Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob bei einem abschöpfungsfreien Weizeneinfuhrgeschäft, bei dem seitens der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide der Verzicht auf den Abschöpfungsbetrag von der Ausfuhr der der Getreideeinfuhr entsprechenden Menge Mehl und Nachprodukten abhängig gemacht worden ist, der nichtabgeschöpfte Unterschiedsbetrag aus der Weizeneinfuhr mit zum Entgelt für die Berechnung der Umsatzsteuervergütungen für die Ausfuhrlieferungen rechnet.
Normenkette
UStG § 16; UStDB 1951 §§ 10, 73, 78
Tatbestand
Die Antragstellerin (Bgin.) betreibt Ein- und Ausfuhrhandel mit Getreide, Futtermitteln und Mehl. Ihre Geschäfte unterlagen im Vergütungszeitraum drittes Kalendervierteljahr 1955 der Regelung im § 8 des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) in der Fassung vom 24. November 1951 (BGBl 1951 I S. 901). Das einzuführende Getreide bot die Bgin. der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel (EVSt) zum Verkauf an; es wurde von dieser zu einem von ihr festgesetzten Preis übernommen. In der Regel wurde das Getreide im gleichen Vertrag an die Bgin. zum höheren Inlandspreis verkauft. Dadurch wurde der Unterschiedsbetrag zwischen Auslandspreis und dem höheren Inlandspreis zum Zwecke der Marktregelung abgeschöpft.
Um die Exportbetriebe der deutschen Ernährungswirtschaft auf dem Auslandsmarkt wettbewerbsfähig zu halten, ließ die EVSt auch abschöpfungsfreie Getreideeinfuhren zu. Davon machte die Bgin. im dritten Kalendervierteljahr 1955 Gebrauch, in dem sie Weizen einführte und eine entsprechende Menge Weizenmehl und angefallene Nachprodukte inländischer Mühlen ausführte. Nach dem als Beispiel dem Finanzamt vorgelegten Übernahmevertrag Nr. 18 900 nebst Abrechnungen geschah die Abwicklung wie folgt:
Die EVSt kaufte von der Bgin. 9135 t Weizen zu $ 61,50 je 1000 kg, Lieferung teils April/Mai, teils Juli/ September 1955. Sie verkaufte diese Menge Weizen gleichzeitig an die Bgin. zu dem Abgabepreis, der sich aus den im Zeitpunkt der Einfuhr geltenden Vorschriften über Getreidepreise in der Bundesrepublik ergeben würde. Der Verkauf geschah unter der Auflage, daß gegen diese Einfuhr eine Ausfuhr von Weizenmehl und der angefallenen Nachprodukte erfolge. Die Abwicklung des gesamten Import-Exportgeschäftes war innerhalb sechs Monaten nachzuweisen. Im Vertrage wurde ferner von der EVSt bestimmt: "Grundsätzlich kann nur der abschöpfungsfreien Wiedereinfuhr derjenigen Weizenmenge zugestimmt werden, die auf Grund des Devisenerlöses (Ausfuhrwert) beschafft werden kann, jedoch nur bis zur Höhe des Rohstoffbedarfs, der gemäß dem von uns festgesetzten Umrechnungssatz (50 % Mehl, 48 % Weizennachprodukte) zur Herstellung der ausgeführten Erzeugnisse benötigt wird." Nach dem Nachweis des Exports und der Devisengutschrift sollte der Unterschiedsbetrag zurückvergütet oder (im Falle einer Stundung des Unterschiedsbetrages gegen Bankgarantie) nicht erhoben werden.
Demgemäß erteilte in dem Beispielsfalle die EVSt der Bgin. am 6. Juni 1955 eine Unterschiedsberechnung für den eingetroffenen Weizen über .... DM und später nach Maßgabe der Mehl- und Kleieausfuhren unter dem 29. September, 22. Oktober, 5. November 1955 und 3. März 1956 Gutschriften über zusammen den gleichen Betrag.
Während die Bgin. für den Erwerb des Weizenmehls und der Kleie an die Mühlenbetriebe Inlandspreise aufzuwenden hatte, standen ihr aus dem Verkauf zur Verfügung: Der Devisenerlös der Verkaufspreise, die Gutschrift des Unterschiedsbetrags aus der gekoppelten Weizeneinfuhr und die Umsatzsteuervergütungen.
Streitig ist, ob der nichtabgeschöpfte Unterschiedsbetrag aus der Weizeneinfuhr mit zum Entgelt für die Berechnung der Umsatzsteuervergütungen für die Ausfuhrlieferungen zählt.
Das Finanzamt lehnte die Entgelteigenschaft ab. Es erkannte zwar an, daß zwischen der Ausfuhrleistung und dem Verzicht auf die Abschöpfungsbeträge ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe, es hielt aber für entscheidend, ob der Verzicht im wirtschaftlichen Ergebnis eine Entgeltauffüllung oder die Verbilligung des Mehleinkaufes bezwecke. Der zu niedrigen Auslandspreisen eingekaufte Weizen habe bei seinem Verkauf zu den höheren Inlandspreisen durch den Verzicht auf den Abschöpfungsbetrag einen erheblichen Gewinn erbracht. Dieser Gewinn sei aber kein zusätzliches Entgelt für das ausgeführte Weizenmehl. Die Abschöpfung habe den Sinn, die inländische Landwirtschaft vor den niedrigen Auslandspreisen zu schützen. Sie verliere ihren Sinn, wenn das Getreide im Inland zu Waren verarbeitet werde, die in Länder mit niedrigen Preisen ausgeführt werden sollten. Der Verzicht auf die Abschöpfung könne sich deshalb lediglich auf den Einkauf beziehen; er sei also keine Auffüllung des Ausfuhrerlöses.
