Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wer sich auf eine Erklärung an die Finanzbehörden oder auf eine Vereinbarung mit den Finanzbehörden beruft, aber die schriftliche Niederlegung in der verkehrsüblichen Form versäumt hat, muß grundsätzlich die Folgen der daraus sich ergebenden Beweisschwierigkeiten und Unklarheiten tragen.
Normenkette
EStG §§ 9, 21; StAnpG § 1 Abs. 2, § 1/3
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine Erbengemeinschaft, beantragte, für II/1948 bis 1950 Schuttabräumungskosten und Reparaturkosten der Erblasserin aus der Zeit vor der Währungsumstellung in Höhe von 45.551,48 RM im Verhältnis 1 RM 1 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen. Das Finanzamt lehnte das unter Berufung auf Abschn. 172 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) II/1948 und 1949 sowie das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 280/51 S vom 7. Februar 1952 (Slg. Bd. 56 S. 212, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 85) ab. Die Bfin. stützte ihren Antrag vor allem darauf, daß am 4. April 1952 Regierungsrat F. vom Finanzamt H. genehmigt habe, die streitigen Beträge in der DM-Zeit so zu verteilen, wie vor der Währungsumstellung zwischen dem Steuerberater der Erblasserin und dem Finanzamt vereinbart worden sei. Diese Genehmigung sei eine Vergünstigung i. S. des § 96 der Reichsabgabenordnung (AO.) Die Bfin. bezieht sich dafür auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 281/54 U vom 27. Januar 1955 (Slg. Bd. 60 S. 235, BStBl 1955 III S. 92).
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück und führte aus: Zwar seien nicht alle Erklärungen, die Finanzbeamte vor Erlaß von Steuerbescheiden abgäben, unverbindlich; sie seien nach Treu und Glauben zu beurteilen. Das Finanzamt sei an eine Erklärung aber nur gebunden, wenn der Steuerpflichtige bei der Verhandlung zu erkennen gegeben habe, daß er eine verbindliche Erklärung erwarte. Ferner müßten ein von den Beteiligten unterschriebenes Protokoll aufgenommen oder mindestens gleichlautende Schriftstücke ausgetauscht werden, damit künftige Meinungsverschiedenheiten ausgeschlossen würden. Die beiden Steuerberater der Erben hätten am 4. April 1952 bewußt das Ziel verfolgt, vom Finanzamt eine von Abschn. 172 EStR abweichende Regelung zu erreichen. Regierungsrat F., der nach langjähriger Unterbrechung erst wieder kurze Zeit im Dienst gewesen sei, habe Abschn. 172 EStR nicht gekannt. Hätten die Steuerberater, wie es korrekt gewesen wäre, Abschn. 172 EStR erwähnt, so hätten die Verhandlungen einen anderen Verlauf genommen. Sie hätten nicht auf Protokollierung der Vereinbarung bestanden und hätten auch nicht mindestens die behauptete Vereinbarung später schriftlich bestätigt. Regierungsrat F. habe jedenfalls nicht wissen können, daß die Steuerberater seine Erklärung während der Verhandlung als verbindlich ansehen würden. Er habe die Verhandlung offenbar nur für eine unverbindliche Vorbesprechung gehalten; denn er habe über ihren Inhalt keine Notizen gemacht. Es sei auch nicht anzunehmen, daß er zugunsten der Erben eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung des Abschn. 172 EStR habe machen wollen. Denn für eine solche Maßnahme habe bei den guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Erben kein Anlaß bestanden.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt die Bfin. eine Verletzung des sachlichen Rechts und macht vor allem geltend, das Finanzgericht habe die Erklärung des Regierungsrats F. in der Verhandlung vom 4. April 1952 rechtlich unzutreffend gewürdigt. Sie sei bindend. Man müsse in der Zusage eine Vergünstigung i. S. des § 96 AO sehen, die darauf gegangen sei, einen Steuererlaß i. S. von § 131 AO zu bewilligen. Dadurch, daß Abschn. 172 EStR selbst eine Billigkeitsregelung vorsehe, würden anderweite Billigkeitsmaßnahmen nach § 131 AO im Einzelfall nicht ausgeschlossen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Was die übertragung von Reparaturkosten usw. aus der Zeit vor der Währungsumstellung in die DM-Zeit angeht, so hat der Bundesfinanzhof außer in dem vom Finanzgericht erwähnten Urteil IV 280/51 S auch in dem Urteil I 94/54 U vom 16. November 1954 (Slg. Bd. 60 S. 14, BStBl 1955 III S. 6) nochmals entschieden, daß die in Abschn. 172 EStR II/1948 und 1949 von der Verwaltung getroffene Regelung dem geltenden Recht nicht widerspricht. Die Steuerpflichtigen haben keinen Anspruch darauf, vor der Währungsumstellung aufgewendete Reparaturkosten usw. nach der Währungsumstellung im Verhältnis 1 RM = 1 DM als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung absetzen zu können. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest.
