Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an dem im Urteil V 162/52 S vom 8. Februar 1955 (BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294) aufgestellten Grundsatz fest, daß Organschaft die Unternehmereinheit ausschließt. 2. Zu dem für das Umsatzsteuerrecht maßgebenden Begriffe des Organschaftsverhältnisses.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 S. 2, § 2/2/2
Tatbestand
I. Bescheid
Die Beschwerdeführerin (Bfin.), ein Steinkohlebergwerk in der Form der AG, und ein Hüttenwerk sind Tochtergesellschaften einer Aktiengesellschaft, die an den beiden Tocktergesellschaften zu 100 % beteiligt ist. Streitig ist, ob die für Lieferungen der Bfin. an die Schwestergesellschaft im Jahre 1955 vereinnahmten Entgelte umsatzsteuerpflichtig sind. Die Bfin. bestreitet die Umsatzsteuerpflicht, weil Unternehmereinheit zwischen den beiden Schwestergesellschaften vorliege. Finanzamt und Finanzgericht haben eine Unternehmereinheit verneint. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Ihre Prüfung ergibt folgendes.
Entscheidungsgründe
Nach der von der Bfin. angeführten Entscheidung des erkennenden Senats V 162/52 S vom 8. Februar 1955 (BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294) ist Unternehmereinheit zwischen juristischen Personen möglich. Neben den hierfür notwendigen Voraussetzungen der Beteiligung der gleichen Personen in demselben Verhältnis an diesen Gesellschaften und der Gewährleistung einer einheitlichen Willensbildung bei ihnen ist in dem Urteil noch als weiteres Tatbestandsmerkmal der Unternehmereinheit vorgesehen, daß die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles eindeutig und ausschließlich das Verhältnis der Nebenordnung aufweisen. Ein solches Nebenordnungsverhältnis liegt nach dem Urteil nicht vor, wenn ein tatsächliches Unterordnungsverhältnis der einzelnen juristischen Personen gegenüber einem übergeordneten Unternehmen besteht. Eine juristische Person, die Organgesellschaft ist, kann deshalb mit einer anderen juristischen Person eine Unternehmereinheit nicht bilden. An diesem für die Frage der Unternehmereinheit zwischen juristischen Personen geltenden Erfordernis hält der erkennende Senat fest. Denn beide Rechtsfiguren - Organschaft und Unternehmereinheit - beruhen auf zwei verschiedenen Tatbeständen mit umsatzsteuerrechtlich verschiedenen Rechtsgrundlagen. Organschaft bedeutet im Verhältnis zwischen mehreren Gesellschaften Eingliederung und damit Abhängigkeit = Unterordnung; Unternehmereinheit bedeutet keine Eingliederung und damit Unabhängigkeit = Nebenordnung der in Betracht kommenden Gesellschaften. Es ist somit tatsächlich und rechtlich nicht möglich, daß eine Gesellschaft eingegliedert und gleichzeitig nebengeordnet, also nicht eingegliedert ist. Organschaft (Unterordnung) und Unternehmereinheit (Nebenordnung) schließen deshalb einander aus.
Im Streitfalle wird von der Bfin. geltend gemacht, daß ein Unterordnungsverhältnis der Tochtergesellschaften, also auch der Bfin., nicht vorliege, weil die Muttergesellschaft kein eigenes Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) habe, in das die Tochtergesellschaften eingegliedert werden könnten. Es wird dies damit begründet, daß die Muttergesellschaft lediglich die Geschäfte der Tochtergesellschaften führe und sie dabei keine Umsätze im Sinne des § 1 Ziff. 1 UStG tätige, da sie Einnahmen für diese Tätigkeit nicht erziele und auch nicht erzielen wolle. Für die Annahme eines Unternehmens im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sei aber nach § 2 Abs. 1 UStG erforderlich, daß aus der Tätigkeit umsatzsteuerbare Einnahmen erzielt würden. Das Vorhandensein eines solchen Unternehmens sei aber andererseits Voraussetzung für die Unterordnung, da nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 17 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) die juristische Person in das Unternehmen der Obergesellschaft eingegliedert sein müsse. Die unentgeltlich geübte Geschäftsleitung der Muttergesellschaft stelle sich nur als unternehmerische Funktion innerhalb der Tochtergesellschaften dar, wie dies auch bei einer natürlichen Person, die mehrere Unternehmen (Betriebe) habe und in ihnen tätig werde, der Fall sei.