Die Berufung, die auf den Vergütungszeitraum drittes Kalendervierteljahr 1955 beschränkt wurde, hatte insoweit Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts läßt sich der Standpunkt des Finanzamtes nur halten, wenn man die Weizeneinfuhr einerseits und die Ausfuhr des Mehls und der Nachprodukte anderseits als zwei voneinander getrennte wirtschaftliche Vorgänge ansehen könnte. Das sei aber nicht möglich, weil zusammengehörige wirtschaftliche Vorgänge nicht zerlegt werden dürften. Im Streitfalle handele es sich bei der Weizeneinfuhr und der Ausfuhr der Weizenerzeugnisse um einen zusammenhängenden und umsatzsteuerlich einheitlich zu würdigenden wirtschaftlichen Tatbestand; der Abschöpfungsverzicht sei im Übernahmevertrage mit der Ausfuhr einer entsprechenden Menge Weizenmehl und Nebenprodukten gekoppelt worden. Ohne das Ausfuhrgeschäft hätte es keinen Abschöpfungsverzicht gegeben. Es handele sich demnach um eine Zuwendung der EVSt an die Bgin. im Hinblick auf deren Ausfuhrlieferungen.
Entscheidungsgründe
Gegen die Einbeziehung des nichtabgeschöpften Unterschiedsbetrages in die Bemessungsgrundlage der Ausfuhrvergütungen (§§ 73, 78 in Verbindung mit § 10 UStDB) wendet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts; sie kann keinen Erfolg haben.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Entgeltcharakter der streitigen Aufwendungen der EVSt nur gegeben ist, wenn zwischen dem Verzicht der EVSt auf den Abschöpfungsbetrag und den Ausfuhrlieferungen der Bgin. ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, wie dies der Senat zuletzt im Urteil V 223/58 U vom 16. November 1961 (BStBl 1962 III S. 59) ausgesprochen hat. Diente der Verzicht der EVSt lediglich dem Zweck, die inländische Landwirtschaft vor den niedrigen Auslandspreisen zu schützen und bezöge er sich deshalb lediglich auf den Einkauf des Weizens, so wäre ein solcher unmittelbarer Zusammenhang mit der Ausfuhr in der Tat nicht gegeben. Der Senat beurteilt den Streitfall jedoch anders. Die EVSt hat nach dem klaren Wortlaut der Übernahmeverträge ihren Verzicht von der Ausfuhr von Weizenmehl und der anfallenden Nachprodukte abhängig gemacht; der Verzicht war beschränkt einmal durch den Devisenerlös der Ausfuhren, zum anderen durch den Rohstoffbedarf für die Ausfuhrlieferungen. Ohne das mit der Einfuhr verknüpfte Ausfuhrgeschäft hätte also ein Abschöpfungsverzicht gar nicht ausgesprochen werden können. Hierin zeigt sich gerade der enge unmittelbare Zusammenhang mit der Ausfuhr, so daß die Auffassung der Vorinstanz, die Zuwendung der EVSt sei im Hinblick auf die Ausfuhrlieferungen der Bgin. erfolgt, keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Die Abwicklung des gesamten, mit der Vorinstanz einheitlich zu beurteilenden Geschäftes bestätigt diese Auffassung. Der oben erwähnte Streitfall V 223/58 U lag anders; denn dort wurden die Frachtzuschüsse nur gezahlt zum Ausgleich der Frachtauslagen, die der Steuerpflichtigen beim Einkauf des ausländischen Brotgetreides erwachsen waren. Es sollten dadurch die teureren Einkaufspreise frachtungünstig gelegener Mühlen ausgeglichen werden, ohne daß der Verwendungszweck, also die Weiterlieferung der Mehlerzeugnisse, zur Voraussetzung der Zahlungen gemacht wurde. Es ließ sich also rechtfertigen, die Zuschüsse als nur der Einkaufsseite zugehörig anzusehen. Im Streitfalle handelt es sich um abschöpfungsfreie Getreideeinfuhren, bei der der Verzicht von der Ausfuhr der der Getreideeinfuhr entsprechenden Menge Mehl und Nachprodukten abhängig gemacht worden ist. Erst mit der Ausfuhrlieferung entstand der Anspruch der Bgin. auf Erstattung des Abschöpfungsbetrages oder, wenn dieser gestundet war, auf dessen Verzicht. Deshalb gehört er zusammen mit dem Devisenerlös zum Entgelt für die Ausfuhrlieferung.
Selbst wenn man mit der Rb. in dem Abschöpfungsbetrag eine veränderliche öffentlich-rechtliche Abgabe sehen wollte, würde dies an der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung nichts ändern; denn da auch nach Auffassung der Rb. der Abschöpfungsbetrag deshalb nicht erhoben wird, weil eine der Einfuhr von Getreide entsprechende Menge Mehl und Nachprodukte ausgeführt wird, so würde in dem Verzicht doch eine Zuwendung für die Ausfuhr liegen, die infolge des Verzichtes gerade ermöglicht werden soll. Die Bgin. hat hierzu zutreffend vorgetragen, daß mit der Feststellung des Abschöpfungsbetrages durch die EVSt der Anspruch auf diesen Betrag entstanden ist, und lediglich dann, wenn auch das Ausfuhrgeschäft zustande kommt, ein Anspruch auf Erstattung bzw. Erlaß ausgelöst wird.
Nach alledem ist der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang der Aufwendungen der EVSt, eines Dritten, mit der Ausfuhr zu bejahen. Liegen hiernach die Voraussetzungen des § 10 Satz 2 UStDB vor, so rechtfertigt sich die Zurückweisung der Rb.
Fundstellen
BStBl III 1962, 328 |
BFHE 1963, 166 |