Leitsatz (amtlich)
Ein Preisnachlaß, der nur solchen Käufern gewährt wird, die die Ausfuhr einer entsprechenden Menge aus gleichartigen Waren hergestellter Erzeugnisse nachweisen, kann nicht zollwertmindernd berücksichtigt werden.
Normenkette
ZG § 29 Abs. 1, § 31 Abs. 1; WertZO § 1 Abs. 1, § 31 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin beantragte am 5. November 1962 beim Zollamt (ZA) die Abfertigung von 34 Ballen (= 5 142,9 kg) aus Österreich eingeführter Zellwolle zum freien Verkehr. Der Rechnungspreis (2,48 DM/kg) war bei einem Teil der Ware (591 kg) um einen. Exportförderungsbetrag von 0,41 DM/kg (insgesamt 242,31 DM) gekürzt. Streitig ist, ob dieser Preisnachlaß zollwertmindernd zu berücksichtigen ist.
Der Preisnachlaß beruht auf einer Vereinbarung zwischen inländischen Zellwollherstellern und inländischen Textilverbänden. Ziel der Vereinbarung war es, den deutschen Export von Garnen und Geweben aus Zellwolle zu fördern. Die Klägerin hatte sich als ausländische Zellwollherstellerin aus Wettbewerbsgründen der Vereinbarung angeschlossen. Gemäß den zu dieser Vereinbarung ergangenen Richtlinien erteilten die Zellwollhersteller den inländischen Exporteuren für nachweislich ausgeführte Zellwollerzeugnisse auf Antrag Zellwolle-Bezugsberechtigungen (ZBB), die zum Nachbezug von um den Förderungssatz verbilligter Zellwolle berechtigten.
Das ZA lehnte es ab, den bezeichneten Preisnachlaß zollwertmindern zu berücksichtigen und setzte durch Bescheid vom 5. November 1962 den Zoll auf 1 042,60 DM, die Ausgleichsteuer auf 476,10 DM fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch die Klage (vormals Berufung) blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat auf die Beschwerde der Klägerin hin die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und die Eingangsabgaben in der Weise neu zu berechnen, daß der in der Rechnung vom 2. November 1962 aufgeführte Exportförderungsbetrag von 242,31 DM als zollwertmindernd anerkannt werde.
Zur Begründung wird vorgetragen, das FG habe Begriff und Inhalt des in den §§ 29 ff. ZG normierten Zollwertes verkannt. Der Preis von 2,07 DM sei – ebenso wie der von 2,48 DM – derjenige Preis, der bei einem Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs habe erzielt werden können. Es ständen sich hier unabhängige Verkäufer und Käufer gegenüber. Einen Normalpreis für alle Fälle gäbe es nicht, sondern nur einen solchen für den Einzelfall. Es gäbe aber auch hier mehrere Normalpreise. Die Arten der Preisherabsetzung, die ihrem Grunde nach zu den Vorschriften über den Normalpreis nicht in Widerspruch stünden, seien in § 31 Abs. 1 der Wertzollordnung (WertZO) nicht erschöpfend aufgezählt. Sie müßten aber in jedem Falle handelsüblich sein. Dies sei hier der Fall. Der Preisnachlaß sei beim ZBB-Exportförderungsverfahren nicht auf einen gewissen Kreis von Käufern begrenzt. Jedem Kunden, der der Klägerin eine entsprechende Bezugsberechtigung vorlege, werde der verbilligte Nachbezug gewährt. Der verbilligte Nachbezugspreis stehe im Gegensatz zum Mengenrabatt von vornherein eindeutig lest und bedürfe keiner speziellen Vereinbarung.
Bei der Zellwolle-Exportförderung-Vereinbarung handle es sich im Grunde um die Bildung eines Kartells, zu dem sich die Vereinbarungspartner zusammengeschlossen hätten. Dieses Kartell ziele darauf ab, durch die Exportförderungsprämie, d. h. durch die Preisherabsetzung, zu einem Kartellpreis zu kommen. Daß ein solcher Kartellpreis als Normalpreis anzuerkennen sei, ergebe sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) VII 163/57 S vom 16. Dezember 1959 (BStBl III 1960, 150, BZBl 1960, 279). Im übrigen könne der verbilligte Nachbezugspreis auch als Funktionsrabatt im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 WertZO betrachtet werden. Ein Funktionsrabatt liege vor, wenn es sich um einen Rabatt handle, der Käufern wegen ihrer Handelsstufe gewährt werde. Sämtliche Käufer, denen der Exportförderungsrabatt eingeräumt worden sei, hätten die gleiche Handelsstufe, seien Be- und Verarbeitungsbetriebe im Sinne des § 4 Abs. 2 WertZO. Dieser Exportförderungsrabatt werde praktisch allen deutschen Baumwollspinnern, also allen denkbaren Käufern der gleichen Handelsstufe gewährt; die Kunden der Klägerin seien die im deutschen X-Verband zusammengeschlossenen Unternehmen. Durch den Rabatt der Klägerin werde der Preis an die Marktlage, d. h. die gegebenen Wettbewerbsverhältnisse angepaßt. Würde der streitige Preisnachlaß nicht anerkannt werden, so würde dies die Wettbewerbssituation, in der sich die Klägerin befinde, verfälschen.
