Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann ihm erwachsene Sonderbetriebsausgaben grundsätzlich nur im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung (ß 215 AO), nicht auch im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren geltend machen.
Ist es aber auf das Verhalten des Finanzamts zurückzuführen, daß der Steuerpflichtige die Sonderbetriebsausgaben erst im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren geltend macht, so kann der Grundsatz von Treu und Glauben ausnahmsweise die Berücksichtigung im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren rechtfertigen.
Normenkette
AO § 215 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Der Bf. ist Komplementär einer KG, der er ein bebautes Grundstück vermietet hat. Er begehrte im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren für die Jahre 1953 und 1955 die Berücksichtigung von Absetzung für Abnutzung (AfA) für das vermietete Gebäude. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil die AfA bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der Gesellschafter der KG (ß 215 AO) hätten geltend gemacht werden müssen.
Die Berufung hatte keinen Erfolg, sondern führte insofern zu einer Verböserung, als das Finanzgericht auch Reparaturaufwendungen für das Gebäude strich, die vom Finanzamt im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten berücksichtigt worden waren. Auch diese Aufwendungen durften nach Auffassung des Finanzgerichts nur bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung berücksichtigt werden.
Der Bf. rügt, das Vorgehen des Finanzamts verstoße gegen Treu und Glauben. Die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung gemäß § 215 AO und die Einkommensteuerveranlagungen hätten in der Hand desselben Beamten gelegen. Diesem sei aus einer Vorbemerkung zum Jahresabschluß 1953 bekanntgewesen, daß die KG nur Miete zahle und die Aufwendungen auf das Grundstück sowie die AfA ihn, den Bf., "privat" träfen, also bei der KG nicht als Betriebsausgaben abgesetzt würden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidungen führen.
Dem Finanzgericht ist zuzugeben, daß, wenn der Gesellschafter einer KG dieser ein Grundstück vermietet, das Grundstück sein Betriebsvermögen ist und die "Miete", die er von der KG erhält, ebenso wie die Aufwendungen, die er auf das Grundstück macht, bei der Ermittlung des auf ihn entfallenden Gewinnanteils gemäß § 15 Ziff. 2 EStG und im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung gemäß § 215 Abs. 2 Ziff. 2 AO zu berücksichtigen sind.
Der Senat folgt dem Finanzgericht aber nicht darin, daß, wenn ein Steuerpflichtiger in dieser Hinsicht durch das Finanzamt zu einer falschen Sachbehandlung veranlaßt worden war, dies nach Treu und Glauben nur bei Berichtigungsveranlagungen, nicht auch bei erstmaligen Veranlagungen von Bedeutung sein könne. Auch bei erstmaligen Veranlagungen ist wesentlich, ob das Finanzamt mit die Verantwortung dafür trägt, daß der Steuerpflichtige einen unrichtigen Weg eingeschlagen hat. Hat das Finanzamt, wie der Bf. behauptet, durch die Art seines Vorgehens bei dem Bf. die Vorstellung erweckt, daß er die streitigen Aufwendungen noch bei seiner Einkommensteuer-Veranlagung geltend machen könne, so ist es daran gebunden. Sowohl die Steuerpflichtigen wie auch die Finanzverwaltungsbehörden verletzen Treu und Glauben, wenn sie sich auf einen Irrtum, den sie selbst bei dem anderen Beteiligten erregt haben, berufen, um daraus für sich einen Vorteil zu ziehen.
Die angefochtene Entscheidung und die Einspruchsentscheidung werden aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Dieses hat zu prüfen, ob Nachsicht wegen der versäumten Rechtsmittelfrist im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zu gewähren ist, um dem Bf. die Möglichkeit zu geben, seine Aufwendungen nachträglich dort geltend zu machen. Der Senat hat aber auch keine Bedenken, wenn die Aufwendungen ausnahmsweise unmittelbar im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren berücksichtigt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410208 |
BStBl III 1961, 491 |
BFHE 1962, 619 |
BFHE 73, 619 |