Der Bfin ist darin zuzustimmen, daß es für den Begriff der Organschaft darauf ankommt, daß eine Eingliederung der Tochtergesellschaften in den Organismus, das Unternehmen der übergeordneten Gesellschaft notwendig ist. Die Entscheidung des Streitfalles hängt daher davon ab, ob die Muttergesellschaft eine Tätigkeit ausübt, die als Unternehmen im Sinne des UStG anzusprechen ist und bejahendenfalls, ob die Tochtergesellschaften in dieses Unternehmen eingegliedert sind. Bei Prüfung dieser Frage kann die Stellung der beteiligten Gesellschaften nicht isoliert für sich betrachtet werden, sondern es unterliegt der gesamte Sachverhalt der Würdigung. Denn nach der ständigen Rechtsprechung, die in § 17 Abs. 2 UStDB ihren Niederschlag gefunden hat, ist für die Frage der Organschaft das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse entscheidend und somit auch für die Frage, ob die Muttergesellschaft ein Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG betreibt, in das die Tochtergesellschaften eingegliedert sind. Es sind deshalb sowohl der satzungsmäßige Zweck der Muttergesellschaft als auch die vertraglichen Abmachungen, die zu dem tatsächlich bestehenden Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft geführt haben, in ihrer wirtschaftlichen gegenseitigen Bedeutung zu prüfen und zu beurteilen.
Nach § 2 der Satzung der Muttergesellschaft ist Gegenstand ihres Unternehmens
der Kohlenbergbau und die Weiterverarbeitung seiner Erzeugnisse einschließlich der Veredelung und Umwandlung der Kohle und der Kohlenwerkstoffe sowie der Vertrieb dieser Erzeugnisse und die Vornahme damit zusammenhängender Geschäfte aller Art,
die Gewinnung von Erz, aller sonstigen für die Stahlherstellung erforderlichen Rohstoffe, die Erzeugung und Verarbeitung von Eisen und Stahl sowie von anderen Werkstoffe und Erzeugnissen, die damit zusammenhängen, und die Vornahme aller damit verbundenen Handelsgeschäfte durch Verwaltung der der Gesellschaft gehörenden Anteilsrechte der Steinkohlenbergwerk Aktiengesellschaft (Bfin.), Hüttenwerke Aktiengesellschaft, unter Zusammenfassung in der Geschäftsführung zwecks Abstimmung und Ausgleich ihrer wirtschaftlichen Interessen nach Maßgabe von Organschaftsverträgen einschließlich von Gewinn- und Verlustübernahme.
In den Verträgen zwischen der Muttergesellschaft und den beiden Tochtergesellschaften ist bestimmt, daß die Tochtergesellschaften im Innenverhältnis ausschließlich für Rechnung der Obergesellschaft und nach dem Willen der Obergesellschaft und deren Weisungen zu handeln haben, wobei genaue Abmachungen über die in dieser Hinsicht zu treffenden Maßnahmen seitens der Obergesellschaft festgelegt sind.
Aus diesen satzungsmäßigen und vertraglich festgelegten Bindungen, die sich durch die Verweisungen als ein einheitliches Ganzes erweisen und deshalb auch einheitlich zu beurteilen sind, ergibt sich, daß die Rechte, die hiernach der Muttergesellschaft zustehen, so weitgehend sind, daß diese weder als reine Verwaltungsgesellschaft, wie von der Bfin. auch nicht behauptet wird, noch aber auch als bloße Geschäftsführungsgesellschaft angesprochen werden kann. Die Muttergesellschaft hat nicht nur eine unbedingte Weisungsbefugnis, die für sich betrachtet als ein Merkmal der Geschäftsführung anzuerkennen ist, die Tochtergesellschaften handeln auch ausschließlich für Rechnung der Obergesellschaft und haben den gesamten Ertrag an die Muttergesellschaft herauszugeben, die ihnen Erstattung ihrer Aufwendungen und eine gewisse Verzinsung ihres Kapitals gewährt. Diese Befugnisse können in ihrer Gesamtheit nicht mehr als ein Ausfluß der Gesellschaftereigenschaft der Muttergesellschaft angesehen