Die Bfin. behauptet nun, das Finanzamt habe in der Verhandlung vom 4. April 1952 aus Billigkeitsgründen eine Sonderregelung zugesagt, die als Bewilligung i. S. des § 96 AO und des erwähnten Urteils des Bundesfinanzhofs IV 281/54 U aufzufassen sei und die das Finanzamt nicht widerrufen könne.
Der IV. Senat hat in dem Urteil IV 281/54 U ausgesprochen, daß über einen Steueranspruch grundsätzlich erst im Veranlagungsverfahren entschieden wird und deshalb erst zu diesem Zeitpunkt im allgemeinen die Besteuerungsmerkmale verbindlich festgelegt werden. Vorausgehende Vereinbarungen über die Sachbehandlung haben gewöhnlich nur den Charakter von Vorbesprechungen und beiderseitigen Vorschlägen; sie binden deshalb die Beteiligten nicht. Allerdings stehen auch solche Vorbesprechungen unter dem Grundsatz von Treu und Glauben. Daraus hat der Senat in der Entscheidung I 111/54 U vom 31. Januar 1956 (Slg. Bd. 62 S. 230, BStBl 1956 III S. 86) z. B. hergeleitet, daß sich ein Beteiligter auf Zusagen des anderen nicht berufen kann, wenn er selbst nicht zu seiner Zusage steht. Im Fall des Urteils IV 281/54 U wurde angenommen, daß ein bei der Schlußbesprechung nach einer Betriebsprüfung aus Billigkeitsgründen zugesagter Teilerlaß eine Bewilligung i. S. des § 96 AO sei und nach Treu und Glauben bei der Veranlagung berücksichtigt werden müsse. Es lagen damals besondere Umstände insofern vor, als die Billigkeitsmaßnahme im Zuge einer Gesamtregelung im Beisein der zur Entscheidung berufenen Vertreter der Finanzverwaltung zugesagt worden war. Der Senat läßt dahingestellt, inwieweit die Rechtsgedanken des Urteils IV 281/54 U erweitert werden können, insbesondere, unter welchen Voraussetzungen vor der Veranlagung gemachte Zusagen über eine vom Gesetz abweichende Behandlung als vorweggenommene Billigkeitsmaßnahmen nach § 131 AO angesehen werden können. Denn im Streitfall ist die Rb. jedenfalls schon aus anderen Erwägungen nicht begründet.