Das Hauptzollamt (HZA) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es beruft sich auf das Urteil des BFH VII 71/58 vom 11. März 1959 (Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1959 S. 218 – ZfZ 1959, 218 –). Die Voraussetzungen, die für die Gewährung der Reyon-Bezugsberechtigung erfüllt sein müßten, glichen denen für die Gewährung der Zellwollebezugsberechtigung. Die Klägerin habe nicht bewiesen, daß der um den Exportförderungsbetrag ermäßigte Zellwollpreis jedem beliebigen Käufer eingeräumt werde.
Das FG habe bereits auf den zollwertrechtlich grundlegenden Unterschied zwischen Mengenrabatt und Zellwolle-Exportförderung hingewiesen. Ergänzend sei festzustellen, daß bei der Erfüllung eines Kaufgeschäfts in Teillieferungen der Mengenrabatt bereits bei der Abfertigung der ersten Teillieferung feststehen müsse (§ 33 Abs. 1 WertZO). Der Exportförderungs-Rabatt sei nicht mit einem Funktionsrabatt zu vergleichen; die ZBB sei nicht an eine bestimmte Handelsstufe gebunden, sie sei auch auf den Vorlieferanten übertragbar.
Durch den Exportförderungsbetrag werde der Zellwollepreis nicht im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 4 WertZO an die Marktlage angepaßt. Im Sinne dieser Vorschrift lägen Abschläge (oder Zuschläge), durch die wenig bewegliche Listenpreise der jeweiligen Marktlage entsprechend verändert würden, ohne daß es nötig wäre, deshalb eine neue Preisliste zu erstellen. Im Streitfalle lägen die Verhältnisse gerade umgekehrt. Die Einlassungen der Klägerin gingen in der Gesamtheit gesehen darauf hinaus, daß die Einfuhr von Zellwolle aus Österreich in das Bundesgebiet zwei Normalpreise gelten müßten, nämlich einmal für Zellwolle, die im Bundesgebiet verbleibe, und zum anderen für Zellwolle, die nach Verarbeitung im Bundesgebiet wieder ausgeführt werde. Es könne nur einen einheitlichen Normalpreis geben.
Die Ermäßigung des Preises um die Exportförderung sei ein außergewöhnlicher Preisnachlaß im Sinne des § 31 Abs. 2 WertZO. Es würde im Widerspruch zu den Bestimmungen des Wertzollrechts stehen, wollte man für die gleiche Qualität ein und derselben Ware des gleichen Verkäufers bei einem Verkauf an einen Abnehmer der gleichen Handelsstufe zwei verschiedene Preise als freie Marktpreise (normaler Preis) anerkennen.
Es möge sein, daß es sich bei dem ZBB-Verfahren um eine kartellmäßige Einrichtung handle. Trotzdem aber seien die Bruttopreise für die Zellwolle zwischen der Klägerin und ihren Abnehmern frei ausgehandelt. Der Exportförderungsbetrag von 0,41 DM/kg vermöge den freien Wettbewerbspreis von 2,48 DM/kg nicht in einen Kartellpreis von 2,07 DM/kg umzuwandeln.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Das ZA hat die eingeführte Zellwolle der Tarifnr. 56.01 – B des Deutschen Zolltarifs (DZT) 1962 zugewiesen. Für Waren dieser Tarifnummer wird der Zoll nach dem Zollwert (im Streitfall 9,6 % des Wertes) erhoben. Nach § 29 Abs. 1 ZG 1961 ist Zollwert der Normalpreis, der für die eingeführte Ware bei einem Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zwischen unabhängigen Verkäufern und Käufern im maßgebenden Zeitpunkt erzielt werden kann (Normalpreis). Damit ist nicht gesagt, daß jeder Preis schon deshalb, weil er im Einzelfall zwischen unabhängigen Partnern zustande gekommen ist, der Normalpreis ist. Nach dem Urteil des BFH VII 102, 114, 115/58 S vom 25. Februar 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 68 S. 483 – BFH 68, 483 –, BStBl 1959, 183) liegt ein Normalpreis nur dann vor, wenn der Verkaufspreis sich unter dem Gesetz von Angebot und Nachfrage bilden konnte, d. h. daß der über die zu bewertende Ware abgeschlossene Kaufvertrag nur dann als der Norm entsprechend anzusehen ist, wenn er anstatt von den konkreten Vertragspartnern ebensogut von beliebigen anderen hätte abgeschlossen werden können. Das ergibt sich auch aus § 1 Abs. 1 WertZO 1961, wo es heißt, daß bei der Feststellung des üblichen Wettbewerbspreises im Sinne des § 29 Abs. 1 ZG von dem Preis ausgegangen wird, zu dem der Verkäufer die eingeführte Ware üblicherweise an jeden Käufer verkauft oder verkaufen würde. Das FG hat unter