werden, sie überschreiten auch die Rechte und Pflichten einer nur die Geschäfte leitenden Person. Ihr Inhalt ergibt vielmehr, daß die Muttergesellschaft die ausschließlich nach ihren Weisungen und auf ihre Rechnung geführten Werke der Tochtergesellschaft wirtschaftlich selbst betreibt, wobei sie sich der Tochtergesellschaften als ihrer Organe bedient. Nach dem Gesamtbild der bestehenden Verhältnisse muß die Muttergesellschaft deshalb wirtschaftlich und tatsächlich als Unternehmerin der Werke der Tochtergesellschaften erachtet werden. Ihr Unternehmen umfaßt diese Werke, wobei die Tochtergesellschaft jeweils das Werk bewirtschaftet, das ihr von der Muttergesellschaft zugewiesen ist. Hiernach liegen alle Voraussetzungen bei der Muttergesellschaft vor, die das UStG für den Begriff des Unternehmens verlangt. Daß die Umsätze, die bei diesem Unternehmen gegen Entgelt getätigt werden, nicht im Namen der Muttergesellschaft, sondern in dem der Tochtergesellschaften erfolgen, die Muttergesellschaft also nach außen nicht erkennbar hervortritt, vermag hieran nichts zu ändern. Die Rechtsprechung erkennt gerade in Fällen der vorliegenden Art ein Auftreten der Muttergesellschaft nach außen an, indem sich diese der Tochtergesellschaften als ihrer Organe für die Betätigung der Umsätze bedient (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V A 136/34 vom 11. Januar 1935 - RStBl 1935 S. 636, Slg. Bd. 27 S. 132, und die dort aufgeführten Urteile -, ferner V 312/38 vom 6. Oktober 1939 - RStBl 1939 S. 1109 -, Urteil des Bundesfinanzhofs V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294).
In dieses Unternehmen der Muttergesellschaft sind die Tochtergesellschaften, also auch die Bfin., finanziell durch die 100 %ige Beteiligung der Muttergesellschaft an ihnen, organisatorisch - wie unbestritten - durch weitgehende Personengleichheit in Vorstand und Aufsichtsrat der Mutter- und Tochtergesellschaften und wirtschaftlich durch die Geschäftsführung der Obergesellschaft eingegliedert.
Hiernach ist die Bfin. der Muttergesellschaft untergeordnet, in ihr Unternehmen eingegliedert. Damit erledigen sich auch die weiteren Einwände der Bfin. hinsichtlich der Auslegung des Art. II des Kontrollratgesetzes (KRG) Nr. 15 und der sich hieraus etwa ergebenden weiteren Bedenken. Es liegt somit zwischen der Muttergesellschaft und der Bfin. ein Unterordnungsverhältnis vor, das die Unternehmereinheit, die ein Nebenordnungsverhältnis verlangt, ausschließt. Auf die aus den Darlegungen der Bfin. sich ergebende Frage, ob bei einer Unternehmereinheit eine juristische Person lediglich Unternehmer anderer juristischer Personen sein könne, war im Streitfalle nicht einzugehen, da die tatsächlichen Verhältnisse des Falles für die Annahme eines solchen Sachverhalts nicht zutrafen. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob eine solche Möglichkeit überhaupt besteht. Inwieweit im übrigen von der Bfin. aufgeführte Beispiele in tatsächlicher Hinsicht dem hier vorliegenden Falle gleichzustellen sind oder inwiefern sie davon abweichen, kann der Senat im Streitfalle nicht beurteilen und darüber auch nicht entscheiden.
Hiernach war der Vorinstanz im Ergebnis beizutreten. Nach den vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen und der im streitigen Zeitraum bestehenden Rechtslage haben die Vorinstanzen zutreffend die Einnahmen der Bfin. im Januar 1955 aus ihren Lieferungen an die Schwestergesellschaft der Umsatzsteuer unterworfen. Die Rb. war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
II. - Urteil Wegen des Sachverhaltes und dessen rechtlicher Würdigung wird auf den Bescheid des Senats vom 12. Dezember 1957 Bezug genommen.