Das Finanzgericht stellt unbestritten fest, daß das Ergebnis der Besprechung vom 4. April 1952 nicht schriftlich niedergelegt worden ist. Im Rechtsleben werden Erklärungen, deren die Beteiligten Bedeutung beimessen und die sie für rechtlich verbindlich halten, im allgemeinen schriftlich festgehalten, um im Interesse der Rechtssicherheit eine klare Beweislage zu schaffen. Wer als Kaufmann oder als sonst im Geschäftsleben stehende Persönlichkeit auf die schriftliche Niederlegung einer Vereinbarung verzichtet, gibt damit gewöhnlich zu verstehen, daß er der Besprechung keine entscheidende rechtliche Bedeutung beimißt. Zumindestens muß derjenige, der sich auf eine rechtliche Vereinbarung beruft, aber ihre schriftliche Niederlegung versäumt hat, in Kauf nehmen, daß auftretende Beweisschwierigkeiten und Unklarheiten zu seinen Lasten gehen. Dieser aus der Lebenserfahrung gewonnene und der Rechtssicherheit dienende Grundsatz muß auch im Besteuerungsverfahren gelten (ß 1 Abs. 2 und 3 des Steueranpassungsgesetzes). Bei nicht schriftlich festgehaltenen Besprechungen liegen die beiderseitigen Darlegungen oft nicht fest. Welchen Tatbestand die Steuerpflichtigen dem Finanzbeamten vorgetragen haben und welche Erklärungen der Finanzbeamte dazu abgegeben hat, ist erfahrungsgemäß nach längerer Zeit nur selten mit einiger Sicherheit festzustellen. Oft steht dabei Behauptung gegen Behauptung. Für die Finanzbehörden ergibt sich dabei die besondere Schwierigkeit, daß bei der Fülle und Verschiedenheit der Besprechungen und Steuerfälle das Erinnerungsbild der Beamten sich nach einiger Zeit verwischt. Dazu kommt der häufige Personalwechsel. Wer Wert darauf legt, die Finanzbehörden festzulegen, muß grundsätzlich dafür sorgen, daß der Inhalt der Besprechungen und etwaige Vereinbarungen in angemessener und verkehrsüblicher Form niedergelegt werden und an die für die sachliche Entscheidung zuständigen Stellen gelangen können. Das kann z. B. in der Form geschehen, daß ein Steuerpflichtiger unter schriftlicher Darlegung des Sachverhalts eine Entscheidung des Finanzamts beantragt und einen entsprechenden schriftlichen Bescheid verlangt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs IV 220/38 vom 10. Februar 1939, Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 729). Es kann auch eine Niederschrift über Inhalt und Ergebnis der Besprechung gefertigt und beiderseits unterschrieben werden. Schließlich kann auch eine zunächst nur mündlich abgegebene Erklärung oder eine getroffene Vereinbarung anschließend schriftlich bestätigt werden. Eine nur als Gedächtnisstütze von einem der Beteiligten gefertigte Aktennotiz, die den anderen Beteiligten nicht zugeleitet worden ist, ist im allgemeinen ohne Wirkung.
Das Erfordernis, wichtige Erklärungen schriftlich niederzulegen, gilt nicht nur für die Steuerpflichtigen, sondern auch für die Finanzbehörden. So hat z. B. der Bundesfinanzhof im Interesse der Klarheit und Rechtssicherheit bei Rechtsmittelverzichten die an sich schon strengen Anforderungen des Reichsfinanzhofs in den letzten Jahren hinsichtlich der Form und des Inhalts solcher Erklärungen erheblich erhöht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 524/52 U vom 30. Juli 1953, Slg. Bd. 57 S. 760, BStBl 1953 III S. 288; I 186/54 U vom 2. August 1955, Slg. Bd. 61 S. 345, BStBl 1955 III S. 331). Aber auch sonst können sich, wenn Streit entsteht, die Finanzbehörden auf Anordnungen, Auflagen usw., die sie gemacht haben, nur berufen, wenn sie protokolliert oder den Steuerpflichtigen schriftlich zugeleitet worden sind.
Welche Schwierigkeiten sich bei der Unterlassung schriftlicher Niederlegungen ergeben, zeigt der Streitfall. So ist bestritten, ob und welche Besprechungen vor der Währungsumstellung zwischen dem Steuerberater der Erblasserin mit den Finanzbeamten stattgefunden haben und was dabei geschehen ist. Ebenso ist bestritten, was in der Verhandlung vom 4. April 1952 von den Beteiligten erklärt worden ist und wie die Beteiligten die Verhandlung aufgefaßt haben.
Nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen bedeutet es keinen Rechtsverstoß, wenn das Finanzgericht mangels schriftlicher Niederlegung die Verhandlung als rechtlich unverbindliche Vorbesprechung aufgefaßt hat. Es kann dahingestellt bleiben, welche rechtliche Bedeutung der behaupteten Zusage von Regierungsrat F. zukäme, wenn sie in verkehrsüblicher und angemessener Form schriftlich gegeben worden wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 408572 |
BStBl III 1956, 341 |
BFHE 1957, 379 |
BFHE 63, 379 |