbar sind daher im Streitfall die Grundsätze des Urteils des Senats in BFHE 158, 527, wonach --wie dargelegt-- die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung ab dem Zeitpunkt der Heirat von Eheleuten zu bejahen sind, wenn Ehegatten schon vor der Eheschließung zusammengelebt und die spätere Familienwohnung an einem der beiden Beschäftigungsorte gemeinsam bewohnt haben. Während im dort entschiedenen Fall die Eheschließung der Umstand war, der die gemeinsame Wohnung zu einer Familienwohnung i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG umwandelte, wurde im Streitfall die gemeinsame Wohnung des Klägers mit seiner Verlobten Frau B dadurch zur Familienwohnung i.S. des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG, daß im Mai 1981 die gemeinsame Tochter geboren und in die gemeinsame Wohnung in H aufgenommen wurde.
Dieser Umstand könnte im Streitfall zur Bejahung einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung im Streitjahr 1984 führen, wenn die Verlobte vor und nach der Geburt des gemeinsamen Kindes beruflich tätig war. Hierfür könnte das Vorbringen des Klägers im Revisionsverfahren sprechen, wonach er, der Kläger, mit seiner Verlobten seit 1976 in H einen gemeinsamen Haushalt geführt habe und die Kosten des Haushaltes hierfür von ihnen gemeinsam aufgebracht worden seien, wobei er, der Kläger, aufgrund seiner besseren Verdienstverhältnisse den größeren Teil der Kosten bestritten habe.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG insoweit von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es prüft, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung entsprechend den vorstehenden Grundsätzen im Streitjahr 1984 zu bejahen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 62715 |
BFH/NV 1990, 19 |
BStBl II 1990, 312 |
BFHE 159, 150 |
BFHE 1990, 150 |
BB 1990, 684 |
BB 1990, 684-685 (LT) |
DB 1990, 610-612 (ST) |
DStR 1990, 174 (KT) |
HFR 1990, 248 (LT) |
StE 1990, 86 (K) |