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, daß die Ausführungen des Bescheides, wonach die Unternehmereinheit keine Eingliederung bedeute, im Gegensatz zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs II 36/50 U vom 15. Juni 1951 (BStBl 1951 III S. 215, Slg. Bd. 55 S. 529) und V 162/52 S vom 8. Februar 1955 (BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294) stünden. Der Bfin. ist darin zuzustimmen, daß sowohl bei der Organschaft als auch bei der Unternehmereinheit eine Eingliederung vorliegt, allerdings bei der Organschaft im Sinne der Unterordnung, bei der Unternehmereinheit im Sinne der Nebenordnung. Wenn im Bescheid vom 12. Dezember 1957 ausgeführt ist, daß Organschaft im Verhältnis zu mehreren Gesellschaften Eingliederung und damit Abhängigkeit = Unterordnung; Unternehmereinheit keine Eingliederung und damit Unabhängigkeit Nebenordnung der in Betracht kommenden Gesellschaften bedeutet, so sollte damit in Anlehnung an den bei der Definition der Organschaft verwendeten Begriff des Eingliederns (§ 17 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz - UStDB -) zum Ausdruck kommen, daß hier Eingliederung im Sinne der Abhängigkeit = Unterordnung gebraucht wird und zu verstehen ist. An der im Bescheid vertretenen Auffassung ändert sich im Ergebnis nichts dadurch, daß auch bei der Unternehmereinheit von einer Eingliederung, aber im Sinne der Nebenordnung gesprochen wird. Es bedeutet also Eingliederung bei der Organschaft Abhängigkeit = Unterordnung, Eingliederung bei der Unternehmereinheit Unabhängigkeit Nebenordnung. Tatsächlich und rechtlich ist es nicht möglich, daß eine Gesellschaft abhängig (untergeordnet) und gleichzeitig unabhängig (nebengeordnet) ist. Dies trifft sowohl bei einer 100 % - igen Beteiligung einer Obergesellschaft an anderen Gesellschaften als auch bei einer geringeren Beteiligung einer Obergesellschaft zu.
Die weiter in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Auffassung der Bfin., daß ein Unterordnungs-, also ein Organschaftsverhältnis nur möglich sei, wenn die Obergesellschaft selbst ein Unternehmen habe, in das die Tochtergesellschaft eingegliedert werden könne, steht mit der die Organschaftslehre begründenden Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nicht in Einklang. Schon in den frühesten Entscheidungen hat der Reichsfinanzhof ein Organschaftsverhältnis auch dann angenommen, wenn die Muttergesellschaft erst dadurch, daß sie eine ihr dienende Organgesellschaft ins Leben gerufen hat, zur Unternehmerin wurde (vgl. das in dieser Hinsicht grundlegende Urteil des Reichsfinanzhofs VA 97/24 vom 10. Februar 1925, Slg. Bd. 15 S. 312 ff). Die Muttergesellschaft betätigt sich in diesen Fällen vermittels der Tochtergesellschaft als ihrem Organ. Diese Rechtsprechung wurde stets aufrechterhalten, wie sich beispielsweise auch aus dem Urteil V A 140/34 vom 11. Januar 1935 (RStBl 1935 S. 661) ergibt. Da die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ihren Niederschlag in der gesetzlichen Festlegung des Begriffes der Organschaft gefunden hat (vgl. Begründung zum Umsatzsteuergesetz 1934, RStBl 1934 S. 1549, 1550), muß davon ausgegangen werden, daß die Begriffsbestimmung der Organschaft im Umsatzsteuergesetz auch solche Tatbestände umfaßt.
Wenn die Bfin. sich auf das zur Gewerbesteuer ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs I 119/56 U vom 25. Juni 1957 (BStBl 1957 III S. 303, Slg. Bd. 65 S. 181) beruft, wonach unabdingbare Voraussetzung eines Organschaftsverhältnisses ein Gewerbebetrieb der Obergesellschaft sei, in dem die Tochtergesellschaft als Organ der Obergesellschaft tätig werde, so kann dem für die Umsatzsteuer nicht gefolgt werden. Bei den unterschiedlichen Zielsetzungen der Umsatzsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer und der Gewerbesteuer als Ertrag- (Real-) steuer ist eine Gleichsetzung des Organschaftsbegriffes in vollem Umfange für beide Steuerarten nicht möglich. Während die Gewerbesteuer grundsätzlich auf den Betrieb abstellt, kommt es bei der Umsatzsteuer nur auf die Lieferungen und Leistungen an, gleichviel von welchem Gebilde diese ausgehen. Der erkennende Senat muß deshalb die übernahme der im Urteil I 119/56 U vom 25. Juni 1957 für die Gewerbesteuer dargelegten Grundsätze für die Umsatzsteuer ablehnen.
