Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinslos einer GmbH gewährtes Darlehen: keine freigebige Zuwendung an Gesellschafter durch Werterhöhung der Gesellschaftsanteile, GmbH als Zuwendungsempfängerin
Leitsatz (amtlich)
Die als Folge einer Zuwendung an eine GmbH eintretende Erhöhung des Werts der Geschäftsanteile stellt keine Zuwendung an die Gesellschafter dar.
Orientierungssatz
Die Einräumung eines zinslosen Darlehens kann als unentgeltliche Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 beurteilt werden. Gegenstand der Zuwendung ist die unentgeltliche Gewährung der Nutzungsmöglichkeit des als Darlehen überlassenen Kapitals. Erwerber der einer GmbH gemachten Zuwendung ist, anders als bei einer Gesamthandsgemeinschaft, die GmbH selbst (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Am Stammkapital der ... GmbH waren W mit 100 000 DM sowie sein Sohn, der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), mit 300 000 DM beteiligt gewesen. Nach dem Tod des am 13. März 1983 verstorbenen W wurde der Kläger zunächst Alleingesellschafter der GmbH. Bei einer im Jahr 1988 durchgeführten Außenprüfung wurde dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein Beschluß der Gesellschafter der GmbH vom 16. Dezember 1982 mit folgendem Inhalt bekannt:
"...
3. Damit der Gesellschaft durch Kapitalabflüsse, insbesondere bei der Hereinnahme von Erben, keine Liquiditätsschwierigkeiten entstehen, wird beschlossen, daß die von dem Gesellschafter (W) der Firma gewährten Darlehen 10 Jahre der Gesellschaft in vollem Umfang zur Verfügung stehen und nicht aus der Gesellschaft entnommen werden können.
4. Der Gesellschafter (W) verzichtet auf die Dauer von 10 Jahren auf die Verzinsung der der Firma gewährten Darlehensbeträge. ..."
Nach einem weiteren Gesellschafterbeschluß vom 20. Dezember 1982 sollte der Kläger, der der GmbH ebenfalls Darlehen gewährt hatte, dafür grundsätzlich bankübliche Zinsen erhalten, soweit die Vermögenssituation der GmbH dies zuließ.
Das FA wertete den im Gesellschafterbeschluß vom 16. Dezember 1982 vereinbarten Zinsverzicht seitens des W als freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) 1974 des W an den Kläger und setzte mit Bescheid vom 24. August 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. März 1991 entsprechend der Beteiligung des Klägers an der GmbH aus 75 v.H. des aufgrund des Zinsverzichtes errechneten Abzinsungsbetrages von 1 886 069 DM des Darlehens die Schenkungsteuer auf 145 695 DM fest.
Mit der Klage begehrte der Kläger, die Schenkungsteuerfestsetzung aufzuheben. Er trug vor, der Gesellschafterbeschluß vom 16. Dezember 1982 sei gefaßt worden, nachdem aus der am 30. November 1982 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 1980 eine Überschuldung der GmbH sichtbar geworden sei. Der Zinsverzicht seitens des W habe keine freigebige Zuwendung dargestellt, weil er ausschließlich erfolgt sei, um Schaden von der GmbH abzuwenden und diese zu sanieren.
Das Finanzgericht (FG) hat die GmbH gemäß § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Verfahren beigeladen.
Die Klage hatte Erfolg. Der Kläger könne, so führte das FG aus, nicht Schuldner der Schenkungsteuer sein, auch wenn er durch die freigebige Zuwendung an die GmbH mittelbar begünstigt gewesen sei. Bereichert worden sei durch den Zinsverzicht die GmbH. Sie sei ein selbständiges Steuersubjekt im Sinne des ErbStG und Erwerberin i.S. des § 20 Abs. 1 ErbStG 1974. Hinsichtlich des Vermögens einer Körperschaft gebe es keinen "Durchgriff" durch die GmbH auf die Gesellschafter. Darauf, daß diese mittelbar wirtschaftlich über den Wert ihrer GmbH-Anteile bereichert worden seien, sei nicht abzustellen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Bei der Zuwendung eines Gesellschafters an seine Kapitalgesellschaft handele es sich nicht um eine unentgeltliche Zuwendung; denn dieser Zuwendung stehe die gleichzeitig damit eintretende Werterhöhung bei den Anteilen der Gesellschaft gegenüber. Andererseits liege in der Erhöhung des Werts der Anteile eine Bereicherung der Gesellschafter, soweit die Zuwendung an die Kapitalgesellschaft nicht von allen Gesellschaftern nach Maßgabe ihrer Beteiligungsverhältnisse erbracht werde. Der Gesellschafter W habe durch den Zinsverzicht gegenüber der GmbH eine Leistung erbracht. Über die Werterhöhung seiner Geschäftsanteile habe er den hingegebenen Wert teilweise --in Höhe der Quote seiner Beteiligung-- wieder zurückerhalten und sei insoweit nicht entreichert worden. Die Geschäftsanteile des Klägers hätten durch die Leistung des W an die GmbH ebenfalls eine Werterhöhung erfahren. Dadurch sei der Kläger i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 bereichert worden, ohne eine entsprechende Gegenleistung erbracht zu haben.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und die Beigeladene beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG den gegen den Kläger gerichteten Erbschaftsteuerbescheid vom 24. August 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. März 1991 aufgehoben, weil der Kläger nicht Bedachter i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 und damit nicht Erwerber und Steuerschuldner der Schenkungsteuer i.S. des § 20 Abs. 1 ErbStG 1974 in bezug auf den Vorteil aus der zinslosen Überlassung der Darlehensbeträge durch W war.