Hinweis auf das den Parteien bekannte, amtlich nicht veröffentlichte Urteil des BFH VII 71/58 vom 11. März 1959 (ZfZ 1959, 218) ausgeführt, daß die Preisermäßigung im Streitfalle zu den Vorschriften über den Normalpreis insofern in Widerspruch stehe, als sie nicht jedem Käufer gleicher Handelsstufe, sondern nur solchen Käufern gewährt werde, die eine ZBB vorlegen, also besondere Voraussetzungen nachweisen können. Der Senat tritt der Auffassung des FG bei, daß die Preisermäßigung nicht zollwertmindernd anerkannt werden kann, weil sie keine allgemein gewährte Preisermäßigung darstellt. Die Preisermäßigung erhalten nur solche Käufer, die zusätzliche Bedingungen erfüllen, nämlich eine ZBB vorlegen. Der Einwand der Klägerin, daß alle potentiellen Käufer von Zellwolle dem Verfahren der Zellwolle-Exportförderung angeschlossen sind, kann hieran nichts ändern. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß die Käufer auch von ausländischen Lieferanten beziehen, die nicht dem Abkommen über das Exportförderungsverfahren beigetreten sind. In diesen Fällen müßte demnach der Abzug eines Exportförderungsbetrags vom Rechnungspreis entfallen. Es ist der Klägerin zuzugeben, daß es für eine Ware verschiedene Normalpreise geben kann; hierbei kann es sich jedoch nur um Schwankungen innerhalb eines engen Rahmens (Preisbandes) handeln (vgl. § 28 WertZO). Ein solcher Fall liegt jedoch dann nicht vor, wenn innerhalb ein und derselben Warensendung eines Verkäufers an einen Käufer für einen Teil der Waren ein um ein Sechstel verminderter Preis in Rechnung gestellt ist.
Zutreffend hat die Vorinstanz auch ausgeführt, daß der Exportförderungsbetrag nicht mit einem Mengenrabatt im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WertZO verglichen werden kann, weil beim Mengenrabatt die Begrenzung des Preisnachlasses anderer Natur ist als die im Streitfalle durch das Exportförderungsverfahren bewirkte. Beim Exportförderungsverfahren wird der Preisnachlaß, wie das FG richtig feststellt, nur dem an diesem Verfahren beteiligten Abnehmer gewährt, während der Mengenrabatt jedem beliebigen Käufer gewährt wird, der ein bestimmtes Quantum einer Ware abnimmt.
Auch der von der Klägerin vorgetragenen Auffassung, daß der Exportförderungsbetrag zollwertmindernd berücksichtigt werden müsse, weil es sich bei der Zellwolle-Exportförderung-Vereinbarung im Grunde um die Bildung eines Kartells handle und daß nach dem Urteil des BFH VII 163/57 S vom 16. Dezember 1959 (BFH 70, 402, BStBl III 1960, 150) ein Kartellpreis als Normalpreis anzuerkennen sei, kann nicht gefolgt werden. Das angeführte Urteil bezog sich auf einen Fall, in dem es um die von einem Kartell ausländischer Verkäufer festgelegten Preise ging; im Streitfall dagegen hatte sich die ausländische Klägerin der Vereinbarung inländischer Hersteller und Exporteure angeschlossen. Es liegt insofern ein wesentlich anderer Sachverhalt vor.
Entgegen der Meinung der Klägerin kann der Exportförderungsbetrag auch nicht als Funktionsrabatt im Sinne von § 31 Abs. 1 Nr. 3 WertZO betrachtet werden. Wie das HZA richtig ausführt, wird ein Funktionsrabatt Käufern wegen ihrer Handelsstufe gewährt. Der Exportförderungsbetrag wird aber, wie sich aus der Vorentscheidung ergibt, nicht wegen der Handelsstufe des Käufers eingeräumt, sondern weil der Käufer der Zellwolle den Nachweis erbracht hat, daß er eine entsprechende Menge Zellwolleerzeugnisse exportiert hat.
Aus den vorstehenden Gründen, insbesondere weil die Preisermäßigung im Streitfalle von der Erfüllung besonderer Bedingungen abhängt, also nicht allgemein gewährt wird, kann auch nicht die Rede davon sein, daß es sich um einen Rabatt zur Anpassung des Preises an die Marktlage im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 4 WertZO handle.
Nach alledem stellt daher der Exportförderungsbetrag, um den der Rechnungspreis gekürzt wurde, eine Ermäßigung des üblichen Wettbewerbspreises im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 ZG dar. Die Klage ist daher zu Recht abgewiesen worden. Demnach war auch die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514824 |
BFHE 1970, 452 |