Die Bfin. hat in der mündlichen Verhandlung ferner hervorgehoben, daß der Sachverhalt des Streitfalles sich mit dem dem Urteil V 162/52 S vom 8. Februar 1955 zugrunde liegenden decke, so daß, nachdem dort Unternehmereinheit anerkannt worden sei, dies auch im Streitfalle geschehen müsse. Der Senat kann jedoch nicht anerkennen, daß der Sachverhalt in beiden Fällen gleich ist. So trugen die Beziehungen zwischen der Verwaltungsgesellschaft und den Betriebsgesellschaften im Falle des Urteils V 162/52 S nicht den ausschließlichen Charakter der Eingliederung im Sinne der Abhängigkeit und Unterordnung wie dies hier der Fall ist; auch bestanden dort hinsichtlich der Personenidentität der Gesellschafter bei allen Gesellschaften klare und eindeutige Verhältnisse, die persönlich haftenden Gesellschafter der Verwaltungsgesellschaft waren in allen Gesellschaften tätig, während im Streitfalle die Gesellschafter der Muttergesellschaft unbekannt sind. Diese wesentlichen Unterschiede im Sachverhalt der beiden Fälle rechtfertigen auch eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung.
Die Bfin. machte endlich noch geltend, daß, selbst wenn man zu der Auffassung käme, es läge im Streitfalle ein Organschaftsverhältnis vor, eine Steuerpflicht zwischen den beiden Tochtergesellschaften doch nicht gegeben sei, weil Art. II des Kontrollratgesetzes (KRG) Nr. 15 hier nicht anwendbar sei. Diese Vorschrift sei als Vorschrift der Besatzungsbehörden eng auszulegen und betreffe nur die Fälle, in denen ein Mutterunternehmen den Tochtergesellschaften vorgeordnet sei. Dies ergebe sich aus dem englischen Text des KRG, der von einem "parent enterprise" als der Obergesellschaft spreche. Im Streitfalle habe die Obergesellschaft kein Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung gehabt. Der Senat stimmt der Auffassung der Bfin. darin zu, daß die Vorschrift des KRG eng auszulegen ist. Er hat deshalb auch ein Organschaftsverhältnis, das zwischen einer Einzelperson als Unternehmerin und abhängigen Gesellschaften besteht, als nicht unter das KRG fallend angesehen (Urteil des Bundesfinanzhofs V 104/54 S vom 26. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 234, Slg. Bd. 61 S. 95). Dagegen vermag der Senat der von der Bfin. vorgetragenen Auslegung des Art. II Ziff. 1 KRG nicht zuzustimmen. Der englischen Fassung, die nach dem Wortlaut von einem Mutterunternehmen spricht, steht die französische Fassung gegenüber, die die Obergesellschaft schlechthin als societe mere bezeichnet. Wie in dem Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs V 17/52 S vom 17. Juli 1952 (BStBl 1952 III S. 234, Slg. Bd. 56 S. 604) ausgeführt wurde, weichen die fremdsprachigen Texte der Kontrollratsgesetzgebung wegen der notwendigen Zusammenarbeit verschiedener Mächte mit jeweils eigener Gesetzestechnik häufig voneinander ab und führen in dem erforderlichen Bestreben, die Texte aufeinander abzustimmen, zu unklaren Formulierungen. Deshalb gibt der Text allein keine sichere Grundlage für die richtige Auslegung. Nach dem genannten Urteil V 17/52 S, von dem abzuweichen der erkennende Senat keinen Anlaß sieht, steht jedoch fest, daß es sich bei Art. II KRG Nr. 15 um die im Umsatzsteuergesetz festgelegte Organschaft handelt, und zwar entsprechend der oben erwähnten engen Auslegung um Organschaftsverhältnisse von Mutter- und Tochtergesellschaft. In allen Fällen deshalb, in denen ein solches Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft wie hier festgestellt ist, müssen die Voraussetzungen für die Anwendung des KRG entsprechend seiner wirtschaftspolitischen Einstellung als gegeben angesehen werden. Die Bfin. kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf den mit Urteil V 162/52 S vom 8. Februar 1955 entschiedenen, mehrfach erwähnten Fall berufen, da dort - im Gegensatz zum vorliegenden Falle - die Steuerfreiheit der Umsätze wegen bestehender Unternehmereinheit auszusprechen war und diese vom KRG nicht betroffen ist. Eine ungleiche Behandlung beider Fälle kann deshalb auch vom Standpunkt des KRG Nr. 15 aus nicht anerkannt werden.
Hiernach muß es bei der im Bescheid erfolgten rechtlichen Beurteilung des Streitfalles verbleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 409320 |
BStBl III 1959, 204 |
BFHE 1959, 543 |
BFHE 68, 538 |