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Einräumung eines zinslosen Darlehens als unentgeltliche Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 beurteilt werden kann; dies entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631, und vom 30. März 1994 II R 105/93, BFH/NV 1995, 70). Gegenstand der Zuwendung ist die unentgeltliche Gewährung der Nutzungsmöglichkeit des als Darlehen überlassenen Kapitals.
2. Im Streitfall ist der Kläger nicht Empfänger einer solchen Zuwendung.
a) Nach dem der rechtlichen Beurteilung durch den Senat zugrunde zu legenden Sachverhalt (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) kommt der Kläger unmittelbar als Empfänger des durch W gewährten Vermögensvorteils nicht in Betracht, denn W hatte nicht dem Kläger, sondern der GmbH das Darlehen gewährt. W hat dieser gegenüber den Verzicht auf die Verzinsung der Darlehensbeträge ausgesprochen. Die GmbH war damit berechtigt, die ihr von W zur Verfügung gestellten Geldbeträge unentgeltlich zu nutzen. Anhaltspunkte daür, daß dem Zinsverzicht eine Zuwendung des W an den Kläger zugrunde liege, die lediglich unter Verkürzung des Leistungswegs über die GmbH ausgeführt werden sollte, liegen nicht vor.
b) Zu Recht hat das FG die Auffassung des FA abgelehnt, daß der Kläger deshalb auf Kosten des W bereichert worden sei, weil der Geschäftsanteil des Klägers durch die Leistung des W an die GmbH eine Werterhöhung erfahren habe. Es trifft zwar zu, daß der Wert der Geschäftsanteile wesentlich durch den Bestand des Gesellschaftsvermögens bestimmt wird, so daß eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens regelmäßig den Wert der Geschäftsanteile erhöht. Hieraus darf jedoch, entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Knobbe-Keuk, Steuerberaterjahrbuch 1978/79, S.412, 438; Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 7 Rz. 30), nicht gefolgert werden, daß die unentgeltliche Zuwendung an eine GmbH insoweit bei den Gesellschaftern zu erfassen sei, als sie sich in einer Erhöhung des Wertes ihrer Geschäftsanteile auswirke. Empfänger der einer GmbH gemachten Zuwendung ist, anders als bei der Gesamthandsgemeinschaft (OHG, KG, GbR; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. September 1994 II R 95/92, BFHE 176, 44, BStBl II 1995, 81), die GmbH selbst, denn das Gesellschaftsvermögen ist Vermögen der GmbH. Sie ist Bedachte der Zuwendung und wird durch die Zuwendung als Inhaberin des Gesellschaftsvermögens (§ 13 Abs. 1, 2. Halbsatz, Abs. 2 GmbH-Gesetz) auf Kosten des Zuwendenden bereichert (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974). Ob im Streitfall der Annahme einer freigebigen Zuwendung an die GmbH gesellschaftsrechtliche Gründe entgegenstehen, hat der Senat nicht zu entscheiden.
Die Wertveränderungen der Geschäftsanteile bleiben danach außer Betracht. Die (mögliche) Werterhöhung der Geschäftsanteile spiegelt zwar die auf der unentgeltlichen Zuwendung beruhende Werterhöhung des Gesellschaftsvermögens wider. Die Gesellschafter sind insoweit jedoch nicht auf Kosten des Zuwendenden bereichert. Die Werterhöhung der Geschäftsanteile ist vielmehr Folge der Gesellschafterstellung und beruht auf ihr. Rechtsgrund der "Bereicherung" der Gesellschafter ist allein die im Geschäftsanteil verkörperte Mitgliedschaft der Gesellschafter; diese vermittelt die Teilhabe der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen.
Fundstellen
Haufe-Index 65459 |
BFH/NV 1996, 76 |
BFH/NV 1996, 76 (LT) |
BStBl II 1996, 160 |
BFHE 179, 157 |
BFHE 1996, 157 |
BB 1996, 515 |
BB 1996, 515-516 (LT) |
DB 1996, 556-557 (LT) |
DStR 1996, 379-380 (KT) |
DStZ 1996, 284 (KT) |
HFR 1996, 252 (L) |
StE 1996, 159 (K) |